Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Refraction, Präcession und Nutation. Luft durchaus dieselbe wäre, so würde aus diesem Gesetze folgen,daß die Dichte der Luft, also auch die Barometerhöhe in einer sogenannten geometrischen Progression abnimmt, wenn die Diffe- renzen der Höhen über der Erde in einer arithmetischen Progres- sion wachsen. Dieß ist bei den vorhergehenden Höhen für 27, 26, 25 und 24 Zoll des Barometers der Fall, da die Differenzen dieser Höhen 920, 960, 1000 Fuß betragen, wo man jede dieser Zah- len findet, wenn man die nächstvorhergehende durch 1,04 multipli- cirt, was eine charakteristische Eigenschaft der geometrischen Pro- gressionen ist. Allein auch dieß ist nicht der Fall der Natur und wir wissen, daß es auf hohen Bergen immer beträchtlich kälter ist, als in den Ebenen. Die in den oberen Gegenden der Atmosphäre herrschende Kälte wird also die Dichte der oberen Luftschichten wieder vermehren und so der Atmosphäre selbst Gränzen setzen. Wenn das Mariotti'sche Gesetz nach aller Schärfe wahr wäre, und wenn die Luft durchaus dieselbe Temperatur hätte, so würde sie sich, obschon in immer dünneren Schichten, von der Erde aus ohne Gränzen in den unendlichen Raum erstrecken. Wie es aber auch mit dieser Gränze der Atmosphäre sich verhalten mag, so ist aus den erwähnten Beobachtungen über die Abnahme der Dichte derselben klar, daß sie in einer Höhe, die den hundertsten Theil des Erddurchmessers, also nahe 17 Meilen, beträgt, schon so dünne seyn muß, daß nicht nur keines der uns bekannten Thiere mehr darin leben kann, sondern daß selbst unsere feinsten physischen In- strumente uns nicht einmal die Existenz derselben mehr anzugeben im Stande seyn würden. Die für unsere Sinne vielleicht noch fühlbare Luft erstreckt sich nicht über zwei d. Meilen von der Ober- fläche der Erde und in diesen Gegenden ist die Dichte derselben nahe der achte Theil ihrer Dichte an der Oberfläche des Meeres. Bis zu dieser Höhe kann man, den Beobachtungen gemäß, die Atmosphäre, ihre Dichte ausgenommen, in allgemeinen als gleichförmig oder aus der Oberfläche der Erde parallelen sphäri- schen Schichten bestehend annehmen, deren jede in allen Punkten gleich dicht ist, während die Dichte der verschiedenen Schichten selbst mit ihrer Höhe von der Erde nach dem erwähnten Gesetze abnimmt. Diese Annahme ist auch der Lehre von dem Gleichge- wichte der Flüssigkeiten vollkommen gemäß und sie setzt uns zu- Refraction, Präceſſion und Nutation. Luft durchaus dieſelbe wäre, ſo würde aus dieſem Geſetze folgen,daß die Dichte der Luft, alſo auch die Barometerhöhe in einer ſogenannten geometriſchen Progreſſion abnimmt, wenn die Diffe- renzen der Höhen über der Erde in einer arithmetiſchen Progreſ- ſion wachſen. Dieß iſt bei den vorhergehenden Höhen für 27, 26, 25 und 24 Zoll des Barometers der Fall, da die Differenzen dieſer Höhen 920, 960, 1000 Fuß betragen, wo man jede dieſer Zah- len findet, wenn man die nächſtvorhergehende durch 1,04 multipli- cirt, was eine charakteriſtiſche Eigenſchaft der geometriſchen Pro- greſſionen iſt. Allein auch dieß iſt nicht der Fall der Natur und wir wiſſen, daß es auf hohen Bergen immer beträchtlich kälter iſt, als in den Ebenen. Die in den oberen Gegenden der Atmoſphäre herrſchende Kälte wird alſo die Dichte der oberen Luftſchichten wieder vermehren und ſo der Atmoſphäre ſelbſt Gränzen ſetzen. Wenn das Mariotti’ſche Geſetz nach aller Schärfe wahr wäre, und wenn die Luft durchaus dieſelbe Temperatur hätte, ſo würde ſie ſich, obſchon in immer dünneren Schichten, von der Erde aus ohne Gränzen in den unendlichen Raum erſtrecken. Wie es aber auch mit dieſer Gränze der Atmoſphäre ſich verhalten mag, ſo iſt aus den erwähnten Beobachtungen über die Abnahme der Dichte derſelben klar, daß ſie in einer Höhe, die den hundertſten Theil des Erddurchmeſſers, alſo nahe 17 Meilen, beträgt, ſchon ſo dünne ſeyn muß, daß nicht nur keines der uns bekannten Thiere mehr darin leben kann, ſondern daß ſelbſt unſere feinſten phyſiſchen In- ſtrumente uns nicht einmal die Exiſtenz derſelben mehr anzugeben im Stande ſeyn würden. Die für unſere Sinne vielleicht noch fühlbare Luft erſtreckt ſich nicht über zwei d. Meilen von der Ober- fläche der Erde und in dieſen Gegenden iſt die Dichte derſelben nahe der achte Theil ihrer Dichte an der Oberfläche des Meeres. Bis zu dieſer Höhe kann man, den Beobachtungen gemäß, die Atmoſphäre, ihre Dichte ausgenommen, in allgemeinen als gleichförmig oder aus der Oberfläche der Erde parallelen ſphäri- ſchen Schichten beſtehend annehmen, deren jede in allen Punkten gleich dicht iſt, während die Dichte der verſchiedenen Schichten ſelbſt mit ihrer Höhe von der Erde nach dem erwähnten Geſetze abnimmt. Dieſe Annahme iſt auch der Lehre von dem Gleichge- wichte der Flüſſigkeiten vollkommen gemäß und ſie ſetzt uns zu- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0357" n="345"/><fw place="top" type="header">Refraction, Präceſſion und Nutation.</fw><lb/> Luft durchaus dieſelbe wäre, ſo würde aus dieſem Geſetze folgen,<lb/> daß die Dichte der Luft, alſo auch die Barometerhöhe in einer<lb/> ſogenannten geometriſchen Progreſſion abnimmt, wenn die Diffe-<lb/> renzen der Höhen über der Erde in einer arithmetiſchen Progreſ-<lb/> ſion wachſen. 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Refraction, Präceſſion und Nutation.
Luft durchaus dieſelbe wäre, ſo würde aus dieſem Geſetze folgen,
daß die Dichte der Luft, alſo auch die Barometerhöhe in einer
ſogenannten geometriſchen Progreſſion abnimmt, wenn die Diffe-
renzen der Höhen über der Erde in einer arithmetiſchen Progreſ-
ſion wachſen. Dieß iſt bei den vorhergehenden Höhen für 27, 26,
25 und 24 Zoll des Barometers der Fall, da die Differenzen
dieſer Höhen 920, 960, 1000 Fuß betragen, wo man jede dieſer Zah-
len findet, wenn man die nächſtvorhergehende durch 1,04 multipli-
cirt, was eine charakteriſtiſche Eigenſchaft der geometriſchen Pro-
greſſionen iſt. Allein auch dieß iſt nicht der Fall der Natur und
wir wiſſen, daß es auf hohen Bergen immer beträchtlich kälter
iſt, als in den Ebenen. Die in den oberen Gegenden der Atmoſphäre
herrſchende Kälte wird alſo die Dichte der oberen Luftſchichten
wieder vermehren und ſo der Atmoſphäre ſelbſt Gränzen ſetzen.
Wenn das Mariotti’ſche Geſetz nach aller Schärfe wahr wäre,
und wenn die Luft durchaus dieſelbe Temperatur hätte, ſo würde
ſie ſich, obſchon in immer dünneren Schichten, von der Erde aus
ohne Gränzen in den unendlichen Raum erſtrecken. Wie es aber
auch mit dieſer Gränze der Atmoſphäre ſich verhalten mag, ſo iſt
aus den erwähnten Beobachtungen über die Abnahme der Dichte
derſelben klar, daß ſie in einer Höhe, die den hundertſten Theil
des Erddurchmeſſers, alſo nahe 17 Meilen, beträgt, ſchon ſo dünne
ſeyn muß, daß nicht nur keines der uns bekannten Thiere mehr
darin leben kann, ſondern daß ſelbſt unſere feinſten phyſiſchen In-
ſtrumente uns nicht einmal die Exiſtenz derſelben mehr anzugeben
im Stande ſeyn würden. Die für unſere Sinne vielleicht noch
fühlbare Luft erſtreckt ſich nicht über zwei d. Meilen von der Ober-
fläche der Erde und in dieſen Gegenden iſt die Dichte derſelben
nahe der achte Theil ihrer Dichte an der Oberfläche des Meeres.
Bis zu dieſer Höhe kann man, den Beobachtungen gemäß, die
Atmoſphäre, ihre Dichte ausgenommen, in allgemeinen als
gleichförmig oder aus der Oberfläche der Erde parallelen ſphäri-
ſchen Schichten beſtehend annehmen, deren jede in allen Punkten
gleich dicht iſt, während die Dichte der verſchiedenen Schichten
ſelbſt mit ihrer Höhe von der Erde nach dem erwähnten Geſetze
abnimmt. Dieſe Annahme iſt auch der Lehre von dem Gleichge-
wichte der Flüſſigkeiten vollkommen gemäß und ſie ſetzt uns zu-
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