Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Refraction, Präcession und Nutation.
Untergange dieser Himmelskörper, wo sie an ihrem oberen und
noch mehr an ihrem unteren Rande stark abgeplattet erscheinen.
Wenn die Sonne eben ganz aufgegangen ist und ihr unterer Rand
noch im Horizonte steht, so wird derselbe durch die Horizontalre-
fraction um 33M erhöht (§. 185). Der obere Rand aber, der
bereits eine Höhe von 32M über dem Horizonte hat, leidet durch
die Refraction nur eine Erhöhung von 28M, so daß dieser der
höchste und tiefste Punkt der Sonne einander um volle fünf Mi-
nuten näher gebracht werden, während der östliche und westliche
Punkt des Sonnenrandes durch die Refraction gleichmäßig erhöht
und daher in ihrer Entfernung von einander nicht verändert werden.

Diese Horizontalrefraction ist auch der Grund, warum man
bei solchen Mondsfinsternissen, die am Horizonte statt haben, den
Mond sowohl als auch die Sonne über dem Horizonte sieht, ob-
schon diese beiden Himmelskörper zu jener Zeit um volle 180 Grade
von einander entfernt seyn müssen.

Uebrigens erscheinen uns die Gestirne, wenn sie nahe am
Horizonte stehen, in ihrem Lichte sehr geschwächt, so daß wir z. B.
die Sonne bei ihrem Auf- und Untergange ohne Schmerzen be-
trachten können, während sie um Mittag unsere Augen blendet.
Die Ursache dieser Erscheinung liegt darin, daß die Sonne, wenn
sie in der Nähe des Horizonts, in A (Fig. 25) ist, ihre Strahlen
durch den Weg aB in der Atmosphäre schickt, während sie, bei
einer größeren Höhe der Sonne in S, durch den Weg sB gehen.
Jener Weg ist aber bedeutend länger als dieser und er geht über-
dieß durch einen größeren Raum der unteren, der Erde näheren
und daher dichteren Luftschichten, wodurch das Licht der Sonne sehr
geschwächt wird. Nach Bouguer hat man für die Stärke des Lich-
tes der Himmelskörper, wenn man sie außer unserer Atmosphäre
gleich der Einheit setzt, für

[Tabelle]
so daß daher die Lichtstärke der Sonne am Horizonte über 810mal
schwächer ist, als im Zenithe.

§. 187. (Terrestrische Refraction.) Aus dem Vorhergehenden
folgt, daß der Lichtstrahl, wenn er von irgend einem Punkte zu

Refraction, Präceſſion und Nutation.
Untergange dieſer Himmelskörper, wo ſie an ihrem oberen und
noch mehr an ihrem unteren Rande ſtark abgeplattet erſcheinen.
Wenn die Sonne eben ganz aufgegangen iſt und ihr unterer Rand
noch im Horizonte ſteht, ſo wird derſelbe durch die Horizontalre-
fraction um 33M erhöht (§. 185). Der obere Rand aber, der
bereits eine Höhe von 32M über dem Horizonte hat, leidet durch
die Refraction nur eine Erhöhung von 28M, ſo daß dieſer der
höchſte und tiefſte Punkt der Sonne einander um volle fünf Mi-
nuten näher gebracht werden, während der öſtliche und weſtliche
Punkt des Sonnenrandes durch die Refraction gleichmäßig erhöht
und daher in ihrer Entfernung von einander nicht verändert werden.

Dieſe Horizontalrefraction iſt auch der Grund, warum man
bei ſolchen Mondsfinſterniſſen, die am Horizonte ſtatt haben, den
Mond ſowohl als auch die Sonne über dem Horizonte ſieht, ob-
ſchon dieſe beiden Himmelskörper zu jener Zeit um volle 180 Grade
von einander entfernt ſeyn müſſen.

Uebrigens erſcheinen uns die Geſtirne, wenn ſie nahe am
Horizonte ſtehen, in ihrem Lichte ſehr geſchwächt, ſo daß wir z. B.
die Sonne bei ihrem Auf- und Untergange ohne Schmerzen be-
trachten können, während ſie um Mittag unſere Augen blendet.
Die Urſache dieſer Erſcheinung liegt darin, daß die Sonne, wenn
ſie in der Nähe des Horizonts, in A (Fig. 25) iſt, ihre Strahlen
durch den Weg aB in der Atmoſphäre ſchickt, während ſie, bei
einer größeren Höhe der Sonne in S, durch den Weg sB gehen.
Jener Weg iſt aber bedeutend länger als dieſer und er geht über-
dieß durch einen größeren Raum der unteren, der Erde näheren
und daher dichteren Luftſchichten, wodurch das Licht der Sonne ſehr
geſchwächt wird. Nach Bouguer hat man für die Stärke des Lich-
tes der Himmelskörper, wenn man ſie außer unſerer Atmoſphäre
gleich der Einheit ſetzt, für

[Tabelle]
ſo daß daher die Lichtſtärke der Sonne am Horizonte über 810mal
ſchwächer iſt, als im Zenithe.

§. 187. (Terreſtriſche Refraction.) Aus dem Vorhergehenden
folgt, daß der Lichtſtrahl, wenn er von irgend einem Punkte zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0362" n="350"/><fw place="top" type="header">Refraction, Präce&#x017F;&#x017F;ion und Nutation.</fw><lb/>
Untergange die&#x017F;er Himmelskörper, wo &#x017F;ie an ihrem oberen und<lb/>
noch mehr an ihrem unteren Rande &#x017F;tark abgeplattet er&#x017F;cheinen.<lb/>
Wenn die Sonne eben ganz aufgegangen i&#x017F;t und ihr unterer Rand<lb/>
noch im Horizonte &#x017F;teht, &#x017F;o wird der&#x017F;elbe durch die Horizontalre-<lb/>
fraction um 33M erhöht (§. 185). Der obere Rand aber, der<lb/>
bereits eine Höhe von 32M über dem Horizonte hat, leidet durch<lb/>
die Refraction nur eine Erhöhung von 28M, &#x017F;o daß die&#x017F;er der<lb/>
höch&#x017F;te und tief&#x017F;te Punkt der Sonne einander um volle fünf Mi-<lb/>
nuten näher gebracht werden, während der ö&#x017F;tliche und we&#x017F;tliche<lb/>
Punkt des Sonnenrandes durch die Refraction gleichmäßig erhöht<lb/>
und daher in ihrer Entfernung von einander nicht verändert werden.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Horizontalrefraction i&#x017F;t auch der Grund, warum man<lb/>
bei &#x017F;olchen Mondsfin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;en, die am Horizonte &#x017F;tatt haben, den<lb/>
Mond &#x017F;owohl als auch die Sonne über dem Horizonte &#x017F;ieht, ob-<lb/>
&#x017F;chon die&#x017F;e beiden Himmelskörper zu jener Zeit um volle 180 Grade<lb/>
von einander entfernt &#x017F;eyn mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Uebrigens er&#x017F;cheinen uns die Ge&#x017F;tirne, wenn &#x017F;ie nahe am<lb/>
Horizonte &#x017F;tehen, in ihrem Lichte &#x017F;ehr ge&#x017F;chwächt, &#x017F;o daß wir z. B.<lb/>
die Sonne bei ihrem Auf- und Untergange ohne Schmerzen be-<lb/>
trachten können, während &#x017F;ie um Mittag un&#x017F;ere Augen blendet.<lb/>
Die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Er&#x017F;cheinung liegt darin, daß die Sonne, wenn<lb/>
&#x017F;ie in der Nähe des Horizonts, in <hi rendition="#aq">A</hi> (Fig. 25) i&#x017F;t, ihre Strahlen<lb/>
durch den Weg <hi rendition="#aq">aB</hi> in der Atmo&#x017F;phäre &#x017F;chickt, während &#x017F;ie, bei<lb/>
einer größeren Höhe der Sonne in <hi rendition="#aq">S</hi>, durch den Weg <hi rendition="#aq">sB</hi> gehen.<lb/>
Jener Weg i&#x017F;t aber bedeutend länger als die&#x017F;er und er geht über-<lb/>
dieß durch einen größeren Raum der unteren, der Erde näheren<lb/>
und daher dichteren Luft&#x017F;chichten, wodurch das Licht der Sonne &#x017F;ehr<lb/>
ge&#x017F;chwächt wird. Nach Bouguer hat man für die Stärke des Lich-<lb/>
tes der Himmelskörper, wenn man &#x017F;ie außer un&#x017F;erer Atmo&#x017F;phäre<lb/>
gleich der Einheit &#x017F;etzt, für<lb/><table><row><cell/></row></table> &#x017F;o daß daher die Licht&#x017F;tärke der Sonne am Horizonte über 810mal<lb/>
&#x017F;chwächer i&#x017F;t, als im Zenithe.</p><lb/>
          <p>§. 187. (Terre&#x017F;tri&#x017F;che Refraction.) Aus dem Vorhergehenden<lb/>
folgt, daß der Licht&#x017F;trahl, wenn er von irgend einem Punkte zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0362] Refraction, Präceſſion und Nutation. Untergange dieſer Himmelskörper, wo ſie an ihrem oberen und noch mehr an ihrem unteren Rande ſtark abgeplattet erſcheinen. Wenn die Sonne eben ganz aufgegangen iſt und ihr unterer Rand noch im Horizonte ſteht, ſo wird derſelbe durch die Horizontalre- fraction um 33M erhöht (§. 185). Der obere Rand aber, der bereits eine Höhe von 32M über dem Horizonte hat, leidet durch die Refraction nur eine Erhöhung von 28M, ſo daß dieſer der höchſte und tiefſte Punkt der Sonne einander um volle fünf Mi- nuten näher gebracht werden, während der öſtliche und weſtliche Punkt des Sonnenrandes durch die Refraction gleichmäßig erhöht und daher in ihrer Entfernung von einander nicht verändert werden. Dieſe Horizontalrefraction iſt auch der Grund, warum man bei ſolchen Mondsfinſterniſſen, die am Horizonte ſtatt haben, den Mond ſowohl als auch die Sonne über dem Horizonte ſieht, ob- ſchon dieſe beiden Himmelskörper zu jener Zeit um volle 180 Grade von einander entfernt ſeyn müſſen. Uebrigens erſcheinen uns die Geſtirne, wenn ſie nahe am Horizonte ſtehen, in ihrem Lichte ſehr geſchwächt, ſo daß wir z. B. die Sonne bei ihrem Auf- und Untergange ohne Schmerzen be- trachten können, während ſie um Mittag unſere Augen blendet. Die Urſache dieſer Erſcheinung liegt darin, daß die Sonne, wenn ſie in der Nähe des Horizonts, in A (Fig. 25) iſt, ihre Strahlen durch den Weg aB in der Atmoſphäre ſchickt, während ſie, bei einer größeren Höhe der Sonne in S, durch den Weg sB gehen. Jener Weg iſt aber bedeutend länger als dieſer und er geht über- dieß durch einen größeren Raum der unteren, der Erde näheren und daher dichteren Luftſchichten, wodurch das Licht der Sonne ſehr geſchwächt wird. Nach Bouguer hat man für die Stärke des Lich- tes der Himmelskörper, wenn man ſie außer unſerer Atmoſphäre gleich der Einheit ſetzt, für ſo daß daher die Lichtſtärke der Sonne am Horizonte über 810mal ſchwächer iſt, als im Zenithe. §. 187. (Terreſtriſche Refraction.) Aus dem Vorhergehenden folgt, daß der Lichtſtrahl, wenn er von irgend einem Punkte zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/362
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/362>, abgerufen am 21.11.2024.