Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Gestalt der Erde. von ihnen entfernenden Schiffe zuerst die untersten Theile dessel-ben aus dem Gesichte verlieren, und zuletzt, ehe das Ganze ver- schwindet, nur noch die höchsten Spitzen der Maste erblicken. Da diese Erscheinung auf allen Orten der Erde Statt hat, so muß diese selbst eine runde Gestalt haben, und kann keine Ebene seyn, weil in dem letztern Falle jenes Schiff, gleich einem Vogel oder einem Luftballone, je weiter er sich von uns entfernt, nicht, wie zuvor bloß an seiner unteren Seite unsichtbar, sondern in allen seinen Theilen zugleich kleiner werden, und endlich als ein für unser Auge unsichtbarer Punkt gänzlich verschwinden müßte. §. 8. (II. Aus Reisen in der Richtung des Meridians). Geſtalt der Erde. von ihnen entfernenden Schiffe zuerſt die unterſten Theile deſſel-ben aus dem Geſichte verlieren, und zuletzt, ehe das Ganze ver- ſchwindet, nur noch die höchſten Spitzen der Maſte erblicken. Da dieſe Erſcheinung auf allen Orten der Erde Statt hat, ſo muß dieſe ſelbſt eine runde Geſtalt haben, und kann keine Ebene ſeyn, weil in dem letztern Falle jenes Schiff, gleich einem Vogel oder einem Luftballone, je weiter er ſich von uns entfernt, nicht, wie zuvor bloß an ſeiner unteren Seite unſichtbar, ſondern in allen ſeinen Theilen zugleich kleiner werden, und endlich als ein für unſer Auge unſichtbarer Punkt gänzlich verſchwinden müßte. §. 8. (II. Aus Reiſen in der Richtung des Meridians). <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Geſtalt der Erde</hi>.</fw><lb/> von ihnen entfernenden Schiffe zuerſt die unterſten Theile deſſel-<lb/> ben aus dem Geſichte verlieren, und zuletzt, ehe das Ganze ver-<lb/> ſchwindet, nur noch die höchſten Spitzen der Maſte erblicken. Da<lb/> dieſe Erſcheinung auf allen Orten der Erde Statt hat, ſo muß<lb/> dieſe ſelbſt eine runde Geſtalt haben, und kann keine Ebene ſeyn,<lb/> weil in dem letztern Falle jenes Schiff, gleich einem Vogel oder<lb/> einem Luftballone, je weiter er ſich von uns entfernt, nicht, wie<lb/> zuvor bloß an ſeiner unteren Seite unſichtbar, ſondern in allen<lb/> ſeinen Theilen zugleich kleiner werden, und endlich als ein für<lb/> unſer Auge unſichtbarer Punkt gänzlich verſchwinden müßte.</p><lb/> <p>§. 8. (<hi rendition="#aq">II.</hi> Aus Reiſen in der Richtung des Meridians).<lb/> Jedermann kennt das ſchöne Sternbild am nördlichen Himmel,<lb/> welches man den großen Bären oder auch den Wagen nennt.<lb/> Es beſteht vorzüglich aus ſieben großen Sternen, deren vier wie<lb/> die Räder eines Wagens ſehr nahe ein regelmäßiges Viereck<lb/> bilden, während die drei anderen die etwas gekrümmte Deichſel<lb/> vorſtellen. Wenn man durch die beiden Hinterräder deſſelben eine<lb/> gerade Linie zieht, und die Verlängerung deſſelben gegen Norden,<lb/> fünfmal ſo groß nimmt, als die Diſtanz dieſer zwei Räder, ſo<lb/> trifft das Ende dieſer Linie einen anderen ſchönen Stern, den<lb/> man den <hi rendition="#g">Polarſtern</hi> nennt. Dieſer wichtige Stern, von wel-<lb/> chem wir ſpäter noch oft ſprechen werden, ſteht beinahe in völliger<lb/> Ruhe am Himmel, während alle anderen täglich kleinere oder<lb/> größere Kreiſe um ihn zu beſchreiben ſcheinen. Wenn man auf<lb/> der Erde in der Richtung von Süd nach Nord gleichſam auf den<lb/> Polarſtern zureist, ſo erhebt ſich jener Stern immer mehr über<lb/> unſeren Horizont, und zwar <hi rendition="#g">in demſelben Verhältniſſe</hi>, in<lb/> welchen man gegen Norden vorrückt. Eine ſolche Reiſe in der<lb/> Richtung von Süd gegen Nord würde z. B. die von Rom über<lb/> Venedig, Regensburg und Leipzig nach Roſtock ſeyn. In Rom<lb/> aber ſieht man den Polarſtern in der Höhe von 42 Graden über<lb/> dem Horizonte, während er in Roſtock 12 Grade höher oder in<lb/> der Höhe von 54 Graden über dem Horizont dieſer letzten Stadt<lb/> erſcheint. Allein die Diſtanz dieſer beiden Orte auf der Erde<lb/> beträgt 180 d. Meilen. Da aber, nach dem Vorhergebenden, 15<lb/> d. Meilen auf einen Grad des Umfangs der Erde gehen, ſo be-<lb/> tragen dieſe 180 Meilen ebenfalls 12 Grade auf der Oberfläche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0064]
Geſtalt der Erde.
von ihnen entfernenden Schiffe zuerſt die unterſten Theile deſſel-
ben aus dem Geſichte verlieren, und zuletzt, ehe das Ganze ver-
ſchwindet, nur noch die höchſten Spitzen der Maſte erblicken. Da
dieſe Erſcheinung auf allen Orten der Erde Statt hat, ſo muß
dieſe ſelbſt eine runde Geſtalt haben, und kann keine Ebene ſeyn,
weil in dem letztern Falle jenes Schiff, gleich einem Vogel oder
einem Luftballone, je weiter er ſich von uns entfernt, nicht, wie
zuvor bloß an ſeiner unteren Seite unſichtbar, ſondern in allen
ſeinen Theilen zugleich kleiner werden, und endlich als ein für
unſer Auge unſichtbarer Punkt gänzlich verſchwinden müßte.
§. 8. (II. Aus Reiſen in der Richtung des Meridians).
Jedermann kennt das ſchöne Sternbild am nördlichen Himmel,
welches man den großen Bären oder auch den Wagen nennt.
Es beſteht vorzüglich aus ſieben großen Sternen, deren vier wie
die Räder eines Wagens ſehr nahe ein regelmäßiges Viereck
bilden, während die drei anderen die etwas gekrümmte Deichſel
vorſtellen. Wenn man durch die beiden Hinterräder deſſelben eine
gerade Linie zieht, und die Verlängerung deſſelben gegen Norden,
fünfmal ſo groß nimmt, als die Diſtanz dieſer zwei Räder, ſo
trifft das Ende dieſer Linie einen anderen ſchönen Stern, den
man den Polarſtern nennt. Dieſer wichtige Stern, von wel-
chem wir ſpäter noch oft ſprechen werden, ſteht beinahe in völliger
Ruhe am Himmel, während alle anderen täglich kleinere oder
größere Kreiſe um ihn zu beſchreiben ſcheinen. Wenn man auf
der Erde in der Richtung von Süd nach Nord gleichſam auf den
Polarſtern zureist, ſo erhebt ſich jener Stern immer mehr über
unſeren Horizont, und zwar in demſelben Verhältniſſe, in
welchen man gegen Norden vorrückt. Eine ſolche Reiſe in der
Richtung von Süd gegen Nord würde z. B. die von Rom über
Venedig, Regensburg und Leipzig nach Roſtock ſeyn. In Rom
aber ſieht man den Polarſtern in der Höhe von 42 Graden über
dem Horizonte, während er in Roſtock 12 Grade höher oder in
der Höhe von 54 Graden über dem Horizont dieſer letzten Stadt
erſcheint. Allein die Diſtanz dieſer beiden Orte auf der Erde
beträgt 180 d. Meilen. Da aber, nach dem Vorhergebenden, 15
d. Meilen auf einen Grad des Umfangs der Erde gehen, ſo be-
tragen dieſe 180 Meilen ebenfalls 12 Grade auf der Oberfläche
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