Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Tägliche Bewegung der Erde. um den festen Himmel, und so wie dort die sichtbaren Sterne vondem festen östlichen Horizonte sich entfernen oder höher steigen und dem westlichen sich nähern, so entfernt sich hier der bewegliche öst- liche Horizont von seinen Sternen, die daher auch zu steigen schei- nen werden, während sich der westliche Horizont den auf der Westseite liegenden Sternen nähert, und sie dadurch ihrem Unter- gange immer näher bringt. Beide Hypothesen stellen also die Erscheinung, die dadurch §. 16. (Innere Wahrscheinlichkeit der Rotation der Erde. Auf den ersten Blick allerdings. -- Allein die Sache ist doch Was zuerst diese Geschwindigkeit der Erde betrifft, so werden Tägliche Bewegung der Erde. um den feſten Himmel, und ſo wie dort die ſichtbaren Sterne vondem feſten öſtlichen Horizonte ſich entfernen oder höher ſteigen und dem weſtlichen ſich nähern, ſo entfernt ſich hier der bewegliche öſt- liche Horizont von ſeinen Sternen, die daher auch zu ſteigen ſchei- nen werden, während ſich der weſtliche Horizont den auf der Weſtſeite liegenden Sternen nähert, und ſie dadurch ihrem Unter- gange immer näher bringt. Beide Hypotheſen ſtellen alſo die Erſcheinung, die dadurch §. 16. (Innere Wahrſcheinlichkeit der Rotation der Erde. Auf den erſten Blick allerdings. — Allein die Sache iſt doch Was zuerſt dieſe Geſchwindigkeit der Erde betrifft, ſo werden <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0074" n="62"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/> um den feſten Himmel, und ſo wie dort die ſichtbaren Sterne von<lb/> dem feſten öſtlichen Horizonte ſich entfernen oder höher ſteigen und<lb/> dem weſtlichen ſich nähern, ſo entfernt ſich hier der bewegliche öſt-<lb/> liche Horizont von ſeinen Sternen, die daher auch zu ſteigen ſchei-<lb/> nen werden, während ſich der weſtliche Horizont den auf der<lb/> Weſtſeite liegenden Sternen nähert, und ſie dadurch ihrem Unter-<lb/> gange immer näher bringt.</p><lb/> <p>Beide Hypotheſen ſtellen alſo die Erſcheinung, die dadurch<lb/> erklärt werden ſoll, gleich gut und vollſtändig dar, und ſo lange<lb/> es bloß um dieſe Darſtellung der <hi rendition="#g">äußeren</hi> Erſcheinung zu thun<lb/> iſt, ſo hängt auch die Wahl zwiſchen beiden bloß von unſerer<lb/> Willkür ab, da keine derſelben einen Vorzug vor der andern hat,<lb/> und nichts in ihnen ſelbſt liegt, was uns zu der Annahme der<lb/> einen oder der andern vorzugsweiſe beſtimmen könnte.</p><lb/> <p>§. 16. (Innere Wahrſcheinlichkeit der Rotation der Erde.<lb/><hi rendition="#aq">I.</hi> Aus der Geſchwindigkeit.) Allein verhält es ſich ebenſo mit den<lb/><hi rendition="#g">inneren</hi> Wahrſcheinlichkeiten dieſer beiden Vorausſetzungen? —<lb/><hi rendition="#g">Dort</hi> bewegt ſich der Himmel, während wir in gemächlicher Ruhe<lb/> ſtille ſitzend zuſehen: <hi rendition="#g">hier</hi> aber laſſen wir den Himmel ruhen,<lb/> während wir mit unſerer Kugel uns um uns ſelbſt drehen, und<lb/> zwar mit einer in der That ſehr großen Geſchwindigkeit, die unter<lb/> dem Aequator volle 225 Meilen in einer Stunde beträgt. Wer<lb/> von uns hat aber von dieſer Geſchwindigkeit, mit welcher wir alle<lb/> täglich um den Mittelpunkt der Erde fahren ſollen, auch nur das<lb/> Geringſte bemerkt? Wer wird alſo auch für dieſe zweite Hypotheſe<lb/> ſtimmen und dafür nicht gleich auf den erſten Blick die andere<lb/> für die unendlich wahrſcheinlichere, für die allein wahre erklären.</p><lb/> <p>Auf den erſten Blick allerdings. — Allein die Sache iſt doch<lb/> wohl auch eines zweiten Blickes und überhaupt einer näheren Be-<lb/> trachtung werth.</p><lb/> <p>Was zuerſt dieſe Geſchwindigkeit der Erde betrifft, ſo werden<lb/> wir bald mit noch viel größeren Geſchwindigkeiten in der Natur<lb/> bekannt werden, gegen welche dieſe, ſo groß ſie auch Manchem er-<lb/> ſcheinen mag, beinahe gänzlich verſchwindet. Dieſe Geſchwindig-<lb/> keit der Erde iſt eben nicht viel größer, als die des Schalles, der<lb/> nach den neueſten Verſuchen in einer Minute 2,<hi rendition="#sub">724</hi> Meilen zu-<lb/> rücklegt, während ein Punkt des Aequators der Erde in dieſer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0074]
Tägliche Bewegung der Erde.
um den feſten Himmel, und ſo wie dort die ſichtbaren Sterne von
dem feſten öſtlichen Horizonte ſich entfernen oder höher ſteigen und
dem weſtlichen ſich nähern, ſo entfernt ſich hier der bewegliche öſt-
liche Horizont von ſeinen Sternen, die daher auch zu ſteigen ſchei-
nen werden, während ſich der weſtliche Horizont den auf der
Weſtſeite liegenden Sternen nähert, und ſie dadurch ihrem Unter-
gange immer näher bringt.
Beide Hypotheſen ſtellen alſo die Erſcheinung, die dadurch
erklärt werden ſoll, gleich gut und vollſtändig dar, und ſo lange
es bloß um dieſe Darſtellung der äußeren Erſcheinung zu thun
iſt, ſo hängt auch die Wahl zwiſchen beiden bloß von unſerer
Willkür ab, da keine derſelben einen Vorzug vor der andern hat,
und nichts in ihnen ſelbſt liegt, was uns zu der Annahme der
einen oder der andern vorzugsweiſe beſtimmen könnte.
§. 16. (Innere Wahrſcheinlichkeit der Rotation der Erde.
I. Aus der Geſchwindigkeit.) Allein verhält es ſich ebenſo mit den
inneren Wahrſcheinlichkeiten dieſer beiden Vorausſetzungen? —
Dort bewegt ſich der Himmel, während wir in gemächlicher Ruhe
ſtille ſitzend zuſehen: hier aber laſſen wir den Himmel ruhen,
während wir mit unſerer Kugel uns um uns ſelbſt drehen, und
zwar mit einer in der That ſehr großen Geſchwindigkeit, die unter
dem Aequator volle 225 Meilen in einer Stunde beträgt. Wer
von uns hat aber von dieſer Geſchwindigkeit, mit welcher wir alle
täglich um den Mittelpunkt der Erde fahren ſollen, auch nur das
Geringſte bemerkt? Wer wird alſo auch für dieſe zweite Hypotheſe
ſtimmen und dafür nicht gleich auf den erſten Blick die andere
für die unendlich wahrſcheinlichere, für die allein wahre erklären.
Auf den erſten Blick allerdings. — Allein die Sache iſt doch
wohl auch eines zweiten Blickes und überhaupt einer näheren Be-
trachtung werth.
Was zuerſt dieſe Geſchwindigkeit der Erde betrifft, ſo werden
wir bald mit noch viel größeren Geſchwindigkeiten in der Natur
bekannt werden, gegen welche dieſe, ſo groß ſie auch Manchem er-
ſcheinen mag, beinahe gänzlich verſchwindet. Dieſe Geſchwindig-
keit der Erde iſt eben nicht viel größer, als die des Schalles, der
nach den neueſten Verſuchen in einer Minute 2,724 Meilen zu-
rücklegt, während ein Punkt des Aequators der Erde in dieſer
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