Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
Erde ist, formen könnte, und doch soll dieser ungeheure Körper sich um
einen 11/2 Millionen Mal kleineren bewegen, und zwar, wie wir
gesehen, mit einer 24.000 Mal größeren Geschwindigkeit, als diese
Erde selbst sich drehen müßte. Und wie viele Tausende von eben
so großen und wohl noch größeren Körpern finden wir am Him-
mel, von welchen allen dieselbe höchst unwahrscheinliche Voraus-
setzung gelten müßte: daß das Große sich um das viel Kleinere,
daß der ganze Himmel mit allen seinen zahllosen Gestirnen, deren
Größe eben so unbegreiflich ist, als ihre Entfernung, sich um diese
kleine Kugel, um einen Punkt bewegen soll, der gegen das übrige
Weltall als ein wahres Nichts verschwindet, und dieß alles bloß
darum, weil wir uns nicht in unserer Ruhe stören lassen wollen,
und weil dieser Punkt unser Wohnort ist, dessen Existenz vielleicht
den Bewohnern jener unzähligen und von ihm so weit entfernten
Himmelskörpern nicht einmal bekannt seyn mag.

§. 18. (III. Aus der Gleichförmigkeit der Bewegung so vieler
Himmelskörper.) Und welcher Art ist diese Bewegung, in wel-
cher wir alle diese Körper um unsere Erde führen wollen? --
Eine ganz gleichförmige. Alle, die kleinen wie die großen,
die nahen wie die fernen, alle sollen sich genau in derselben
Zeit, in vier und zwanzig Stunden, um uns bewegen. Welches
auch die unbegreifliche Kraft der Erde seyn mag, so unglaubliche
Erscheinungen hervorzubringen, so müßte sie doch, den Gesetzen
der Mechanik gemäß, auf die ihr näheren Körper anders wirken
als auf die entfernten, während sie im Gegentheile hier alle gleich
betheilt, und auf den uns nahen Mond nicht anders als auf die
Billionenmal weiter entfernten Fixsterne wirkt. Alle, ohne Aus-
nahme, werden von dieser Kraft mit einer Regelmäßigkeit in dem
Weltraume fortgeführt, daß auch nicht einer derselben nicht eine
Secunde zu früh oder zu spät kömmt, als ob ihre ganze Bestim-
mung nur die wäre, unsere Uhren zu reguliren, und uns das alle
Nächte wiederkommende Schauspiel ihrer einförmigen Progression
aufzuführen.

§. 19. (IV. Aus dem Mangel des Mittelpunkts dieser Bewe-
gung.) Ja, diese abenteuerliche Kraft der Erde zugegeben, wo
sollen wir den eigentlichen Sitz derselben aufsuchen? Doch wohl
in dieser Erde selbst und zwar in dem Mittelpunkte derselben. --

Tägliche Bewegung der Erde.
Erde iſt, formen könnte, und doch ſoll dieſer ungeheure Körper ſich um
einen 1½ Millionen Mal kleineren bewegen, und zwar, wie wir
geſehen, mit einer 24.000 Mal größeren Geſchwindigkeit, als dieſe
Erde ſelbſt ſich drehen müßte. Und wie viele Tauſende von eben
ſo großen und wohl noch größeren Körpern finden wir am Him-
mel, von welchen allen dieſelbe höchſt unwahrſcheinliche Voraus-
ſetzung gelten müßte: daß das Große ſich um das viel Kleinere,
daß der ganze Himmel mit allen ſeinen zahlloſen Geſtirnen, deren
Größe eben ſo unbegreiflich iſt, als ihre Entfernung, ſich um dieſe
kleine Kugel, um einen Punkt bewegen ſoll, der gegen das übrige
Weltall als ein wahres Nichts verſchwindet, und dieß alles bloß
darum, weil wir uns nicht in unſerer Ruhe ſtören laſſen wollen,
und weil dieſer Punkt unſer Wohnort iſt, deſſen Exiſtenz vielleicht
den Bewohnern jener unzähligen und von ihm ſo weit entfernten
Himmelskörpern nicht einmal bekannt ſeyn mag.

§. 18. (III. Aus der Gleichförmigkeit der Bewegung ſo vieler
Himmelskörper.) Und welcher Art iſt dieſe Bewegung, in wel-
cher wir alle dieſe Körper um unſere Erde führen wollen? —
Eine ganz gleichförmige. Alle, die kleinen wie die großen,
die nahen wie die fernen, alle ſollen ſich genau in derſelben
Zeit, in vier und zwanzig Stunden, um uns bewegen. Welches
auch die unbegreifliche Kraft der Erde ſeyn mag, ſo unglaubliche
Erſcheinungen hervorzubringen, ſo müßte ſie doch, den Geſetzen
der Mechanik gemäß, auf die ihr näheren Körper anders wirken
als auf die entfernten, während ſie im Gegentheile hier alle gleich
betheilt, und auf den uns nahen Mond nicht anders als auf die
Billionenmal weiter entfernten Fixſterne wirkt. Alle, ohne Aus-
nahme, werden von dieſer Kraft mit einer Regelmäßigkeit in dem
Weltraume fortgeführt, daß auch nicht einer derſelben nicht eine
Secunde zu früh oder zu ſpät kömmt, als ob ihre ganze Beſtim-
mung nur die wäre, unſere Uhren zu reguliren, und uns das alle
Nächte wiederkommende Schauſpiel ihrer einförmigen Progreſſion
aufzuführen.

§. 19. (IV. Aus dem Mangel des Mittelpunkts dieſer Bewe-
gung.) Ja, dieſe abenteuerliche Kraft der Erde zugegeben, wo
ſollen wir den eigentlichen Sitz derſelben aufſuchen? Doch wohl
in dieſer Erde ſelbſt und zwar in dem Mittelpunkte derſelben. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0076" n="64"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
Erde i&#x017F;t, formen könnte, und doch &#x017F;oll die&#x017F;er ungeheure Körper &#x017F;ich um<lb/>
einen 1½ Millionen Mal kleineren bewegen, und zwar, wie wir<lb/>
ge&#x017F;ehen, mit einer 24.000 Mal größeren Ge&#x017F;chwindigkeit, als die&#x017F;e<lb/>
Erde &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich drehen müßte. Und wie viele Tau&#x017F;ende von eben<lb/>
&#x017F;o großen und wohl noch größeren Körpern finden wir am Him-<lb/>
mel, von welchen allen die&#x017F;elbe höch&#x017F;t unwahr&#x017F;cheinliche Voraus-<lb/>
&#x017F;etzung gelten müßte: daß das Große &#x017F;ich um das viel Kleinere,<lb/>
daß der ganze Himmel mit allen &#x017F;einen zahllo&#x017F;en Ge&#x017F;tirnen, deren<lb/>
Größe eben &#x017F;o unbegreiflich i&#x017F;t, als ihre Entfernung, &#x017F;ich um die&#x017F;e<lb/>
kleine Kugel, um einen Punkt bewegen &#x017F;oll, der gegen das übrige<lb/>
Weltall als ein wahres Nichts ver&#x017F;chwindet, und dieß alles bloß<lb/>
darum, weil wir uns nicht in un&#x017F;erer Ruhe &#x017F;tören la&#x017F;&#x017F;en wollen,<lb/>
und weil die&#x017F;er Punkt un&#x017F;er Wohnort i&#x017F;t, de&#x017F;&#x017F;en Exi&#x017F;tenz vielleicht<lb/>
den Bewohnern jener unzähligen und von ihm &#x017F;o weit entfernten<lb/>
Himmelskörpern nicht einmal bekannt &#x017F;eyn mag.</p><lb/>
          <p>§. 18. (<hi rendition="#aq">III.</hi> Aus der Gleichförmigkeit der Bewegung &#x017F;o vieler<lb/>
Himmelskörper.) Und <hi rendition="#g">welcher</hi> Art i&#x017F;t die&#x017F;e Bewegung, in wel-<lb/>
cher wir alle die&#x017F;e Körper um un&#x017F;ere Erde führen wollen? &#x2014;<lb/>
Eine ganz <hi rendition="#g">gleichförmige</hi>. Alle, die kleinen wie die großen,<lb/>
die nahen wie die fernen, alle &#x017F;ollen &#x017F;ich <hi rendition="#g">genau in der&#x017F;elben</hi><lb/>
Zeit, in vier und zwanzig Stunden, um uns bewegen. Welches<lb/>
auch die unbegreifliche Kraft der Erde &#x017F;eyn mag, &#x017F;o unglaubliche<lb/>
Er&#x017F;cheinungen hervorzubringen, &#x017F;o müßte &#x017F;ie doch, den Ge&#x017F;etzen<lb/>
der Mechanik gemäß, auf die ihr näheren Körper anders wirken<lb/>
als auf die entfernten, während &#x017F;ie im Gegentheile hier alle gleich<lb/>
betheilt, und auf den uns nahen Mond nicht anders als auf die<lb/>
Billionenmal weiter entfernten Fix&#x017F;terne wirkt. Alle, ohne Aus-<lb/>
nahme, werden von die&#x017F;er Kraft mit einer Regelmäßigkeit in dem<lb/>
Weltraume fortgeführt, daß auch nicht einer der&#x017F;elben nicht eine<lb/>
Secunde zu früh oder zu &#x017F;pät kömmt, als ob ihre ganze Be&#x017F;tim-<lb/>
mung nur die wäre, un&#x017F;ere Uhren zu reguliren, und uns das alle<lb/>
Nächte wiederkommende Schau&#x017F;piel ihrer einförmigen Progre&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
aufzuführen.</p><lb/>
          <p>§. 19. (<hi rendition="#aq">IV.</hi> Aus dem Mangel des Mittelpunkts die&#x017F;er Bewe-<lb/>
gung.) Ja, die&#x017F;e abenteuerliche Kraft der Erde zugegeben, wo<lb/>
&#x017F;ollen wir den eigentlichen Sitz der&#x017F;elben auf&#x017F;uchen? Doch wohl<lb/>
in die&#x017F;er Erde &#x017F;elb&#x017F;t und zwar in dem Mittelpunkte der&#x017F;elben. &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0076] Tägliche Bewegung der Erde. Erde iſt, formen könnte, und doch ſoll dieſer ungeheure Körper ſich um einen 1½ Millionen Mal kleineren bewegen, und zwar, wie wir geſehen, mit einer 24.000 Mal größeren Geſchwindigkeit, als dieſe Erde ſelbſt ſich drehen müßte. Und wie viele Tauſende von eben ſo großen und wohl noch größeren Körpern finden wir am Him- mel, von welchen allen dieſelbe höchſt unwahrſcheinliche Voraus- ſetzung gelten müßte: daß das Große ſich um das viel Kleinere, daß der ganze Himmel mit allen ſeinen zahlloſen Geſtirnen, deren Größe eben ſo unbegreiflich iſt, als ihre Entfernung, ſich um dieſe kleine Kugel, um einen Punkt bewegen ſoll, der gegen das übrige Weltall als ein wahres Nichts verſchwindet, und dieß alles bloß darum, weil wir uns nicht in unſerer Ruhe ſtören laſſen wollen, und weil dieſer Punkt unſer Wohnort iſt, deſſen Exiſtenz vielleicht den Bewohnern jener unzähligen und von ihm ſo weit entfernten Himmelskörpern nicht einmal bekannt ſeyn mag. §. 18. (III. Aus der Gleichförmigkeit der Bewegung ſo vieler Himmelskörper.) Und welcher Art iſt dieſe Bewegung, in wel- cher wir alle dieſe Körper um unſere Erde führen wollen? — Eine ganz gleichförmige. Alle, die kleinen wie die großen, die nahen wie die fernen, alle ſollen ſich genau in derſelben Zeit, in vier und zwanzig Stunden, um uns bewegen. Welches auch die unbegreifliche Kraft der Erde ſeyn mag, ſo unglaubliche Erſcheinungen hervorzubringen, ſo müßte ſie doch, den Geſetzen der Mechanik gemäß, auf die ihr näheren Körper anders wirken als auf die entfernten, während ſie im Gegentheile hier alle gleich betheilt, und auf den uns nahen Mond nicht anders als auf die Billionenmal weiter entfernten Fixſterne wirkt. Alle, ohne Aus- nahme, werden von dieſer Kraft mit einer Regelmäßigkeit in dem Weltraume fortgeführt, daß auch nicht einer derſelben nicht eine Secunde zu früh oder zu ſpät kömmt, als ob ihre ganze Beſtim- mung nur die wäre, unſere Uhren zu reguliren, und uns das alle Nächte wiederkommende Schauſpiel ihrer einförmigen Progreſſion aufzuführen. §. 19. (IV. Aus dem Mangel des Mittelpunkts dieſer Bewe- gung.) Ja, dieſe abenteuerliche Kraft der Erde zugegeben, wo ſollen wir den eigentlichen Sitz derſelben aufſuchen? Doch wohl in dieſer Erde ſelbſt und zwar in dem Mittelpunkte derſelben. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/76
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/76>, abgerufen am 24.11.2024.