Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
Beobachtungen handelt, durch welche irgend ein Problem aufge-
löst, ein Satz bewiesen, oder eine Erscheinung der Gegenstände
außer uns erklärt werden soll. Diese Beobachtungen, durch welche
hier die Sache ausgemacht werden soll, müssen mit unseren Sin-
nen, mit unseren Instrumenten angestellt werden. Allein unsere
Sinne sind Irrthümern und Täuschungen, und unsere Instrumente,
auch die vollkommensten, sind Fehlern unterworfen, und die Gegen-
stände, welche wir auf diese Weise untersuchen wollen, sind oft so
klein oder so schwer aufzufassen, oder so sonderbar mit einander
verwickelt, daß selbst geringe Fehler, die wir bei den Beobachtun-
gen dieser Gegenstände begehen, die größten und schädlichsten Wir-
kungen auf die daraus abzuleitenden Resultate erzeugen können.
Es kann daher hier nicht, wie bei anderen Wissenschaften, genü-
gen, irgend eine, wenn auch in der Theorie richtige, Methode zu
geben, um dadurch ein Problem vermittelst Beobachtungen aufzulösen,
sondern man muß auch zugleich der praktischen Sicherheit dieser
Methode gewiß seyn, oder doch diejenigen Umstände, unter wel-
chen sie mit Zuverläßigkeit angewendet werden kann, und die Fol-
gen angeben, welche gegebene Beobachtungsfehler in den Resulta-
ten, die man daraus ableiten will, hervorbringen können, ein
Geschäft, das oft nicht weniger Umsicht und Scharfsinn erfordert,
als die Auffindung der Methode selbst, und dessen oft nur zu
häufige Vernachlässigung eine der Hauptursachen ist, warum meh-
rere Theile der Naturwissenschaften, noch nicht denjenigen Grad
der Vollkommenheit erreicht haben, den wir mit so großem Ver-
gnügen an anderen Theilen bemerken, wo entweder diese prakti-
schen Hindernisse geringer, oder die geistigen Kräfte derer, die sie
zu entfernen suchten, größer waren.

Um dieses auf unsern Gegenstand anzuwenden, wo sich so-
gleich mehrere Beispiele zu dem oben Gesagten anbieten werden,
müssen wir zuerst den Begriff des Wortes Schwere festsetzen. Wir
haben bereits gesagt, daß man dadurch die Ursache andeutet,
welche macht, daß die Körper auf der Oberfläche der Erde, wenn
sie nicht unterstützt werden, senkrecht gegen diese Oberfläche herab-
fallen. Man sucht die Ursache mit vieler Wahrscheinlichkeit in
einer Kraft, deren Sitz im Mittelpunkte der Erde ist, und welche
alle Körper außer ihr, zu diesem Mittelpunkte anzieht. Demnach

Tägliche Bewegung der Erde.
Beobachtungen handelt, durch welche irgend ein Problem aufge-
löst, ein Satz bewieſen, oder eine Erſcheinung der Gegenſtände
außer uns erklärt werden ſoll. Dieſe Beobachtungen, durch welche
hier die Sache ausgemacht werden ſoll, müſſen mit unſeren Sin-
nen, mit unſeren Inſtrumenten angeſtellt werden. Allein unſere
Sinne ſind Irrthümern und Täuſchungen, und unſere Inſtrumente,
auch die vollkommenſten, ſind Fehlern unterworfen, und die Gegen-
ſtände, welche wir auf dieſe Weiſe unterſuchen wollen, ſind oft ſo
klein oder ſo ſchwer aufzufaſſen, oder ſo ſonderbar mit einander
verwickelt, daß ſelbſt geringe Fehler, die wir bei den Beobachtun-
gen dieſer Gegenſtände begehen, die größten und ſchädlichſten Wir-
kungen auf die daraus abzuleitenden Reſultate erzeugen können.
Es kann daher hier nicht, wie bei anderen Wiſſenſchaften, genü-
gen, irgend eine, wenn auch in der Theorie richtige, Methode zu
geben, um dadurch ein Problem vermittelſt Beobachtungen aufzulöſen,
ſondern man muß auch zugleich der praktiſchen Sicherheit dieſer
Methode gewiß ſeyn, oder doch diejenigen Umſtände, unter wel-
chen ſie mit Zuverläßigkeit angewendet werden kann, und die Fol-
gen angeben, welche gegebene Beobachtungsfehler in den Reſulta-
ten, die man daraus ableiten will, hervorbringen können, ein
Geſchäft, das oft nicht weniger Umſicht und Scharfſinn erfordert,
als die Auffindung der Methode ſelbſt, und deſſen oft nur zu
häufige Vernachläſſigung eine der Haupturſachen iſt, warum meh-
rere Theile der Naturwiſſenſchaften, noch nicht denjenigen Grad
der Vollkommenheit erreicht haben, den wir mit ſo großem Ver-
gnügen an anderen Theilen bemerken, wo entweder dieſe prakti-
ſchen Hinderniſſe geringer, oder die geiſtigen Kräfte derer, die ſie
zu entfernen ſuchten, größer waren.

Um dieſes auf unſern Gegenſtand anzuwenden, wo ſich ſo-
gleich mehrere Beiſpiele zu dem oben Geſagten anbieten werden,
müſſen wir zuerſt den Begriff des Wortes Schwere feſtſetzen. Wir
haben bereits geſagt, daß man dadurch die Urſache andeutet,
welche macht, daß die Körper auf der Oberfläche der Erde, wenn
ſie nicht unterſtützt werden, ſenkrecht gegen dieſe Oberfläche herab-
fallen. Man ſucht die Urſache mit vieler Wahrſcheinlichkeit in
einer Kraft, deren Sitz im Mittelpunkte der Erde iſt, und welche
alle Körper außer ihr, zu dieſem Mittelpunkte anzieht. Demnach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0089" n="77"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
Beobachtungen handelt, durch welche irgend ein Problem aufge-<lb/>
löst, ein Satz bewie&#x017F;en, oder eine Er&#x017F;cheinung der Gegen&#x017F;tände<lb/>
außer uns erklärt werden &#x017F;oll. Die&#x017F;e Beobachtungen, durch welche<lb/>
hier die Sache ausgemacht werden &#x017F;oll, mü&#x017F;&#x017F;en mit un&#x017F;eren Sin-<lb/>
nen, mit un&#x017F;eren In&#x017F;trumenten ange&#x017F;tellt werden. Allein un&#x017F;ere<lb/>
Sinne &#x017F;ind Irrthümern und Täu&#x017F;chungen, und un&#x017F;ere In&#x017F;trumente,<lb/>
auch die vollkommen&#x017F;ten, &#x017F;ind Fehlern unterworfen, und die Gegen-<lb/>
&#x017F;tände, welche wir auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e unter&#x017F;uchen wollen, &#x017F;ind oft &#x017F;o<lb/>
klein oder &#x017F;o &#x017F;chwer aufzufa&#x017F;&#x017F;en, oder &#x017F;o &#x017F;onderbar mit einander<lb/>
verwickelt, daß &#x017F;elb&#x017F;t geringe Fehler, die wir bei den Beobachtun-<lb/>
gen die&#x017F;er Gegen&#x017F;tände begehen, die größten und &#x017F;chädlich&#x017F;ten Wir-<lb/>
kungen auf die daraus abzuleitenden Re&#x017F;ultate erzeugen können.<lb/>
Es kann daher hier nicht, wie bei anderen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, genü-<lb/>
gen, irgend eine, wenn auch in der Theorie richtige, Methode zu<lb/>
geben, um dadurch ein Problem vermittel&#x017F;t Beobachtungen aufzulö&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern man muß auch zugleich der prakti&#x017F;chen Sicherheit die&#x017F;er<lb/>
Methode gewiß &#x017F;eyn, oder doch diejenigen Um&#x017F;tände, unter wel-<lb/>
chen &#x017F;ie mit Zuverläßigkeit angewendet werden kann, und die Fol-<lb/>
gen angeben, welche gegebene Beobachtungsfehler in den Re&#x017F;ulta-<lb/>
ten, die man daraus ableiten will, hervorbringen können, ein<lb/>
Ge&#x017F;chäft, das oft nicht weniger Um&#x017F;icht und Scharf&#x017F;inn erfordert,<lb/>
als die Auffindung der Methode &#x017F;elb&#x017F;t, und de&#x017F;&#x017F;en oft nur zu<lb/>
häufige Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung eine der Hauptur&#x017F;achen i&#x017F;t, warum meh-<lb/>
rere Theile der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, noch nicht denjenigen Grad<lb/>
der Vollkommenheit erreicht haben, den wir mit &#x017F;o großem Ver-<lb/>
gnügen an anderen Theilen bemerken, wo entweder die&#x017F;e prakti-<lb/>
&#x017F;chen Hinderni&#x017F;&#x017F;e geringer, oder die gei&#x017F;tigen Kräfte derer, die &#x017F;ie<lb/>
zu entfernen &#x017F;uchten, größer waren.</p><lb/>
          <p>Um die&#x017F;es auf un&#x017F;ern Gegen&#x017F;tand anzuwenden, wo &#x017F;ich &#x017F;o-<lb/>
gleich mehrere Bei&#x017F;piele zu dem oben Ge&#x017F;agten anbieten werden,<lb/>&#x017F;&#x017F;en wir zuer&#x017F;t den Begriff des Wortes Schwere fe&#x017F;t&#x017F;etzen. Wir<lb/>
haben bereits ge&#x017F;agt, daß man dadurch die Ur&#x017F;ache andeutet,<lb/>
welche macht, daß die Körper auf der Oberfläche der Erde, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht unter&#x017F;tützt werden, &#x017F;enkrecht gegen die&#x017F;e Oberfläche herab-<lb/>
fallen. Man &#x017F;ucht die Ur&#x017F;ache mit vieler Wahr&#x017F;cheinlichkeit in<lb/>
einer <hi rendition="#g">Kraft</hi>, deren Sitz im Mittelpunkte der Erde i&#x017F;t, und welche<lb/>
alle Körper außer ihr, zu die&#x017F;em Mittelpunkte anzieht. Demnach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] Tägliche Bewegung der Erde. Beobachtungen handelt, durch welche irgend ein Problem aufge- löst, ein Satz bewieſen, oder eine Erſcheinung der Gegenſtände außer uns erklärt werden ſoll. Dieſe Beobachtungen, durch welche hier die Sache ausgemacht werden ſoll, müſſen mit unſeren Sin- nen, mit unſeren Inſtrumenten angeſtellt werden. Allein unſere Sinne ſind Irrthümern und Täuſchungen, und unſere Inſtrumente, auch die vollkommenſten, ſind Fehlern unterworfen, und die Gegen- ſtände, welche wir auf dieſe Weiſe unterſuchen wollen, ſind oft ſo klein oder ſo ſchwer aufzufaſſen, oder ſo ſonderbar mit einander verwickelt, daß ſelbſt geringe Fehler, die wir bei den Beobachtun- gen dieſer Gegenſtände begehen, die größten und ſchädlichſten Wir- kungen auf die daraus abzuleitenden Reſultate erzeugen können. Es kann daher hier nicht, wie bei anderen Wiſſenſchaften, genü- gen, irgend eine, wenn auch in der Theorie richtige, Methode zu geben, um dadurch ein Problem vermittelſt Beobachtungen aufzulöſen, ſondern man muß auch zugleich der praktiſchen Sicherheit dieſer Methode gewiß ſeyn, oder doch diejenigen Umſtände, unter wel- chen ſie mit Zuverläßigkeit angewendet werden kann, und die Fol- gen angeben, welche gegebene Beobachtungsfehler in den Reſulta- ten, die man daraus ableiten will, hervorbringen können, ein Geſchäft, das oft nicht weniger Umſicht und Scharfſinn erfordert, als die Auffindung der Methode ſelbſt, und deſſen oft nur zu häufige Vernachläſſigung eine der Haupturſachen iſt, warum meh- rere Theile der Naturwiſſenſchaften, noch nicht denjenigen Grad der Vollkommenheit erreicht haben, den wir mit ſo großem Ver- gnügen an anderen Theilen bemerken, wo entweder dieſe prakti- ſchen Hinderniſſe geringer, oder die geiſtigen Kräfte derer, die ſie zu entfernen ſuchten, größer waren. Um dieſes auf unſern Gegenſtand anzuwenden, wo ſich ſo- gleich mehrere Beiſpiele zu dem oben Geſagten anbieten werden, müſſen wir zuerſt den Begriff des Wortes Schwere feſtſetzen. Wir haben bereits geſagt, daß man dadurch die Urſache andeutet, welche macht, daß die Körper auf der Oberfläche der Erde, wenn ſie nicht unterſtützt werden, ſenkrecht gegen dieſe Oberfläche herab- fallen. Man ſucht die Urſache mit vieler Wahrſcheinlichkeit in einer Kraft, deren Sitz im Mittelpunkte der Erde iſt, und welche alle Körper außer ihr, zu dieſem Mittelpunkte anzieht. Demnach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/89
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/89>, abgerufen am 21.11.2024.