Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
Körper an den verschiedenen Orten der Erdoberfläche das Gewicht
oder der Druck desselben auf seine Unterlage wie die Schwere an
diesen Orten sich verhält, und da wir bereits wissen, daß sich die
Schwere am Aequator zu der am Pole, wenn die Erde in der
That retirt, wie 289 zu 290 verhalten soll, so dürften wir nur,
um unsere Hypothese von der Bewegung der Erde zu prüfen, ei-
nen Körper, dessen Gewicht z. B. am Aequator 289 Pfunde be-
trägt, nach einem der beiden Pole bringen, und dort wieder ab-
wägen, wo er dann genau um ein Pfund schwerer gefunden wer-
den soll. -- Allein dieses Verfahren, so einfach es ist, führt nicht
zum Ziele, da hier an ein eigentliches Abwägen nicht weiter ge-
dacht werden kann, weil das Gewicht in der einen Schale der
Waage ganz ebenso, wie der abzuwägende Körper selbst, denselben
Veränderungen der Schwere unterliegt, und also unter dem Pole
ebenfalls um seinen 289sten Theil schwerer geworden ist, daher
diese Methode als ganz unbrauchbar verworfen werden muß.

§. 26. (II. Durch Rollen.) Wenn man über eine, um ihren
Mittelpunkt bewegliche, Rolle einen Faden schlägt und in den
Endpunkt desselben gleiche Gewichte hängt, so bleibt bekanntlich
die Rolle, so wie die Gewichte selbst, in Ruhe, während bei der
geringsten Verschiedenheit dieser Gewichte sogleich das Schwerere
herabsinkt, und das leichtere steigt. Dasselbe würde auch der Fall
seyn, wenn man den Faden über mehrere horizontal neben einan-
derstehende Rollen gehen lassen wollte. Gesetzt also, wir hätten
zwei solcher Gewichte, entweder auf der ersten dieser Rollen, oder
auf einer sehr empfindlichen Waage auf das genaueste abgeglichen,
und wir errichteten dann eine Reihe von sehr hohen Rollen, die
in abgemessenen Distanzen vom Aequator bis zu einem der Pole
reichte. Wenn wir dann über alle diese Rollen einen Faden leg-
ten, und an seinen beiden herabhängenden Enden, vor der ersten
Rolle am Aequator das eine, und nach der letzten aller dieser
Rollen an dem Pole das andere Gewicht befestigten -- würde
nun, in dieser Lage der beiden gleichgroßen Gewichte, noch das
Gleichgewicht bestehen? -- Gewiß nicht, wenn anders unsere vor-
hergehende Theorie richtig ist, und die Erde sich in der That um
ihre Axe bewegt. Das letzte Gewicht am Pole würde überwiegen
und man würde dasselbe um seinen 289sten Theil leichter, oder

Tägliche Bewegung der Erde.
Körper an den verſchiedenen Orten der Erdoberfläche das Gewicht
oder der Druck deſſelben auf ſeine Unterlage wie die Schwere an
dieſen Orten ſich verhält, und da wir bereits wiſſen, daß ſich die
Schwere am Aequator zu der am Pole, wenn die Erde in der
That retirt, wie 289 zu 290 verhalten ſoll, ſo dürften wir nur,
um unſere Hypotheſe von der Bewegung der Erde zu prüfen, ei-
nen Körper, deſſen Gewicht z. B. am Aequator 289 Pfunde be-
trägt, nach einem der beiden Pole bringen, und dort wieder ab-
wägen, wo er dann genau um ein Pfund ſchwerer gefunden wer-
den ſoll. — Allein dieſes Verfahren, ſo einfach es iſt, führt nicht
zum Ziele, da hier an ein eigentliches Abwägen nicht weiter ge-
dacht werden kann, weil das Gewicht in der einen Schale der
Waage ganz ebenſo, wie der abzuwägende Körper ſelbſt, denſelben
Veränderungen der Schwere unterliegt, und alſo unter dem Pole
ebenfalls um ſeinen 289ſten Theil ſchwerer geworden iſt, daher
dieſe Methode als ganz unbrauchbar verworfen werden muß.

§. 26. (II. Durch Rollen.) Wenn man über eine, um ihren
Mittelpunkt bewegliche, Rolle einen Faden ſchlägt und in den
Endpunkt deſſelben gleiche Gewichte hängt, ſo bleibt bekanntlich
die Rolle, ſo wie die Gewichte ſelbſt, in Ruhe, während bei der
geringſten Verſchiedenheit dieſer Gewichte ſogleich das Schwerere
herabſinkt, und das leichtere ſteigt. Daſſelbe würde auch der Fall
ſeyn, wenn man den Faden über mehrere horizontal neben einan-
derſtehende Rollen gehen laſſen wollte. Geſetzt alſo, wir hätten
zwei ſolcher Gewichte, entweder auf der erſten dieſer Rollen, oder
auf einer ſehr empfindlichen Waage auf das genaueſte abgeglichen,
und wir errichteten dann eine Reihe von ſehr hohen Rollen, die
in abgemeſſenen Diſtanzen vom Aequator bis zu einem der Pole
reichte. Wenn wir dann über alle dieſe Rollen einen Faden leg-
ten, und an ſeinen beiden herabhängenden Enden, vor der erſten
Rolle am Aequator das eine, und nach der letzten aller dieſer
Rollen an dem Pole das andere Gewicht befeſtigten — würde
nun, in dieſer Lage der beiden gleichgroßen Gewichte, noch das
Gleichgewicht beſtehen? — Gewiß nicht, wenn anders unſere vor-
hergehende Theorie richtig iſt, und die Erde ſich in der That um
ihre Axe bewegt. Das letzte Gewicht am Pole würde überwiegen
und man würde daſſelbe um ſeinen 289ſten Theil leichter, oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0091" n="79"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
Körper an den ver&#x017F;chiedenen Orten der Erdoberfläche das <hi rendition="#g">Gewicht</hi><lb/>
oder der <hi rendition="#g">Druck</hi> de&#x017F;&#x017F;elben auf &#x017F;eine Unterlage wie die Schwere an<lb/>
die&#x017F;en Orten &#x017F;ich verhält, und da wir bereits wi&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ich die<lb/>
Schwere am Aequator zu der am Pole, wenn die Erde in der<lb/>
That retirt, wie 289 zu 290 verhalten &#x017F;oll, &#x017F;o dürften wir nur,<lb/>
um un&#x017F;ere Hypothe&#x017F;e von der Bewegung der Erde zu prüfen, ei-<lb/>
nen Körper, de&#x017F;&#x017F;en Gewicht z. B. am Aequator 289 Pfunde be-<lb/>
trägt, nach einem der beiden Pole bringen, und dort wieder ab-<lb/>
wägen, wo er dann genau um ein Pfund &#x017F;chwerer gefunden wer-<lb/>
den &#x017F;oll. &#x2014; Allein die&#x017F;es Verfahren, &#x017F;o einfach es i&#x017F;t, führt nicht<lb/>
zum Ziele, da hier an ein eigentliches Abwägen nicht weiter ge-<lb/>
dacht werden kann, weil das Gewicht in der einen Schale der<lb/>
Waage ganz eben&#x017F;o, wie der abzuwägende Körper &#x017F;elb&#x017F;t, den&#x017F;elben<lb/>
Veränderungen der Schwere unterliegt, und al&#x017F;o unter dem Pole<lb/>
ebenfalls um &#x017F;einen 289&#x017F;ten Theil &#x017F;chwerer geworden i&#x017F;t, daher<lb/>
die&#x017F;e Methode als ganz unbrauchbar verworfen werden muß.</p><lb/>
          <p>§. 26. (<hi rendition="#aq">II.</hi> Durch Rollen.) Wenn man über eine, um ihren<lb/>
Mittelpunkt bewegliche, Rolle einen Faden &#x017F;chlägt und in den<lb/>
Endpunkt de&#x017F;&#x017F;elben gleiche Gewichte hängt, &#x017F;o bleibt bekanntlich<lb/>
die Rolle, &#x017F;o wie die Gewichte &#x017F;elb&#x017F;t, in Ruhe, während bei der<lb/>
gering&#x017F;ten Ver&#x017F;chiedenheit die&#x017F;er Gewichte &#x017F;ogleich das Schwerere<lb/>
herab&#x017F;inkt, und das leichtere &#x017F;teigt. Da&#x017F;&#x017F;elbe würde auch der Fall<lb/>
&#x017F;eyn, wenn man den Faden über mehrere horizontal neben einan-<lb/>
der&#x017F;tehende Rollen gehen la&#x017F;&#x017F;en wollte. Ge&#x017F;etzt al&#x017F;o, wir hätten<lb/>
zwei &#x017F;olcher Gewichte, entweder auf der er&#x017F;ten die&#x017F;er Rollen, oder<lb/>
auf einer &#x017F;ehr empfindlichen Waage auf das genaue&#x017F;te abgeglichen,<lb/>
und wir errichteten dann eine Reihe von &#x017F;ehr hohen Rollen, die<lb/>
in abgeme&#x017F;&#x017F;enen Di&#x017F;tanzen vom Aequator bis zu einem der Pole<lb/>
reichte. Wenn wir dann über alle die&#x017F;e Rollen einen Faden leg-<lb/>
ten, und an &#x017F;einen beiden herabhängenden Enden, vor der er&#x017F;ten<lb/>
Rolle am Aequator das eine, und nach der letzten aller die&#x017F;er<lb/>
Rollen an dem Pole das andere Gewicht befe&#x017F;tigten &#x2014; würde<lb/>
nun, in die&#x017F;er Lage der beiden gleichgroßen Gewichte, noch das<lb/>
Gleichgewicht be&#x017F;tehen? &#x2014; Gewiß nicht, wenn anders un&#x017F;ere vor-<lb/>
hergehende Theorie richtig i&#x017F;t, und die Erde &#x017F;ich in der That um<lb/>
ihre Axe bewegt. Das letzte Gewicht am Pole würde überwiegen<lb/>
und man würde da&#x017F;&#x017F;elbe um &#x017F;einen 289&#x017F;ten Theil leichter, oder<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0091] Tägliche Bewegung der Erde. Körper an den verſchiedenen Orten der Erdoberfläche das Gewicht oder der Druck deſſelben auf ſeine Unterlage wie die Schwere an dieſen Orten ſich verhält, und da wir bereits wiſſen, daß ſich die Schwere am Aequator zu der am Pole, wenn die Erde in der That retirt, wie 289 zu 290 verhalten ſoll, ſo dürften wir nur, um unſere Hypotheſe von der Bewegung der Erde zu prüfen, ei- nen Körper, deſſen Gewicht z. B. am Aequator 289 Pfunde be- trägt, nach einem der beiden Pole bringen, und dort wieder ab- wägen, wo er dann genau um ein Pfund ſchwerer gefunden wer- den ſoll. — Allein dieſes Verfahren, ſo einfach es iſt, führt nicht zum Ziele, da hier an ein eigentliches Abwägen nicht weiter ge- dacht werden kann, weil das Gewicht in der einen Schale der Waage ganz ebenſo, wie der abzuwägende Körper ſelbſt, denſelben Veränderungen der Schwere unterliegt, und alſo unter dem Pole ebenfalls um ſeinen 289ſten Theil ſchwerer geworden iſt, daher dieſe Methode als ganz unbrauchbar verworfen werden muß. §. 26. (II. Durch Rollen.) Wenn man über eine, um ihren Mittelpunkt bewegliche, Rolle einen Faden ſchlägt und in den Endpunkt deſſelben gleiche Gewichte hängt, ſo bleibt bekanntlich die Rolle, ſo wie die Gewichte ſelbſt, in Ruhe, während bei der geringſten Verſchiedenheit dieſer Gewichte ſogleich das Schwerere herabſinkt, und das leichtere ſteigt. Daſſelbe würde auch der Fall ſeyn, wenn man den Faden über mehrere horizontal neben einan- derſtehende Rollen gehen laſſen wollte. Geſetzt alſo, wir hätten zwei ſolcher Gewichte, entweder auf der erſten dieſer Rollen, oder auf einer ſehr empfindlichen Waage auf das genaueſte abgeglichen, und wir errichteten dann eine Reihe von ſehr hohen Rollen, die in abgemeſſenen Diſtanzen vom Aequator bis zu einem der Pole reichte. Wenn wir dann über alle dieſe Rollen einen Faden leg- ten, und an ſeinen beiden herabhängenden Enden, vor der erſten Rolle am Aequator das eine, und nach der letzten aller dieſer Rollen an dem Pole das andere Gewicht befeſtigten — würde nun, in dieſer Lage der beiden gleichgroßen Gewichte, noch das Gleichgewicht beſtehen? — Gewiß nicht, wenn anders unſere vor- hergehende Theorie richtig iſt, und die Erde ſich in der That um ihre Axe bewegt. Das letzte Gewicht am Pole würde überwiegen und man würde daſſelbe um ſeinen 289ſten Theil leichter, oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/91
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/91>, abgerufen am 24.11.2024.