Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Der Mond. Geschlecht und das sich selbst, ohne Zweifel aus zu großer Be-scheidenheit, das Meisterstück der Schöpfung und Gottes wahres Ebenbild zu nennen pflegt; ein Geschlecht, das so thörichte Leiden- schaften hegt und dabei so weise Betrachtungen anstellt; das so kurzdauernd ist und doch so weitaussehende Plane anspinnt; das so viel Kenntnisse von den unnützesten Dingen hat und doch die allernothwendigsten nicht weiß; das so viel Freiheitsdrang neben den knechtischsten Gesinnungen und so viel Verlangen nach Glück- seligkeit hat und doch keine Kraft besitzt, sie zu genießen. Uebrigens, was geht das sie an. Gewiß nicht mehr, als sie *) Da wir, wie wir aus dem Vorhergehenden wissen, keine Hoff-
nung haben, je eine Reise in den Mond zu machen, so bleibt uns, mit den Bewohnern desselben Bekanntschaft zu machen, kein anderes Mittel übrig, als eine Art von Correspondenz zwischen diesen beiden Schiffen zu etabliren. Aber auf welche Art? -- An Posten und Paketboote ist nicht zu denken. Aber vielleicht an Telegraphen? -- Sie müßten etwas groß seyn, um in der Entfernung von 50000 Meilen noch gesehen zu werden. Allein diese Schwierigkeit ließe sich vielleicht, wenn man weder Mühe noch Kosten scheut, noch beseitigen. Die größere und schwerer zu besiegende, würde die Wahl der Zeichen Der Mond. Geſchlecht und das ſich ſelbſt, ohne Zweifel aus zu großer Be-ſcheidenheit, das Meiſterſtück der Schöpfung und Gottes wahres Ebenbild zu nennen pflegt; ein Geſchlecht, das ſo thörichte Leiden- ſchaften hegt und dabei ſo weiſe Betrachtungen anſtellt; das ſo kurzdauernd iſt und doch ſo weitausſehende Plane anſpinnt; das ſo viel Kenntniſſe von den unnützeſten Dingen hat und doch die allernothwendigſten nicht weiß; das ſo viel Freiheitsdrang neben den knechtiſchſten Geſinnungen und ſo viel Verlangen nach Glück- ſeligkeit hat und doch keine Kraft beſitzt, ſie zu genießen. Uebrigens, was geht das ſie an. Gewiß nicht mehr, als ſie *) Da wir, wie wir aus dem Vorhergehenden wiſſen, keine Hoff-
nung haben, je eine Reiſe in den Mond zu machen, ſo bleibt uns, mit den Bewohnern deſſelben Bekanntſchaft zu machen, kein anderes Mittel übrig, als eine Art von Correſpondenz zwiſchen dieſen beiden Schiffen zu etabliren. Aber auf welche Art? — An Poſten und Paketboote iſt nicht zu denken. Aber vielleicht an Telegraphen? — Sie müßten etwas groß ſeyn, um in der Entfernung von 50000 Meilen noch geſehen zu werden. Allein dieſe Schwierigkeit ließe ſich vielleicht, wenn man weder Mühe noch Koſten ſcheut, noch beſeitigen. Die größere und ſchwerer zu beſiegende, würde die Wahl der Zeichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0213" n="203"/><fw place="top" type="header">Der Mond.</fw><lb/> Geſchlecht und das ſich ſelbſt, ohne Zweifel aus zu großer Be-<lb/> ſcheidenheit, das Meiſterſtück der Schöpfung und Gottes wahres<lb/> Ebenbild zu nennen pflegt; ein Geſchlecht, das ſo thörichte Leiden-<lb/> ſchaften hegt und dabei ſo weiſe Betrachtungen anſtellt; das ſo<lb/> kurzdauernd iſt und doch ſo weitausſehende Plane anſpinnt; das<lb/> ſo viel Kenntniſſe von den unnützeſten Dingen hat und doch die<lb/> allernothwendigſten nicht weiß; das ſo viel Freiheitsdrang neben<lb/> den knechtiſchſten Geſinnungen und ſo viel Verlangen nach Glück-<lb/> ſeligkeit hat und doch keine Kraft beſitzt, ſie zu genießen.</p><lb/> <p>Uebrigens, was geht das ſie an. Gewiß nicht mehr, als ſie<lb/> uns ſelbſt angehen mögen. Genug, wenn jeder von uns mit ſich<lb/> und ſeiner nächſten Umgebung zufrieden iſt. Warum ſollten wir<lb/> uns auch um ſie, die ſo weit von uns entfernt ſind, bekümmern,<lb/> wir, die wir nicht einmal unſere nächſten Nachbarn kennen, die<lb/> daſſelbe Haus mit uns bewohnen? In der That, wir befinden uns<lb/> mit dieſen Nachbarn ſchon ſo lange Zeit auf einem gemeinſchaft-<lb/> lichen Schiffe und haben ſie noch nicht einmal geſehen. Wir be-<lb/> wohnen, wie wir wenigſtens glauben, das Vordertheil dieſes Schif-<lb/> fes, während die Leute von Lappland oder die von Neuholland<lb/> den Hintertheil des Fahrzeuges einnehmen, und ſo neugierig auch<lb/> beide ſeyn und ſo gern ſie ſonſt vor fremden Thüren kehren mö-<lb/> gen, ſo weiß doch einer nichts von dem anderen, und findet es<lb/> auch kaum der Mühe werth, darnach zu fragen, während ſie doch<lb/> alle gern wiſſen möchten, was dort oben im Monde, in einem<lb/> anderen Schiffe vorgeht, das ſo weit von uns auf dem großen<lb/> Ocean der Welten herumſegelt <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="*)">Da wir, wie wir aus dem Vorhergehenden wiſſen, keine Hoff-<lb/> nung haben, je eine Reiſe in den Mond zu machen, ſo bleibt<lb/> uns, mit den Bewohnern deſſelben Bekanntſchaft zu machen,<lb/> kein anderes Mittel übrig, als eine Art von Correſpondenz<lb/> zwiſchen dieſen beiden Schiffen zu etabliren. Aber auf welche<lb/> Art? — An Poſten und Paketboote iſt nicht zu denken. Aber<lb/> vielleicht an Telegraphen? — Sie müßten etwas groß ſeyn,<lb/> um in der Entfernung von 50000 Meilen noch geſehen zu<lb/> werden. Allein dieſe Schwierigkeit ließe ſich vielleicht, wenn man<lb/> weder Mühe noch Koſten ſcheut, noch beſeitigen. Die größere<lb/> und ſchwerer zu beſiegende, würde die <hi rendition="#g">Wahl der Zeichen</hi></note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0213]
Der Mond.
Geſchlecht und das ſich ſelbſt, ohne Zweifel aus zu großer Be-
ſcheidenheit, das Meiſterſtück der Schöpfung und Gottes wahres
Ebenbild zu nennen pflegt; ein Geſchlecht, das ſo thörichte Leiden-
ſchaften hegt und dabei ſo weiſe Betrachtungen anſtellt; das ſo
kurzdauernd iſt und doch ſo weitausſehende Plane anſpinnt; das
ſo viel Kenntniſſe von den unnützeſten Dingen hat und doch die
allernothwendigſten nicht weiß; das ſo viel Freiheitsdrang neben
den knechtiſchſten Geſinnungen und ſo viel Verlangen nach Glück-
ſeligkeit hat und doch keine Kraft beſitzt, ſie zu genießen.
Uebrigens, was geht das ſie an. Gewiß nicht mehr, als ſie
uns ſelbſt angehen mögen. Genug, wenn jeder von uns mit ſich
und ſeiner nächſten Umgebung zufrieden iſt. Warum ſollten wir
uns auch um ſie, die ſo weit von uns entfernt ſind, bekümmern,
wir, die wir nicht einmal unſere nächſten Nachbarn kennen, die
daſſelbe Haus mit uns bewohnen? In der That, wir befinden uns
mit dieſen Nachbarn ſchon ſo lange Zeit auf einem gemeinſchaft-
lichen Schiffe und haben ſie noch nicht einmal geſehen. Wir be-
wohnen, wie wir wenigſtens glauben, das Vordertheil dieſes Schif-
fes, während die Leute von Lappland oder die von Neuholland
den Hintertheil des Fahrzeuges einnehmen, und ſo neugierig auch
beide ſeyn und ſo gern ſie ſonſt vor fremden Thüren kehren mö-
gen, ſo weiß doch einer nichts von dem anderen, und findet es
auch kaum der Mühe werth, darnach zu fragen, während ſie doch
alle gern wiſſen möchten, was dort oben im Monde, in einem
anderen Schiffe vorgeht, das ſo weit von uns auf dem großen
Ocean der Welten herumſegelt *).
*) Da wir, wie wir aus dem Vorhergehenden wiſſen, keine Hoff-
nung haben, je eine Reiſe in den Mond zu machen, ſo bleibt
uns, mit den Bewohnern deſſelben Bekanntſchaft zu machen,
kein anderes Mittel übrig, als eine Art von Correſpondenz
zwiſchen dieſen beiden Schiffen zu etabliren. Aber auf welche
Art? — An Poſten und Paketboote iſt nicht zu denken. Aber
vielleicht an Telegraphen? — Sie müßten etwas groß ſeyn,
um in der Entfernung von 50000 Meilen noch geſehen zu
werden. Allein dieſe Schwierigkeit ließe ſich vielleicht, wenn man
weder Mühe noch Koſten ſcheut, noch beſeitigen. Die größere
und ſchwerer zu beſiegende, würde die Wahl der Zeichen
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