Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Der Mond. wieder ganz andere Wesen sind, als die, welche wir hier untenkennen gelernt haben. Die Natur wird Mittel genug haben, sie für das, was wir Entbehrungen nennen, reichlich zu entschädigen. Ihre Fluren werden vielleicht durch keinen Regen erquickt, aber auch durch keinen Hagel zerschlagen. Sie kennen die Morgen- und Abendröthe nicht, aber sie wissen auch nichts von Wolken und Platzregen, der ihre Felder überschwemmt, nichts von Orkanen, die ihre Wohnungen zerstören. Wenn sie keinen Regenbogen se- hen, so sehen sie auch die verheerenden Blitze nicht, noch weckt sie das Brüllen des Donners aus ihrem Schlafe, in welchem sie still und friedlich ihre Tage verträumen, während wir die unseren in stetem Kampfe mit uns selbst und unseren Umgebungen zubringen, und während unseren Freuden nur zu oft Schmerz und Reue folgt, sind ihnen vielleicht beide völlig unbekannt. Wenn wir, die wir mit einem vielleicht sehr übel angebrachten Stolze zuweilen auf unsern sogenannten Diener und auf die Bewohner desselben herab- sehen, wenn wir, wenn die Besten von uns ihr Glück in einem thatenreichen, mit Ehre und Schätzen bedeckten leben suchen und es nicht finden -- so kümmern sie, in ihrer ewigen Ruhe, sich nichts um das Schattenbild des Ruhmes und genießen dafür ein wohl weniger glänzendes, aber dafür auch ein desto reineres und stetigeres Glück und haben keine Ursache, uns um unser Drängen und Treiben zu beneiden. Wenn sie die Buchdruckerkunst noch nicht erfunden haben sollten, so kennen sie dafür auch die vielen schlechten Bücher nicht, mit welchen wir geplagt sind, so ist ihnen auch alle die Mühseligkeit und Verkehrtheit unbekannt geblieben, die in dem Gefolge jener Erfindung über uns kam und wenn sie dadurch in ihren Schulen und Universitäten etwas zurückge- blieben seyn und, wie man sagt, das Pulver noch nicht erfunden haben sollten, so ist ihnen dafür auch unsere höhere Tactik unbe- kannt geblieben, durch die wir, ohne zu wissen warum, unsere Brüder zu Tausenden in einer Stunde morden, blühende Städte in Aschenhaufen und glückliche Länder in Wüsten und Leichenfelder verwandeln. Und in der That, wenn wir uns schon einmal diesen Gegensätzen überlassen wollen, wer könnte es uns verargen, wenn wir die schon längst von der Erde aus Pandora's Urne entflohenen Der Mond. wieder ganz andere Weſen ſind, als die, welche wir hier untenkennen gelernt haben. Die Natur wird Mittel genug haben, ſie für das, was wir Entbehrungen nennen, reichlich zu entſchädigen. Ihre Fluren werden vielleicht durch keinen Regen erquickt, aber auch durch keinen Hagel zerſchlagen. Sie kennen die Morgen- und Abendröthe nicht, aber ſie wiſſen auch nichts von Wolken und Platzregen, der ihre Felder überſchwemmt, nichts von Orkanen, die ihre Wohnungen zerſtören. Wenn ſie keinen Regenbogen ſe- hen, ſo ſehen ſie auch die verheerenden Blitze nicht, noch weckt ſie das Brüllen des Donners aus ihrem Schlafe, in welchem ſie ſtill und friedlich ihre Tage verträumen, während wir die unſeren in ſtetem Kampfe mit uns ſelbſt und unſeren Umgebungen zubringen, und während unſeren Freuden nur zu oft Schmerz und Reue folgt, ſind ihnen vielleicht beide völlig unbekannt. Wenn wir, die wir mit einem vielleicht ſehr übel angebrachten Stolze zuweilen auf unſern ſogenannten Diener und auf die Bewohner deſſelben herab- ſehen, wenn wir, wenn die Beſten von uns ihr Glück in einem thatenreichen, mit Ehre und Schätzen bedeckten leben ſuchen und es nicht finden — ſo kümmern ſie, in ihrer ewigen Ruhe, ſich nichts um das Schattenbild des Ruhmes und genießen dafür ein wohl weniger glänzendes, aber dafür auch ein deſto reineres und ſtetigeres Glück und haben keine Urſache, uns um unſer Drängen und Treiben zu beneiden. Wenn ſie die Buchdruckerkunſt noch nicht erfunden haben ſollten, ſo kennen ſie dafür auch die vielen ſchlechten Bücher nicht, mit welchen wir geplagt ſind, ſo iſt ihnen auch alle die Mühſeligkeit und Verkehrtheit unbekannt geblieben, die in dem Gefolge jener Erfindung über uns kam und wenn ſie dadurch in ihren Schulen und Univerſitäten etwas zurückge- blieben ſeyn und, wie man ſagt, das Pulver noch nicht erfunden haben ſollten, ſo iſt ihnen dafür auch unſere höhere Tactik unbe- kannt geblieben, durch die wir, ohne zu wiſſen warum, unſere Brüder zu Tauſenden in einer Stunde morden, blühende Städte in Aſchenhaufen und glückliche Länder in Wüſten und Leichenfelder verwandeln. Und in der That, wenn wir uns ſchon einmal dieſen Gegenſätzen überlaſſen wollen, wer könnte es uns verargen, wenn wir die ſchon längſt von der Erde aus Pandora’s Urne entflohenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0215" n="205"/><fw place="top" type="header">Der Mond.</fw><lb/> wieder ganz andere Weſen ſind, als die, welche wir hier unten<lb/> kennen gelernt haben. Die Natur wird Mittel genug haben, ſie<lb/> für das, was wir Entbehrungen nennen, reichlich zu entſchädigen.<lb/> Ihre Fluren werden vielleicht durch keinen Regen erquickt, aber<lb/> auch durch keinen Hagel zerſchlagen. Sie kennen die Morgen-<lb/> und Abendröthe nicht, aber ſie wiſſen auch nichts von Wolken und<lb/> Platzregen, der ihre Felder überſchwemmt, nichts von Orkanen,<lb/> die ihre Wohnungen zerſtören. Wenn ſie keinen Regenbogen ſe-<lb/> hen, ſo ſehen ſie auch die verheerenden Blitze nicht, noch weckt ſie<lb/> das Brüllen des Donners aus ihrem Schlafe, in welchem ſie ſtill<lb/> und friedlich ihre Tage verträumen, während wir die unſeren in<lb/> ſtetem Kampfe mit uns ſelbſt und unſeren Umgebungen zubringen,<lb/> und während unſeren Freuden nur zu oft Schmerz und Reue folgt,<lb/> ſind ihnen vielleicht beide völlig unbekannt. Wenn wir, die wir<lb/> mit einem vielleicht ſehr übel angebrachten Stolze zuweilen auf<lb/> unſern ſogenannten Diener und auf die Bewohner deſſelben herab-<lb/> ſehen, wenn wir, wenn die Beſten von uns ihr Glück in einem<lb/> thatenreichen, mit Ehre und Schätzen bedeckten leben ſuchen und<lb/> es nicht finden — ſo kümmern ſie, in ihrer ewigen Ruhe, ſich<lb/> nichts um das Schattenbild des Ruhmes und genießen dafür ein<lb/> wohl weniger glänzendes, aber dafür auch ein deſto reineres und<lb/> ſtetigeres Glück und haben keine Urſache, uns um unſer Drängen<lb/> und Treiben zu beneiden. Wenn ſie die Buchdruckerkunſt noch<lb/> nicht erfunden haben ſollten, ſo kennen ſie dafür auch die vielen<lb/> ſchlechten Bücher nicht, mit welchen wir geplagt ſind, ſo iſt ihnen<lb/> auch alle die Mühſeligkeit und Verkehrtheit unbekannt geblieben,<lb/> die in dem Gefolge jener Erfindung über uns kam und wenn<lb/> ſie dadurch in ihren Schulen und Univerſitäten etwas zurückge-<lb/> blieben ſeyn und, wie man ſagt, das Pulver noch nicht erfunden<lb/> haben ſollten, ſo iſt ihnen dafür auch unſere höhere Tactik unbe-<lb/> kannt geblieben, durch die wir, ohne zu wiſſen warum, unſere<lb/> Brüder zu Tauſenden in einer Stunde morden, blühende Städte<lb/> in Aſchenhaufen und glückliche Länder in Wüſten und Leichenfelder<lb/> verwandeln. Und in der That, wenn wir uns ſchon einmal dieſen<lb/> Gegenſätzen überlaſſen wollen, wer könnte es uns verargen, wenn<lb/> wir die ſchon längſt von der Erde aus Pandora’s Urne entflohenen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [205/0215]
Der Mond.
wieder ganz andere Weſen ſind, als die, welche wir hier unten
kennen gelernt haben. Die Natur wird Mittel genug haben, ſie
für das, was wir Entbehrungen nennen, reichlich zu entſchädigen.
Ihre Fluren werden vielleicht durch keinen Regen erquickt, aber
auch durch keinen Hagel zerſchlagen. Sie kennen die Morgen-
und Abendröthe nicht, aber ſie wiſſen auch nichts von Wolken und
Platzregen, der ihre Felder überſchwemmt, nichts von Orkanen,
die ihre Wohnungen zerſtören. Wenn ſie keinen Regenbogen ſe-
hen, ſo ſehen ſie auch die verheerenden Blitze nicht, noch weckt ſie
das Brüllen des Donners aus ihrem Schlafe, in welchem ſie ſtill
und friedlich ihre Tage verträumen, während wir die unſeren in
ſtetem Kampfe mit uns ſelbſt und unſeren Umgebungen zubringen,
und während unſeren Freuden nur zu oft Schmerz und Reue folgt,
ſind ihnen vielleicht beide völlig unbekannt. Wenn wir, die wir
mit einem vielleicht ſehr übel angebrachten Stolze zuweilen auf
unſern ſogenannten Diener und auf die Bewohner deſſelben herab-
ſehen, wenn wir, wenn die Beſten von uns ihr Glück in einem
thatenreichen, mit Ehre und Schätzen bedeckten leben ſuchen und
es nicht finden — ſo kümmern ſie, in ihrer ewigen Ruhe, ſich
nichts um das Schattenbild des Ruhmes und genießen dafür ein
wohl weniger glänzendes, aber dafür auch ein deſto reineres und
ſtetigeres Glück und haben keine Urſache, uns um unſer Drängen
und Treiben zu beneiden. Wenn ſie die Buchdruckerkunſt noch
nicht erfunden haben ſollten, ſo kennen ſie dafür auch die vielen
ſchlechten Bücher nicht, mit welchen wir geplagt ſind, ſo iſt ihnen
auch alle die Mühſeligkeit und Verkehrtheit unbekannt geblieben,
die in dem Gefolge jener Erfindung über uns kam und wenn
ſie dadurch in ihren Schulen und Univerſitäten etwas zurückge-
blieben ſeyn und, wie man ſagt, das Pulver noch nicht erfunden
haben ſollten, ſo iſt ihnen dafür auch unſere höhere Tactik unbe-
kannt geblieben, durch die wir, ohne zu wiſſen warum, unſere
Brüder zu Tauſenden in einer Stunde morden, blühende Städte
in Aſchenhaufen und glückliche Länder in Wüſten und Leichenfelder
verwandeln. Und in der That, wenn wir uns ſchon einmal dieſen
Gegenſätzen überlaſſen wollen, wer könnte es uns verargen, wenn
wir die ſchon längſt von der Erde aus Pandora’s Urne entflohenen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |