Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sonne.
Strahlen aber gibt es eine bestimmte Lage des Spiegels, wo er
das meiste, und eine andere Lage, wo er ganz und gar kein Licht
zurückwirft. Dieß gab uns daher ein leichtes Mittel, das pola-
risirte Licht von dem natürlichen zu unterscheiden; aber erzeu-
gen
konnte man das letzte doch nur durch die oben erwähnten
Versuche mit dem isländischen Krystall.

Allein dabei blieb es nicht lange, und Malus, der die Ent-
deckung, daß polarisirtes Licht nicht in allen Lagen des Spiegels
reflectirt wird, gemacht hatte, machte bald darauf noch eine zweite,
und in ihren Folgen viel wichtigere. Er fand nämlich, daß man
durch bloße Reflexion der Strahlen von durchsichtigen Spiegeln
jeder Art auf eine sehr einfache Weise polarisirtes Licht erzeugen
kann. Wenn die Lichtstrahlen von einem gewöhnlichen Glasspie-
gel unter einem Winkel von 35°,4 oder von der Oberfläche des
Wassers unter einem Winkel von 37°,5 zurückgeworfen werden, so
ist dasselbe ganz eben so vollkommen polarisirt, als das durch den
isländischen Krystall gehende Licht nur immer seyn kann. -- Seit
der Zeit der Griechen, seit mehr als 2000 Jahren kennt man die
Reflexion des Lichts durch die Spiegel, aber nie ist es weder ei-
nem Künstler, noch einem Theoretiker der alten und neuen Zeiten
eingefallen, in dieser Reflexion etwas anderes, als ein Mittel zu
suchen, die Strahlen der Sonne entweder zu vereinigen oder zu
zerstreuen, also überhaupt nur ihre gegenseitige Lage zu ändern,
und Niemand hat es auch nur von ferne geahnet, daß man da-
durch zugleich eine völlige Aenderung der Natur des Lichtes selbst
hervorbringen könne.

Seitdem hat Arago noch eine andere Art, polarisirtes Licht
zu erhalten, entdeckt. Die auf diese Art polarisirten Strahlen ge-
ben, wenn sie durch einen isländischen Krystall gehen, zwei ver-
schiedene Bilder, deren jedes in einer bestimmten, sehr lebhaften
Farbe erscheint. Wenn auch z. B. der einfallende Strahl ganz
weiß ist, so ist doch der gewöhnliche Strahl vollkommen roth,
oder gelb, oder grün u. f., je nach der Seite, welche dieser Strahl
dem Krystalle bei seinem Eintritt in dasselbe zuwendet. Der au-
ßerordentliche Strahl aber ist nicht nur immer von einer ganz
andern Farbe, als der gewöhnliche, sondern die Farben der bei-
den Strahlen sind zugleich die verschiedensten, die man finden

Die Sonne.
Strahlen aber gibt es eine beſtimmte Lage des Spiegels, wo er
das meiſte, und eine andere Lage, wo er ganz und gar kein Licht
zurückwirft. Dieß gab uns daher ein leichtes Mittel, das pola-
riſirte Licht von dem natürlichen zu unterſcheiden; aber erzeu-
gen
konnte man das letzte doch nur durch die oben erwähnten
Verſuche mit dem isländiſchen Kryſtall.

Allein dabei blieb es nicht lange, und Malus, der die Ent-
deckung, daß polariſirtes Licht nicht in allen Lagen des Spiegels
reflectirt wird, gemacht hatte, machte bald darauf noch eine zweite,
und in ihren Folgen viel wichtigere. Er fand nämlich, daß man
durch bloße Reflexion der Strahlen von durchſichtigen Spiegeln
jeder Art auf eine ſehr einfache Weiſe polariſirtes Licht erzeugen
kann. Wenn die Lichtſtrahlen von einem gewöhnlichen Glasſpie-
gel unter einem Winkel von 35°,4 oder von der Oberfläche des
Waſſers unter einem Winkel von 37°,5 zurückgeworfen werden, ſo
iſt daſſelbe ganz eben ſo vollkommen polariſirt, als das durch den
isländiſchen Kryſtall gehende Licht nur immer ſeyn kann. — Seit
der Zeit der Griechen, ſeit mehr als 2000 Jahren kennt man die
Reflexion des Lichts durch die Spiegel, aber nie iſt es weder ei-
nem Künſtler, noch einem Theoretiker der alten und neuen Zeiten
eingefallen, in dieſer Reflexion etwas anderes, als ein Mittel zu
ſuchen, die Strahlen der Sonne entweder zu vereinigen oder zu
zerſtreuen, alſo überhaupt nur ihre gegenſeitige Lage zu ändern,
und Niemand hat es auch nur von ferne geahnet, daß man da-
durch zugleich eine völlige Aenderung der Natur des Lichtes ſelbſt
hervorbringen könne.

Seitdem hat Arago noch eine andere Art, polariſirtes Licht
zu erhalten, entdeckt. Die auf dieſe Art polariſirten Strahlen ge-
ben, wenn ſie durch einen isländiſchen Kryſtall gehen, zwei ver-
ſchiedene Bilder, deren jedes in einer beſtimmten, ſehr lebhaften
Farbe erſcheint. Wenn auch z. B. der einfallende Strahl ganz
weiß iſt, ſo iſt doch der gewöhnliche Strahl vollkommen roth,
oder gelb, oder grün u. f., je nach der Seite, welche dieſer Strahl
dem Kryſtalle bei ſeinem Eintritt in daſſelbe zuwendet. Der au-
ßerordentliche Strahl aber iſt nicht nur immer von einer ganz
andern Farbe, als der gewöhnliche, ſondern die Farben der bei-
den Strahlen ſind zugleich die verſchiedenſten, die man finden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0030" n="20"/><fw place="top" type="header">Die Sonne.</fw><lb/>
Strahlen aber gibt es eine be&#x017F;timmte Lage des Spiegels, wo er<lb/>
das mei&#x017F;te, und eine andere Lage, wo er ganz und gar kein Licht<lb/>
zurückwirft. Dieß gab uns daher ein leichtes Mittel, das pola-<lb/>
ri&#x017F;irte Licht von dem natürlichen zu unter&#x017F;cheiden; aber <hi rendition="#g">erzeu-<lb/>
gen</hi> konnte man das letzte doch nur durch die oben erwähnten<lb/>
Ver&#x017F;uche mit dem isländi&#x017F;chen Kry&#x017F;tall.</p><lb/>
              <p>Allein dabei blieb es nicht lange, und Malus, der die Ent-<lb/>
deckung, daß polari&#x017F;irtes Licht nicht in allen Lagen des Spiegels<lb/>
reflectirt wird, gemacht hatte, machte bald darauf noch eine zweite,<lb/>
und in ihren Folgen viel wichtigere. Er fand nämlich, daß man<lb/>
durch bloße Reflexion der Strahlen von durch&#x017F;ichtigen Spiegeln<lb/>
jeder Art auf eine &#x017F;ehr einfache Wei&#x017F;e polari&#x017F;irtes Licht erzeugen<lb/>
kann. Wenn die Licht&#x017F;trahlen von einem gewöhnlichen Glas&#x017F;pie-<lb/>
gel unter einem Winkel von 35°,<hi rendition="#sub">4</hi> oder von der Oberfläche des<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers unter einem Winkel von 37°,<hi rendition="#sub">5</hi> zurückgeworfen werden, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe ganz eben &#x017F;o vollkommen polari&#x017F;irt, als das durch den<lb/>
isländi&#x017F;chen Kry&#x017F;tall gehende Licht nur immer &#x017F;eyn kann. &#x2014; Seit<lb/>
der Zeit der Griechen, &#x017F;eit mehr als 2000 Jahren kennt man die<lb/>
Reflexion des Lichts durch die Spiegel, aber nie i&#x017F;t es weder ei-<lb/>
nem Kün&#x017F;tler, noch einem Theoretiker der alten und neuen Zeiten<lb/>
eingefallen, in die&#x017F;er Reflexion etwas anderes, als ein Mittel zu<lb/>
&#x017F;uchen, die Strahlen der Sonne entweder zu vereinigen oder zu<lb/>
zer&#x017F;treuen, al&#x017F;o überhaupt nur ihre gegen&#x017F;eitige Lage zu ändern,<lb/>
und Niemand hat es auch nur von ferne geahnet, daß man da-<lb/>
durch zugleich eine völlige Aenderung der Natur des Lichtes &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
hervorbringen könne.</p><lb/>
              <p>Seitdem hat <hi rendition="#g">Arago</hi> noch eine andere Art, polari&#x017F;irtes Licht<lb/>
zu erhalten, entdeckt. Die auf die&#x017F;e Art polari&#x017F;irten Strahlen ge-<lb/>
ben, wenn &#x017F;ie durch einen isländi&#x017F;chen Kry&#x017F;tall gehen, zwei ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Bilder, deren jedes in einer be&#x017F;timmten, &#x017F;ehr lebhaften<lb/>
Farbe er&#x017F;cheint. Wenn auch z. B. der einfallende Strahl ganz<lb/>
weiß i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t doch der gewöhnliche Strahl vollkommen roth,<lb/>
oder gelb, oder grün u. f., je nach der Seite, welche die&#x017F;er Strahl<lb/>
dem Kry&#x017F;talle bei &#x017F;einem Eintritt in da&#x017F;&#x017F;elbe zuwendet. Der au-<lb/>
ßerordentliche Strahl aber i&#x017F;t nicht nur immer von einer ganz<lb/>
andern Farbe, als der gewöhnliche, &#x017F;ondern die Farben der bei-<lb/>
den Strahlen &#x017F;ind zugleich die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten, die man finden<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0030] Die Sonne. Strahlen aber gibt es eine beſtimmte Lage des Spiegels, wo er das meiſte, und eine andere Lage, wo er ganz und gar kein Licht zurückwirft. Dieß gab uns daher ein leichtes Mittel, das pola- riſirte Licht von dem natürlichen zu unterſcheiden; aber erzeu- gen konnte man das letzte doch nur durch die oben erwähnten Verſuche mit dem isländiſchen Kryſtall. Allein dabei blieb es nicht lange, und Malus, der die Ent- deckung, daß polariſirtes Licht nicht in allen Lagen des Spiegels reflectirt wird, gemacht hatte, machte bald darauf noch eine zweite, und in ihren Folgen viel wichtigere. Er fand nämlich, daß man durch bloße Reflexion der Strahlen von durchſichtigen Spiegeln jeder Art auf eine ſehr einfache Weiſe polariſirtes Licht erzeugen kann. Wenn die Lichtſtrahlen von einem gewöhnlichen Glasſpie- gel unter einem Winkel von 35°,4 oder von der Oberfläche des Waſſers unter einem Winkel von 37°,5 zurückgeworfen werden, ſo iſt daſſelbe ganz eben ſo vollkommen polariſirt, als das durch den isländiſchen Kryſtall gehende Licht nur immer ſeyn kann. — Seit der Zeit der Griechen, ſeit mehr als 2000 Jahren kennt man die Reflexion des Lichts durch die Spiegel, aber nie iſt es weder ei- nem Künſtler, noch einem Theoretiker der alten und neuen Zeiten eingefallen, in dieſer Reflexion etwas anderes, als ein Mittel zu ſuchen, die Strahlen der Sonne entweder zu vereinigen oder zu zerſtreuen, alſo überhaupt nur ihre gegenſeitige Lage zu ändern, und Niemand hat es auch nur von ferne geahnet, daß man da- durch zugleich eine völlige Aenderung der Natur des Lichtes ſelbſt hervorbringen könne. Seitdem hat Arago noch eine andere Art, polariſirtes Licht zu erhalten, entdeckt. Die auf dieſe Art polariſirten Strahlen ge- ben, wenn ſie durch einen isländiſchen Kryſtall gehen, zwei ver- ſchiedene Bilder, deren jedes in einer beſtimmten, ſehr lebhaften Farbe erſcheint. Wenn auch z. B. der einfallende Strahl ganz weiß iſt, ſo iſt doch der gewöhnliche Strahl vollkommen roth, oder gelb, oder grün u. f., je nach der Seite, welche dieſer Strahl dem Kryſtalle bei ſeinem Eintritt in daſſelbe zuwendet. Der au- ßerordentliche Strahl aber iſt nicht nur immer von einer ganz andern Farbe, als der gewöhnliche, ſondern die Farben der bei- den Strahlen ſind zugleich die verſchiedenſten, die man finden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/30
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/30>, abgerufen am 21.11.2024.