Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Die Sonne. schwinden sofort diese gefärbten Ringe ganz und gar, obschon sievorhin den Schatten in allen seinen Gränzen umgaben, und ob- schon noch immer bei weitem der größte Theil der Kugel von dem Lichte beschienen wird. Es scheint daraus nothwendig zu folgen, daß jene fransigen Ringe von demjenigen Lichte entstanden sind, das zu beiden Seiten der Kugel nahe bei derselben vorbei ging. Der berühmte englische Naturforscher Young, der dieses Phä- nomen zuerst beobachtete, war der Ansicht, daß die jene Kugel an zwei entgegenstehenden Seiten nahe vorbeigehenden Strahlen auf einander wirken, und dadurch jene farbigen Ringe hervorbrin- gen. Er nannte diese Wirkung die Interferenz der Strahlen. Fresnel, dem wir überhaupt die meisten und schönsten Auf- schlüsse in diesem interessanten Theile der Optik verdanken, zeigte, daß diese Interferenz eine Einwirkung der directen, von der klei- nen Oeffnung unmittelbar kommenden Strahlen auf diejenigen sey, welche die Kugel sehr nahe vorbei gehen, und durch dieselbe gebogen oder inflectirt werden. Wenn ein Sonnenstrahl in einem verfinsterten Zimmer auf Die Sonne. ſchwinden ſofort dieſe gefärbten Ringe ganz und gar, obſchon ſievorhin den Schatten in allen ſeinen Gränzen umgaben, und ob- ſchon noch immer bei weitem der größte Theil der Kugel von dem Lichte beſchienen wird. Es ſcheint daraus nothwendig zu folgen, daß jene franſigen Ringe von demjenigen Lichte entſtanden ſind, das zu beiden Seiten der Kugel nahe bei derſelben vorbei ging. Der berühmte engliſche Naturforſcher Young, der dieſes Phä- nomen zuerſt beobachtete, war der Anſicht, daß die jene Kugel an zwei entgegenſtehenden Seiten nahe vorbeigehenden Strahlen auf einander wirken, und dadurch jene farbigen Ringe hervorbrin- gen. Er nannte dieſe Wirkung die Interferenz der Strahlen. Fresnel, dem wir überhaupt die meiſten und ſchönſten Auf- ſchlüſſe in dieſem intereſſanten Theile der Optik verdanken, zeigte, daß dieſe Interferenz eine Einwirkung der directen, von der klei- nen Oeffnung unmittelbar kommenden Strahlen auf diejenigen ſey, welche die Kugel ſehr nahe vorbei gehen, und durch dieſelbe gebogen oder inflectirt werden. 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Und worin<lb/> ſoll dieſer ſonderbare Prozeß beſtehen, durch den man in einem<lb/> Augenblicke Tag in Nacht und umgekehrt verwandeln kann? —<lb/> Die Auflöſung dieſes Räthſels wird den Leſern ohne Zweifel noch<lb/> ſonderbarer erſcheinen, als das Räthſel ſelbſt. — Man darf nur<lb/> auf dieſen hellen Punkt noch einen zweiten Sonnenſtrahl leiten,<lb/> der denſelben ganz eben ſo, wie der erſte beſcheint, und der, wenn<lb/> er allein da wäre, den Punkt eben ſo hell, wie der erſte, gemacht<lb/> haben würde. <hi rendition="#g">Beide zuſammen</hi> aber machen ihn, nicht, wie<lb/> man glauben ſollte, noch heller, ſondern ſie machen ihn ganz dun-<lb/> kel und ſchwarz! — Alſo, wenn man, unter gewiſſen Verhältniſſen<lb/> nämlich, Licht zu Licht gießt, ſo wird es finſter: die beiden Licht-<lb/> ſtrahlen zerſtören ſich gegenſeitig, ſie heben ſich auf. Und auch<lb/> das iſt eine Wirkung der Interferenz des Lichts.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0032]
Die Sonne.
ſchwinden ſofort dieſe gefärbten Ringe ganz und gar, obſchon ſie
vorhin den Schatten in allen ſeinen Gränzen umgaben, und ob-
ſchon noch immer bei weitem der größte Theil der Kugel von dem
Lichte beſchienen wird. Es ſcheint daraus nothwendig zu folgen,
daß jene franſigen Ringe von demjenigen Lichte entſtanden ſind,
das zu beiden Seiten der Kugel nahe bei derſelben vorbei ging.
Der berühmte engliſche Naturforſcher Young, der dieſes Phä-
nomen zuerſt beobachtete, war der Anſicht, daß die jene Kugel
an zwei entgegenſtehenden Seiten nahe vorbeigehenden Strahlen
auf einander wirken, und dadurch jene farbigen Ringe hervorbrin-
gen. Er nannte dieſe Wirkung die Interferenz der Strahlen.
Fresnel, dem wir überhaupt die meiſten und ſchönſten Auf-
ſchlüſſe in dieſem intereſſanten Theile der Optik verdanken, zeigte,
daß dieſe Interferenz eine Einwirkung der directen, von der klei-
nen Oeffnung unmittelbar kommenden Strahlen auf diejenigen
ſey, welche die Kugel ſehr nahe vorbei gehen, und durch dieſelbe
gebogen oder inflectirt werden.
Wenn ein Sonnenſtrahl in einem verfinſterten Zimmer auf
eine Tafel, z. B. auf ein Blatt weißen Papieres fällt, ſo malt
er ſich auf demſelben, wie bereits geſagt, als ein hellglänzender
Punkt ab. Allein dieſen hellen Punkt kann man auf eine ſehr
einfache Weiſe ſofort zu einem ganz finſtern machen, ohne übri-
gens den Lichtſtrahl, noch das Papier zu berühren. Und worin
ſoll dieſer ſonderbare Prozeß beſtehen, durch den man in einem
Augenblicke Tag in Nacht und umgekehrt verwandeln kann? —
Die Auflöſung dieſes Räthſels wird den Leſern ohne Zweifel noch
ſonderbarer erſcheinen, als das Räthſel ſelbſt. — Man darf nur
auf dieſen hellen Punkt noch einen zweiten Sonnenſtrahl leiten,
der denſelben ganz eben ſo, wie der erſte beſcheint, und der, wenn
er allein da wäre, den Punkt eben ſo hell, wie der erſte, gemacht
haben würde. Beide zuſammen aber machen ihn, nicht, wie
man glauben ſollte, noch heller, ſondern ſie machen ihn ganz dun-
kel und ſchwarz! — Alſo, wenn man, unter gewiſſen Verhältniſſen
nämlich, Licht zu Licht gießt, ſo wird es finſter: die beiden Licht-
ſtrahlen zerſtören ſich gegenſeitig, ſie heben ſich auf. Und auch
das iſt eine Wirkung der Interferenz des Lichts.
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