Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Merkur. daher nur, wenn er ihr westlich steht, Morgens kurz vor Sonnen-aufgang am östlichen Himmel, und wenn er ihr östlich steht, Abends bald nach Sonnenuntergang am westlichen Himmel einige Zeit durch sichtbar, wo man ihn daher immer in dem Dämmer- lichte der Sonne und nahe am Horizonte suchen muß. Man möchte beinahe glauben, daß die alten Griechen viel bessere Augen, als wir gehabt haben, da sie diesen Planeten nicht nur so oft sehen, sondern ihn sogar fortgesetzt beobachten, und aus diesen Beobachtungen die Theorie seiner Bewegung ableiten konnten. Zwar sind die Tafeln desselben, wie sie uns Ptolemäus überliefert hat, die unvollkommensten von allen seinen Planetentafeln, und der Fehler derselben geht, wenn man sie mit unsern neuern Tafeln vergleicht, bis auf sieben volle Grade. Aber auch in diesem Zu- stande noch können sie als ein Beweis des Fleißes jener Astro- nomen betrachtet werden, die noch keine Fernröhre zu ihrem Gebothe hatten, und gewiß nicht ohne lang fortgesetzte Beobachtungen auch nur die Bewegung dieses Gestirns erkennen konnten. Coper- nikus soll es noch auf seinem Sterbebette betrauert haben, daß er in seinem ganzen Leben den Merkur auch nicht ein einziges mal gesehen hatte, so viel er sich auch darum bemühte. Möstlin, der Lehrer des großen Kepler, sagte oft scherzend, daß dieser Planet nur da zu seyn scheine, um die Astronomen in ein schlechtes Licht zu stellen, und Riccioli hielt den himmlischen Merkur für eben so unergründlich für die Astronomen, als den irdischen (das Queck- silber) für die Chemiker und Alchimisten. Seit indeß die Fern- röhre entdeckt, und in unsern Tagen auf einen so hohen Grad der Vollkommenheit gebracht worden sind, hat man weiter keine Schwierigkeit, ihn selbst um Mittag, und in einer sehr geringen Entfernung von der Sonne zu sehen. Oefters soll es sich jedoch ereignen, daß man ihn auch mit diesen Hülfsmitteln zu einer Zeit, wo man ihn seiner Stellung gegen Erde und Sonne wegen, am besten sehen sollte, nur mit Mühe erkennen kann, und man glaubt diese Sonderbarkeit dadurch zu erklären, daß einzelne Theile seiner Oberfläche das Licht der Sonne weniger gut reflectiren, als andere. §. 44. (Größtes Licht Merkurs.) Wir haben bereits oben Merkur. daher nur, wenn er ihr weſtlich ſteht, Morgens kurz vor Sonnen-aufgang am öſtlichen Himmel, und wenn er ihr öſtlich ſteht, Abends bald nach Sonnenuntergang am weſtlichen Himmel einige Zeit durch ſichtbar, wo man ihn daher immer in dem Dämmer- lichte der Sonne und nahe am Horizonte ſuchen muß. Man möchte beinahe glauben, daß die alten Griechen viel beſſere Augen, als wir gehabt haben, da ſie dieſen Planeten nicht nur ſo oft ſehen, ſondern ihn ſogar fortgeſetzt beobachten, und aus dieſen Beobachtungen die Theorie ſeiner Bewegung ableiten konnten. Zwar ſind die Tafeln deſſelben, wie ſie uns Ptolemäus überliefert hat, die unvollkommenſten von allen ſeinen Planetentafeln, und der Fehler derſelben geht, wenn man ſie mit unſern neuern Tafeln vergleicht, bis auf ſieben volle Grade. Aber auch in dieſem Zu- ſtande noch können ſie als ein Beweis des Fleißes jener Aſtro- nomen betrachtet werden, die noch keine Fernröhre zu ihrem Gebothe hatten, und gewiß nicht ohne lang fortgeſetzte Beobachtungen auch nur die Bewegung dieſes Geſtirns erkennen konnten. Coper- nikus ſoll es noch auf ſeinem Sterbebette betrauert haben, daß er in ſeinem ganzen Leben den Merkur auch nicht ein einziges mal geſehen hatte, ſo viel er ſich auch darum bemühte. Möſtlin, der Lehrer des großen Kepler, ſagte oft ſcherzend, daß dieſer Planet nur da zu ſeyn ſcheine, um die Aſtronomen in ein ſchlechtes Licht zu ſtellen, und Riccioli hielt den himmliſchen Merkur für eben ſo unergründlich für die Aſtronomen, als den irdiſchen (das Queck- ſilber) für die Chemiker und Alchimiſten. Seit indeß die Fern- röhre entdeckt, und in unſern Tagen auf einen ſo hohen Grad der Vollkommenheit gebracht worden ſind, hat man weiter keine Schwierigkeit, ihn ſelbſt um Mittag, und in einer ſehr geringen Entfernung von der Sonne zu ſehen. Oefters ſoll es ſich jedoch ereignen, daß man ihn auch mit dieſen Hülfsmitteln zu einer Zeit, wo man ihn ſeiner Stellung gegen Erde und Sonne wegen, am beſten ſehen ſollte, nur mit Mühe erkennen kann, und man glaubt dieſe Sonderbarkeit dadurch zu erklären, daß einzelne Theile ſeiner Oberfläche das Licht der Sonne weniger gut reflectiren, als andere. §. 44. (Größtes Licht Merkurs.) Wir haben bereits oben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="55"/><fw place="top" type="header">Merkur.</fw><lb/> daher nur, wenn er ihr weſtlich ſteht, Morgens kurz vor Sonnen-<lb/> aufgang am öſtlichen Himmel, und wenn er ihr öſtlich ſteht,<lb/> Abends bald nach Sonnenuntergang am weſtlichen Himmel einige<lb/> Zeit durch ſichtbar, wo man ihn daher immer in dem Dämmer-<lb/> lichte der Sonne und nahe am Horizonte ſuchen muß. Man<lb/> möchte beinahe glauben, daß die alten Griechen viel beſſere Augen,<lb/> als wir gehabt haben, da ſie dieſen Planeten nicht nur ſo oft<lb/> ſehen, ſondern ihn ſogar fortgeſetzt beobachten, und aus dieſen<lb/> Beobachtungen die Theorie ſeiner Bewegung ableiten konnten.<lb/> Zwar ſind die Tafeln deſſelben, wie ſie uns Ptolemäus überliefert<lb/> hat, die unvollkommenſten von allen ſeinen Planetentafeln, und<lb/> der Fehler derſelben geht, wenn man ſie mit unſern neuern Tafeln<lb/> vergleicht, bis auf ſieben volle Grade. Aber auch in dieſem Zu-<lb/> ſtande noch können ſie als ein Beweis des Fleißes jener Aſtro-<lb/> nomen betrachtet werden, die noch keine Fernröhre zu ihrem Gebothe<lb/> hatten, und gewiß nicht ohne lang fortgeſetzte Beobachtungen<lb/> auch nur die Bewegung dieſes Geſtirns erkennen konnten. Coper-<lb/> nikus ſoll es noch auf ſeinem Sterbebette betrauert haben, daß er<lb/> in ſeinem ganzen Leben den Merkur auch nicht ein einziges mal<lb/> geſehen hatte, ſo viel er ſich auch darum bemühte. Möſtlin, der<lb/> Lehrer des großen Kepler, ſagte oft ſcherzend, daß dieſer Planet<lb/> nur da zu ſeyn ſcheine, um die Aſtronomen in ein ſchlechtes Licht<lb/> zu ſtellen, und Riccioli hielt den himmliſchen Merkur für eben ſo<lb/> unergründlich für die Aſtronomen, als den irdiſchen (das Queck-<lb/> ſilber) für die Chemiker und Alchimiſten. Seit indeß die Fern-<lb/> röhre entdeckt, und in unſern Tagen auf einen ſo hohen Grad<lb/> der Vollkommenheit gebracht worden ſind, hat man weiter keine<lb/> Schwierigkeit, ihn ſelbſt um Mittag, und in einer ſehr geringen<lb/> Entfernung von der Sonne zu ſehen. Oefters ſoll es ſich jedoch<lb/> ereignen, daß man ihn auch mit dieſen Hülfsmitteln zu einer Zeit,<lb/> wo man ihn ſeiner Stellung gegen Erde und Sonne wegen, am<lb/> beſten ſehen ſollte, nur mit Mühe erkennen kann, und man glaubt<lb/> dieſe Sonderbarkeit dadurch zu erklären, daß einzelne Theile ſeiner<lb/> Oberfläche das Licht der Sonne weniger gut reflectiren, als andere.</p><lb/> <p>§. 44. (Größtes Licht Merkurs.) Wir haben bereits oben<lb/> (<hi rendition="#aq">I.</hi> §. 94) den ſcheinbaren Lauf dieſes Planeten um die Sonne<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0065]
Merkur.
daher nur, wenn er ihr weſtlich ſteht, Morgens kurz vor Sonnen-
aufgang am öſtlichen Himmel, und wenn er ihr öſtlich ſteht,
Abends bald nach Sonnenuntergang am weſtlichen Himmel einige
Zeit durch ſichtbar, wo man ihn daher immer in dem Dämmer-
lichte der Sonne und nahe am Horizonte ſuchen muß. Man
möchte beinahe glauben, daß die alten Griechen viel beſſere Augen,
als wir gehabt haben, da ſie dieſen Planeten nicht nur ſo oft
ſehen, ſondern ihn ſogar fortgeſetzt beobachten, und aus dieſen
Beobachtungen die Theorie ſeiner Bewegung ableiten konnten.
Zwar ſind die Tafeln deſſelben, wie ſie uns Ptolemäus überliefert
hat, die unvollkommenſten von allen ſeinen Planetentafeln, und
der Fehler derſelben geht, wenn man ſie mit unſern neuern Tafeln
vergleicht, bis auf ſieben volle Grade. Aber auch in dieſem Zu-
ſtande noch können ſie als ein Beweis des Fleißes jener Aſtro-
nomen betrachtet werden, die noch keine Fernröhre zu ihrem Gebothe
hatten, und gewiß nicht ohne lang fortgeſetzte Beobachtungen
auch nur die Bewegung dieſes Geſtirns erkennen konnten. Coper-
nikus ſoll es noch auf ſeinem Sterbebette betrauert haben, daß er
in ſeinem ganzen Leben den Merkur auch nicht ein einziges mal
geſehen hatte, ſo viel er ſich auch darum bemühte. Möſtlin, der
Lehrer des großen Kepler, ſagte oft ſcherzend, daß dieſer Planet
nur da zu ſeyn ſcheine, um die Aſtronomen in ein ſchlechtes Licht
zu ſtellen, und Riccioli hielt den himmliſchen Merkur für eben ſo
unergründlich für die Aſtronomen, als den irdiſchen (das Queck-
ſilber) für die Chemiker und Alchimiſten. Seit indeß die Fern-
röhre entdeckt, und in unſern Tagen auf einen ſo hohen Grad
der Vollkommenheit gebracht worden ſind, hat man weiter keine
Schwierigkeit, ihn ſelbſt um Mittag, und in einer ſehr geringen
Entfernung von der Sonne zu ſehen. Oefters ſoll es ſich jedoch
ereignen, daß man ihn auch mit dieſen Hülfsmitteln zu einer Zeit,
wo man ihn ſeiner Stellung gegen Erde und Sonne wegen, am
beſten ſehen ſollte, nur mit Mühe erkennen kann, und man glaubt
dieſe Sonderbarkeit dadurch zu erklären, daß einzelne Theile ſeiner
Oberfläche das Licht der Sonne weniger gut reflectiren, als andere.
§. 44. (Größtes Licht Merkurs.) Wir haben bereits oben
(I. §. 94) den ſcheinbaren Lauf dieſes Planeten um die Sonne
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |