Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmosphäre d. Erde. unsere Geometer bisher beschäftiget haben, wie schon aus denvielen vergeblichen Versuchen folgt, welche seit Newtons Zeiten angestellt wurden, diesen Zweck zu erreichen. Schon Kepler wollte eine solche Theorie liefern, aber die Analyse war damals noch in einem zu unvollkommenen Zustande, um ein so schwieriges Problem genügend aufzulösen. Galilei, der die Ansicht Keplers bekämpfte, stellte eine andere auf, die aber eben so wenig angenommen zu werden verdiente. Newton, der den Gegenstand zuerst aus dem wahren Gesichtspunkte betrachtete, stellte seine Theorie i. J. 1687 auf, allein so richtig auch seine Ideen waren, so bedurften sie doch noch einer großen Entwickelung und Ausbildung, um den Erscheinungen der Natur vollkommen zu genügen. Im Jahre 1738 machte die k. Akademie der Wissen- schaften zu Paris dieses Problem zum Gegenstande einer Preis- frage, die vier gekrönte Memoiren zur Folge hatte. Die drei ersten waren von Daniel Bernoulli, Leonhard Euler und Mac- laurin, welche alle mit sehr viel Scharfsinn die von Newton schon früher eingeschlagene Bahn verfolgten. Die vierte aber hatte den bekannten Jesuiten Cavalleri zum Verfasser, und dieser suchte die gegebene Frage durch die Anwendung der cartesischen Wirbel zu erklären, eine auf nichts gegründete Theorie, an welcher aber die Pariser Akademie noch viele Jahre festzuhalten suchte, nachdem bereits Newton sein System der allgemeinen Schwere aufgestellt, und die Nichtigkeit der Wirbel des Descartes dargethan hatte. Die gegenwärtige hohe Ausbildung dieses Gegenstandes verdanken wir vorzüglich Laplace, der seine tiefen Untersuchungen darüber in den beiden letzten Theilen seiner Mec. celeste mitgetheilt hat. §. 115. (Ebbe und Fluth der Atmosphäre.) Da die Wirkung Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde. unſere Geometer bisher beſchäftiget haben, wie ſchon aus denvielen vergeblichen Verſuchen folgt, welche ſeit Newtons Zeiten angeſtellt wurden, dieſen Zweck zu erreichen. Schon Kepler wollte eine ſolche Theorie liefern, aber die Analyſe war damals noch in einem zu unvollkommenen Zuſtande, um ein ſo ſchwieriges Problem genügend aufzulöſen. Galilei, der die Anſicht Keplers bekämpfte, ſtellte eine andere auf, die aber eben ſo wenig angenommen zu werden verdiente. Newton, der den Gegenſtand zuerſt aus dem wahren Geſichtspunkte betrachtete, ſtellte ſeine Theorie i. J. 1687 auf, allein ſo richtig auch ſeine Ideen waren, ſo bedurften ſie doch noch einer großen Entwickelung und Ausbildung, um den Erſcheinungen der Natur vollkommen zu genügen. Im Jahre 1738 machte die k. Akademie der Wiſſen- ſchaften zu Paris dieſes Problem zum Gegenſtande einer Preis- frage, die vier gekrönte Memoiren zur Folge hatte. Die drei erſten waren von Daniel Bernoulli, Leonhard Euler und Mac- laurin, welche alle mit ſehr viel Scharfſinn die von Newton ſchon früher eingeſchlagene Bahn verfolgten. Die vierte aber hatte den bekannten Jeſuiten Cavalleri zum Verfaſſer, und dieſer ſuchte die gegebene Frage durch die Anwendung der carteſiſchen Wirbel zu erklären, eine auf nichts gegründete Theorie, an welcher aber die Pariſer Akademie noch viele Jahre feſtzuhalten ſuchte, nachdem bereits Newton ſein Syſtem der allgemeinen Schwere aufgeſtellt, und die Nichtigkeit der Wirbel des Descartes dargethan hatte. Die gegenwärtige hohe Ausbildung dieſes Gegenſtandes verdanken wir vorzüglich Laplace, der ſeine tiefen Unterſuchungen darüber in den beiden letzten Theilen ſeiner Mec. céleste mitgetheilt hat. §. 115. (Ebbe und Fluth der Atmoſphäre.) Da die Wirkung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0174" n="162"/><fw place="top" type="header">Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.</fw><lb/> unſere Geometer bisher beſchäftiget haben, wie ſchon aus den<lb/> vielen vergeblichen Verſuchen folgt, welche ſeit Newtons<lb/> Zeiten angeſtellt wurden, dieſen Zweck zu erreichen. Schon<lb/> Kepler wollte eine ſolche Theorie liefern, aber die Analyſe war<lb/> damals noch in einem zu unvollkommenen Zuſtande, um<lb/> ein ſo ſchwieriges Problem genügend aufzulöſen. Galilei, der<lb/> die Anſicht Keplers bekämpfte, ſtellte eine andere auf, die aber<lb/> eben ſo wenig angenommen zu werden verdiente. Newton, der<lb/> den Gegenſtand zuerſt aus dem wahren Geſichtspunkte betrachtete,<lb/> ſtellte ſeine Theorie i. J. 1687 auf, allein ſo richtig auch ſeine<lb/> Ideen waren, ſo bedurften ſie doch noch einer großen Entwickelung<lb/> und Ausbildung, um den Erſcheinungen der Natur vollkommen<lb/> zu genügen. Im Jahre 1738 machte die k. Akademie der Wiſſen-<lb/> ſchaften zu Paris dieſes Problem zum Gegenſtande einer Preis-<lb/> frage, die vier gekrönte Memoiren zur Folge hatte. Die drei<lb/> erſten waren von Daniel Bernoulli, Leonhard Euler und Mac-<lb/> laurin, welche alle mit ſehr viel Scharfſinn die von Newton ſchon<lb/> früher eingeſchlagene Bahn verfolgten. Die vierte aber hatte den<lb/> bekannten Jeſuiten Cavalleri zum Verfaſſer, und dieſer ſuchte die<lb/> gegebene Frage durch die Anwendung der carteſiſchen Wirbel zu<lb/> erklären, eine auf nichts gegründete Theorie, an welcher aber die<lb/> Pariſer Akademie noch viele Jahre feſtzuhalten ſuchte, nachdem<lb/> bereits Newton ſein Syſtem der allgemeinen Schwere aufgeſtellt,<lb/> und die Nichtigkeit der Wirbel des Descartes dargethan hatte.<lb/> Die gegenwärtige hohe Ausbildung dieſes Gegenſtandes verdanken<lb/> wir vorzüglich Laplace, der ſeine tiefen Unterſuchungen darüber<lb/> in den beiden letzten Theilen ſeiner <hi rendition="#aq">Mec. céleste</hi> mitgetheilt hat.</p><lb/> <p>§. 115. (Ebbe und Fluth der Atmoſphäre.) Da die Wirkung<lb/> der Sonne und des Mondes auf unſere Meere ſo bedeutend iſt,<lb/> ſo wird ſie wahrſcheinlich auf das unſere Erde rings umgebende<lb/> Luftmeer, wegen der großen Beweglichkeit deſſelben, noch viel be-<lb/> trächtlicher ſeyn. An der oberſten Gränze der Atmoſphäre ſind<lb/> dieſe Wirkungen ohne Zweifel auch ſehr groß, aber wir bewohnen<lb/> nur den <hi rendition="#g">Grund</hi> dieſes Meeres, und ſind in dieſer Beziehung<lb/> in demſelben Falle mit den Bewohnern der Tiefe des Oceans,<lb/> die von den großen Veränderungen, welche an ſeiner Oberfläche<lb/> vorgehen, wohl nur ſehr wenig fühlen. Indeß erkennen wir dieſe<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0174]
Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.
unſere Geometer bisher beſchäftiget haben, wie ſchon aus den
vielen vergeblichen Verſuchen folgt, welche ſeit Newtons
Zeiten angeſtellt wurden, dieſen Zweck zu erreichen. Schon
Kepler wollte eine ſolche Theorie liefern, aber die Analyſe war
damals noch in einem zu unvollkommenen Zuſtande, um
ein ſo ſchwieriges Problem genügend aufzulöſen. Galilei, der
die Anſicht Keplers bekämpfte, ſtellte eine andere auf, die aber
eben ſo wenig angenommen zu werden verdiente. Newton, der
den Gegenſtand zuerſt aus dem wahren Geſichtspunkte betrachtete,
ſtellte ſeine Theorie i. J. 1687 auf, allein ſo richtig auch ſeine
Ideen waren, ſo bedurften ſie doch noch einer großen Entwickelung
und Ausbildung, um den Erſcheinungen der Natur vollkommen
zu genügen. Im Jahre 1738 machte die k. Akademie der Wiſſen-
ſchaften zu Paris dieſes Problem zum Gegenſtande einer Preis-
frage, die vier gekrönte Memoiren zur Folge hatte. Die drei
erſten waren von Daniel Bernoulli, Leonhard Euler und Mac-
laurin, welche alle mit ſehr viel Scharfſinn die von Newton ſchon
früher eingeſchlagene Bahn verfolgten. Die vierte aber hatte den
bekannten Jeſuiten Cavalleri zum Verfaſſer, und dieſer ſuchte die
gegebene Frage durch die Anwendung der carteſiſchen Wirbel zu
erklären, eine auf nichts gegründete Theorie, an welcher aber die
Pariſer Akademie noch viele Jahre feſtzuhalten ſuchte, nachdem
bereits Newton ſein Syſtem der allgemeinen Schwere aufgeſtellt,
und die Nichtigkeit der Wirbel des Descartes dargethan hatte.
Die gegenwärtige hohe Ausbildung dieſes Gegenſtandes verdanken
wir vorzüglich Laplace, der ſeine tiefen Unterſuchungen darüber
in den beiden letzten Theilen ſeiner Mec. céleste mitgetheilt hat.
§. 115. (Ebbe und Fluth der Atmoſphäre.) Da die Wirkung
der Sonne und des Mondes auf unſere Meere ſo bedeutend iſt,
ſo wird ſie wahrſcheinlich auf das unſere Erde rings umgebende
Luftmeer, wegen der großen Beweglichkeit deſſelben, noch viel be-
trächtlicher ſeyn. An der oberſten Gränze der Atmoſphäre ſind
dieſe Wirkungen ohne Zweifel auch ſehr groß, aber wir bewohnen
nur den Grund dieſes Meeres, und ſind in dieſer Beziehung
in demſelben Falle mit den Bewohnern der Tiefe des Oceans,
die von den großen Veränderungen, welche an ſeiner Oberfläche
vorgehen, wohl nur ſehr wenig fühlen. Indeß erkennen wir dieſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |