Mond und die Planeten abgerundet, wenn dieselben anders, wie es sehr wahrscheinlich ist, zur Zeit ihrer Entstehung sich in einem flüssigen Zustande befunden haben.
Dieselbe Anziehung, welche wir zwischen den einzelnen Ele- menten der festen oder auch der flüssigen Körper unter sich bemerken, zeigt sich zwischen den Atomen der festen und flüs- sigen Körper selbst. So fällt ein Wassertropfen von der untern Seite einer horizontalen Glastafel nicht herab, weil er von der Tafel angezogen wird. Wenn die Spitze einer Nadel in eine Flüssigkeit getaucht und wieder aus ihr herausgezogen wird, bleibt ein Tropfen derselben an ihr hängen, und alle feste, in Flüssig- keiten eingetauchte Körper, werden naß, wenn anders diese beiden Körper sich gegenseitig anziehen. Wenn eine Glasröhre in Quecksilber getaucht wird, so bleibt sie trocken, aus derselben Ursache, aus welcher auch unsere Kleider trocken bleiben würden, wenn es nicht Wasser, sondern Quecksilber regnete.
§. 12. (Capillarkraft und Affinität der Körper.) Dieselbe Molecular-Attraction zeigt sich auch bei dem Aufsteigen der Flüs- sigkeiten in den Poren und Zwischenräumen der festen Körper, wo sie dann Capillar-Attraction genannt wird. So sieht man Wasser oder Oel in den Schwamm und Zucker dringen oder in dem Dochte unserer Lampen aufsteigen; so kann man mit be- netzten Seilen sehr große Lasten heben und durch dieselbe Kraft steigt auch der größte Theil der Säfte in den Körpern der Pflanzen und Thiere in die Höhe.
Noch auffallender erscheint diese Molecularkraft in unseren chemischen Prozessen, wo sie den Namen der Affinität (Ver- wandtschaft) erhält. Wenn zwei Flüssigkeiten unter einander gemengt werden, so sieht man häufig eine dritte entstehen, deren Eigenschaften von jenen der beiden ersten völlig verschieden sind. Oft ist das Volum der Mischung, oft ist auch die Temperatur, die Farbe, selbst der Zustand der Flüssigkeit ganz anders, als er bei den einzelnen Körpern vor ihrer Vermischung gewesen ist. Ein Quart Wasser mit eben so viel Schwefelsäure gemischt, nimmt einen bedeutend geringeren Raum ein, als zwei Quart betragen, weil sich die Elemente dieser beiden Flüssigkeiten inniger anziehen, als die einer jeden derselben. Auch ist diese Mischung von einer
Eigenſchaften der Körper.
Mond und die Planeten abgerundet, wenn dieſelben anders, wie es ſehr wahrſcheinlich iſt, zur Zeit ihrer Entſtehung ſich in einem flüſſigen Zuſtande befunden haben.
Dieſelbe Anziehung, welche wir zwiſchen den einzelnen Ele- menten der feſten oder auch der flüſſigen Körper unter ſich bemerken, zeigt ſich zwiſchen den Atomen der feſten und flüſ- ſigen Körper ſelbſt. So fällt ein Waſſertropfen von der untern Seite einer horizontalen Glastafel nicht herab, weil er von der Tafel angezogen wird. Wenn die Spitze einer Nadel in eine Flüſſigkeit getaucht und wieder aus ihr herausgezogen wird, bleibt ein Tropfen derſelben an ihr hängen, und alle feſte, in Flüſſig- keiten eingetauchte Körper, werden naß, wenn anders dieſe beiden Körper ſich gegenſeitig anziehen. Wenn eine Glasröhre in Queckſilber getaucht wird, ſo bleibt ſie trocken, aus derſelben Urſache, aus welcher auch unſere Kleider trocken bleiben würden, wenn es nicht Waſſer, ſondern Queckſilber regnete.
§. 12. (Capillarkraft und Affinität der Körper.) Dieſelbe Molecular-Attraction zeigt ſich auch bei dem Aufſteigen der Flüſ- ſigkeiten in den Poren und Zwiſchenräumen der feſten Körper, wo ſie dann Capillar-Attraction genannt wird. So ſieht man Waſſer oder Oel in den Schwamm und Zucker dringen oder in dem Dochte unſerer Lampen aufſteigen; ſo kann man mit be- netzten Seilen ſehr große Laſten heben und durch dieſelbe Kraft ſteigt auch der größte Theil der Säfte in den Körpern der Pflanzen und Thiere in die Höhe.
Noch auffallender erſcheint dieſe Molecularkraft in unſeren chemiſchen Prozeſſen, wo ſie den Namen der Affinität (Ver- wandtſchaft) erhält. Wenn zwei Flüſſigkeiten unter einander gemengt werden, ſo ſieht man häufig eine dritte entſtehen, deren Eigenſchaften von jenen der beiden erſten völlig verſchieden ſind. Oft iſt das Volum der Miſchung, oft iſt auch die Temperatur, die Farbe, ſelbſt der Zuſtand der Flüſſigkeit ganz anders, als er bei den einzelnen Körpern vor ihrer Vermiſchung geweſen iſt. Ein Quart Waſſer mit eben ſo viel Schwefelſäure gemiſcht, nimmt einen bedeutend geringeren Raum ein, als zwei Quart betragen, weil ſich die Elemente dieſer beiden Flüſſigkeiten inniger anziehen, als die einer jeden derſelben. Auch iſt dieſe Miſchung von einer
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Eigenſchaften der Körper.
Mond und die Planeten abgerundet, wenn dieſelben anders, wie
es ſehr wahrſcheinlich iſt, zur Zeit ihrer Entſtehung ſich in einem
flüſſigen Zuſtande befunden haben.
Dieſelbe Anziehung, welche wir zwiſchen den einzelnen Ele-
menten der feſten oder auch der flüſſigen Körper unter ſich
bemerken, zeigt ſich zwiſchen den Atomen der feſten und flüſ-
ſigen Körper ſelbſt. So fällt ein Waſſertropfen von der untern
Seite einer horizontalen Glastafel nicht herab, weil er von der
Tafel angezogen wird. Wenn die Spitze einer Nadel in eine
Flüſſigkeit getaucht und wieder aus ihr herausgezogen wird, bleibt
ein Tropfen derſelben an ihr hängen, und alle feſte, in Flüſſig-
keiten eingetauchte Körper, werden naß, wenn anders dieſe
beiden Körper ſich gegenſeitig anziehen. Wenn eine Glasröhre
in Queckſilber getaucht wird, ſo bleibt ſie trocken, aus derſelben
Urſache, aus welcher auch unſere Kleider trocken bleiben würden,
wenn es nicht Waſſer, ſondern Queckſilber regnete.
§. 12. (Capillarkraft und Affinität der Körper.) Dieſelbe
Molecular-Attraction zeigt ſich auch bei dem Aufſteigen der Flüſ-
ſigkeiten in den Poren und Zwiſchenräumen der feſten Körper,
wo ſie dann Capillar-Attraction genannt wird. So ſieht
man Waſſer oder Oel in den Schwamm und Zucker dringen oder
in dem Dochte unſerer Lampen aufſteigen; ſo kann man mit be-
netzten Seilen ſehr große Laſten heben und durch dieſelbe Kraft
ſteigt auch der größte Theil der Säfte in den Körpern der Pflanzen
und Thiere in die Höhe.
Noch auffallender erſcheint dieſe Molecularkraft in unſeren
chemiſchen Prozeſſen, wo ſie den Namen der Affinität (Ver-
wandtſchaft) erhält. Wenn zwei Flüſſigkeiten unter einander
gemengt werden, ſo ſieht man häufig eine dritte entſtehen, deren
Eigenſchaften von jenen der beiden erſten völlig verſchieden ſind.
Oft iſt das Volum der Miſchung, oft iſt auch die Temperatur,
die Farbe, ſelbſt der Zuſtand der Flüſſigkeit ganz anders, als er
bei den einzelnen Körpern vor ihrer Vermiſchung geweſen iſt.
Ein Quart Waſſer mit eben ſo viel Schwefelſäure gemiſcht, nimmt
einen bedeutend geringeren Raum ein, als zwei Quart betragen,
weil ſich die Elemente dieſer beiden Flüſſigkeiten inniger anziehen,
als die einer jeden derſelben. Auch iſt dieſe Miſchung von einer
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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