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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
Polarstern in seiner oberen und unteren Culmination (I. S. 105)
ist und subtrahire die letzte Zeit von 12 Uhr. Die halbe Differenz
der so erhaltenen zwei Zeiten dividirt man dann durch den Cosinus der
Polhöhe und durch die Tangente der Declination des Sterns: was
herauskommt, ist die gesuchte Abweichung des Rohrs von dem
Meridian oder ist das gesuchte Azimut (I. S. 31). Um dieß
durch ein Beispiel zu erläutern, nehmen wir an, man hätte für die
obere Culmination des Polarsterns 0 Stunden 58 Minuten 20
Sekunden und für die untere 12 Stunden 58 Minuten 50 Sekun-
den gefunden, so ist jene Differenz 30 also ihre Hälfte 15 Zeit-
sekunden. Die Declination des Polarsterns ist aber nahe 88° 10'
und die Polhöhe Wiens 48° 12,6'. Von jenem Winkel ist die Tan-
gente 31,2416 und von diesem der Cosinus 0,6664, also beträgt auch
das Azimut des Fernrohrs 0,721 Zeitsekunden und zwar gegen
Ost, da jene Differenz positiv ist. Man wird daher in diesem
Falle das Fernrohr oder vielmehr die Drehungsaxe AB desselben
mittelst der bereits erwähnten Schraube bei der Unterlage B die-
ser Axe um 0,721 Zeitsekunden westlicher stellen, um die Collima-
tionslinie in die Ebene des Meridians zu bringen. Die Beobach-
tungen der nächstfolgenden Tage werden zeigen, ob man diese Zu-
rechtstellung des Fernrohrs ganz genau vorgenommen hat. Dieß
wird nämlich der Fall seyn, wenn die erwähnte Differenz der bei-
den Sternzeiten genau gleich Null ist.

Dieß sind die wesentlichsten Correctionen des Mittagrohrs,
die man mit aller Sorgfalt vornehmen muß, ehe man an die
eigentlichen Beobachtungen mit diesem Instrumente geht. Da es
schwer ist, diese drei Fehler, der auf die Drehungsaxe senkrechten
Stellung der Collimationslinie, der Horizontalität der Drehungs-
axe und des Azimuts des Fernrohrs, durch bloße mechanische
Mittel, wie Schrauben, Libellen und dergl. völlig wegzubringen,
und da sich auch diese Fehler durch äußere Einwirkungen auf das
Instrument häufig ändern, so ziehen es die neueren Beobachter
vor, diese Fehler durch jene Mittel überhaupt nur so klein als
möglich zu machen, und dann den Rest derselben oder vielmehr
die Folgen dieser Reste auf die künftigen Beobachtungen in Rech-
nung zu bringen, ein Verfahren, das viel genauer ist, als jenes,
das sich aber hier ohne Umständlichkeit nicht gut vortragen läßt.


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Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
Polarſtern in ſeiner oberen und unteren Culmination (I. S. 105)
iſt und ſubtrahire die letzte Zeit von 12 Uhr. Die halbe Differenz
der ſo erhaltenen zwei Zeiten dividirt man dann durch den Coſinus der
Polhöhe und durch die Tangente der Declination des Sterns: was
herauskommt, iſt die geſuchte Abweichung des Rohrs von dem
Meridian oder iſt das geſuchte Azimut (I. S. 31). Um dieß
durch ein Beiſpiel zu erläutern, nehmen wir an, man hätte für die
obere Culmination des Polarſterns 0 Stunden 58 Minuten 20
Sekunden und für die untere 12 Stunden 58 Minuten 50 Sekun-
den gefunden, ſo iſt jene Differenz 30 alſo ihre Hälfte 15 Zeit-
ſekunden. Die Declination des Polarſterns iſt aber nahe 88° 10′
und die Polhöhe Wiens 48° 12,6′. Von jenem Winkel iſt die Tan-
gente 31,2416 und von dieſem der Coſinus 0,6664, alſo beträgt auch
das Azimut des Fernrohrs 0,721 Zeitſekunden und zwar gegen
Oſt, da jene Differenz poſitiv iſt. Man wird daher in dieſem
Falle das Fernrohr oder vielmehr die Drehungsaxe AB deſſelben
mittelſt der bereits erwähnten Schraube bei der Unterlage B die-
ſer Axe um 0,721 Zeitſekunden weſtlicher ſtellen, um die Collima-
tionslinie in die Ebene des Meridians zu bringen. Die Beobach-
tungen der nächſtfolgenden Tage werden zeigen, ob man dieſe Zu-
rechtſtellung des Fernrohrs ganz genau vorgenommen hat. Dieß
wird nämlich der Fall ſeyn, wenn die erwähnte Differenz der bei-
den Sternzeiten genau gleich Null iſt.

Dieß ſind die weſentlichſten Correctionen des Mittagrohrs,
die man mit aller Sorgfalt vornehmen muß, ehe man an die
eigentlichen Beobachtungen mit dieſem Inſtrumente geht. Da es
ſchwer iſt, dieſe drei Fehler, der auf die Drehungsaxe ſenkrechten
Stellung der Collimationslinie, der Horizontalität der Drehungs-
axe und des Azimuts des Fernrohrs, durch bloße mechaniſche
Mittel, wie Schrauben, Libellen und dergl. völlig wegzubringen,
und da ſich auch dieſe Fehler durch äußere Einwirkungen auf das
Inſtrument häufig ändern, ſo ziehen es die neueren Beobachter
vor, dieſe Fehler durch jene Mittel überhaupt nur ſo klein als
möglich zu machen, und dann den Reſt derſelben oder vielmehr
die Folgen dieſer Reſte auf die künftigen Beobachtungen in Rech-
nung zu bringen, ein Verfahren, das viel genauer iſt, als jenes,
das ſich aber hier ohne Umſtändlichkeit nicht gut vortragen läßt.


19 *
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[291/0303] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Polarſtern in ſeiner oberen und unteren Culmination (I. S. 105) iſt und ſubtrahire die letzte Zeit von 12 Uhr. Die halbe Differenz der ſo erhaltenen zwei Zeiten dividirt man dann durch den Coſinus der Polhöhe und durch die Tangente der Declination des Sterns: was herauskommt, iſt die geſuchte Abweichung des Rohrs von dem Meridian oder iſt das geſuchte Azimut (I. S. 31). Um dieß durch ein Beiſpiel zu erläutern, nehmen wir an, man hätte für die obere Culmination des Polarſterns 0 Stunden 58 Minuten 20 Sekunden und für die untere 12 Stunden 58 Minuten 50 Sekun- den gefunden, ſo iſt jene Differenz 30 alſo ihre Hälfte 15 Zeit- ſekunden. Die Declination des Polarſterns iſt aber nahe 88° 10′ und die Polhöhe Wiens 48° 12,6′. Von jenem Winkel iſt die Tan- gente 31,2416 und von dieſem der Coſinus 0,6664, alſo beträgt auch das Azimut des Fernrohrs 0,721 Zeitſekunden und zwar gegen Oſt, da jene Differenz poſitiv iſt. Man wird daher in dieſem Falle das Fernrohr oder vielmehr die Drehungsaxe AB deſſelben mittelſt der bereits erwähnten Schraube bei der Unterlage B die- ſer Axe um 0,721 Zeitſekunden weſtlicher ſtellen, um die Collima- tionslinie in die Ebene des Meridians zu bringen. Die Beobach- tungen der nächſtfolgenden Tage werden zeigen, ob man dieſe Zu- rechtſtellung des Fernrohrs ganz genau vorgenommen hat. Dieß wird nämlich der Fall ſeyn, wenn die erwähnte Differenz der bei- den Sternzeiten genau gleich Null iſt. Dieß ſind die weſentlichſten Correctionen des Mittagrohrs, die man mit aller Sorgfalt vornehmen muß, ehe man an die eigentlichen Beobachtungen mit dieſem Inſtrumente geht. Da es ſchwer iſt, dieſe drei Fehler, der auf die Drehungsaxe ſenkrechten Stellung der Collimationslinie, der Horizontalität der Drehungs- axe und des Azimuts des Fernrohrs, durch bloße mechaniſche Mittel, wie Schrauben, Libellen und dergl. völlig wegzubringen, und da ſich auch dieſe Fehler durch äußere Einwirkungen auf das Inſtrument häufig ändern, ſo ziehen es die neueren Beobachter vor, dieſe Fehler durch jene Mittel überhaupt nur ſo klein als möglich zu machen, und dann den Reſt derſelben oder vielmehr die Folgen dieſer Reſte auf die künftigen Beobachtungen in Rech- nung zu bringen, ein Verfahren, das viel genauer iſt, als jenes, das ſich aber hier ohne Umſtändlichkeit nicht gut vortragen läßt. 19 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/303>, abgerufen am 24.11.2024.