verkehrt das Quadrat der Entfernung verhalte, und die Bewegung des Körpers im freien Raume vor sich gehe.
Man findet nicht, daß Newton auf diese zweite Verbesserung Hooke's geantwortet habe. Aber er erkannte ohne Zweifel die Rich- tigkeit derselben. Sie gab ihm sogar, wie er selbst in einem spätern Briefe an Halley, vom 27. Julius 1686 gesteht, Veran- lassung, der Sache weiter nachzuforschen, und dadurch ein sehr wichtiges Theorem zu entdecken, welches eigentlich nur eine Er- weiterung des von Hooke gefundenen Satzes war. Er fand nämlich, daß, wenn ein durch eine Centralkraft getriebener Körper in einer Ellipse einhergeht, und wenn diese Kraft in einem der Brennpunkte der Ellipse ihren Sitz hat, daß dann diese Kraft sich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung des Körpers von diesem Brennpunkte ver- hält. Da nun schon lange vorher durch Kepler ausgemacht war, daß die Planeten Ellipsen beschreiben, in deren einem Brennpunkte die Sonne ruht, so war auch dadurch das Gesetz der Attraction der Sonne gefunden. Allein diese Entdeckung gehört einer spä- teren Epoche an, wenigstens machte sie Newton erst fünf Jahre nachher, im Jahre 1683, der königl. Academie in London, und erst 1687 öffentlich bekannt. Als er jenen Brief Hooke's erhielt, wagte er es noch nicht, diese vielleicht nur geahnte, aber nicht bewiesene Entdeckung als das eigentliche Gesetz der Natur anzu- erkennen. Das Mißlingen seines ersten Versuchs, den er vor dreizehn Jahren angestellt hatte, um die Bewegung des Mondes mit jener der fallenden Körper in Uebereinstimmung zu bringen, machte ihn schüchtern, und verbreitete Zweifel und Ungewißheit über alle seine Spekulationen dieser Art, so wie es ihn auch ab- hielt, die Resultate seiner bisherigen Untersuchungen bekannt zu machen, bevor er sie nicht von allen Seiten geprüft, und die Wahrheit derselben durch Rechnung über allen Zweifel erhoben hatte. Diese vielleicht zu weit getriebene Vorsicht verwickelte ihn hier, so wie beinahe in allen seinen anderen großen Entdeckungen, in spätere und oft sehr unangenehme Streitigkeiten mit den Ri- valen seines Ruhmes. Wenn aber auch diese vielleicht nur scheinbare Aengstlichkeit aus der Individualität des seltenen Man- nes hervorging, so kann sie doch zugleich als ein Beweis der höheren Kraft und der tieferen Erkenntniß desselben angesehen
Allgemeine Schwere.
verkehrt das Quadrat der Entfernung verhalte, und die Bewegung des Körpers im freien Raume vor ſich gehe.
Man findet nicht, daß Newton auf dieſe zweite Verbeſſerung Hooke’s geantwortet habe. Aber er erkannte ohne Zweifel die Rich- tigkeit derſelben. Sie gab ihm ſogar, wie er ſelbſt in einem ſpätern Briefe an Halley, vom 27. Julius 1686 geſteht, Veran- laſſung, der Sache weiter nachzuforſchen, und dadurch ein ſehr wichtiges Theorem zu entdecken, welches eigentlich nur eine Er- weiterung des von Hooke gefundenen Satzes war. Er fand nämlich, daß, wenn ein durch eine Centralkraft getriebener Körper in einer Ellipſe einhergeht, und wenn dieſe Kraft in einem der Brennpunkte der Ellipſe ihren Sitz hat, daß dann dieſe Kraft ſich verkehrt wie das Quadrat der Entfernung des Körpers von dieſem Brennpunkte ver- hält. Da nun ſchon lange vorher durch Kepler ausgemacht war, daß die Planeten Ellipſen beſchreiben, in deren einem Brennpunkte die Sonne ruht, ſo war auch dadurch das Geſetz der Attraction der Sonne gefunden. Allein dieſe Entdeckung gehört einer ſpä- teren Epoche an, wenigſtens machte ſie Newton erſt fünf Jahre nachher, im Jahre 1683, der königl. Academie in London, und erſt 1687 öffentlich bekannt. Als er jenen Brief Hooke’s erhielt, wagte er es noch nicht, dieſe vielleicht nur geahnte, aber nicht bewieſene Entdeckung als das eigentliche Geſetz der Natur anzu- erkennen. Das Mißlingen ſeines erſten Verſuchs, den er vor dreizehn Jahren angeſtellt hatte, um die Bewegung des Mondes mit jener der fallenden Körper in Uebereinſtimmung zu bringen, machte ihn ſchüchtern, und verbreitete Zweifel und Ungewißheit über alle ſeine Spekulationen dieſer Art, ſo wie es ihn auch ab- hielt, die Reſultate ſeiner bisherigen Unterſuchungen bekannt zu machen, bevor er ſie nicht von allen Seiten geprüft, und die Wahrheit derſelben durch Rechnung über allen Zweifel erhoben hatte. Dieſe vielleicht zu weit getriebene Vorſicht verwickelte ihn hier, ſo wie beinahe in allen ſeinen anderen großen Entdeckungen, in ſpätere und oft ſehr unangenehme Streitigkeiten mit den Ri- valen ſeines Ruhmes. Wenn aber auch dieſe vielleicht nur ſcheinbare Aengſtlichkeit aus der Individualität des ſeltenen Man- nes hervorging, ſo kann ſie doch zugleich als ein Beweis der höheren Kraft und der tieferen Erkenntniß deſſelben angeſehen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0065"n="53"/><fwplace="top"type="header">Allgemeine Schwere.</fw><lb/>
verkehrt das Quadrat der Entfernung verhalte, und die Bewegung<lb/>
des Körpers im freien Raume vor ſich gehe.</p><lb/><p>Man findet nicht, daß Newton auf dieſe zweite Verbeſſerung<lb/>
Hooke’s geantwortet habe. Aber er erkannte ohne Zweifel die Rich-<lb/>
tigkeit derſelben. Sie gab ihm ſogar, wie er ſelbſt in einem<lb/>ſpätern Briefe an Halley, vom 27. Julius 1686 geſteht, Veran-<lb/>
laſſung, der Sache weiter nachzuforſchen, und dadurch ein ſehr<lb/>
wichtiges Theorem zu entdecken, welches eigentlich nur eine Er-<lb/>
weiterung des von Hooke gefundenen Satzes war. Er fand nämlich,<lb/>
daß, wenn ein durch eine Centralkraft getriebener Körper in einer<lb/>
Ellipſe einhergeht, und wenn dieſe Kraft in einem der Brennpunkte<lb/>
der Ellipſe ihren Sitz hat, daß dann dieſe Kraft ſich verkehrt wie das<lb/>
Quadrat der Entfernung des Körpers von dieſem Brennpunkte ver-<lb/>
hält. Da nun ſchon lange vorher durch Kepler ausgemacht war,<lb/>
daß die Planeten Ellipſen beſchreiben, in deren einem Brennpunkte<lb/>
die Sonne ruht, ſo war auch dadurch das Geſetz der Attraction<lb/>
der Sonne gefunden. Allein dieſe Entdeckung gehört einer ſpä-<lb/>
teren Epoche an, wenigſtens machte ſie Newton erſt fünf Jahre<lb/>
nachher, im Jahre 1683, der königl. Academie in London, und erſt<lb/>
1687 öffentlich bekannt. Als er jenen Brief Hooke’s erhielt,<lb/>
wagte er es noch nicht, dieſe vielleicht nur geahnte, aber nicht<lb/>
bewieſene Entdeckung als das eigentliche Geſetz der Natur anzu-<lb/>
erkennen. Das Mißlingen ſeines erſten Verſuchs, den er vor<lb/>
dreizehn Jahren angeſtellt hatte, um die Bewegung des Mondes<lb/>
mit jener der fallenden Körper in Uebereinſtimmung zu bringen,<lb/>
machte ihn ſchüchtern, und verbreitete Zweifel und Ungewißheit<lb/>
über alle ſeine Spekulationen dieſer Art, ſo wie es ihn auch ab-<lb/>
hielt, die Reſultate ſeiner bisherigen Unterſuchungen bekannt zu<lb/>
machen, bevor er ſie nicht von allen Seiten geprüft, und die<lb/>
Wahrheit derſelben durch Rechnung über allen Zweifel erhoben<lb/>
hatte. Dieſe vielleicht zu weit getriebene Vorſicht verwickelte ihn<lb/>
hier, ſo wie beinahe in allen ſeinen anderen großen Entdeckungen,<lb/>
in ſpätere und oft ſehr unangenehme Streitigkeiten mit den Ri-<lb/>
valen ſeines Ruhmes. Wenn aber auch dieſe vielleicht nur<lb/>ſcheinbare Aengſtlichkeit aus der Individualität des ſeltenen Man-<lb/>
nes hervorging, ſo kann ſie doch zugleich als ein Beweis der<lb/>
höheren Kraft und der tieferen Erkenntniß deſſelben angeſehen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[53/0065]
Allgemeine Schwere.
verkehrt das Quadrat der Entfernung verhalte, und die Bewegung
des Körpers im freien Raume vor ſich gehe.
Man findet nicht, daß Newton auf dieſe zweite Verbeſſerung
Hooke’s geantwortet habe. Aber er erkannte ohne Zweifel die Rich-
tigkeit derſelben. Sie gab ihm ſogar, wie er ſelbſt in einem
ſpätern Briefe an Halley, vom 27. Julius 1686 geſteht, Veran-
laſſung, der Sache weiter nachzuforſchen, und dadurch ein ſehr
wichtiges Theorem zu entdecken, welches eigentlich nur eine Er-
weiterung des von Hooke gefundenen Satzes war. Er fand nämlich,
daß, wenn ein durch eine Centralkraft getriebener Körper in einer
Ellipſe einhergeht, und wenn dieſe Kraft in einem der Brennpunkte
der Ellipſe ihren Sitz hat, daß dann dieſe Kraft ſich verkehrt wie das
Quadrat der Entfernung des Körpers von dieſem Brennpunkte ver-
hält. Da nun ſchon lange vorher durch Kepler ausgemacht war,
daß die Planeten Ellipſen beſchreiben, in deren einem Brennpunkte
die Sonne ruht, ſo war auch dadurch das Geſetz der Attraction
der Sonne gefunden. Allein dieſe Entdeckung gehört einer ſpä-
teren Epoche an, wenigſtens machte ſie Newton erſt fünf Jahre
nachher, im Jahre 1683, der königl. Academie in London, und erſt
1687 öffentlich bekannt. Als er jenen Brief Hooke’s erhielt,
wagte er es noch nicht, dieſe vielleicht nur geahnte, aber nicht
bewieſene Entdeckung als das eigentliche Geſetz der Natur anzu-
erkennen. Das Mißlingen ſeines erſten Verſuchs, den er vor
dreizehn Jahren angeſtellt hatte, um die Bewegung des Mondes
mit jener der fallenden Körper in Uebereinſtimmung zu bringen,
machte ihn ſchüchtern, und verbreitete Zweifel und Ungewißheit
über alle ſeine Spekulationen dieſer Art, ſo wie es ihn auch ab-
hielt, die Reſultate ſeiner bisherigen Unterſuchungen bekannt zu
machen, bevor er ſie nicht von allen Seiten geprüft, und die
Wahrheit derſelben durch Rechnung über allen Zweifel erhoben
hatte. Dieſe vielleicht zu weit getriebene Vorſicht verwickelte ihn
hier, ſo wie beinahe in allen ſeinen anderen großen Entdeckungen,
in ſpätere und oft ſehr unangenehme Streitigkeiten mit den Ri-
valen ſeines Ruhmes. Wenn aber auch dieſe vielleicht nur
ſcheinbare Aengſtlichkeit aus der Individualität des ſeltenen Man-
nes hervorging, ſo kann ſie doch zugleich als ein Beweis der
höheren Kraft und der tieferen Erkenntniß deſſelben angeſehen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/65>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.