Löhe, Wilhelm: Eine protestantische Missionspredigt von der Abendmahlszucht. Nürnberg, 1853.Man könnte sagen: es sollte aber eben auch die Zucht von oben her mehr empfohlen und befohlen sein, es sollte wieder Zuchtordnungen geben, vermöge deren sich diejenigen, welche die Liebe der Zucht üben wollen, für geschützt erachten könnten. Allein, meine Brüder, obschon daran etwas Wahres ist: so glaube ich doch, daß man durch solche Einwendungen die heilige Pflicht nur von sich wegzuschieben trachtet. Ich sehne mich darnach, daß das Zuchtgebot JEsu auch wieder einmal anerkannt und (wie jämmerlich klingt aber das!) zum Kirchengebete werde, und ich hoffe, es werde wohl auch einmal wieder dazu kommen; aber ist denn JEsu Gebot nicht über Kirchengebot, und wird sein Wille mehr und beßer geschehen, wenn das irdische Regiment der Kirche ihn ausgesprochen haben wird? Die Ihm nicht folgen, werden die dem Kirchenregimente folgen? Ist's nicht offenbar, daß des HErrn Gebot Kirchengebot sein muß? Ist er nicht alleiniger HErr seiner Kirche: kann etwas nicht gelten, was er gesprochen, hat? - Schöner Tag, wo uns eine Zuchtordnung dargeboten werden wird! Aber was hilft ein Kleid, für das sich am Ende kein Leib findet? Was hilft Canal und Waßerleitung, wenn kein Waßer da ist? Was helfen Waffen ohne Soldaten? Was helfen Zuchtordnungen ohne den Geist der Liebe und der Zucht? Die Zucht ist viel zu sehr Aeußerung der persönlichen und gemeindlichen Bruderliebe, als daß es möglich wäre sie ohne Brüder und brüderlich gesinnte Gemeinden in's Werk zu setzen. Sie ist und bleibt die Sache, das Eigenthum, die Kunst und Macht gemeindlicher Bruderliebe. Wo die Bruderliebe ist, schafft sie Ordnungen, zumal die Grundzüge in JEsu Worten klar vor uns liegen. Wo die Liebe erkaltet, nimmt die Ungerechtigkeit überhand, - und keine Macht des Staates, keine Ordnung der Kirche vermag alsdann den Mangel der Liebe zu ersetzen. Ihr werdet sagen: Was ist aber dann zu thun? Man könnte sagen: es sollte aber eben auch die Zucht von oben her mehr empfohlen und befohlen sein, es sollte wieder Zuchtordnungen geben, vermöge deren sich diejenigen, welche die Liebe der Zucht üben wollen, für geschützt erachten könnten. Allein, meine Brüder, obschon daran etwas Wahres ist: so glaube ich doch, daß man durch solche Einwendungen die heilige Pflicht nur von sich wegzuschieben trachtet. Ich sehne mich darnach, daß das Zuchtgebot JEsu auch wieder einmal anerkannt und (wie jämmerlich klingt aber das!) zum Kirchengebete werde, und ich hoffe, es werde wohl auch einmal wieder dazu kommen; aber ist denn JEsu Gebot nicht über Kirchengebot, und wird sein Wille mehr und beßer geschehen, wenn das irdische Regiment der Kirche ihn ausgesprochen haben wird? Die Ihm nicht folgen, werden die dem Kirchenregimente folgen? Ist’s nicht offenbar, daß des HErrn Gebot Kirchengebot sein muß? Ist er nicht alleiniger HErr seiner Kirche: kann etwas nicht gelten, was er gesprochen, hat? – Schöner Tag, wo uns eine Zuchtordnung dargeboten werden wird! Aber was hilft ein Kleid, für das sich am Ende kein Leib findet? Was hilft Canal und Waßerleitung, wenn kein Waßer da ist? Was helfen Waffen ohne Soldaten? Was helfen Zuchtordnungen ohne den Geist der Liebe und der Zucht? Die Zucht ist viel zu sehr Aeußerung der persönlichen und gemeindlichen Bruderliebe, als daß es möglich wäre sie ohne Brüder und brüderlich gesinnte Gemeinden in’s Werk zu setzen. Sie ist und bleibt die Sache, das Eigenthum, die Kunst und Macht gemeindlicher Bruderliebe. Wo die Bruderliebe ist, schafft sie Ordnungen, zumal die Grundzüge in JEsu Worten klar vor uns liegen. Wo die Liebe erkaltet, nimmt die Ungerechtigkeit überhand, – und keine Macht des Staates, keine Ordnung der Kirche vermag alsdann den Mangel der Liebe zu ersetzen. 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