Löhe, Wilhelm: Prediget das Evangelium aller Creatur! Nürnberg, 1847.wenn jemand einen Freudentag hat, wird er zu Lieb und sanftem Urtheil aufgelegt, auch wenn ers sonst nicht war, und gibt gerne, auch wenn ers sonst nicht that. Die Heiden sind so unglücklich und wir so glücklich: können wir denn das bedenken, ohne uns ihrer zu erbarmen, ohne ihnen unser Glück zu gönnen und es ihnen, so viel wir das vermögen, zu geben? Wort und Sacrament sind die Brunnen unsers Glücks, warum dringt uns denn unser Glück und das Unglück der Heiden nicht, auch ihnen diese Brunnen zu eröffnen und dem armen Erdreich, welches dem Fluche so nahe ist, ihre Wasser zuzuleiten? Es sollte uns ziehen, ja das Erbarmen sollte uns treiben, unser Glück andern zuzuwenden, - und wenn wir an der Erlaubnis des Herrn zweifelten, von welchem Wort und Sacrament kommt, so sollten wir um diese Erlaubnis beten, bis wir die Zuversicht bekämen, daß wir den Heiden, unserm Fleisch und Blut, geben dürfen, was wir haben, bis wir ein Zeichen des Wohlgefallens an dem hätten, was wir wünschen und wollen, nemlich an der Errettung derer, die noch sind, was wir auch waren, nemlich Heiden. - Indes das Erbarmen Gottes mit dem Elende der Heiden ist größer als das unsrige, und ehe wir jenes Elend erkennen und beklagen konnten, hat der Herr nicht bloß die Erlaubnis gegeben, seine Wohlthaten den Heiden zuzuwenden, sondern zeug unsers Textes den ausdrücklichen Befehl. Man hat verneint, daß Christus ein Gesetzgeber sei, und behauptet, er müsse ganz ein Gnadenspender genannt werden. Es ist auch vollkommen wahr, so wie es gemeint ist, und man soll Gesetz und Evangelium nicht vermengen, Christum und Mosen nicht verwechseln. Dennoch aber, gel. Br., ist Christus in einem gewissen Sinne Gesetzgeber, denn er hat ein Gesetz gegeben, welches aus der Gnade stammt, durch Gnadenkräfte und Begnadigte ausgeübt wenn jemand einen Freudentag hat, wird er zu Lieb und sanftem Urtheil aufgelegt, auch wenn ers sonst nicht war, und gibt gerne, auch wenn ers sonst nicht that. Die Heiden sind so unglücklich und wir so glücklich: können wir denn das bedenken, ohne uns ihrer zu erbarmen, ohne ihnen unser Glück zu gönnen und es ihnen, so viel wir das vermögen, zu geben? Wort und Sacrament sind die Brunnen unsers Glücks, warum dringt uns denn unser Glück und das Unglück der Heiden nicht, auch ihnen diese Brunnen zu eröffnen und dem armen Erdreich, welches dem Fluche so nahe ist, ihre Wasser zuzuleiten? Es sollte uns ziehen, ja das Erbarmen sollte uns treiben, unser Glück andern zuzuwenden, – und wenn wir an der Erlaubnis des Herrn zweifelten, von welchem Wort und Sacrament kommt, so sollten wir um diese Erlaubnis beten, bis wir die Zuversicht bekämen, daß wir den Heiden, unserm Fleisch und Blut, geben dürfen, was wir haben, bis wir ein Zeichen des Wohlgefallens an dem hätten, was wir wünschen und wollen, nemlich an der Errettung derer, die noch sind, was wir auch waren, nemlich Heiden. – Indes das Erbarmen Gottes mit dem Elende der Heiden ist größer als das unsrige, und ehe wir jenes Elend erkennen und beklagen konnten, hat der Herr nicht bloß die Erlaubnis gegeben, seine Wohlthaten den Heiden zuzuwenden, sondern zeug unsers Textes den ausdrücklichen Befehl. Man hat verneint, daß Christus ein Gesetzgeber sei, und behauptet, er müsse ganz ein Gnadenspender genannt werden. Es ist auch vollkommen wahr, so wie es gemeint ist, und man soll Gesetz und Evangelium nicht vermengen, Christum und Mosen nicht verwechseln. Dennoch aber, gel. Br., ist Christus in einem gewissen Sinne Gesetzgeber, denn er hat ein Gesetz gegeben, welches aus der Gnade stammt, durch Gnadenkräfte und Begnadigte ausgeübt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0006" n="6"/> wenn jemand einen Freudentag hat, wird er zu Lieb und sanftem Urtheil aufgelegt, auch wenn ers sonst nicht war, und gibt gerne, auch wenn ers sonst nicht that. Die Heiden sind so unglücklich und wir so glücklich: können wir denn das bedenken, ohne uns ihrer zu erbarmen, ohne ihnen unser Glück zu gönnen und es ihnen, so viel wir das vermögen, zu geben? Wort und Sacrament sind die Brunnen unsers Glücks, warum dringt uns denn unser Glück und das Unglück der Heiden nicht, auch ihnen diese Brunnen zu eröffnen und dem armen Erdreich, welches dem Fluche so nahe ist, ihre Wasser zuzuleiten? Es sollte uns ziehen, ja das Erbarmen sollte uns treiben, unser Glück andern zuzuwenden, – und wenn wir an der Erlaubnis des Herrn zweifelten, von welchem Wort und Sacrament kommt, so sollten wir um diese Erlaubnis beten, bis wir die Zuversicht bekämen, daß wir den Heiden, unserm Fleisch und Blut, geben dürfen, was wir haben, bis wir ein Zeichen des Wohlgefallens an dem hätten, was wir wünschen und wollen, nemlich an der Errettung derer, die noch sind, was wir auch waren, nemlich Heiden. –</p> <p>Indes das Erbarmen Gottes mit dem Elende der Heiden ist größer als das unsrige, und ehe wir jenes Elend erkennen und beklagen konnten, hat der Herr nicht bloß die Erlaubnis gegeben, seine Wohlthaten den Heiden zuzuwenden, sondern zeug unsers Textes den ausdrücklichen <hi rendition="#g">Befehl</hi>.</p> <p>Man hat verneint, daß Christus ein Gesetzgeber sei, und behauptet, er müsse ganz ein Gnadenspender genannt werden. Es ist auch vollkommen wahr, so wie es gemeint ist, und man soll Gesetz und Evangelium nicht vermengen, Christum und Mosen nicht verwechseln. Dennoch aber, gel. Br., ist Christus in einem gewissen Sinne Gesetzgeber, denn er hat ein Gesetz gegeben, welches aus der Gnade stammt, durch Gnadenkräfte und Begnadigte ausgeübt </p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
wenn jemand einen Freudentag hat, wird er zu Lieb und sanftem Urtheil aufgelegt, auch wenn ers sonst nicht war, und gibt gerne, auch wenn ers sonst nicht that. Die Heiden sind so unglücklich und wir so glücklich: können wir denn das bedenken, ohne uns ihrer zu erbarmen, ohne ihnen unser Glück zu gönnen und es ihnen, so viel wir das vermögen, zu geben? Wort und Sacrament sind die Brunnen unsers Glücks, warum dringt uns denn unser Glück und das Unglück der Heiden nicht, auch ihnen diese Brunnen zu eröffnen und dem armen Erdreich, welches dem Fluche so nahe ist, ihre Wasser zuzuleiten? Es sollte uns ziehen, ja das Erbarmen sollte uns treiben, unser Glück andern zuzuwenden, – und wenn wir an der Erlaubnis des Herrn zweifelten, von welchem Wort und Sacrament kommt, so sollten wir um diese Erlaubnis beten, bis wir die Zuversicht bekämen, daß wir den Heiden, unserm Fleisch und Blut, geben dürfen, was wir haben, bis wir ein Zeichen des Wohlgefallens an dem hätten, was wir wünschen und wollen, nemlich an der Errettung derer, die noch sind, was wir auch waren, nemlich Heiden. –
Indes das Erbarmen Gottes mit dem Elende der Heiden ist größer als das unsrige, und ehe wir jenes Elend erkennen und beklagen konnten, hat der Herr nicht bloß die Erlaubnis gegeben, seine Wohlthaten den Heiden zuzuwenden, sondern zeug unsers Textes den ausdrücklichen Befehl.
Man hat verneint, daß Christus ein Gesetzgeber sei, und behauptet, er müsse ganz ein Gnadenspender genannt werden. Es ist auch vollkommen wahr, so wie es gemeint ist, und man soll Gesetz und Evangelium nicht vermengen, Christum und Mosen nicht verwechseln. Dennoch aber, gel. Br., ist Christus in einem gewissen Sinne Gesetzgeber, denn er hat ein Gesetz gegeben, welches aus der Gnade stammt, durch Gnadenkräfte und Begnadigte ausgeübt
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