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Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.

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später mit großem Glück in Winterbach unterrichtet und zu allem Möglichen befähigt worden. Er spielte Clavier und Violine, lernte lateinisch, machte schöne Aufsätze, zeichnete schön, war ein feiner Jüngling von gebildeten Sitten und einem frommen Herzen, hatte im Leben und Sterben Gottes und aller Menschen Gunst, mehr werden als er, kann kaum ein Blöder, aber mehr als ein Blöder war auch er nicht. Auch ihm fehlte wie so vielen andersgearteten seinesgleichen der Strich die Stirn herab, der nach der Lehre der Phrenologen die Selbstständigkeit und die Selbstbestimmung bezeichnet. Zwischen ihn und den beiden ersten, dem Bauernknaben und dem reichen Erben, ist ein Unterschied, wie zwischen Himmel und Erde, aber auch er gehörte nur zu den Blöden und in die Blödenanstalt, und Gottes Geist hat von ihm das Unglück abgewendet, daß man versucht hätte, ihn anderswo und anders zu erziehen. Er hat sein Lebensglück geschmeckt und kann man sagen, mit Geschmack alles gethan und vorgenommen. Die Klumpfüße, mit denen er mühsam gieng, haben durch Gottes Barmherzigkeit verhindern müßen, daß er einen andern Lebensweg eingeschlagen hätte. Wenn man ihm aber auch die hätte abnehmen und seinem Leib und Leben den vollen Adel einer vornehmen Erziehung in der Blödenanstalt geben können, so hätte man zwar an ihm sehen können, wie viel die Blödenschule thut, aber aufgehört hätte er doch nicht, ein Blöder zu sein. Wer blöde ist, wirklich blöde, wird nie vollsinnig und gesund. Es gibt zwar Blöde, Leute, bei denen der Blödsinn nicht eigentlich durchgedrungen ist, wo seine Wirkungen nicht tiefer gehen; - manchmal könnte man sagen, wo die Hemmung und Zerstörung der armen Seele so arg nicht ist, und da mag die Blödenbildung vielleicht ganz Außerordentliches thun, und es mag vielleicht manches Mal bei einer ganzen Classe ein lebhafterer Auf- und Umschwung gelingen: auch da mag

später mit großem Glück in Winterbach unterrichtet und zu allem Möglichen befähigt worden. Er spielte Clavier und Violine, lernte lateinisch, machte schöne Aufsätze, zeichnete schön, war ein feiner Jüngling von gebildeten Sitten und einem frommen Herzen, hatte im Leben und Sterben Gottes und aller Menschen Gunst, mehr werden als er, kann kaum ein Blöder, aber mehr als ein Blöder war auch er nicht. Auch ihm fehlte wie so vielen andersgearteten seinesgleichen der Strich die Stirn herab, der nach der Lehre der Phrenologen die Selbstständigkeit und die Selbstbestimmung bezeichnet. Zwischen ihn und den beiden ersten, dem Bauernknaben und dem reichen Erben, ist ein Unterschied, wie zwischen Himmel und Erde, aber auch er gehörte nur zu den Blöden und in die Blödenanstalt, und Gottes Geist hat von ihm das Unglück abgewendet, daß man versucht hätte, ihn anderswo und anders zu erziehen. Er hat sein Lebensglück geschmeckt und kann man sagen, mit Geschmack alles gethan und vorgenommen. Die Klumpfüße, mit denen er mühsam gieng, haben durch Gottes Barmherzigkeit verhindern müßen, daß er einen andern Lebensweg eingeschlagen hätte. Wenn man ihm aber auch die hätte abnehmen und seinem Leib und Leben den vollen Adel einer vornehmen Erziehung in der Blödenanstalt geben können, so hätte man zwar an ihm sehen können, wie viel die Blödenschule thut, aber aufgehört hätte er doch nicht, ein Blöder zu sein. Wer blöde ist, wirklich blöde, wird nie vollsinnig und gesund. Es gibt zwar Blöde, Leute, bei denen der Blödsinn nicht eigentlich durchgedrungen ist, wo seine Wirkungen nicht tiefer gehen; – manchmal könnte man sagen, wo die Hemmung und Zerstörung der armen Seele so arg nicht ist, und da mag die Blödenbildung vielleicht ganz Außerordentliches thun, und es mag vielleicht manches Mal bei einer ganzen Classe ein lebhafterer Auf– und Umschwung gelingen: auch da mag

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/99>, abgerufen am 29.11.2024.