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Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.

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dasjenige Quantum, welches noch keine deutlichen Zeichen von Berauschung hervorruft, ob es größer oder kleiner ist, noch als mäßig und deshalb als hygienisch harmlos betrachtet, hat die Folge, daß zahllose Menschen sich durch ihre alkoholischen Gewohnheiten gesundheitlich schädigen, ohne daran zu denken, daß bei ihnen etwas derartiges vorliegt. Wenn wir für die Bestimmung der Mäßigkeit an Stelle des Nüchternbleibens einen anderen Gesichtspunkt, die Vermeidung gesundheitlicher Nachteile verwerten wollen, so stoßen wir auf ähnliche Schwierigkeiten. Der gewohnheitsmäßige Gebrauch kann lange Jahre hindurch scheinbar ohne nachteiligen Einfluß auf den Organismus bleiben, und dann kommt es doch noch zur Entwicklung von Krankheiten, die auf den Alkoholgenuß allein oder neben anderen Momenten zurück zu führen sind. Dies gilt insbesonders für die Erkrankungen des Herzens und der Gefäße, der Nieren, die Gicht und die Fettsucht. Das gleiche Quantum, das in dem einen Falle bis in die 60er und 70er Jahre ohne erkennbaren gesundheitlichen Schaden konsumiert wird, führt in einem anderen Falle schon in den 50er Jahren, wenn nicht früher zu einer Erkrankung oder begünstigt die Entwicklung einer solchen.

Sie sind nun in der Lage zu beurteilen, was man von dem Erwerb einer gewissen Trinkfestigkeit zu halten hat, die man namentlich in korpsstudentischen Kreisen als nötig erachtet, damit der Student in jeder Gesellschaft seinen Mann stellen kann und auch bei größerem Alkoholkonsum seiner Direktion nicht verlustig geht. Die Trinkfestigkeit bedeutet nicht eine erhöhte Widerstandsfähigkeit des ganzen Organismus gegen Alkoholeinwirkung, sondern lediglich eine gewisse Angewöhnung des Gehirns an größere Alkoholmengen. Bei der ausgesprochensten Trinkfestigkeit kann aber der Organismus durch den habituellen Alkoholkonsum den schwersten Schaden erleiden. Ein recht bezeichnendes und lehrreiches Beispiel liefern die Arbeiter im Braugewerbe und die ihnen nahestehenden Geschäftsleute. Die hiesigen Braugehilfen erhielten in meiner Jugendzeit noch 16 bis 18 l Bier täglich, und tranken dieses Quantum jedenfalls zum größten Teile. Sie waren selbstverständlich sehr trinkfeste Leute, und dabei auch gewöhnlich von Haus aus von robuster Konstitution, da man schwächliche Individuen im Braugewerbe kaum verwenden kann. Und doch hat die Erfahrung gelehrt, daß ein großer Teil dieser kräftigen Menschen bereits in den 40er Jahren zu Grunde ging, und zwar namentlich an Herzleiden, die zweifellos durch den täglichen Bierkonsum der Betreffenden verursacht wurden.*)

*) Sehr beachtenswert ist auch die große Sterblichkeit der Braugehilfen an Tuberkulose. Nach Sendtner starben in München von 1859--1888 28,9% der Brauer an Schwindsucht.

dasjenige Quantum, welches noch keine deutlichen Zeichen von Berauschung hervorruft, ob es größer oder kleiner ist, noch als mäßig und deshalb als hygienisch harmlos betrachtet, hat die Folge, daß zahllose Menschen sich durch ihre alkoholischen Gewohnheiten gesundheitlich schädigen, ohne daran zu denken, daß bei ihnen etwas derartiges vorliegt. Wenn wir für die Bestimmung der Mäßigkeit an Stelle des Nüchternbleibens einen anderen Gesichtspunkt, die Vermeidung gesundheitlicher Nachteile verwerten wollen, so stoßen wir auf ähnliche Schwierigkeiten. Der gewohnheitsmäßige Gebrauch kann lange Jahre hindurch scheinbar ohne nachteiligen Einfluß auf den Organismus bleiben, und dann kommt es doch noch zur Entwicklung von Krankheiten, die auf den Alkoholgenuß allein oder neben anderen Momenten zurück zu führen sind. Dies gilt insbesonders für die Erkrankungen des Herzens und der Gefäße, der Nieren, die Gicht und die Fettsucht. Das gleiche Quantum, das in dem einen Falle bis in die 60er und 70er Jahre ohne erkennbaren gesundheitlichen Schaden konsumiert wird, führt in einem anderen Falle schon in den 50er Jahren, wenn nicht früher zu einer Erkrankung oder begünstigt die Entwicklung einer solchen.

Sie sind nun in der Lage zu beurteilen, was man von dem Erwerb einer gewissen Trinkfestigkeit zu halten hat, die man namentlich in korpsstudentischen Kreisen als nötig erachtet, damit der Student in jeder Gesellschaft seinen Mann stellen kann und auch bei größerem Alkoholkonsum seiner Direktion nicht verlustig geht. Die Trinkfestigkeit bedeutet nicht eine erhöhte Widerstandsfähigkeit des ganzen Organismus gegen Alkoholeinwirkung, sondern lediglich eine gewisse Angewöhnung des Gehirns an größere Alkoholmengen. Bei der ausgesprochensten Trinkfestigkeit kann aber der Organismus durch den habituellen Alkoholkonsum den schwersten Schaden erleiden. Ein recht bezeichnendes und lehrreiches Beispiel liefern die Arbeiter im Braugewerbe und die ihnen nahestehenden Geschäftsleute. Die hiesigen Braugehilfen erhielten in meiner Jugendzeit noch 16 bis 18 l Bier täglich, und tranken dieses Quantum jedenfalls zum größten Teile. Sie waren selbstverständlich sehr trinkfeste Leute, und dabei auch gewöhnlich von Haus aus von robuster Konstitution, da man schwächliche Individuen im Braugewerbe kaum verwenden kann. Und doch hat die Erfahrung gelehrt, daß ein großer Teil dieser kräftigen Menschen bereits in den 40er Jahren zu Grunde ging, und zwar namentlich an Herzleiden, die zweifellos durch den täglichen Bierkonsum der Betreffenden verursacht wurden.*)

*) Sehr beachtenswert ist auch die große Sterblichkeit der Braugehilfen an Tuberkulose. Nach Sendtner starben in München von 1859—1888 28,9% der Brauer an Schwindsucht.
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[17/0019] dasjenige Quantum, welches noch keine deutlichen Zeichen von Berauschung hervorruft, ob es größer oder kleiner ist, noch als mäßig und deshalb als hygienisch harmlos betrachtet, hat die Folge, daß zahllose Menschen sich durch ihre alkoholischen Gewohnheiten gesundheitlich schädigen, ohne daran zu denken, daß bei ihnen etwas derartiges vorliegt. Wenn wir für die Bestimmung der Mäßigkeit an Stelle des Nüchternbleibens einen anderen Gesichtspunkt, die Vermeidung gesundheitlicher Nachteile verwerten wollen, so stoßen wir auf ähnliche Schwierigkeiten. Der gewohnheitsmäßige Gebrauch kann lange Jahre hindurch scheinbar ohne nachteiligen Einfluß auf den Organismus bleiben, und dann kommt es doch noch zur Entwicklung von Krankheiten, die auf den Alkoholgenuß allein oder neben anderen Momenten zurück zu führen sind. Dies gilt insbesonders für die Erkrankungen des Herzens und der Gefäße, der Nieren, die Gicht und die Fettsucht. Das gleiche Quantum, das in dem einen Falle bis in die 60er und 70er Jahre ohne erkennbaren gesundheitlichen Schaden konsumiert wird, führt in einem anderen Falle schon in den 50er Jahren, wenn nicht früher zu einer Erkrankung oder begünstigt die Entwicklung einer solchen. Sie sind nun in der Lage zu beurteilen, was man von dem Erwerb einer gewissen Trinkfestigkeit zu halten hat, die man namentlich in korpsstudentischen Kreisen als nötig erachtet, damit der Student in jeder Gesellschaft seinen Mann stellen kann und auch bei größerem Alkoholkonsum seiner Direktion nicht verlustig geht. Die Trinkfestigkeit bedeutet nicht eine erhöhte Widerstandsfähigkeit des ganzen Organismus gegen Alkoholeinwirkung, sondern lediglich eine gewisse Angewöhnung des Gehirns an größere Alkoholmengen. Bei der ausgesprochensten Trinkfestigkeit kann aber der Organismus durch den habituellen Alkoholkonsum den schwersten Schaden erleiden. Ein recht bezeichnendes und lehrreiches Beispiel liefern die Arbeiter im Braugewerbe und die ihnen nahestehenden Geschäftsleute. Die hiesigen Braugehilfen erhielten in meiner Jugendzeit noch 16 bis 18 l Bier täglich, und tranken dieses Quantum jedenfalls zum größten Teile. Sie waren selbstverständlich sehr trinkfeste Leute, und dabei auch gewöhnlich von Haus aus von robuster Konstitution, da man schwächliche Individuen im Braugewerbe kaum verwenden kann. Und doch hat die Erfahrung gelehrt, daß ein großer Teil dieser kräftigen Menschen bereits in den 40er Jahren zu Grunde ging, und zwar namentlich an Herzleiden, die zweifellos durch den täglichen Bierkonsum der Betreffenden verursacht wurden. *) *) Sehr beachtenswert ist auch die große Sterblichkeit der Braugehilfen an Tuberkulose. Nach Sendtner starben in München von 1859—1888 28,9% der Brauer an Schwindsucht.

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Zitationshilfe: Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loewenfeld_student_1910/19>, abgerufen am 23.11.2024.