Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.Was bisher durch die Bemühungen der Abstinentenvereine und der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke erreicht wurde, ist zwar nicht ganz zu unterschätzen, aber doch im Verhältnis zu dem Nötigen nur sozusagen ein Tropfen auf eine glühende Platte. Wir dürfen nicht verkennen, daß die materielle Seite der Alkoholfrage sehr große Schwierigkeiten in sich schließt. Riesige Summen sind in den Alkoholgewerben angelegt, und die Regierungen gewinnen einen erheblichen Teil ihrer Steuereinnahmen aus dem Konsum alkoholischer Getränke. Es ist daher begreiflich, daß man bei dem Kampfe gegen die Trinksitten unseres Volkes auch mit mächtigen Gegnern zu rechnen hat, mit Gegnern, die zum Teil nicht aus Ueberzeugung, sondern ihres materiellen Vorteils halber der Antialkoholbewegung entgegentreten, sie lächerlich oder verächtlich zu machen suchen. Wenn wir bei der großen Masse eine entschiedene Besserung in bezug auf ihre Trinkgewohnheiten herbeiführen wollen, genügt nicht, wie man bisher zumeist glaubte, die Aufklärung durch Rede und Schrift. Die Kreise der Gebildeten und Bessersituierten müssen ein Beispiel geben, das erzieherlich auf die Masse wirkt. Wenn man heutzutage den Arbeitern Abstinenz oder wenigstens größere Mäßigkeit predigt, so hat man immer zu gewärtigen, daß auf die sogenannten besseren Stände hingewiesen wird, deren Angehörige neben den sonstigen sich ihnen bietenden Lebensgenüssen auch im Konsum geistiger Getränke sich ein reiches Maß gestatten. Da wird auch auf Sie, m. H., und auf Ihre Trinksitten hingewiesen. Sie dürfen daher nicht glauben, daß Ihr Beispiel für die Massen ohne Bedeutung ist. Sie repräsentieren die gebildete Jugend des Landes par excellence und haben daher die Aufgabe, als die künftigen Träger der Staatsgewalt und als Angehörige der höheren, der gelehrten Berufe, ein Vorbild für die Massen zu geben, ein Vorbild, das sie nicht in ihren Trinkgewohnheiten bestärken, sondern von denselben abbringen mag. Ich eile zum Schlusse. Es würde mich zwar sehr freuen, wenn ich Sie Alle zur Alkoholabstinenz bekehren könnte, allein ich bin nicht so phantastisch und sanguinisch, um etwas derartiges zu erwarten. Meine Wünsche und Hoffnungen sind bescheidener. Ich würde es schon als einen sehr schönen Erfolg betrachten, wenn ich Sie dazu bestimmen könnte, der Alkoholfrage das Interesse zu schenken, das sie verdient, und Ihren Alkoholgenuß, wenn Sie schon von diesem nicht ganz lassen wollen, wenigstens so zu beschränken, daß durch denselben weder Ihre Arbeitskraft noch Ihre Gesundheit leidet. Sie müssen dabei, wie ich nicht verhehlen darf, vor allem auf den gewohnheitsmäßigen täglichen Was bisher durch die Bemühungen der Abstinentenvereine und der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke erreicht wurde, ist zwar nicht ganz zu unterschätzen, aber doch im Verhältnis zu dem Nötigen nur sozusagen ein Tropfen auf eine glühende Platte. Wir dürfen nicht verkennen, daß die materielle Seite der Alkoholfrage sehr große Schwierigkeiten in sich schließt. Riesige Summen sind in den Alkoholgewerben angelegt, und die Regierungen gewinnen einen erheblichen Teil ihrer Steuereinnahmen aus dem Konsum alkoholischer Getränke. Es ist daher begreiflich, daß man bei dem Kampfe gegen die Trinksitten unseres Volkes auch mit mächtigen Gegnern zu rechnen hat, mit Gegnern, die zum Teil nicht aus Ueberzeugung, sondern ihres materiellen Vorteils halber der Antialkoholbewegung entgegentreten, sie lächerlich oder verächtlich zu machen suchen. Wenn wir bei der großen Masse eine entschiedene Besserung in bezug auf ihre Trinkgewohnheiten herbeiführen wollen, genügt nicht, wie man bisher zumeist glaubte, die Aufklärung durch Rede und Schrift. Die Kreise der Gebildeten und Bessersituierten müssen ein Beispiel geben, das erzieherlich auf die Masse wirkt. Wenn man heutzutage den Arbeitern Abstinenz oder wenigstens größere Mäßigkeit predigt, so hat man immer zu gewärtigen, daß auf die sogenannten besseren Stände hingewiesen wird, deren Angehörige neben den sonstigen sich ihnen bietenden Lebensgenüssen auch im Konsum geistiger Getränke sich ein reiches Maß gestatten. Da wird auch auf Sie, m. H., und auf Ihre Trinksitten hingewiesen. Sie dürfen daher nicht glauben, daß Ihr Beispiel für die Massen ohne Bedeutung ist. Sie repräsentieren die gebildete Jugend des Landes par excellence und haben daher die Aufgabe, als die künftigen Träger der Staatsgewalt und als Angehörige der höheren, der gelehrten Berufe, ein Vorbild für die Massen zu geben, ein Vorbild, das sie nicht in ihren Trinkgewohnheiten bestärken, sondern von denselben abbringen mag. Ich eile zum Schlusse. Es würde mich zwar sehr freuen, wenn ich Sie Alle zur Alkoholabstinenz bekehren könnte, allein ich bin nicht so phantastisch und sanguinisch, um etwas derartiges zu erwarten. Meine Wünsche und Hoffnungen sind bescheidener. Ich würde es schon als einen sehr schönen Erfolg betrachten, wenn ich Sie dazu bestimmen könnte, der Alkoholfrage das Interesse zu schenken, das sie verdient, und Ihren Alkoholgenuß, wenn Sie schon von diesem nicht ganz lassen wollen, wenigstens so zu beschränken, daß durch denselben weder Ihre Arbeitskraft noch Ihre Gesundheit leidet. 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Es ist daher begreiflich, daß man bei dem Kampfe gegen die Trinksitten unseres Volkes auch mit mächtigen Gegnern zu rechnen hat, mit Gegnern, die zum Teil nicht aus Ueberzeugung, sondern ihres materiellen Vorteils halber der Antialkoholbewegung entgegentreten, sie lächerlich oder verächtlich zu machen suchen. Wenn wir bei der großen Masse eine entschiedene Besserung in bezug auf ihre Trinkgewohnheiten herbeiführen wollen, genügt nicht, wie man bisher zumeist glaubte, die Aufklärung durch Rede und Schrift. Die Kreise der Gebildeten und Bessersituierten müssen ein Beispiel geben, das erzieherlich auf die Masse wirkt. Wenn man heutzutage den Arbeitern Abstinenz oder wenigstens größere Mäßigkeit predigt, so hat man immer zu gewärtigen, daß auf die sogenannten besseren Stände hingewiesen wird, deren Angehörige neben den sonstigen sich ihnen bietenden Lebensgenüssen auch im Konsum geistiger Getränke sich ein reiches Maß gestatten. Da wird auch auf Sie, m. H., und auf Ihre Trinksitten hingewiesen. Sie dürfen daher nicht glauben, daß Ihr Beispiel für die Massen ohne Bedeutung ist. Sie repräsentieren die gebildete Jugend des Landes <foreign xml:lang="fr"><hi rendition="#g">par excellence</hi></foreign> und haben daher die Aufgabe, als die künftigen Träger der Staatsgewalt und als Angehörige der höheren, der gelehrten Berufe, ein Vorbild für die Massen zu geben, ein Vorbild, das <choice><sic>Sie</sic><corr>sie</corr></choice> nicht in <choice><sic>Ihren</sic><corr>ihren</corr></choice> Trinkgewohnheiten bestärken, sondern von denselben abbringen mag.</p> <p>Ich eile zum Schlusse. Es würde mich zwar sehr freuen, wenn ich Sie Alle zur Alkoholabstinenz bekehren könnte, allein ich bin nicht so phantastisch und sanguinisch, um etwas derartiges zu erwarten. Meine Wünsche und Hoffnungen sind bescheidener. Ich würde es schon als einen sehr schönen Erfolg betrachten, wenn ich Sie dazu bestimmen könnte, der Alkoholfrage das Interesse zu schenken, das sie verdient, und Ihren Alkoholgenuß, wenn Sie schon von diesem nicht ganz lassen wollen, wenigstens so zu beschränken, daß durch denselben weder Ihre Arbeitskraft noch Ihre Gesundheit leidet. Sie müssen dabei, wie ich nicht verhehlen darf, vor allem auf den gewohnheitsmäßigen täglichen </p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0023]
Was bisher durch die Bemühungen der Abstinentenvereine und der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke erreicht wurde, ist zwar nicht ganz zu unterschätzen, aber doch im Verhältnis zu dem Nötigen nur sozusagen ein Tropfen auf eine glühende Platte. Wir dürfen nicht verkennen, daß die materielle Seite der Alkoholfrage sehr große Schwierigkeiten in sich schließt. Riesige Summen sind in den Alkoholgewerben angelegt, und die Regierungen gewinnen einen erheblichen Teil ihrer Steuereinnahmen aus dem Konsum alkoholischer Getränke. Es ist daher begreiflich, daß man bei dem Kampfe gegen die Trinksitten unseres Volkes auch mit mächtigen Gegnern zu rechnen hat, mit Gegnern, die zum Teil nicht aus Ueberzeugung, sondern ihres materiellen Vorteils halber der Antialkoholbewegung entgegentreten, sie lächerlich oder verächtlich zu machen suchen. Wenn wir bei der großen Masse eine entschiedene Besserung in bezug auf ihre Trinkgewohnheiten herbeiführen wollen, genügt nicht, wie man bisher zumeist glaubte, die Aufklärung durch Rede und Schrift. Die Kreise der Gebildeten und Bessersituierten müssen ein Beispiel geben, das erzieherlich auf die Masse wirkt. Wenn man heutzutage den Arbeitern Abstinenz oder wenigstens größere Mäßigkeit predigt, so hat man immer zu gewärtigen, daß auf die sogenannten besseren Stände hingewiesen wird, deren Angehörige neben den sonstigen sich ihnen bietenden Lebensgenüssen auch im Konsum geistiger Getränke sich ein reiches Maß gestatten. Da wird auch auf Sie, m. H., und auf Ihre Trinksitten hingewiesen. Sie dürfen daher nicht glauben, daß Ihr Beispiel für die Massen ohne Bedeutung ist. Sie repräsentieren die gebildete Jugend des Landes par excellence und haben daher die Aufgabe, als die künftigen Träger der Staatsgewalt und als Angehörige der höheren, der gelehrten Berufe, ein Vorbild für die Massen zu geben, ein Vorbild, das sie nicht in ihren Trinkgewohnheiten bestärken, sondern von denselben abbringen mag.
Ich eile zum Schlusse. Es würde mich zwar sehr freuen, wenn ich Sie Alle zur Alkoholabstinenz bekehren könnte, allein ich bin nicht so phantastisch und sanguinisch, um etwas derartiges zu erwarten. Meine Wünsche und Hoffnungen sind bescheidener. Ich würde es schon als einen sehr schönen Erfolg betrachten, wenn ich Sie dazu bestimmen könnte, der Alkoholfrage das Interesse zu schenken, das sie verdient, und Ihren Alkoholgenuß, wenn Sie schon von diesem nicht ganz lassen wollen, wenigstens so zu beschränken, daß durch denselben weder Ihre Arbeitskraft noch Ihre Gesundheit leidet. Sie müssen dabei, wie ich nicht verhehlen darf, vor allem auf den gewohnheitsmäßigen täglichen
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