Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.blieb er imstande, seiner Verpflichtung als Wirt nachzukommen und konnte seine Absicht, alle Anwesenden "naß zuzudecken", bequem erreichen. Man trank dabei auf das Wohl der Geliebten, und wenn zwei Zechgenossen auf dieselbe Dame Anspruch erhoben, so wurde die Sache durch Trinkduelle entschieden. Dem Hospes erstattete man den Dank durch Vortrinken von "Ganzen", und so kam die Kneiperei gehörig in Zug. Ein tüchtiger Student mußte nach der damaligen Auffassung Bedeutendes im Biertrinken und im Tabakrauchen leisten. Ende des 18. Jahrhunderts kamen neben dem Hospiz auch als "Kommers" oder "Kommersch" bezeichnete studentische Veranstaltungen auf, die einen etwas feierlicheren Charakter trugen. Dieser Charakter wurde am Anfang des 19. Jahrhunderts nach den Freiheitskriegen durch die Aufnahme des "Landesvaters" noch ausgeprägter. Man hatte nun zwei Arten geselliger Veranstaltungen, bei denen das Bier eine große Rolle spielte: die gewöhnliche Kneiperei, die anfänglich vorherrschend auf den Buden der Studierenden noch stattfand und erst allmählich, insbesonders mit der Entwicklung der studentischen Verbindungen in bestimmte Gastlokale (Kneipen genannt) verlegt wurde, und den Kommers mit seinen feierlichen Zutaten, die der Pflege des patriotischen Geistes dienten. Die aus den früheren Jahrhunderten überkommenen Trinksitten erhielten sich hiebei in erheblichem Maße (Vor- und Nachtrinken, Trinken von "Ganzen", Trinken in der Runde etc.). Wie sich die Dinge im Verlaufe des letzten Jahrhunderts weiter gestalteten, hierauf weitläufig einzugehen, kann ich mir ersparen, da Ihnen die Hauptsache wohl bekannt ist. Wenn auch die deutsche Studentenschaft im allgemeinen den Trinkgewohnheiten früherer Jahrhunderte mehr oder weniger huldigte, so waren es doch hauptsächlich die farbentragenden Korporationen, welche diese Sitten kultivierten und die Beachtung derselben als eine conditio sine qua non von ihren Mitgliedern verlangten. Eine entschiedene Änderung in dieser Hinsicht ist erst seit etwa 20 Jahren zu bemerken. Die Antialkoholbewegung und die Tätigkeit der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke sind nicht ohne Einfluß auf das studentische Leben geblieben. Der Konsum geistiger Getränke ist, soweit meine Kenntnis reicht, in den studentischen Kreisen erheblich zurückgegangen. Auch in den Korporationen hat man, wie ich höre, die Trinkanforderungen herabgesetzt, und es soll in einzelnen derselben der Trinkzwang sogar schon beseitigt sein. Man hat offenbar auch in studentischen Kreisen bereits angefangen, die Schädlichkeit der ererbten Trinksitten mehr und mehr einzusehen, und diese Erkenntnis auch praktisch zu betätigen. Allein blieb er imstande, seiner Verpflichtung als Wirt nachzukommen und konnte seine Absicht, alle Anwesenden „naß zuzudecken“, bequem erreichen. Man trank dabei auf das Wohl der Geliebten, und wenn zwei Zechgenossen auf dieselbe Dame Anspruch erhoben, so wurde die Sache durch Trinkduelle entschieden. Dem Hospes erstattete man den Dank durch Vortrinken von „Ganzen“, und so kam die Kneiperei gehörig in Zug. Ein tüchtiger Student mußte nach der damaligen Auffassung Bedeutendes im Biertrinken und im Tabakrauchen leisten. Ende des 18. Jahrhunderts kamen neben dem Hospiz auch als „Kommers“ oder „Kommersch“ bezeichnete studentische Veranstaltungen auf, die einen etwas feierlicheren Charakter trugen. Dieser Charakter wurde am Anfang des 19. Jahrhunderts nach den Freiheitskriegen durch die Aufnahme des „Landesvaters“ noch ausgeprägter. Man hatte nun zwei Arten geselliger Veranstaltungen, bei denen das Bier eine große Rolle spielte: die gewöhnliche Kneiperei, die anfänglich vorherrschend auf den Buden der Studierenden noch stattfand und erst allmählich, insbesonders mit der Entwicklung der studentischen Verbindungen in bestimmte Gastlokale (Kneipen genannt) verlegt wurde, und den Kommers mit seinen feierlichen Zutaten, die der Pflege des patriotischen Geistes dienten. Die aus den früheren Jahrhunderten überkommenen Trinksitten erhielten sich hiebei in erheblichem Maße (Vor- und Nachtrinken, Trinken von „Ganzen“, Trinken in der Runde ꝛc.). Wie sich die Dinge im Verlaufe des letzten Jahrhunderts weiter gestalteten, hierauf weitläufig einzugehen, kann ich mir ersparen, da Ihnen die Hauptsache wohl bekannt ist. Wenn auch die deutsche Studentenschaft im allgemeinen den Trinkgewohnheiten früherer Jahrhunderte mehr oder weniger huldigte, so waren es doch hauptsächlich die farbentragenden Korporationen, welche diese Sitten kultivierten und die Beachtung derselben als eine conditio sine qua non von ihren Mitgliedern verlangten. Eine entschiedene Änderung in dieser Hinsicht ist erst seit etwa 20 Jahren zu bemerken. Die Antialkoholbewegung und die Tätigkeit der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke sind nicht ohne Einfluß auf das studentische Leben geblieben. Der Konsum geistiger Getränke ist, soweit meine Kenntnis reicht, in den studentischen Kreisen erheblich zurückgegangen. Auch in den Korporationen hat man, wie ich höre, die Trinkanforderungen herabgesetzt, und es soll in einzelnen derselben der Trinkzwang sogar schon beseitigt sein. Man hat offenbar auch in studentischen Kreisen bereits angefangen, die Schädlichkeit der ererbten Trinksitten mehr und mehr einzusehen, und diese Erkenntnis auch praktisch zu betätigen. Allein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="7"/> blieb er imstande, seiner Verpflichtung als Wirt nachzukommen und konnte seine Absicht, alle Anwesenden „naß zuzudecken“, bequem erreichen. Man trank dabei auf das Wohl der Geliebten, und wenn zwei Zechgenossen auf dieselbe Dame Anspruch erhoben, so wurde die Sache durch Trinkduelle entschieden. Dem Hospes erstattete man den Dank durch Vortrinken von „Ganzen“, und so kam die Kneiperei gehörig in Zug. Ein tüchtiger Student mußte nach der damaligen Auffassung Bedeutendes im Biertrinken und im Tabakrauchen leisten.</p> <p>Ende des 18. Jahrhunderts kamen neben dem Hospiz auch als „Kommers“ oder „Kommersch“ bezeichnete studentische Veranstaltungen auf, die einen etwas feierlicheren Charakter trugen. Dieser Charakter wurde am Anfang des 19. Jahrhunderts nach den Freiheitskriegen durch die Aufnahme des „Landesvaters“ noch ausgeprägter. Man hatte nun zwei Arten geselliger Veranstaltungen, bei denen das Bier eine große Rolle spielte: die gewöhnliche Kneiperei, die anfänglich vorherrschend auf den Buden der Studierenden noch stattfand und erst allmählich, insbesonders mit der Entwicklung der studentischen Verbindungen in bestimmte Gastlokale (Kneipen genannt) verlegt wurde, und den Kommers mit seinen feierlichen Zutaten, die der Pflege des patriotischen Geistes dienten. Die aus den früheren Jahrhunderten überkommenen Trinksitten erhielten sich hiebei in erheblichem Maße (Vor- und Nachtrinken, Trinken von „Ganzen“, Trinken in der Runde ꝛc.). Wie sich die Dinge im Verlaufe des letzten Jahrhunderts weiter gestalteten, hierauf weitläufig einzugehen, kann ich mir ersparen, da Ihnen die Hauptsache wohl bekannt ist.</p> <p>Wenn auch die deutsche Studentenschaft im allgemeinen den Trinkgewohnheiten früherer Jahrhunderte mehr oder weniger huldigte, so waren es doch hauptsächlich die farbentragenden Korporationen, welche diese Sitten kultivierten und die Beachtung derselben als eine <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">conditio sine qua non</hi></foreign> von ihren Mitgliedern verlangten. Eine entschiedene Änderung in dieser Hinsicht ist erst seit etwa 20 Jahren zu bemerken. Die Antialkoholbewegung und die Tätigkeit der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke sind nicht ohne Einfluß auf das studentische Leben geblieben. Der Konsum geistiger Getränke ist, soweit meine Kenntnis reicht, in den studentischen Kreisen erheblich zurückgegangen. Auch in den Korporationen hat man, wie ich höre, die Trinkanforderungen herabgesetzt, und es soll in einzelnen derselben der Trinkzwang sogar schon beseitigt sein. Man hat offenbar auch in studentischen Kreisen bereits angefangen, die Schädlichkeit der ererbten Trinksitten mehr und mehr einzusehen, und diese Erkenntnis auch praktisch zu betätigen. Allein </p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0009]
blieb er imstande, seiner Verpflichtung als Wirt nachzukommen und konnte seine Absicht, alle Anwesenden „naß zuzudecken“, bequem erreichen. Man trank dabei auf das Wohl der Geliebten, und wenn zwei Zechgenossen auf dieselbe Dame Anspruch erhoben, so wurde die Sache durch Trinkduelle entschieden. Dem Hospes erstattete man den Dank durch Vortrinken von „Ganzen“, und so kam die Kneiperei gehörig in Zug. Ein tüchtiger Student mußte nach der damaligen Auffassung Bedeutendes im Biertrinken und im Tabakrauchen leisten.
Ende des 18. Jahrhunderts kamen neben dem Hospiz auch als „Kommers“ oder „Kommersch“ bezeichnete studentische Veranstaltungen auf, die einen etwas feierlicheren Charakter trugen. Dieser Charakter wurde am Anfang des 19. Jahrhunderts nach den Freiheitskriegen durch die Aufnahme des „Landesvaters“ noch ausgeprägter. Man hatte nun zwei Arten geselliger Veranstaltungen, bei denen das Bier eine große Rolle spielte: die gewöhnliche Kneiperei, die anfänglich vorherrschend auf den Buden der Studierenden noch stattfand und erst allmählich, insbesonders mit der Entwicklung der studentischen Verbindungen in bestimmte Gastlokale (Kneipen genannt) verlegt wurde, und den Kommers mit seinen feierlichen Zutaten, die der Pflege des patriotischen Geistes dienten. Die aus den früheren Jahrhunderten überkommenen Trinksitten erhielten sich hiebei in erheblichem Maße (Vor- und Nachtrinken, Trinken von „Ganzen“, Trinken in der Runde ꝛc.). Wie sich die Dinge im Verlaufe des letzten Jahrhunderts weiter gestalteten, hierauf weitläufig einzugehen, kann ich mir ersparen, da Ihnen die Hauptsache wohl bekannt ist.
Wenn auch die deutsche Studentenschaft im allgemeinen den Trinkgewohnheiten früherer Jahrhunderte mehr oder weniger huldigte, so waren es doch hauptsächlich die farbentragenden Korporationen, welche diese Sitten kultivierten und die Beachtung derselben als eine conditio sine qua non von ihren Mitgliedern verlangten. Eine entschiedene Änderung in dieser Hinsicht ist erst seit etwa 20 Jahren zu bemerken. Die Antialkoholbewegung und die Tätigkeit der Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke sind nicht ohne Einfluß auf das studentische Leben geblieben. Der Konsum geistiger Getränke ist, soweit meine Kenntnis reicht, in den studentischen Kreisen erheblich zurückgegangen. Auch in den Korporationen hat man, wie ich höre, die Trinkanforderungen herabgesetzt, und es soll in einzelnen derselben der Trinkzwang sogar schon beseitigt sein. Man hat offenbar auch in studentischen Kreisen bereits angefangen, die Schädlichkeit der ererbten Trinksitten mehr und mehr einzusehen, und diese Erkenntnis auch praktisch zu betätigen. Allein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von gutenberg.org.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-18T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-18T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |