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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] nats Sohn blieb selbst todt; Er aber und der
Vocion schwamen mit etwan hundert Edelleu-
ten durch den Fluß Araris/ und entkamen mit
genauer Noth in die Stadt Genf/ an den Le-
manischen See und der Helvetier Gräntze.
Die grosse Niederlage und der gemeine Ruff:
Es wäre der Hertzog in der Schlacht umkom-
men/ verursachte: daß die übrigen Allobroger
die Waffen niederlegten/ alle Festungen den
Römern einräumten/ und Catugnat zu den
Helvetiern sich flüchten muste. Herentgegen
erliedt Cajus Antonius von den Skordiskischen
Deutschen in Thracien; welche nebst denen
Bastarnischen Deutschen noch immer mit des
Mithridates Söhnen wieder die Römer ihr
Verständniß unterhielten/ und in Macedoni-
en Beute holeten/ eine ansehnliche Niederlage.

Diese Erzehlung des Fürsten Adgandesters
ward nicht nur durch die zu Golde gehende
Sonne; sondern auch durch die Ankunfft eines
Edelmannes unterbrochen; Der dem Fürsten
Adgandester Nachricht brachte: daß wegen der
beyden Cattischen Hertzoginnen/ Erdmuth und
Rhamis von der eilfertigen Reise empfundener
Ungemächligkeit der Einzug biß über den an-
dern Tag verschoben; Gleichwol aber die Grä-
fin von der Lippe/ der Fürstin Thußnelde Hof-
meisterin mit ankommen wäre/ um von Sei-
ten ihrer die gehörige Anstalt des Beylagers zu
machen. Adgandester war hierüber erfreuet;
und vermeldete alsobald: daß diese Tugendhaffte
Frau/ welcher kein Geheimnüß von der Fürstin
Thußnelde verborgen/ und ein wahres Eben-
bild der selbst-ständigen Dienstfertigkeit wäre/
ihn einer grossen Vürde versprochener Erzeh-
lung überheben würde. Malovend fiel ihm
ein: So werde ich meine Unfähigkeit auch vie-
ler Fehler entziehen; Er aber/ nach dem ich
gleich die Händel/ die die Deutschen außerhalb
ihrer Gräntzen mit den Römern eigentlich ge-
habt/ beschlossen; die ihm Haar-klein bekanten
Vegebnüße umständlich fürzutragen wissen/
[Spaltenumbruch] wie nehmlich der für Ehrsucht in dem Gadi-
schen Tempel des Hercules bey dem Bilde des
grossen Alexanders bittere Thränen vergissen-
de Julius Cäsar aus einem Traume/ darinnen
er seine Mutter zu beschlaffen sich bedüncken
ließ/ ihm die Herrschafft der Welt; und/ weil
sein gespaltene Klauen habendes Pferd nie-
manden als ihn aufsitzen ließ/ Alexandern glei-
che zu werden habe träumen lassen; und zu dem
Ende in das Hertze Galliens/ über den Rhein
in Deutschland/ ja über das Meer in Britan-
nien eingebrochen/ sein Nachfolger August auch
seinen Fußstapffen nachgefolgt sey. Die Gräfin
von der Lippe aber wird ihr selbst für ein Glück
achten/ dieser hochansehnlichen Versamlung
durch Abmahlung der finsteren Liebes-Wolcken
zwischen dem Feldherrn Herrmann und der
Heldin Thusnelde den Sonnenschein des na-
hen Hochzeit-Feyers desto annehmlicher zu ma-
chen. Bey diesen Reden kam die Gräfin selbst
zur Stelle; mit welcher sich alle Anwesenden
auffs höflichste bewillkommten; und nach dem sie
ins gesammt die Abend-Tafel durch hunderterley
annehmliche Gespräche abgekürtzt hatten/ von
ihr selbst die Vertröstung einer umständlichen
Ausführung ihrer Zufälle/ zugleich aber diese
nachdenckliche Erinnerung bekamen: daß ob
wol die Welt selten auf die/ welche in der Ren-
nebahn der Tugend schwitzten/ acht hätten/
dennoch die Sternen endlich selbst gegen diesel-
ben ihre Augen aufsperreten; welche nunmehr
den einen Fuß auf den verlangten Zweck setzten.
Sie wisse die Freude ihres Hertzens nicht voll-
kommen auszuschütten: daß sie die Tugend und
Liebe des Fürsten Herrmanns/ und der nichts
minder hertzhafft-als keuschen Thusnelde auff
einmahl mit Lorbern und Myrthen herrlich
gekräntzt sehe; und wie alle ihre Neider nun-
mehr erkennen müsten: Es sey alberer an ge-
rechtem Ausschlage der göttlichen Versehung
zweiffeln; als von der Sonne Zeugniß ihres
Lichtes fordern.

Jnhalt

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] nats Sohn blieb ſelbſt todt; Er aber und der
Vocion ſchwamen mit etwan hundert Edelleu-
ten durch den Fluß Araris/ und entkamen mit
genauer Noth in die Stadt Genf/ an den Le-
maniſchen See und der Helvetier Graͤntze.
Die groſſe Niederlage und der gemeine Ruff:
Es waͤre der Hertzog in der Schlacht umkom-
men/ verurſachte: daß die uͤbrigen Allobroger
die Waffen niederlegten/ alle Feſtungen den
Roͤmern einraͤumten/ und Catugnat zu den
Helvetiern ſich fluͤchten muſte. Herentgegen
erliedt Cajus Antonius von den Skordiskiſchen
Deutſchen in Thracien; welche nebſt denen
Baſtarniſchen Deutſchen noch immer mit des
Mithridates Soͤhnen wieder die Roͤmer ihr
Verſtaͤndniß unterhielten/ und in Macedoni-
en Beute holeten/ eine anſehnliche Niederlage.

Dieſe Erzehlung des Fuͤrſten Adgandeſters
ward nicht nur durch die zu Golde gehende
Sonne; ſondern auch durch die Ankunfft eines
Edelmannes unterbrochen; Der dem Fuͤrſten
Adgandeſter Nachricht brachte: daß wegen der
beyden Cattiſchen Hertzoginnen/ Erdmuth und
Rhamis von der eilfertigen Reiſe empfundener
Ungemaͤchligkeit der Einzug biß uͤber den an-
dern Tag verſchoben; Gleichwol aber die Graͤ-
fin von der Lippe/ der Fuͤrſtin Thußnelde Hof-
meiſterin mit ankommen waͤre/ um von Sei-
ten ihrer die gehoͤrige Anſtalt des Beylagers zu
machen. Adgandeſter war hieruͤber erfreuet;
und vermeldete alſobald: daß dieſe Tugendhaffte
Frau/ welcher kein Geheimnuͤß von der Fuͤrſtin
Thußnelde verborgen/ und ein wahres Eben-
bild der ſelbſt-ſtaͤndigen Dienſtfertigkeit waͤre/
ihn einer groſſen Vuͤrde verſprochener Erzeh-
lung uͤberheben wuͤrde. Malovend fiel ihm
ein: So werde ich meine Unfaͤhigkeit auch vie-
ler Fehler entziehen; Er aber/ nach dem ich
gleich die Haͤndel/ die die Deutſchen außerhalb
ihrer Graͤntzen mit den Roͤmern eigentlich ge-
habt/ beſchloſſen; die ihm Haar-klein bekanten
Vegebnuͤße umſtaͤndlich fuͤrzutragen wiſſen/
[Spaltenumbruch] wie nehmlich der fuͤr Ehrſucht in dem Gadi-
ſchen Tempel des Hercules bey dem Bilde des
groſſen Alexanders bittere Thraͤnen vergiſſen-
de Julius Caͤſar aus einem Traume/ darinnen
er ſeine Mutter zu beſchlaffen ſich beduͤncken
ließ/ ihm die Herrſchafft der Welt; und/ weil
ſein geſpaltene Klauen habendes Pferd nie-
manden als ihn aufſitzen ließ/ Alexandern glei-
che zu werden habe traͤumen laſſen; und zu dem
Ende in das Hertze Galliens/ uͤber den Rhein
in Deutſchland/ ja uͤber das Meer in Britan-
nien eingebrochen/ ſein Nachfolger Auguſt auch
ſeinen Fußſtapffen nachgefolgt ſey. Die Graͤfin
von der Lippe aber wird ihr ſelbſt fuͤr ein Gluͤck
achten/ dieſer hochanſehnlichen Verſamlung
durch Abmahlung der finſteꝛen Liebes-Wolcken
zwiſchen dem Feldherrn Herrmann und der
Heldin Thusnelde den Sonnenſchein des na-
hen Hochzeit-Feyers deſto annehmlicher zu ma-
chen. Bey dieſen Reden kam die Graͤfin ſelbſt
zur Stelle; mit welcher ſich alle Anweſenden
auffs hoͤflichſte bewillkom̃ten; und nach dem ſie
ins geſam̃t die Abend-Tafel durch hunderterley
annehmliche Geſpraͤche abgekuͤrtzt hatten/ von
ihr ſelbſt die Vertroͤſtung einer umſtaͤndlichen
Ausfuͤhrung ihrer Zufaͤlle/ zugleich aber dieſe
nachdenckliche Erinnerung bekamen: daß ob
wol die Welt ſelten auf die/ welche in der Ren-
nebahn der Tugend ſchwitzten/ acht haͤtten/
dennoch die Sternen endlich ſelbſt gegen dieſel-
ben ihre Augen aufſperreten; welche nunmehr
den einen Fuß auf den verlangten Zweck ſetzten.
Sie wiſſe die Freude ihres Hertzens nicht voll-
kommen auszuſchuͤtten: daß ſie die Tugend und
Liebe des Fuͤrſten Herrmanns/ und der nichts
minder hertzhafft-als keuſchen Thusnelde auff
einmahl mit Lorbern und Myrthen herrlich
gekraͤntzt ſehe; und wie alle ihre Neider nun-
mehr erkennen muͤſten: Es ſey alberer an ge-
rechtem Ausſchlage der goͤttlichen Verſehung
zweiffeln; als von der Sonne Zeugniß ihres
Lichtes fordern.

Jnhalt
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 958[960]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1020>, abgerufen am 22.11.2024.