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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ein schielender Richter. Alleine dieser Rechts-
weg ist keine sichere Bahn in den hohen Ver-
brechen wieder den Staat und die Hoheit eines
Fürsten. Beyde sind unleidlicher anzurühren
als die Augen/ ja auch sorgfältiger zu verwah-
ren. Den Fischer/ der den dem Alexander vom
Haupte gewehten und in einen schilfichten
Sumpff neben eines alten Königes Grab ge-
worffenen Krantz aufhob/ kostete seine Dienst-
barkeit den Hals. Und Cambyses hielt einen
Traum für genungsame Ursache seinem Bru-
der das Licht auszuleschen. Ob ich nun zwar
in die Fußstapffen dieser scharffen Richter zu
treten nicht rathe; so kan ich doch den nicht ta-
deln/ der in den Lastern wieder den Staat das
Recht von Vollziehung des Urthels anhebt/
wenn entweder derer zu viel ist/ die sich wieder
das gemeine Wesen verschworen haben/ und
der Schlag gleichsam schon über dem Nacken
schwebt/ oder wo der Verräther die Waffen in
Händen hat. Jn diesen Fällen erlaubet das
oberste Gesetze/ nehmlich das allgemeine Heyl/
auch wieder die Gesetze gegen einen Verbrecher
zu verfahren/ und den Kopff der Schlange un-
versehens zu zerquetschen/ ehe sie sticht. Also
ließ Alexander den bey seinem Heere allzuhoch
angesehenen Parmenio durch seinen besten
Freund Polydamas abschlachten. Nicht an-
ders halff Dion dem gewaffneten Heraclides
zu Syracusa vom Leben. Zwar es kan gesche-
hen: daß zuweilen die Unschuld hierdurch Noth
leidet. Denn die mit einer Larve der Ver-
läumdung verstellte Tugend sieht vielmahl
dem Laster so ähnlich: daß sie auch der scharff-
sichtigste nicht unterscheiden kan. Aber die ge-
meine Wolfarth muß diesen Schaden ersetzen.
Auch die besten Aertzte lassen gesunden Glie-
dern zur Ader/ um das krancke Haupt zu er-
halten/ und dem bedrängten Hertzen Lufft zu
machen. Wenn der zehende eines seiner Pflicht
vergessenden Kriegs-Volcks durchs Loß zum
[Spaltenumbruch] Tode erkieset wird/ trifft es mehrmahls die
tapffersten. Ja in den Lastern wieder den
Staat und die Fürsten machen die Gesetze der
meisten Völcker Kinder und Bluts-Freunde/
ja auch die straffbar/ welche Alters halber zu
fündigen nicht fähig sind. Alleine alle grosse
Beyspiele haben etwas ungerechtes/ wie die
kräfftigsten Artzneyen ein wenig Gifft bey
sich. Diesen Schaden aber muß die Erhal-
tung des Reiches und eines Fürsten ersetzen.
Denn dieser ist der Steuer-Mann/ an dem
das meiste gelegen ist; und der in solchen Fäl-
len sich eines andern Compasses in der Nacht/
eines andern des Tages gebrauchen; ja bey sich
näherndem Schiffbruche auch diß/ was er am
liebsten hat/ über Port werffen muß. Ma-
lovend brach ein: Hertzog Aembrich kam eben
so ungerne dran; iedoch zwang ihn die Noth
sich des ihm nichts minder beliebten als benö-
thigten Terbals zu entschlagen; den er fast al-
leine der Feld-Hauptmannschafft gewachsen
hielt. Alleine der seinen erledigten Platz ver-
tretende Fürst Segimer erfüllte nichts minder
sein Ampt/ als den Platz; und kam so wol des
Vaters Vertrauen und des Volckes Hoff-
nung/ als seinen Jahren zuvor. Er setzte
ihm alsbald für durch einen rühmlichen An-
fang sich bey den Seinen beliebt/ bey dem
Feinde ansehnlich zu machen; wol wissende:
daß wie die Sternseher aus dem einigen
Geburts-Gestirne des menschlichen Le-
bens/ also die Kriegs-Leute als ihres Heer-
führers erstem Streiche sein gantzes künff-
tiges Glück und Unglück wahrsagen.
Weil nun durch lange Ruhe das Kriegs-
Volck nur in allerhand Schwachheiten
verfällt; tägliche Bemühung aber selb-
tes auff nichts böses gedencken läßt; rück-
te er mit seinem Heer denen Alemän-
nern ins Hertz/ und belägerte die Stadt
Alzimoen. Wie nun Ariovist und Ara-

bar

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ein ſchielender Richter. Alleine dieſer Rechts-
weg iſt keine ſichere Bahn in den hohen Ver-
brechen wieder den Staat und die Hoheit eines
Fuͤrſten. Beyde ſind unleidlicher anzuruͤhren
als die Augen/ ja auch ſorgfaͤltiger zu verwah-
ren. Den Fiſcher/ der den dem Alexander vom
Haupte gewehten und in einen ſchilfichten
Sumpff neben eines alten Koͤniges Grab ge-
worffenen Krantz aufhob/ koſtete ſeine Dienſt-
barkeit den Hals. Und Cambyſes hielt einen
Traum fuͤr genungſame Urſache ſeinem Bru-
der das Licht auszuleſchen. Ob ich nun zwar
in die Fußſtapffen dieſer ſcharffen Richter zu
treten nicht rathe; ſo kan ich doch den nicht ta-
deln/ der in den Laſtern wieder den Staat das
Recht von Vollziehung des Urthels anhebt/
wenn entweder derer zu viel iſt/ die ſich wieder
das gemeine Weſen verſchworen haben/ und
der Schlag gleichſam ſchon uͤber dem Nacken
ſchwebt/ oder wo der Verraͤther die Waffen in
Haͤnden hat. Jn dieſen Faͤllen erlaubet das
oberſte Geſetze/ nehmlich das allgemeine Heyl/
auch wieder die Geſetze gegen einen Verbrecher
zu verfahren/ und den Kopff der Schlange un-
verſehens zu zerquetſchen/ ehe ſie ſticht. Alſo
ließ Alexander den bey ſeinem Heere allzuhoch
angeſehenen Parmenio durch ſeinen beſten
Freund Polydamas abſchlachten. Nicht an-
ders halff Dion dem gewaffneten Heraclides
zu Syracuſa vom Leben. Zwar es kan geſche-
hen: daß zuweilen die Unſchuld hierdurch Noth
leidet. Denn die mit einer Larve der Ver-
laͤumdung verſtellte Tugend ſieht vielmahl
dem Laſter ſo aͤhnlich: daß ſie auch der ſcharff-
ſichtigſte nicht unterſcheiden kan. Aber die ge-
meine Wolfarth muß dieſen Schaden erſetzen.
Auch die beſten Aertzte laſſen geſunden Glie-
dern zur Ader/ um das krancke Haupt zu er-
halten/ und dem bedraͤngten Hertzen Lufft zu
machen. Wenn der zehende eines ſeiner Pflicht
vergeſſenden Kriegs-Volcks durchs Loß zum
[Spaltenumbruch] Tode erkieſet wird/ trifft es mehrmahls die
tapfferſten. Ja in den Laſtern wieder den
Staat und die Fuͤrſten machen die Geſetze der
meiſten Voͤlcker Kinder und Bluts-Freunde/
ja auch die ſtraffbar/ welche Alters halber zu
fuͤndigen nicht faͤhig ſind. Alleine alle groſſe
Beyſpiele haben etwas ungerechtes/ wie die
kraͤfftigſten Artzneyen ein wenig Gifft bey
ſich. Dieſen Schaden aber muß die Erhal-
tung des Reiches und eines Fuͤrſten erſetzen.
Denn dieſer iſt der Steuer-Mann/ an dem
das meiſte gelegen iſt; und der in ſolchen Faͤl-
len ſich eines andern Compaſſes in der Nacht/
eines andern des Tages gebrauchen; ja bey ſich
naͤherndem Schiffbruche auch diß/ was er am
liebſten hat/ uͤber Port werffen muß. Ma-
lovend brach ein: Hertzog Aembrich kam eben
ſo ungerne dran; iedoch zwang ihn die Noth
ſich des ihm nichts minder beliebten als benoͤ-
thigten Terbals zu entſchlagen; den er faſt al-
leine der Feld-Hauptmannſchafft gewachſen
hielt. Alleine der ſeinen erledigten Platz ver-
tretende Fuͤrſt Segimer erfuͤllte nichts minder
ſein Ampt/ als den Platz; und kam ſo wol des
Vaters Vertrauen und des Volckes Hoff-
nung/ als ſeinen Jahren zuvor. Er ſetzte
ihm alsbald fuͤr durch einen ruͤhmlichen An-
fang ſich bey den Seinen beliebt/ bey dem
Feinde anſehnlich zu machen; wol wiſſende:
daß wie die Sternſeher aus dem einigen
Geburts-Geſtirne des menſchlichen Le-
bens/ alſo die Kriegs-Leute als ihres Heer-
fuͤhrers erſtem Streiche ſein gantzes kuͤnff-
tiges Gluͤck und Ungluͤck wahrſagen.
Weil nun durch lange Ruhe das Kriegs-
Volck nur in allerhand Schwachheiten
verfaͤllt; taͤgliche Bemuͤhung aber ſelb-
tes auff nichts boͤſes gedencken laͤßt; ruͤck-
te er mit ſeinem Heer denen Alemaͤn-
nern ins Hertz/ und belaͤgerte die Stadt
Alzimoen. Wie nun Arioviſt und Ara-

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[1023[1025]/1087] Arminius und Thußnelda. ein ſchielender Richter. Alleine dieſer Rechts- weg iſt keine ſichere Bahn in den hohen Ver- brechen wieder den Staat und die Hoheit eines Fuͤrſten. Beyde ſind unleidlicher anzuruͤhren als die Augen/ ja auch ſorgfaͤltiger zu verwah- ren. Den Fiſcher/ der den dem Alexander vom Haupte gewehten und in einen ſchilfichten Sumpff neben eines alten Koͤniges Grab ge- worffenen Krantz aufhob/ koſtete ſeine Dienſt- barkeit den Hals. Und Cambyſes hielt einen Traum fuͤr genungſame Urſache ſeinem Bru- der das Licht auszuleſchen. Ob ich nun zwar in die Fußſtapffen dieſer ſcharffen Richter zu treten nicht rathe; ſo kan ich doch den nicht ta- deln/ der in den Laſtern wieder den Staat das Recht von Vollziehung des Urthels anhebt/ wenn entweder derer zu viel iſt/ die ſich wieder das gemeine Weſen verſchworen haben/ und der Schlag gleichſam ſchon uͤber dem Nacken ſchwebt/ oder wo der Verraͤther die Waffen in Haͤnden hat. Jn dieſen Faͤllen erlaubet das oberſte Geſetze/ nehmlich das allgemeine Heyl/ auch wieder die Geſetze gegen einen Verbrecher zu verfahren/ und den Kopff der Schlange un- verſehens zu zerquetſchen/ ehe ſie ſticht. Alſo ließ Alexander den bey ſeinem Heere allzuhoch angeſehenen Parmenio durch ſeinen beſten Freund Polydamas abſchlachten. Nicht an- ders halff Dion dem gewaffneten Heraclides zu Syracuſa vom Leben. Zwar es kan geſche- hen: daß zuweilen die Unſchuld hierdurch Noth leidet. Denn die mit einer Larve der Ver- laͤumdung verſtellte Tugend ſieht vielmahl dem Laſter ſo aͤhnlich: daß ſie auch der ſcharff- ſichtigſte nicht unterſcheiden kan. Aber die ge- meine Wolfarth muß dieſen Schaden erſetzen. Auch die beſten Aertzte laſſen geſunden Glie- dern zur Ader/ um das krancke Haupt zu er- halten/ und dem bedraͤngten Hertzen Lufft zu machen. Wenn der zehende eines ſeiner Pflicht vergeſſenden Kriegs-Volcks durchs Loß zum Tode erkieſet wird/ trifft es mehrmahls die tapfferſten. Ja in den Laſtern wieder den Staat und die Fuͤrſten machen die Geſetze der meiſten Voͤlcker Kinder und Bluts-Freunde/ ja auch die ſtraffbar/ welche Alters halber zu fuͤndigen nicht faͤhig ſind. Alleine alle groſſe Beyſpiele haben etwas ungerechtes/ wie die kraͤfftigſten Artzneyen ein wenig Gifft bey ſich. Dieſen Schaden aber muß die Erhal- tung des Reiches und eines Fuͤrſten erſetzen. Denn dieſer iſt der Steuer-Mann/ an dem das meiſte gelegen iſt; und der in ſolchen Faͤl- len ſich eines andern Compaſſes in der Nacht/ eines andern des Tages gebrauchen; ja bey ſich naͤherndem Schiffbruche auch diß/ was er am liebſten hat/ uͤber Port werffen muß. Ma- lovend brach ein: Hertzog Aembrich kam eben ſo ungerne dran; iedoch zwang ihn die Noth ſich des ihm nichts minder beliebten als benoͤ- thigten Terbals zu entſchlagen; den er faſt al- leine der Feld-Hauptmannſchafft gewachſen hielt. Alleine der ſeinen erledigten Platz ver- tretende Fuͤrſt Segimer erfuͤllte nichts minder ſein Ampt/ als den Platz; und kam ſo wol des Vaters Vertrauen und des Volckes Hoff- nung/ als ſeinen Jahren zuvor. Er ſetzte ihm alsbald fuͤr durch einen ruͤhmlichen An- fang ſich bey den Seinen beliebt/ bey dem Feinde anſehnlich zu machen; wol wiſſende: daß wie die Sternſeher aus dem einigen Geburts-Geſtirne des menſchlichen Le- bens/ alſo die Kriegs-Leute als ihres Heer- fuͤhrers erſtem Streiche ſein gantzes kuͤnff- tiges Gluͤck und Ungluͤck wahrſagen. Weil nun durch lange Ruhe das Kriegs- Volck nur in allerhand Schwachheiten verfaͤllt; taͤgliche Bemuͤhung aber ſelb- tes auff nichts boͤſes gedencken laͤßt; ruͤck- te er mit ſeinem Heer denen Alemaͤn- nern ins Hertz/ und belaͤgerte die Stadt Alzimoen. Wie nun Arioviſt und Ara- bar

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1023[1025]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1087>, abgerufen am 22.11.2024.