Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
sie aber vom Tiberius erfuhr: daß Segesthesschon auf einen andern Weg und seine Seite gebracht war; meinte sie den vorhin vergebens angetasteten Baum der Beständigkeit durch noch einen kräfftigen Hieb/ wordurch viel Hel- dinnen geworben worden/ zu fällen; und Thuß- nelden durch für gestellte Veränderung des vä- terlichen Willens/ welcher allezeit den Kindern am heilsamsten zu rathen pflegte; durch fürge- bildete zuläßliche Bereuung übereilter Ver- löbnüsse/ und die ihr hierdurch zuwachsende höchste Würde der Welt/ nach welcher so viel tausend Seelen lächseten/ zu gewinnen. Alleine die tugendhaffte Thußnelde nahm alle diese Lo- ckungen für dieselbigen Sonnen-Strahlen an; welche/ um den Himmel mit den schwärtzesten Wolcken zu verstellen/ die unsaubersten Dünste empor ziehen; blieb also wie ein unbeweglicher Fels auf ihrer ersten Entschlüssung stehen. Wormit auch Livia und Tiberius ihnen so viel weniger Hoffnung machen/ und sie mit weitern Versuchungen nicht quälen möchten; beschloß sie ihre Beantwortung mit diesen nachdrückli- chen Worten: daß kein menschlicher Witz/ keine Gewalt der Welt/ ja das Verhängnüs selbst nicht durch was anders/ als den Tod ihr und Hertzog Herrmanns Bündnüs zu zerreissen mächtig wäre. Als diese Wellen an Thußnel- dens so fest geanckerter Liebe nun auch zerschei- tert wurden; wolte Segesthes mit dem Nach- drucke seiner väterlichen und mit denen hefftig- sten Bedruungen aus gerüsteter Gewalt durch- brechen. Thußnelda aber/ nach dem sie mit tieffster Demuth und kindlicher Ehrerbietung das steinerne Hertze ihres unerbittlichen Va- ters nicht zu erweichen vermochte; rührte ihm durch Fürstellung der denselbten zuhängenden Göttlichen Rache/ welche das einmahl feste Band der heiligen Eh aus irrdischem Absehen zerreissen; und der unglückseligen Heyrathen; welche man durch Zwang verknüpffte/ sein Ge- wissen; ihm vorbildende: daß diese zwar ein zu- [Spaltenumbruch] sammen gedrungener/ aber die Gemüther kei- nes vereinbarender Knoten; oder vielmehr ei- ne Sonnen-Finsternüs der Seele wären; da zwar die zwey grossen Welt-Lichter auff einem Puncte zusammen gehefftet schienen/ in War- heit aber von einander nicht nur weit entfernet stünden; sondern auch der Glantz des allerschön- sten Welt-Auges durch solche Vermählung entkräfftet und gleichsam verlescht würde. Als aber der glüende Stein des unbarmhertzigen Vater-Hertzens durch die Thränen dieser äng- stigen Tochter noch immer mehr entzündet ward/ und Segesthes Thußnelden auf den Fall fernerer Weigerung Laub und Graß versagte; fiel sie endlich mit halb-verzweiffelnder Weh- muth ihm zu Fuße; erzehlte/ so viel ihre Jung- fräuliche Schamhafftigkeit zuließ/ die dem Se- gesthes vielleicht fremden Laster des Tiberius. Jnsonderheit/ wie er in der Schwälgerey und Unzucht gantz ersoffen wäre/ bey dem bekand- ten und von dem August selbst aller Ehren ent- setzten Huren-Wirthe Sestius Gallius etliche Jahre zubracht/ sich bey Tische von eitel nackten und unkeuschen Weibern bedienen lassen; seine Gemächer mit den schandbarsten Bildern und Büchern/ seine Lustgärte und Hölen mit den ärgerlichsten Säulen angefüllet; und/ nach dem ihn endlich seine unersättliche Geilheit auf un- natürliche Lüste verleitet/ ihn alles Frauenzim- mer angestuncken; also Segesthes zu erwegen habe: Ob sie diesem garstigen Unflate ihre reine Seele ohne eusserste Entsetzung wiedmen kön- te. Wie Segesthes aber dennoch unbeweglich blieb/ zohe sie einen unter ihrem Rocke verbor- genen Dolch herfür/ reichte selbten dem Sege- sthes/ und beschwur ihn bey der Liebe/ welche die Natur in die Hertzen der Elterlichen Seelen pflantzete: Er möchte mit diesem Stahle ihr lieber den Drat des Lebens/ als das Verlo- bungs-Band des Fürsten Herrmanns zerker- ben; Weil sie doch mit keinem andern leben könte/ sondern mit seinem Verluste ohne diß Athem T t t t t t t 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſie aber vom Tiberius erfuhr: daß Segeſthesſchon auf einen andern Weg und ſeine Seite gebracht war; meinte ſie den vorhin vergebens angetaſteten Baum der Beſtaͤndigkeit durch noch einen kraͤfftigen Hieb/ wordurch viel Hel- dinnen geworben worden/ zu faͤllen; und Thuß- nelden durch fuͤr geſtellte Veraͤnderung des vaͤ- terlichen Willens/ welcher allezeit den Kindern am heilſamſten zu rathen pflegte; durch fuͤrge- bildete zulaͤßliche Bereuung uͤbereilter Ver- loͤbnuͤſſe/ und die ihr hierdurch zuwachſende hoͤchſte Wuͤrde der Welt/ nach welcher ſo viel tauſend Seelen laͤchſeten/ zu gewinnen. Alleine die tugendhaffte Thußnelde nahm alle dieſe Lo- ckungen fuͤr dieſelbigen Sonnen-Strahlen an; welche/ um den Himmel mit den ſchwaͤrtzeſten Wolcken zu verſtellen/ die unſauberſten Duͤnſte empor ziehen; blieb alſo wie ein unbeweglicher Fels auf ihrer erſten Entſchluͤſſung ſtehen. Wormit auch Livia und Tiberius ihnen ſo viel weniger Hoffnung machen/ und ſie mit weitern Verſuchungen nicht quaͤlen moͤchten; beſchloß ſie ihre Beantwortung mit dieſen nachdruͤckli- chen Worten: daß kein menſchlicher Witz/ keine Gewalt der Welt/ ja das Verhaͤngnuͤs ſelbſt nicht durch was anders/ als den Tod ihr und Hertzog Herrmanns Buͤndnuͤs zu zerreiſſen maͤchtig waͤre. Als dieſe Wellen an Thußnel- dens ſo feſt geanckerter Liebe nun auch zerſchei- tert wurden; wolte Segeſthes mit dem Nach- drucke ſeiner vaͤterlichen und mit denen hefftig- ſten Bedruungen aus geruͤſteter Gewalt durch- brechen. Thußnelda aber/ nach dem ſie mit tieffſter Demuth und kindlicher Ehrerbietung das ſteinerne Hertze ihres unerbittlichen Va- ters nicht zu erweichen vermochte; ruͤhrte ihm durch Fuͤrſtellung der denſelbten zuhaͤngenden Goͤttlichen Rache/ welche das einmahl feſte Band der heiligen Eh aus irrdiſchem Abſehen zerreiſſen; und der ungluͤckſeligen Heyrathen; welche man durch Zwang verknuͤpffte/ ſein Ge- wiſſen; ihm vorbildende: daß dieſe zwar ein zu- [Spaltenumbruch] ſammen gedrungener/ aber die Gemuͤther kei- nes vereinbarender Knoten; oder vielmehr ei- ne Sonnen-Finſternuͤs der Seele waͤren; da zwar die zwey groſſen Welt-Lichter auff einem Puncte zuſammen gehefftet ſchienen/ in War- heit aber von einander nicht nur weit entfernet ſtuͤnden; ſondern auch der Glantz des allerſchoͤn- ſten Welt-Auges durch ſolche Vermaͤhlung entkraͤfftet und gleichſam verleſcht wuͤrde. Als aber der gluͤende Stein des unbarmhertzigen Vater-Hertzens durch die Thraͤnen dieſer aͤng- ſtigen Tochter noch immer mehr entzuͤndet ward/ und Segeſthes Thußnelden auf den Fall fernerer Weigerung Laub und Graß verſagte; fiel ſie endlich mit halb-verzweiffelnder Weh- muth ihm zu Fuße; erzehlte/ ſo viel ihre Jung- fraͤuliche Schamhafftigkeit zuließ/ die dem Se- geſthes vielleicht fremden Laſter des Tiberius. Jnſonderheit/ wie er in der Schwaͤlgerey und Unzucht gantz erſoffen waͤre/ bey dem bekand- ten und von dem Auguſt ſelbſt aller Ehren ent- ſetzten Huren-Wirthe Seſtius Gallius etliche Jahre zubracht/ ſich bey Tiſche von eitel nackten und unkeuſchen Weibern bedienen laſſen; ſeine Gemaͤcher mit den ſchandbarſten Bildern und Buͤchern/ ſeine Luſtgaͤrte und Hoͤlen mit den aͤrgerlichſten Saͤulen angefuͤllet; und/ nach dem ihn endlich ſeine unerſaͤttliche Geilheit auf un- natuͤrliche Luͤſte verleitet/ ihn alles Frauenzim- mer angeſtuncken; alſo Segeſthes zu erwegen habe: Ob ſie dieſem garſtigen Unflate ihre reine Seele ohne euſſerſte Entſetzung wiedmen koͤn- te. Wie Segeſthes aber dennoch unbeweglich blieb/ zohe ſie einen unter ihrem Rocke verbor- genen Dolch herfuͤr/ reichte ſelbten dem Sege- ſthes/ und beſchwur ihn bey der Liebe/ welche die Natur in die Hertzen der Elterlichen Seelen pflantzete: Er moͤchte mit dieſem Stahle ihr lieber den Drat des Lebens/ als das Verlo- bungs-Band des Fuͤrſten Herrmanns zerker- ben; Weil ſie doch mit keinem andern leben koͤnte/ ſondern mit ſeinem Verluſte ohne diß Athem T t t t t t t 2
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Arminius und Thußnelda.
ſie aber vom Tiberius erfuhr: daß Segeſthes
ſchon auf einen andern Weg und ſeine Seite
gebracht war; meinte ſie den vorhin vergebens
angetaſteten Baum der Beſtaͤndigkeit durch
noch einen kraͤfftigen Hieb/ wordurch viel Hel-
dinnen geworben worden/ zu faͤllen; und Thuß-
nelden durch fuͤr geſtellte Veraͤnderung des vaͤ-
terlichen Willens/ welcher allezeit den Kindern
am heilſamſten zu rathen pflegte; durch fuͤrge-
bildete zulaͤßliche Bereuung uͤbereilter Ver-
loͤbnuͤſſe/ und die ihr hierdurch zuwachſende
hoͤchſte Wuͤrde der Welt/ nach welcher ſo viel
tauſend Seelen laͤchſeten/ zu gewinnen. Alleine
die tugendhaffte Thußnelde nahm alle dieſe Lo-
ckungen fuͤr dieſelbigen Sonnen-Strahlen an;
welche/ um den Himmel mit den ſchwaͤrtzeſten
Wolcken zu verſtellen/ die unſauberſten Duͤnſte
empor ziehen; blieb alſo wie ein unbeweglicher
Fels auf ihrer erſten Entſchluͤſſung ſtehen.
Wormit auch Livia und Tiberius ihnen ſo viel
weniger Hoffnung machen/ und ſie mit weitern
Verſuchungen nicht quaͤlen moͤchten; beſchloß
ſie ihre Beantwortung mit dieſen nachdruͤckli-
chen Worten: daß kein menſchlicher Witz/ keine
Gewalt der Welt/ ja das Verhaͤngnuͤs ſelbſt
nicht durch was anders/ als den Tod ihr und
Hertzog Herrmanns Buͤndnuͤs zu zerreiſſen
maͤchtig waͤre. Als dieſe Wellen an Thußnel-
dens ſo feſt geanckerter Liebe nun auch zerſchei-
tert wurden; wolte Segeſthes mit dem Nach-
drucke ſeiner vaͤterlichen und mit denen hefftig-
ſten Bedruungen aus geruͤſteter Gewalt durch-
brechen. Thußnelda aber/ nach dem ſie mit
tieffſter Demuth und kindlicher Ehrerbietung
das ſteinerne Hertze ihres unerbittlichen Va-
ters nicht zu erweichen vermochte; ruͤhrte ihm
durch Fuͤrſtellung der denſelbten zuhaͤngenden
Goͤttlichen Rache/ welche das einmahl feſte
Band der heiligen Eh aus irrdiſchem Abſehen
zerreiſſen; und der ungluͤckſeligen Heyrathen;
welche man durch Zwang verknuͤpffte/ ſein Ge-
wiſſen; ihm vorbildende: daß dieſe zwar ein zu-
ſammen gedrungener/ aber die Gemuͤther kei-
nes vereinbarender Knoten; oder vielmehr ei-
ne Sonnen-Finſternuͤs der Seele waͤren; da
zwar die zwey groſſen Welt-Lichter auff einem
Puncte zuſammen gehefftet ſchienen/ in War-
heit aber von einander nicht nur weit entfernet
ſtuͤnden; ſondern auch der Glantz des allerſchoͤn-
ſten Welt-Auges durch ſolche Vermaͤhlung
entkraͤfftet und gleichſam verleſcht wuͤrde. Als
aber der gluͤende Stein des unbarmhertzigen
Vater-Hertzens durch die Thraͤnen dieſer aͤng-
ſtigen Tochter noch immer mehr entzuͤndet
ward/ und Segeſthes Thußnelden auf den Fall
fernerer Weigerung Laub und Graß verſagte;
fiel ſie endlich mit halb-verzweiffelnder Weh-
muth ihm zu Fuße; erzehlte/ ſo viel ihre Jung-
fraͤuliche Schamhafftigkeit zuließ/ die dem Se-
geſthes vielleicht fremden Laſter des Tiberius.
Jnſonderheit/ wie er in der Schwaͤlgerey und
Unzucht gantz erſoffen waͤre/ bey dem bekand-
ten und von dem Auguſt ſelbſt aller Ehren ent-
ſetzten Huren-Wirthe Seſtius Gallius etliche
Jahre zubracht/ ſich bey Tiſche von eitel nackten
und unkeuſchen Weibern bedienen laſſen; ſeine
Gemaͤcher mit den ſchandbarſten Bildern und
Buͤchern/ ſeine Luſtgaͤrte und Hoͤlen mit den
aͤrgerlichſten Saͤulen angefuͤllet; und/ nach dem
ihn endlich ſeine unerſaͤttliche Geilheit auf un-
natuͤrliche Luͤſte verleitet/ ihn alles Frauenzim-
mer angeſtuncken; alſo Segeſthes zu erwegen
habe: Ob ſie dieſem garſtigen Unflate ihre reine
Seele ohne euſſerſte Entſetzung wiedmen koͤn-
te. Wie Segeſthes aber dennoch unbeweglich
blieb/ zohe ſie einen unter ihrem Rocke verbor-
genen Dolch herfuͤr/ reichte ſelbten dem Sege-
ſthes/ und beſchwur ihn bey der Liebe/ welche die
Natur in die Hertzen der Elterlichen Seelen
pflantzete: Er moͤchte mit dieſem Stahle ihr
lieber den Drat des Lebens/ als das Verlo-
bungs-Band des Fuͤrſten Herrmanns zerker-
ben; Weil ſie doch mit keinem andern leben
koͤnte/ ſondern mit ſeinem Verluſte ohne diß
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