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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] turnin dem Tiberius aus einer angebohrnen
Abneigung/ oder wegen seiner Laster von Her-
tzen gram war; und er deßwegen denen Deut-
schen/ welchen Tiberius zu Kopffe wachsen wol-
te/ so viel möglich/ beym Kayser die Stange
hielt; also ward Saturnin durch einen beson-
dern Zufall in seinem Fürnehmen gestärcket.
Denn als ihm Hertzog Herrmann auf dem
Blocks-Berge eine Jagt bestellt hatte/ und sie
um Mitternacht schon aus ihrem Nacht-Lager
aufwaren desto zeitlicher in die Stallung zu
kommen/ traffen sie noch für anbrechen dem Ta-
ge auff einer gähen Klippe ein Wahrsager-
Weib an/ welche von eitel besondern Kräutern
einen Kreiß um sich gemacht; inwendig aber
selbten mit eitel dinnem Sande bedeckt hatte.
Für dem Kreiße kniete ein Kriegs-Mann in
Römischer Tracht/ welcher die Wahrsagerin um
seine zu Rom verlassene Buhlschafft/ und etliche
andere künftige Zufälle; endlich um das Glücke
des Kaysers/ des Tiberius und Saturnins be-
fragte. Die Wahrsagerin/ welcher die Haare
gantz ungekämmt um den Kopf floyen/ und welche
einen weiten weißen und nirgendswo gegürteten
oder zugeschlingten Gürtel an hatte/ und sich an
einen mitten im Kreiße stehenden Wacholder-
Baum lehnte; fieng an etwas unvernehmli-
ches zu murmeln; darnach setzte sie den lincken
Fuß in ein mit Wasser gefülltes küpffernes Be-
cken; wusch denselben/ und trocknete ihn an ein
weiß Gewand; nahm den aus Eisen-Kraute
geflochtenen Krantz vom Haupte/ hieng densel-
ben über sich an einen Wacholder-Ast; und nach
dem sie den lincken Arm samt der lincken Brust
entblöst hatte/ schlug sie mit einer Tamarinden-
Ruthe sieben mahl an die Wacholder-Aeste: daß
die daran hangenden reiffen Beeren häuffig
herunter fielen. Diese nahm sie niederknien-
de/ betrachtete eine iede darvon gegen dem durch
die Bäume scheinenden Mohnden auffs ge-
naueste; hernach setzte sie von diesen Beeren in
den Sand eine Schrifft zusammen; welche sie
[Spaltenumbruch] mit vielen zwerch über einander gelegten Wei-
den-Zweigen unter scheidete. Zuletzt machte
sie den von Kräutern gemachten Zauber-Kreiß
auff/ und nach dem sie die Tamarinden-Ruthe
zerbrochen/ die Kräuter aber in das küpfferne
Becken zusammen gelesen hatte/ rieff sie: Ließ
dein und anderer Verhängnüs; und hiermit
sprang sie in das dickeste Gepüsche. Weil aber
in einem Augenblicke ein so hefftiger Sturm-
Wind entstand; welcher die stärcksten Bäume
mit ihren Wur tzeln auszureissen dräute; fieng
Saturnin/ welcher mit dem Hertzog Herrmann
hinter einer zwießlichen Tanne dieser Gaucke-
ley zugesehen hatte/ lachende an: Dieser Ein-
fältige wird nun wol schwerer seine Wahrsa-
gung zusammen lesen; als welche für Zeiten aus
denen mit einem Buchstaben bezeichneten/ und
von der Sibylle ausgestreuten Blättern muste
erkieset werden. Nichts desto weniger sahen
sie: daß dieser Mensch ihm einen kyhnenen
Spaan anzündete/ und der Wahrsagerin Bee-
ren-Schrifft mit Fleiß untersuchte. Daher
sie sich dem Orte näherten/ dem über Zusam-
menreymung der Wahrsagung fast aller eusser-
lichen Sinnen beraubten Römer zusahen/ und
ihn endlich folgende Reymen zusammen flicken
hörten:

Nach dreyen Jahren wird dein Absehn treffen ein/
Wenn Gifft den Ledens-Drat dem Kavser wird verkürtzen.
So denn wird auch Tiber das Haupt der Römer seyn/
Der von Tarpejens Felß den Saturnin wird stürtzen.

Saturnin/ welcher diese letzten Worte nicht
ohne Bestürtzung vernahm/ fuhr aus einem ihn
überlauffenden Eyver diesen sorgfältigen Rath-
frager mit hefftigen Worten an: welch böser
Geist verleitet dich über des Kaysers Leben und
Hauß die Zauberer zu fragen? Weist du nicht:
daß du Leben und Vermögen hierdurch ver-
schertzet hast? Dieser/ als er sich umkehrte/ und
den ihm allzuwol bekandten Römischen Feld-
Hauptmann Sentius vor sich sahe/ erstarrte

wie

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] turnin dem Tiberius aus einer angebohrnen
Abneigung/ oder wegen ſeiner Laſter von Her-
tzen gram war; und er deßwegen denen Deut-
ſchen/ welchen Tiberius zu Kopffe wachſen wol-
te/ ſo viel moͤglich/ beym Kayſer die Stange
hielt; alſo ward Saturnin durch einen beſon-
dern Zufall in ſeinem Fuͤrnehmen geſtaͤrcket.
Denn als ihm Hertzog Herrmann auf dem
Blocks-Berge eine Jagt beſtellt hatte/ und ſie
um Mitternacht ſchon aus ihrem Nacht-Lager
aufwaren deſto zeitlicher in die Stallung zu
kommen/ traffen ſie noch fuͤr anbrechen dem Ta-
ge auff einer gaͤhen Klippe ein Wahrſager-
Weib an/ welche von eitel beſondern Kraͤutern
einen Kreiß um ſich gemacht; inwendig aber
ſelbten mit eitel dinnem Sande bedeckt hatte.
Fuͤr dem Kreiße kniete ein Kriegs-Mann in
Roͤmiſcheꝛ Tracht/ welcheꝛ die Wahꝛſageꝛin um
ſeine zu Rom verlaſſene Buhlſchafft/ und etliche
andere kuͤnftige Zufaͤlle; endlich um das Gluͤcke
des Kayſers/ des Tiberius und Saturnins be-
fragte. Die Wahrſagerin/ welcher die Haare
gantz ungekaͤm̃t um den Kopf floyen/ und welche
einen weiten weißen uñ nirgendſwo geguͤꝛteten
oder zugeſchlingten Guͤrtel an hatte/ und ſich an
einen mitten im Kreiße ſtehenden Wacholder-
Baum lehnte; fieng an etwas unvernehmli-
ches zu murmeln; darnach ſetzte ſie den lincken
Fuß in ein mit Waſſer gefuͤlltes kuͤpffernes Be-
cken; wuſch denſelben/ und trocknete ihn an ein
weiß Gewand; nahm den aus Eiſen-Kraute
geflochtenen Krantz vom Haupte/ hieng denſel-
ben uͤber ſich an einen Wacholder-Aſt; und nach
dem ſie den lincken Arm ſamt der lincken Bruſt
entbloͤſt hatte/ ſchlug ſie mit einer Tamarinden-
Ruthe ſieben mahl an die Wacholder-Aeſte: daß
die daran hangenden reiffen Beeren haͤuffig
herunter fielen. Dieſe nahm ſie niederknien-
de/ betrachtete eine iede darvon gegen dem durch
die Baͤume ſcheinenden Mohnden auffs ge-
naueſte; hernach ſetzte ſie von dieſen Beeren in
den Sand eine Schrifft zuſammen; welche ſie
[Spaltenumbruch] mit vielen zwerch uͤber einander gelegten Wei-
den-Zweigen unter ſcheidete. Zuletzt machte
ſie den von Kraͤutern gemachten Zauber-Kreiß
auff/ und nach dem ſie die Tamarinden-Ruthe
zerbrochen/ die Kraͤuter aber in das kuͤpfferne
Becken zuſammen geleſen hatte/ rieff ſie: Ließ
dein und anderer Verhaͤngnuͤs; und hiermit
ſprang ſie in das dickeſte Gepuͤſche. Weil aber
in einem Augenblicke ein ſo hefftiger Sturm-
Wind entſtand; welcher die ſtaͤrckſten Baͤume
mit ihren Wur tzeln auszureiſſen draͤute; fieng
Saturnin/ welcher mit dem Hertzog Herrmañ
hinter einer zwießlichen Tanne dieſer Gaucke-
ley zugeſehen hatte/ lachende an: Dieſer Ein-
faͤltige wird nun wol ſchwerer ſeine Wahrſa-
gung zuſammen leſen; als welche fuͤr Zeiten aus
denen mit einem Buchſtaben bezeichneten/ und
von der Sibylle ausgeſtreuten Blaͤttern muſte
erkieſet werden. Nichts deſto weniger ſahen
ſie: daß dieſer Menſch ihm einen kyhnenen
Spaan anzuͤndete/ und der Wahrſagerin Bee-
ren-Schrifft mit Fleiß unterſuchte. Daher
ſie ſich dem Orte naͤherten/ dem uͤber Zuſam-
menreymung der Wahrſagung faſt aller euſſer-
lichen Sinnen beraubten Roͤmer zuſahen/ und
ihn endlich folgende Reymen zuſammen flicken
hoͤrten:

Nach dreyen Jahren wird dein Abſehn treffen ein/
Wenn Gifft den Ledens-Drat dem Kavſer wird verkuͤrtzen.
So denn wird auch Tiber das Haupt der Roͤmer ſeyn/
Der von Tarpejens Felß den Saturnin wird ſtuͤrtzen.

Saturnin/ welcher dieſe letzten Worte nicht
ohne Beſtuͤrtzung vernahm/ fuhr aus einem ihn
uͤberlauffenden Eyver dieſen ſorgfaͤltigen Rath-
frager mit hefftigen Worten an: welch boͤſer
Geiſt verleitet dich uͤber des Kayſers Leben und
Hauß die Zauberer zu fragen? Weiſt du nicht:
daß du Leben und Vermoͤgen hierdurch ver-
ſchertzet haſt? Dieſer/ als er ſich umkehrte/ und
den ihm allzuwol bekandten Roͤmiſchen Feld-
Hauptmann Sentius vor ſich ſahe/ erſtarrte

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[1268[1270]/1334] Achtes Buch turnin dem Tiberius aus einer angebohrnen Abneigung/ oder wegen ſeiner Laſter von Her- tzen gram war; und er deßwegen denen Deut- ſchen/ welchen Tiberius zu Kopffe wachſen wol- te/ ſo viel moͤglich/ beym Kayſer die Stange hielt; alſo ward Saturnin durch einen beſon- dern Zufall in ſeinem Fuͤrnehmen geſtaͤrcket. Denn als ihm Hertzog Herrmann auf dem Blocks-Berge eine Jagt beſtellt hatte/ und ſie um Mitternacht ſchon aus ihrem Nacht-Lager aufwaren deſto zeitlicher in die Stallung zu kommen/ traffen ſie noch fuͤr anbrechen dem Ta- ge auff einer gaͤhen Klippe ein Wahrſager- Weib an/ welche von eitel beſondern Kraͤutern einen Kreiß um ſich gemacht; inwendig aber ſelbten mit eitel dinnem Sande bedeckt hatte. Fuͤr dem Kreiße kniete ein Kriegs-Mann in Roͤmiſcheꝛ Tracht/ welcheꝛ die Wahꝛſageꝛin um ſeine zu Rom verlaſſene Buhlſchafft/ und etliche andere kuͤnftige Zufaͤlle; endlich um das Gluͤcke des Kayſers/ des Tiberius und Saturnins be- fragte. Die Wahrſagerin/ welcher die Haare gantz ungekaͤm̃t um den Kopf floyen/ und welche einen weiten weißen uñ nirgendſwo geguͤꝛteten oder zugeſchlingten Guͤrtel an hatte/ und ſich an einen mitten im Kreiße ſtehenden Wacholder- Baum lehnte; fieng an etwas unvernehmli- ches zu murmeln; darnach ſetzte ſie den lincken Fuß in ein mit Waſſer gefuͤlltes kuͤpffernes Be- cken; wuſch denſelben/ und trocknete ihn an ein weiß Gewand; nahm den aus Eiſen-Kraute geflochtenen Krantz vom Haupte/ hieng denſel- ben uͤber ſich an einen Wacholder-Aſt; und nach dem ſie den lincken Arm ſamt der lincken Bruſt entbloͤſt hatte/ ſchlug ſie mit einer Tamarinden- Ruthe ſieben mahl an die Wacholder-Aeſte: daß die daran hangenden reiffen Beeren haͤuffig herunter fielen. Dieſe nahm ſie niederknien- de/ betrachtete eine iede darvon gegen dem durch die Baͤume ſcheinenden Mohnden auffs ge- naueſte; hernach ſetzte ſie von dieſen Beeren in den Sand eine Schrifft zuſammen; welche ſie mit vielen zwerch uͤber einander gelegten Wei- den-Zweigen unter ſcheidete. Zuletzt machte ſie den von Kraͤutern gemachten Zauber-Kreiß auff/ und nach dem ſie die Tamarinden-Ruthe zerbrochen/ die Kraͤuter aber in das kuͤpfferne Becken zuſammen geleſen hatte/ rieff ſie: Ließ dein und anderer Verhaͤngnuͤs; und hiermit ſprang ſie in das dickeſte Gepuͤſche. Weil aber in einem Augenblicke ein ſo hefftiger Sturm- Wind entſtand; welcher die ſtaͤrckſten Baͤume mit ihren Wur tzeln auszureiſſen draͤute; fieng Saturnin/ welcher mit dem Hertzog Herrmañ hinter einer zwießlichen Tanne dieſer Gaucke- ley zugeſehen hatte/ lachende an: Dieſer Ein- faͤltige wird nun wol ſchwerer ſeine Wahrſa- gung zuſammen leſen; als welche fuͤr Zeiten aus denen mit einem Buchſtaben bezeichneten/ und von der Sibylle ausgeſtreuten Blaͤttern muſte erkieſet werden. Nichts deſto weniger ſahen ſie: daß dieſer Menſch ihm einen kyhnenen Spaan anzuͤndete/ und der Wahrſagerin Bee- ren-Schrifft mit Fleiß unterſuchte. Daher ſie ſich dem Orte naͤherten/ dem uͤber Zuſam- menreymung der Wahrſagung faſt aller euſſer- lichen Sinnen beraubten Roͤmer zuſahen/ und ihn endlich folgende Reymen zuſammen flicken hoͤrten: Nach dreyen Jahren wird dein Abſehn treffen ein/ Wenn Gifft den Ledens-Drat dem Kavſer wird verkuͤrtzen. So denn wird auch Tiber das Haupt der Roͤmer ſeyn/ Der von Tarpejens Felß den Saturnin wird ſtuͤrtzen. Saturnin/ welcher dieſe letzten Worte nicht ohne Beſtuͤrtzung vernahm/ fuhr aus einem ihn uͤberlauffenden Eyver dieſen ſorgfaͤltigen Rath- frager mit hefftigen Worten an: welch boͤſer Geiſt verleitet dich uͤber des Kayſers Leben und Hauß die Zauberer zu fragen? Weiſt du nicht: daß du Leben und Vermoͤgen hierdurch ver- ſchertzet haſt? Dieſer/ als er ſich umkehrte/ und den ihm allzuwol bekandten Roͤmiſchen Feld- Hauptmann Sentius vor ſich ſahe/ erſtarrte wie

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1268[1270]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1334>, abgerufen am 23.11.2024.