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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] werden könte/ lächelnde vorhielt. Marbod war
kaum in seinen Königlichen Sitz ankommen;
als er seine vierzehnjährichte wunderschöne
Tochter Adelmund/ derer Mutter die berühm-
te Gothonische Fürstin Marmeline vor zwey
Jahren gestorben war/ in den warmen Brun-
nen die Hertzo gin Erdmuth annehmlich zu un-
terhalten abfertigte. Diese kam mit einem
prächtigen Aufzuge daselbst an/ und erzeigte
der Hertzogin nicht allein alle ersinnliche Höff-
ligkeiten/ sondern beschenckte sie und das ge-
samte Frauenzimmer mit vielen Köstligkeiten/
in sonderheit aber mit Perlen/ Diamanten und
Granaten/ welche in den Bojischen Wässern
und Gebürgen gefunden werden. Nach dem
auch diß Bad der Hertzogin sehr wol zuschlug/
und sie sich bey ziemlichen Kräfften befand; lud
die Fürstin Adelmund die Hertzogin und ihr
Frauenzimmer in einen eine Meile von dar
gelegenen Königlichen Garten/ welcher wegen
der köftlichen Spring-Brunnen/ der seltzamen
Gewächse/ der frucht baren Bäume/ der lusti-
gen Gegend und des mit vielerley Wild erfüll-
ten Thier-Gartens für den herrlichsten in
Deuschland gehalten ward. Jnsonderheit wa-
ren um selbige Gegend so viel Fasanen zu
schauen: daß sie mit dem Flusse Phasis um den
Vorzug zu kämpffen schien. Als diese Ver-
samlung des Frauenzimmers in der verträu-
lichsten Erlustigung sich befand/ und in einer
von eitel Muscheln und Korallen besetzten Hö-
le bey dem hin und wiederspritzenden Wasser
wegen damahliger Mittags-Hitze sich abküh-
lete/ kam ein Edel mann/ und deutete der Her-
tzogin an: daß König Marbod schon im Gar-
ten wäre. Sie war auch kaum aus der Höle
durch einen überlaubten Gang zu einem mar-
melnen Spring-Brunnen kommen/ als der
König in prächtiger Tracht mit vielen Grossen
seines Hofes ihr begegnete; und sie und alle ihr
Frauenzimmer auffs höflichste bewill kommte.
Diese aber wurden auffs höchste bestürtzt/ als sie
[Spaltenumbruch] nun mehr wahrnahmen: daß der sie für etlichen
Tagen im warmen Brunnen heimsuchende
Edelmann eben der König Marbod selbst ge-
wesen wäre. Weßwegen denn die Hertzo gin
nichts minder sich/ als die Jhrigen entschuldig-
te: daß sie aus Jrrthum ihm nicht mit gehöri-
ger Ehrerbietung begegnet wären. Marbod
versetzte: es könte eine so voll kommene Fürstin
mit ihrer so außerlesenen Gesellschafft gegen
niemanden sich einigerley Weise gebehrden:
daß sich nicht auch ein König darmit zu verg nü-
gen hätte. Mit welchen annehmlichen Wort-
wechselungen sie denn einander biß zu der an
der Seite des rauschenden Wassers unter einem
goldgestückten Persischen Zelt zubereiteten
Taffel unterhielten. Bey welcher Thußnelde
alsbald wahrnahm: daß Marbod ein beson-
ders Auge auff sie hatte; indem er bey seiner an-
gemasten Frende doch allezeit eine Schwer-
muth mercken ließ; und wenn er mit Thußnel-
den nur etliche Worte wechselte/ oder sie nur
ansahe/ iedesmahl seine Farbe veränderte.
Denn weil das Feuer der Liebe an Geschwin-
digkeit den Blitz übertrifft/ die Seele aber
gleich sam im Blute schwimmet/ kan diese schier
keine Bewegung ohne seine Aufwallung em-
pfinden Gleichwol unter hielt Marbod Thuß-
nelden am aller meisten mit Gesprächen; und
vergnügte sich gleichsam: daß seine Verände-
rung ie mehr und mehr die Verwirrung seines
Gemüthes an Tag gäbe/ und sein Antlitz der
erste Vorredner seiner Liebes-Werbung wür-
de. Hiermit hatte Thußnelde über der Taffel
bey solchen Anmerckungen so tieff in das Hertze
Marbods gesehen/ als wenn die Natur ihm
ein Fenster an die Brust gesetzt hätte. Denn
die/ welche ihre eigene Liebe schon prüfen ge-
lernet/ verstehen leicht auch fremder Verliebten
stumme Sprache; und ihre Augen geben nicht
weniger rechte Fern-Gläser ab/ welche so gar
die verborgensten Gedancken erkiesen; sie selbst
als das aller geistreichste Theil des Menschen/

in

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] werden koͤnte/ laͤchelnde vorhielt. Marbod war
kaum in ſeinen Koͤniglichen Sitz ankommen;
als er ſeine vierzehnjaͤhrichte wunderſchoͤne
Tochter Adelmund/ derer Mutter die beruͤhm-
te Gothoniſche Fuͤrſtin Marmeline vor zwey
Jahren geſtorben war/ in den warmen Brun-
nen die Hertzo gin Erdmuth annehmlich zu un-
terhalten abfertigte. Dieſe kam mit einem
praͤchtigen Aufzuge daſelbſt an/ und erzeigte
der Hertzogin nicht allein alle erſinnliche Hoͤff-
ligkeiten/ ſondern beſchenckte ſie und das ge-
ſamte Frauenzimmer mit vielen Koͤſtligkeiten/
in ſonderheit aber mit Perlen/ Diamanten und
Granaten/ welche in den Bojiſchen Waͤſſern
und Gebuͤrgen gefunden werden. Nach dem
auch diß Bad der Hertzogin ſehr wol zuſchlug/
und ſie ſich bey ziemlichen Kraͤfften befand; lud
die Fuͤrſtin Adelmund die Hertzogin und ihr
Frauenzimmer in einen eine Meile von dar
gelegenen Koͤniglichen Garten/ welcher wegen
der koͤftlichen Spring-Brunnen/ der ſeltzamen
Gewaͤchſe/ der frucht baren Baͤume/ der luſti-
gen Gegend und des mit vielerley Wild erfuͤll-
ten Thier-Gartens fuͤr den herrlichſten in
Deuſchland gehalten ward. Jnſonderheit wa-
ren um ſelbige Gegend ſo viel Faſanen zu
ſchauen: daß ſie mit dem Fluſſe Phaſis um den
Vorzug zu kaͤmpffen ſchien. Als dieſe Ver-
ſamlung des Frauenzimmers in der vertraͤu-
lichſten Erluſtigung ſich befand/ und in einer
von eitel Muſcheln und Korallen beſetzten Hoͤ-
le bey dem hin und wiederſpritzenden Waſſer
wegen damahliger Mittags-Hitze ſich abkuͤh-
lete/ kam ein Edel mann/ und deutete der Her-
tzogin an: daß Koͤnig Marbod ſchon im Gar-
ten waͤre. Sie war auch kaum aus der Hoͤle
durch einen uͤberlaubten Gang zu einem mar-
melnen Spring-Brunnen kommen/ als der
Koͤnig in praͤchtiger Tracht mit vielen Groſſen
ſeines Hofes ihr begegnete; und ſie und alle ihr
Frauenzimmer auffs hoͤflichſte bewill kommte.
Dieſe aber wurden auffs hoͤchſte beſtuͤrtzt/ als ſie
[Spaltenumbruch] nun mehr wahrnahmen: daß der ſie fuͤr etlichen
Tagen im warmen Brunnen heimſuchende
Edelmann eben der Koͤnig Marbod ſelbſt ge-
weſen waͤre. Weßwegen denn die Hertzo gin
nichts minder ſich/ als die Jhrigen entſchuldig-
te: daß ſie aus Jrrthum ihm nicht mit gehoͤri-
ger Ehrerbietung begegnet waͤren. Marbod
verſetzte: es koͤnte eine ſo voll kommene Fuͤrſtin
mit ihrer ſo außerleſenen Geſellſchafft gegen
niemanden ſich einigerley Weiſe gebehrden:
daß ſich nicht auch ein Koͤnig darmit zu verg nuͤ-
gen haͤtte. Mit welchen annehmlichen Wort-
wechſelungen ſie denn einander biß zu der an
der Seite des rauſchenden Waſſers unter einem
goldgeſtuͤckten Perſiſchen Zelt zubereiteten
Taffel unterhielten. Bey welcher Thußnelde
alsbald wahrnahm: daß Marbod ein beſon-
ders Auge auff ſie hatte; indem er bey ſeiner an-
gemaſten Frende doch allezeit eine Schwer-
muth mercken ließ; und wenn er mit Thußnel-
den nur etliche Worte wechſelte/ oder ſie nur
anſahe/ iedesmahl ſeine Farbe veraͤnderte.
Denn weil das Feuer der Liebe an Geſchwin-
digkeit den Blitz uͤbertrifft/ die Seele aber
gleich ſam im Blute ſchwimmet/ kan dieſe ſchier
keine Bewegung ohne ſeine Aufwallung em-
pfinden Gleichwol unter hielt Marbod Thuß-
nelden am aller meiſten mit Geſpraͤchen; und
vergnuͤgte ſich gleichſam: daß ſeine Veraͤnde-
rung ie mehr und mehr die Verwirrung ſeines
Gemuͤthes an Tag gaͤbe/ und ſein Antlitz der
erſte Vorredner ſeiner Liebes-Werbung wuͤr-
de. Hiermit hatte Thußnelde uͤber der Taffel
bey ſolchen Anmerckungen ſo tieff in das Hertze
Marbods geſehen/ als wenn die Natur ihm
ein Fenſter an die Bruſt geſetzt haͤtte. Denn
die/ welche ihre eigene Liebe ſchon pruͤfen ge-
lernet/ verſtehen leicht auch fremder Verliebten
ſtumme Sprache; und ihre Augen geben nicht
weniger rechte Fern-Glaͤſer ab/ welche ſo gar
die verborgenſten Gedancken erkieſen; ſie ſelbſt
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[1272[1274]/1338] Achtes Buch werden koͤnte/ laͤchelnde vorhielt. Marbod war kaum in ſeinen Koͤniglichen Sitz ankommen; als er ſeine vierzehnjaͤhrichte wunderſchoͤne Tochter Adelmund/ derer Mutter die beruͤhm- te Gothoniſche Fuͤrſtin Marmeline vor zwey Jahren geſtorben war/ in den warmen Brun- nen die Hertzo gin Erdmuth annehmlich zu un- terhalten abfertigte. Dieſe kam mit einem praͤchtigen Aufzuge daſelbſt an/ und erzeigte der Hertzogin nicht allein alle erſinnliche Hoͤff- ligkeiten/ ſondern beſchenckte ſie und das ge- ſamte Frauenzimmer mit vielen Koͤſtligkeiten/ in ſonderheit aber mit Perlen/ Diamanten und Granaten/ welche in den Bojiſchen Waͤſſern und Gebuͤrgen gefunden werden. Nach dem auch diß Bad der Hertzogin ſehr wol zuſchlug/ und ſie ſich bey ziemlichen Kraͤfften befand; lud die Fuͤrſtin Adelmund die Hertzogin und ihr Frauenzimmer in einen eine Meile von dar gelegenen Koͤniglichen Garten/ welcher wegen der koͤftlichen Spring-Brunnen/ der ſeltzamen Gewaͤchſe/ der frucht baren Baͤume/ der luſti- gen Gegend und des mit vielerley Wild erfuͤll- ten Thier-Gartens fuͤr den herrlichſten in Deuſchland gehalten ward. Jnſonderheit wa- ren um ſelbige Gegend ſo viel Faſanen zu ſchauen: daß ſie mit dem Fluſſe Phaſis um den Vorzug zu kaͤmpffen ſchien. Als dieſe Ver- ſamlung des Frauenzimmers in der vertraͤu- lichſten Erluſtigung ſich befand/ und in einer von eitel Muſcheln und Korallen beſetzten Hoͤ- le bey dem hin und wiederſpritzenden Waſſer wegen damahliger Mittags-Hitze ſich abkuͤh- lete/ kam ein Edel mann/ und deutete der Her- tzogin an: daß Koͤnig Marbod ſchon im Gar- ten waͤre. Sie war auch kaum aus der Hoͤle durch einen uͤberlaubten Gang zu einem mar- melnen Spring-Brunnen kommen/ als der Koͤnig in praͤchtiger Tracht mit vielen Groſſen ſeines Hofes ihr begegnete; und ſie und alle ihr Frauenzimmer auffs hoͤflichſte bewill kommte. Dieſe aber wurden auffs hoͤchſte beſtuͤrtzt/ als ſie nun mehr wahrnahmen: daß der ſie fuͤr etlichen Tagen im warmen Brunnen heimſuchende Edelmann eben der Koͤnig Marbod ſelbſt ge- weſen waͤre. Weßwegen denn die Hertzo gin nichts minder ſich/ als die Jhrigen entſchuldig- te: daß ſie aus Jrrthum ihm nicht mit gehoͤri- ger Ehrerbietung begegnet waͤren. Marbod verſetzte: es koͤnte eine ſo voll kommene Fuͤrſtin mit ihrer ſo außerleſenen Geſellſchafft gegen niemanden ſich einigerley Weiſe gebehrden: daß ſich nicht auch ein Koͤnig darmit zu verg nuͤ- gen haͤtte. Mit welchen annehmlichen Wort- wechſelungen ſie denn einander biß zu der an der Seite des rauſchenden Waſſers unter einem goldgeſtuͤckten Perſiſchen Zelt zubereiteten Taffel unterhielten. Bey welcher Thußnelde alsbald wahrnahm: daß Marbod ein beſon- ders Auge auff ſie hatte; indem er bey ſeiner an- gemaſten Frende doch allezeit eine Schwer- muth mercken ließ; und wenn er mit Thußnel- den nur etliche Worte wechſelte/ oder ſie nur anſahe/ iedesmahl ſeine Farbe veraͤnderte. Denn weil das Feuer der Liebe an Geſchwin- digkeit den Blitz uͤbertrifft/ die Seele aber gleich ſam im Blute ſchwimmet/ kan dieſe ſchier keine Bewegung ohne ſeine Aufwallung em- pfinden Gleichwol unter hielt Marbod Thuß- nelden am aller meiſten mit Geſpraͤchen; und vergnuͤgte ſich gleichſam: daß ſeine Veraͤnde- rung ie mehr und mehr die Verwirrung ſeines Gemuͤthes an Tag gaͤbe/ und ſein Antlitz der erſte Vorredner ſeiner Liebes-Werbung wuͤr- de. Hiermit hatte Thußnelde uͤber der Taffel bey ſolchen Anmerckungen ſo tieff in das Hertze Marbods geſehen/ als wenn die Natur ihm ein Fenſter an die Bruſt geſetzt haͤtte. Denn die/ welche ihre eigene Liebe ſchon pruͤfen ge- lernet/ verſtehen leicht auch fremder Verliebten ſtumme Sprache; und ihre Augen geben nicht weniger rechte Fern-Glaͤſer ab/ welche ſo gar die verborgenſten Gedancken erkieſen; ſie ſelbſt als das aller geiſtreichſte Theil des Menſchen/ in

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1272[1274]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1338>, abgerufen am 23.11.2024.