Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Leute zu seyn; oder: daß das Verhängnüs nicht
solche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare
Schreib-Art den Menschen zum besten ver-
wandeln könte/ bedüncken lassen. Allzu genaue
Scharffsichtigkeit in überirrdischen Dingen
würde zur Blindheit/ und Unglaube zum Fall-
Brete. Denn weil das Verhängnüs allezeit
seine verborgene/ das Glücke seine absondere
Ursache hätte/ müste man sich nicht zu sehr auff
das Absehen der Vernunfft/ und die Klugheit
scheinbarer Rathschläge stämmen. Das Ver-
hängnüs wäre die weiseste Richtschnur; und
das Glücke die vorsichtigste Wegweiserin un-
sers Thuns; die wo man weder vor/ noch hinter
sich gewüst/ durch Felß und Wellen eine Aus-
flucht eröffnete. Dahingegen unsere Anschläge
querwegs lieffen/ und die gewissesten Dinge
krebs gängig würden; weil jene die Vermessen-
heit menschlicher Rathschläge auffs grausamste
zu straffen ihr für Ehre/ und das Verhängnüs
der wachsamsten Sorgfalt überlegen zu seyn für
ihre Eigenschafft hielte. Diese Strengigkeit
solte Thußnelde/ da sie ihr Glück und die vä-
terliche Gewogenheit nicht mit Füssen von sich
stossen wolte/ wol erwegen; und an dem Könige
Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand
so elende wäre/ der nicht am Himmel seinen
Glücks-Stern stehen hätte; am Herrmann a-
ber: daß die Thorheit selbten offt verkennte; oder
die Hartnäckigkeit mehr mahls das regnende
Sieben-Gestirne mit der heiteren Venus ver-
wechselte; oder gar einen Jrrwisch für einen
Leit-Stern erkiesete. Weil nun einen blinden
auff seinem Jrrwege zu lassen eben so unverant-
wortlich als eigene Thorheit wäre; müste er/ als
Vater/ end- und ernstlich befehlen ihr Ge-
müthe zum Gehorsam; und ihr Vorhaben zu
der nur wenig Tage auffschieblichen Hochzeit
zubereiten. Die biß in die innerste Seele be-
stürtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde ant-
wortete Segesthen nun nicht mehr mit vo-
riger Demuth; weil das Gewölcke ihrer Be-
[Spaltenumbruch] stürtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich
vertunckelte: Jch bin schon bereitet zu sterben;
meine Lebens-Zeit aber ist mir viel zu enge: daß
ich mich einen Königs-Mörder zu ehlichen ge-
schickt machen könte. Jch wil sterben; ehe ich
eine Eydbrüchige gegen den tugendhafftesten
Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines
Wütterichs seyn wil. Jch wil sterben/ und mit
meinen von aller andern Schuld reinen Hän-
den nur wieder mich Grausamkeit üben lassen/
wormit ich sie zu keinem Werckzeuge der Un-
treue brauchen dörffe. Seiner Freyheit sich
enteussern ist viehisch; sie ihm aber nehmen las-
sen/ knechtisch. Wer sich des Lebens halber
zum Sclaven machen läst; versteht nicht: daß
die Dienstbarkeit ein todtes Wimmern/ kein Le-
ben sey. Wer nicht für Ruhm schätzt sein Leben
zu verschwenden um die Tugend nicht ein zubüs-
sen; hat weder Ehre noch Leben in sich. Daher
werde ich ehe auf hören Segesthens Tochter/ als
Hertzog Herrmanns Braut und Liebste zu seyn.
Mich ver gnüget schon: daß es rühmlicher ist
eines solchen Heldens Gemahlin zu werden
würdig/ als es würcklich seyn; ja/ daß es besser
ist durch den Tod seine Braut zu seyn aufhören;
als durch Ehlichung eines andern sich unwür-
dig machen im Leben seine Braut zu seyn. Se-
gesthes ward über diesen letzten Worten so erbit-
tert: daß er den Degen zückte/ und Thußneldens
Vater zu seyn ver gessen hätte; wenn nicht die
aus dem Neben-Gemache hervortretende Für-
stin Erdmuth ihm in die Armen gefallen/ und
durch ihre Leitseligkeit diese trübe Wolcke zer-
trieben hätte. Gleich wol rieß er sich voller Zorn
aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult
Marbods in dem Seinigen; welcher endlich
kam und erzehlte: daß Silius an des Kaysers
Genehmhabung der zwischen ihm und Thuß-
nelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er
bald anfangs des Tiberius Heyraths-Werbung
zu wieder gewest wäre; und die Staats-Klug-
heit für rathsamer hielte mit seinem Unvergnü-

gen

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Leute zu ſeyn; oder: daß das Verhaͤngnuͤs nicht
ſolche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare
Schreib-Art den Menſchen zum beſten ver-
wandeln koͤnte/ beduͤncken laſſen. Allzu genaue
Scharffſichtigkeit in uͤberirrdiſchen Dingen
wuͤrde zur Blindheit/ und Unglaube zum Fall-
Brete. Denn weil das Verhaͤngnuͤs allezeit
ſeine verborgene/ das Gluͤcke ſeine abſondere
Urſache haͤtte/ muͤſte man ſich nicht zu ſehr auff
das Abſehen der Vernunfft/ und die Klugheit
ſcheinbarer Rathſchlaͤge ſtaͤmmen. Das Ver-
haͤngnuͤs waͤre die weiſeſte Richtſchnur; und
das Gluͤcke die vorſichtigſte Wegweiſerin un-
ſers Thuns; die wo man weder vor/ noch hinter
ſich gewuͤſt/ durch Felß und Wellen eine Aus-
flucht eroͤffnete. Dahingegen unſere Anſchlaͤge
querwegs lieffen/ und die gewiſſeſten Dinge
krebs gaͤngig wuͤrden; weil jene die Vermeſſen-
heit menſchlicher Rathſchlaͤge auffs grauſamſte
zu ſtraffen ihr fuͤr Ehre/ und das Verhaͤngnuͤs
der wachſamſten Sorgfalt uͤberlegen zu ſeyn fuͤr
ihre Eigenſchafft hielte. Dieſe Strengigkeit
ſolte Thußnelde/ da ſie ihr Gluͤck und die vaͤ-
terliche Gewogenheit nicht mit Fuͤſſen von ſich
ſtoſſen wolte/ wol erwegen; und an dem Koͤnige
Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand
ſo elende waͤre/ der nicht am Himmel ſeinen
Gluͤcks-Stern ſtehen haͤtte; am Herrmann a-
ber: daß die Thorheit ſelbten offt verkennte; oder
die Hartnaͤckigkeit mehr mahls das regnende
Sieben-Geſtirne mit der heiteren Venus ver-
wechſelte; oder gar einen Jrrwiſch fuͤr einen
Leit-Stern erkieſete. Weil nun einen blinden
auff ſeinem Jrrwege zu laſſen eben ſo unverant-
wortlich als eigene Thorheit waͤre; muͤſte er/ als
Vater/ end- und ernſtlich befehlen ihr Ge-
muͤthe zum Gehorſam; und ihr Vorhaben zu
der nur wenig Tage auffſchieblichen Hochzeit
zubereiten. Die biß in die innerſte Seele be-
ſtuͤrtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde ant-
wortete Segeſthen nun nicht mehr mit vo-
riger Demuth; weil das Gewoͤlcke ihrer Be-
[Spaltenumbruch] ſtuͤrtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich
vertunckelte: Jch bin ſchon bereitet zu ſterben;
meine Lebens-Zeit aber iſt mir viel zu enge: daß
ich mich einen Koͤnigs-Moͤrder zu ehlichen ge-
ſchickt machen koͤnte. Jch wil ſterben; ehe ich
eine Eydbruͤchige gegen den tugendhaffteſten
Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines
Wuͤtterichs ſeyn wil. Jch wil ſterben/ und mit
meinen von aller andern Schuld reinen Haͤn-
den nur wieder mich Grauſamkeit uͤben laſſen/
wormit ich ſie zu keinem Werckzeuge der Un-
treue brauchen doͤrffe. Seiner Freyheit ſich
enteuſſern iſt viehiſch; ſie ihm aber nehmen laſ-
ſen/ knechtiſch. Wer ſich des Lebens halber
zum Sclaven machen laͤſt; verſteht nicht: daß
die Dienſtbarkeit ein todtes Wimmern/ kein Le-
ben ſey. Wer nicht fuͤr Ruhm ſchaͤtzt ſein Leben
zu verſchwenden um die Tugend nicht ein zubuͤſ-
ſen; hat weder Ehre noch Leben in ſich. Daher
werde ich ehe auf hoͤren Segeſthens Tochter/ als
Hertzog Herrmanns Braut und Liebſte zu ſeyn.
Mich ver gnuͤget ſchon: daß es ruͤhmlicher iſt
eines ſolchen Heldens Gemahlin zu werden
wuͤrdig/ als es wuͤrcklich ſeyn; ja/ daß es beſſer
iſt durch den Tod ſeine Braut zu ſeyn aufhoͤren;
als durch Ehlichung eines andern ſich unwuͤr-
dig machen im Leben ſeine Braut zu ſeyn. Se-
geſthes ward uͤber dieſen letzten Worten ſo erbit-
tert: daß er den Degen zuͤckte/ und Thußneldens
Vater zu ſeyn ver geſſen haͤtte; wenn nicht die
aus dem Neben-Gemache hervortretende Fuͤr-
ſtin Erdmuth ihm in die Armen gefallen/ und
durch ihre Leitſeligkeit dieſe truͤbe Wolcke zer-
trieben haͤtte. Gleich wol rieß er ſich voller Zorn
aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult
Marbods in dem Seinigen; welcher endlich
kam und erzehlte: daß Silius an des Kayſers
Genehmhabung der zwiſchen ihm und Thuß-
nelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er
bald anfangs des Tiberius Heyraths-Weꝛbung
zu wieder geweſt waͤre; und die Staats-Klug-
heit fuͤr rathſamer hielte mit ſeinem Unvergnuͤ-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1352" n="1286[1288]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Leute zu &#x017F;eyn; oder: daß das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;s nicht<lb/>
&#x017F;olche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare<lb/>
Schreib-Art den Men&#x017F;chen zum be&#x017F;ten ver-<lb/>
wandeln ko&#x0364;nte/ bedu&#x0364;ncken la&#x017F;&#x017F;en. Allzu genaue<lb/>
Scharff&#x017F;ichtigkeit in u&#x0364;berirrdi&#x017F;chen Dingen<lb/>
wu&#x0364;rde zur Blindheit/ und Unglaube zum Fall-<lb/>
Brete. Denn weil das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;s allezeit<lb/>
&#x017F;eine verborgene/ das Glu&#x0364;cke &#x017F;eine ab&#x017F;ondere<lb/>
Ur&#x017F;ache ha&#x0364;tte/ mu&#x0364;&#x017F;te man &#x017F;ich nicht zu &#x017F;ehr auff<lb/>
das Ab&#x017F;ehen der Vernunfft/ und die Klugheit<lb/>
&#x017F;cheinbarer Rath&#x017F;chla&#x0364;ge &#x017F;ta&#x0364;mmen. Das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ngnu&#x0364;s wa&#x0364;re die wei&#x017F;e&#x017F;te Richt&#x017F;chnur; und<lb/>
das Glu&#x0364;cke die vor&#x017F;ichtig&#x017F;te Wegwei&#x017F;erin un-<lb/>
&#x017F;ers Thuns; die wo man weder vor/ noch hinter<lb/>
&#x017F;ich gewu&#x0364;&#x017F;t/ durch Felß und Wellen eine Aus-<lb/>
flucht ero&#x0364;ffnete. Dahingegen un&#x017F;ere An&#x017F;chla&#x0364;ge<lb/>
querwegs lieffen/ und die gewi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Dinge<lb/>
krebs ga&#x0364;ngig wu&#x0364;rden; weil jene die Verme&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit men&#x017F;chlicher Rath&#x017F;chla&#x0364;ge auffs grau&#x017F;am&#x017F;te<lb/>
zu &#x017F;traffen ihr fu&#x0364;r Ehre/ und das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;s<lb/>
der wach&#x017F;am&#x017F;ten Sorgfalt u&#x0364;berlegen zu &#x017F;eyn fu&#x0364;r<lb/>
ihre Eigen&#x017F;chafft hielte. Die&#x017F;e Strengigkeit<lb/>
&#x017F;olte Thußnelde/ da &#x017F;ie ihr Glu&#x0364;ck und die va&#x0364;-<lb/>
terliche Gewogenheit nicht mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en wolte/ wol erwegen; und an dem Ko&#x0364;nige<lb/>
Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand<lb/>
&#x017F;o elende wa&#x0364;re/ der nicht am Himmel &#x017F;einen<lb/>
Glu&#x0364;cks-Stern &#x017F;tehen ha&#x0364;tte; am Herrmann a-<lb/>
ber: daß die Thorheit &#x017F;elbten offt verkennte; oder<lb/>
die Hartna&#x0364;ckigkeit mehr mahls das regnende<lb/>
Sieben-Ge&#x017F;tirne mit der heiteren Venus ver-<lb/>
wech&#x017F;elte; oder gar einen Jrrwi&#x017F;ch fu&#x0364;r einen<lb/>
Leit-Stern erkie&#x017F;ete. Weil nun einen blinden<lb/>
auff &#x017F;einem Jrrwege zu la&#x017F;&#x017F;en eben &#x017F;o unverant-<lb/>
wortlich als eigene Thorheit wa&#x0364;re; mu&#x0364;&#x017F;te er/ als<lb/>
Vater/ end- und ern&#x017F;tlich befehlen ihr Ge-<lb/>
mu&#x0364;the zum Gehor&#x017F;am; und ihr Vorhaben zu<lb/>
der nur wenig Tage auff&#x017F;chieblichen Hochzeit<lb/>
zubereiten. Die biß in die inner&#x017F;te Seele be-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde ant-<lb/>
wortete Sege&#x017F;then nun nicht mehr mit vo-<lb/>
riger Demuth; weil das Gewo&#x0364;lcke ihrer Be-<lb/><cb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich<lb/>
vertunckelte: Jch bin &#x017F;chon bereitet zu &#x017F;terben;<lb/>
meine Lebens-Zeit aber i&#x017F;t mir viel zu enge: daß<lb/>
ich mich einen Ko&#x0364;nigs-Mo&#x0364;rder zu ehlichen ge-<lb/>
&#x017F;chickt machen ko&#x0364;nte. Jch wil &#x017F;terben; ehe ich<lb/>
eine Eydbru&#x0364;chige gegen den tugendhaffte&#x017F;ten<lb/>
Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines<lb/>
Wu&#x0364;tterichs &#x017F;eyn wil. Jch wil &#x017F;terben/ und mit<lb/>
meinen von aller andern Schuld reinen Ha&#x0364;n-<lb/>
den nur wieder mich Grau&#x017F;amkeit u&#x0364;ben la&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
wormit ich &#x017F;ie zu keinem Werckzeuge der Un-<lb/>
treue brauchen do&#x0364;rffe. Seiner Freyheit &#x017F;ich<lb/>
enteu&#x017F;&#x017F;ern i&#x017F;t viehi&#x017F;ch; &#x017F;ie ihm aber nehmen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ knechti&#x017F;ch. Wer &#x017F;ich des Lebens halber<lb/>
zum Sclaven machen la&#x0364;&#x017F;t; ver&#x017F;teht nicht: daß<lb/>
die Dien&#x017F;tbarkeit ein todtes Wimmern/ kein Le-<lb/>
ben &#x017F;ey. Wer nicht fu&#x0364;r Ruhm &#x017F;cha&#x0364;tzt &#x017F;ein Leben<lb/>
zu ver&#x017F;chwenden um die Tugend nicht ein zubu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; hat weder Ehre noch Leben in &#x017F;ich. Daher<lb/>
werde ich ehe auf ho&#x0364;ren Sege&#x017F;thens Tochter/ als<lb/>
Hertzog Herrmanns Braut und Lieb&#x017F;te zu &#x017F;eyn.<lb/>
Mich ver gnu&#x0364;get &#x017F;chon: daß es ru&#x0364;hmlicher i&#x017F;t<lb/>
eines &#x017F;olchen Heldens Gemahlin zu werden<lb/>
wu&#x0364;rdig/ als es wu&#x0364;rcklich &#x017F;eyn; ja/ daß es be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
i&#x017F;t durch den Tod &#x017F;eine Braut zu &#x017F;eyn aufho&#x0364;ren;<lb/>
als durch Ehlichung eines andern &#x017F;ich unwu&#x0364;r-<lb/>
dig machen im Leben &#x017F;eine Braut zu &#x017F;eyn. Se-<lb/>
ge&#x017F;thes ward u&#x0364;ber die&#x017F;en letzten Worten &#x017F;o erbit-<lb/>
tert: daß er den Degen zu&#x0364;ckte/ und Thußneldens<lb/>
Vater zu &#x017F;eyn ver ge&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte; wenn nicht die<lb/>
aus dem Neben-Gemache hervortretende Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin Erdmuth ihm in die Armen gefallen/ und<lb/>
durch ihre Leit&#x017F;eligkeit die&#x017F;e tru&#x0364;be Wolcke zer-<lb/>
trieben ha&#x0364;tte. Gleich wol rieß er &#x017F;ich voller Zorn<lb/>
aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult<lb/>
Marbods in dem Seinigen; welcher endlich<lb/>
kam und erzehlte: daß Silius an des Kay&#x017F;ers<lb/>
Genehmhabung der zwi&#x017F;chen ihm und Thuß-<lb/>
nelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er<lb/>
bald anfangs des Tiberius Heyraths-We&#xA75B;bung<lb/>
zu wieder gewe&#x017F;t wa&#x0364;re; und die Staats-Klug-<lb/>
heit fu&#x0364;r rath&#x017F;amer hielte mit &#x017F;einem Unvergnu&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1286[1288]/1352] Achtes Buch Leute zu ſeyn; oder: daß das Verhaͤngnuͤs nicht ſolche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare Schreib-Art den Menſchen zum beſten ver- wandeln koͤnte/ beduͤncken laſſen. Allzu genaue Scharffſichtigkeit in uͤberirrdiſchen Dingen wuͤrde zur Blindheit/ und Unglaube zum Fall- Brete. Denn weil das Verhaͤngnuͤs allezeit ſeine verborgene/ das Gluͤcke ſeine abſondere Urſache haͤtte/ muͤſte man ſich nicht zu ſehr auff das Abſehen der Vernunfft/ und die Klugheit ſcheinbarer Rathſchlaͤge ſtaͤmmen. Das Ver- haͤngnuͤs waͤre die weiſeſte Richtſchnur; und das Gluͤcke die vorſichtigſte Wegweiſerin un- ſers Thuns; die wo man weder vor/ noch hinter ſich gewuͤſt/ durch Felß und Wellen eine Aus- flucht eroͤffnete. Dahingegen unſere Anſchlaͤge querwegs lieffen/ und die gewiſſeſten Dinge krebs gaͤngig wuͤrden; weil jene die Vermeſſen- heit menſchlicher Rathſchlaͤge auffs grauſamſte zu ſtraffen ihr fuͤr Ehre/ und das Verhaͤngnuͤs der wachſamſten Sorgfalt uͤberlegen zu ſeyn fuͤr ihre Eigenſchafft hielte. Dieſe Strengigkeit ſolte Thußnelde/ da ſie ihr Gluͤck und die vaͤ- terliche Gewogenheit nicht mit Fuͤſſen von ſich ſtoſſen wolte/ wol erwegen; und an dem Koͤnige Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand ſo elende waͤre/ der nicht am Himmel ſeinen Gluͤcks-Stern ſtehen haͤtte; am Herrmann a- ber: daß die Thorheit ſelbten offt verkennte; oder die Hartnaͤckigkeit mehr mahls das regnende Sieben-Geſtirne mit der heiteren Venus ver- wechſelte; oder gar einen Jrrwiſch fuͤr einen Leit-Stern erkieſete. Weil nun einen blinden auff ſeinem Jrrwege zu laſſen eben ſo unverant- wortlich als eigene Thorheit waͤre; muͤſte er/ als Vater/ end- und ernſtlich befehlen ihr Ge- muͤthe zum Gehorſam; und ihr Vorhaben zu der nur wenig Tage auffſchieblichen Hochzeit zubereiten. Die biß in die innerſte Seele be- ſtuͤrtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde ant- wortete Segeſthen nun nicht mehr mit vo- riger Demuth; weil das Gewoͤlcke ihrer Be- ſtuͤrtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich vertunckelte: Jch bin ſchon bereitet zu ſterben; meine Lebens-Zeit aber iſt mir viel zu enge: daß ich mich einen Koͤnigs-Moͤrder zu ehlichen ge- ſchickt machen koͤnte. Jch wil ſterben; ehe ich eine Eydbruͤchige gegen den tugendhaffteſten Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines Wuͤtterichs ſeyn wil. Jch wil ſterben/ und mit meinen von aller andern Schuld reinen Haͤn- den nur wieder mich Grauſamkeit uͤben laſſen/ wormit ich ſie zu keinem Werckzeuge der Un- treue brauchen doͤrffe. Seiner Freyheit ſich enteuſſern iſt viehiſch; ſie ihm aber nehmen laſ- ſen/ knechtiſch. Wer ſich des Lebens halber zum Sclaven machen laͤſt; verſteht nicht: daß die Dienſtbarkeit ein todtes Wimmern/ kein Le- ben ſey. Wer nicht fuͤr Ruhm ſchaͤtzt ſein Leben zu verſchwenden um die Tugend nicht ein zubuͤſ- ſen; hat weder Ehre noch Leben in ſich. Daher werde ich ehe auf hoͤren Segeſthens Tochter/ als Hertzog Herrmanns Braut und Liebſte zu ſeyn. Mich ver gnuͤget ſchon: daß es ruͤhmlicher iſt eines ſolchen Heldens Gemahlin zu werden wuͤrdig/ als es wuͤrcklich ſeyn; ja/ daß es beſſer iſt durch den Tod ſeine Braut zu ſeyn aufhoͤren; als durch Ehlichung eines andern ſich unwuͤr- dig machen im Leben ſeine Braut zu ſeyn. Se- geſthes ward uͤber dieſen letzten Worten ſo erbit- tert: daß er den Degen zuͤckte/ und Thußneldens Vater zu ſeyn ver geſſen haͤtte; wenn nicht die aus dem Neben-Gemache hervortretende Fuͤr- ſtin Erdmuth ihm in die Armen gefallen/ und durch ihre Leitſeligkeit dieſe truͤbe Wolcke zer- trieben haͤtte. Gleich wol rieß er ſich voller Zorn aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult Marbods in dem Seinigen; welcher endlich kam und erzehlte: daß Silius an des Kayſers Genehmhabung der zwiſchen ihm und Thuß- nelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er bald anfangs des Tiberius Heyraths-Weꝛbung zu wieder geweſt waͤre; und die Staats-Klug- heit fuͤr rathſamer hielte mit ſeinem Unvergnuͤ- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1352
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1286[1288]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1352>, abgerufen am 16.07.2024.