Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
nicht ohne Ursache von Disteln geflochten ist/auffzusetzen kein Bedencken hat. Erato/ und alles andere Frauen-Zimmer hätten Asblasten gern länger zugehöret/ wenn nicht der Feldherr sie ins gesamt zu dem in einem köstlichen Gezelt bereiteten Früh-Mahle hätte beruffen lassen/ welches mit denen allervergnüglichsten Unter- redungen/ wormit sie Thußnelden öffters die von Asblasten so sehr vertheidigte Schamröthe heraus trieben/ vollbracht ward. Hierauff kehrten sie insgesamt wieder nach ein
Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
nicht ohne Urſache von Diſteln geflochten iſt/auffzuſetzen kein Bedencken hat. Erato/ und alles andere Frauen-Zimmer haͤtten Asblaſten gern laͤnger zugehoͤret/ wenn nicht der Feldherꝛ ſie ins geſamt zu dem in einem koͤſtlichen Gezelt bereiteten Fruͤh-Mahle haͤtte beruffen laſſen/ welches mit denen allervergnuͤglichſten Unter- redungen/ wormit ſie Thußnelden oͤffters die von Asblaſten ſo ſehr vertheidigte Schamroͤthe heraus trieben/ vollbracht ward. Hierauff kehrten ſie insgeſamt wieder nach ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1394" n="1326[1328]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neuntes Buch</hi></fw><lb/><cb/> nicht ohne Urſache von Diſteln geflochten iſt/<lb/> auffzuſetzen kein Bedencken hat. Erato/ und<lb/> alles andere Frauen-Zimmer haͤtten Asblaſten<lb/> gern laͤnger zugehoͤret/ wenn nicht der Feldherꝛ<lb/> ſie ins geſamt zu dem in einem koͤſtlichen Gezelt<lb/> bereiteten Fruͤh-Mahle haͤtte beruffen laſſen/<lb/> welches mit denen allervergnuͤglichſten Unter-<lb/> redungen/ wormit ſie Thußnelden oͤffters die<lb/> von Asblaſten ſo ſehr vertheidigte Schamroͤthe<lb/> heraus trieben/ vollbracht ward.</p><lb/> <p>Hierauff kehrten ſie insgeſamt wieder nach<lb/> Deutſchburg. Denn Hertzog Herꝛmann hatte<lb/> verlaſſen noch ſelbigen Tag Krieges-Rath zu<lb/> halten; in dem dieſer ruhmwuͤrdigſte Liebhaber<lb/> auch zu der Zeit/ da die Regungen bey ſolcher<lb/> Neuigkeit pflegen am hefftigſten zu ſeyn; ſein<lb/> Gemuͤthe und die Zeit derogeſtalt vernuͤnfftig<lb/> abtheilte: daß weder die Liebe Thußneldens/<lb/> noch des gemeinen Weſens ſich uͤber einige Un-<lb/> gleichheit zu beſchweren Urſach hatte. Wiewol<lb/> nun der Feldherꝛ ſeiner Mutter Asblaſten eine<lb/> abſondere Senffte beſtellet hatte; brachte doch<lb/> die Koͤnigin Erato und das andere Frauen zim-<lb/> mer durch ihre Bitte zu wege: daß ſie in ihrer<lb/> Geſellſchafft zuruͤcke fuhr; und ſich ihre nie-<lb/> manden ſonſt bekandte Ebentheuer zu eroͤffnen<lb/> bewegen ließ. Dieſemnach ſie denn mit einer<lb/> beſondern Anmuth anfieng: Die Goͤttliche<lb/> Verſehung/ welche die Unwiſſenden fuͤr den<lb/> blinden Abgott des Gluͤckes halten/ lachet aus<lb/> ihrer verborgenen Ewigkeit der irrdiſchen An-<lb/> ſchlaͤge/ wenn ſie als die einige Koͤnigin aller<lb/> Mittel-Urſachen/ und als eine Schiedes-Rich-<lb/> terin aller Begebenheiten den Gluͤcks-Topff<lb/> der Menſchen nach ihrem Wolgefallen durch<lb/> einander ruͤhret; und ob ſie gleich unſerm albe-<lb/> ren Vorſatze zuweilen den Zuͤgel ſchuͤſſen/ doch<lb/> uns zuletzt auf ein gantz anders Ziel abkommen<lb/> laͤſt/ als wir das Abſehen haben/ und die erſten<lb/> Begebenheiten gezeuget hatten. Dieſes habe<lb/> ich ſonderlich damahls erfahren/ als ich<lb/> ſtatt des Eylandes Capraſia an das Jberiſche<lb/><cb/> Ufer getrieben/ und durch einen Schiffbruch<lb/> aus der Dienſtbarkeit der Roͤmer erloͤſet ward.<lb/> Denn da unſer Schiff an einem hohen weit uͤ-<lb/> ber das Meer hervorragenden Felſen zerſchmet-<lb/> tert ward/ und in kleine darvon ſchwimmenden<lb/> Stuͤcke zerbrach/ derer eines der Graͤfin von<lb/> der Lippe zu einem Kahne gedienet/ erwiſchte<lb/> ich in der Angſt eine Wurtzel des an ſolchen Fel-<lb/> ſen gewachſenen Kraͤutichts/ durch welcher und<lb/> der mich hebenden Wellen Huͤlffe ich auff der<lb/> Klippe feſte zu ſtehen kam/ und mich endlich biß<lb/> auf deſſen Gipffel empor arbeitete. Es war<lb/> ſonſt keine Seele um mich. Die barmhertzigen<lb/> Wellen hatten mich zwar leben laſſen; weil a-<lb/> ber dieſer unfruchtbare Felß mir weder Speiſe<lb/> noch Getraͤncke zu reichen vermochte/ ſchiene<lb/> mir der Tod nicht geſchenckt/ ſondern nur zu<lb/> einer mehrern Verbitterung geborgt zu ſeyn.<lb/> Nichts deſto weniger verzweiffelte ich nicht gar<lb/> an der Errettung. Denn dieſe Kleinmuth iſt<lb/> ein gewiſſes Zeichen der Unwiſſenheit: daß in<lb/> der Welt nichts ungefaͤhr geſchehe; und daß das<lb/> Verhaͤngnuͤs noch Vorſorge fuͤr uns trage;<lb/> weñ wir ſchon den letzten Athem auszuhauchen<lb/> ſcheinen. Zwey Tage lebte ich in dieſer Ein-<lb/> ſamkeit; der raue Felß ſpeiſete mich mit weni-<lb/> gen Wurtzeln/ beſchattete mich durch einen U-<lb/> berhang fuͤr der Sonnen-Hitze; der Himmel a-<lb/> ber traͤnckte mich des Nachts mit kraͤfftigem<lb/> Thaue/ und einmahl auch mit einem ſanfften<lb/> Regen. Den dritten Tag aber ſtriech ein Se-<lb/> gel ſo nahe bey dieſer Klippe vorbey: daß mein<lb/> Wincken konte erkieſet werden; welches denn<lb/> bey denen Schiffenden ein ſolches Mitleiden<lb/> mich durch einen Nachen abholen zu laſſen er-<lb/> weckte. Jch wuſte der Goͤttlichen Barmher-<lb/> tzigkeit fuͤr dieſe wunderſame Errettung nicht<lb/> genungſam zu dancken; inſonderheit als ich auf<lb/> dem Schiffe eitel Deutſche antraff/ und von<lb/> ihnen um ſo viel freundlicher bewillkom̃t ward;<lb/> weil ich ihnen in ihrer Sprache zu antworten<lb/> wuſte. Die Gebieterin dieſes Schiffes war<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1326[1328]/1394]
Neuntes Buch
nicht ohne Urſache von Diſteln geflochten iſt/
auffzuſetzen kein Bedencken hat. Erato/ und
alles andere Frauen-Zimmer haͤtten Asblaſten
gern laͤnger zugehoͤret/ wenn nicht der Feldherꝛ
ſie ins geſamt zu dem in einem koͤſtlichen Gezelt
bereiteten Fruͤh-Mahle haͤtte beruffen laſſen/
welches mit denen allervergnuͤglichſten Unter-
redungen/ wormit ſie Thußnelden oͤffters die
von Asblaſten ſo ſehr vertheidigte Schamroͤthe
heraus trieben/ vollbracht ward.
Hierauff kehrten ſie insgeſamt wieder nach
Deutſchburg. Denn Hertzog Herꝛmann hatte
verlaſſen noch ſelbigen Tag Krieges-Rath zu
halten; in dem dieſer ruhmwuͤrdigſte Liebhaber
auch zu der Zeit/ da die Regungen bey ſolcher
Neuigkeit pflegen am hefftigſten zu ſeyn; ſein
Gemuͤthe und die Zeit derogeſtalt vernuͤnfftig
abtheilte: daß weder die Liebe Thußneldens/
noch des gemeinen Weſens ſich uͤber einige Un-
gleichheit zu beſchweren Urſach hatte. Wiewol
nun der Feldherꝛ ſeiner Mutter Asblaſten eine
abſondere Senffte beſtellet hatte; brachte doch
die Koͤnigin Erato und das andere Frauen zim-
mer durch ihre Bitte zu wege: daß ſie in ihrer
Geſellſchafft zuruͤcke fuhr; und ſich ihre nie-
manden ſonſt bekandte Ebentheuer zu eroͤffnen
bewegen ließ. Dieſemnach ſie denn mit einer
beſondern Anmuth anfieng: Die Goͤttliche
Verſehung/ welche die Unwiſſenden fuͤr den
blinden Abgott des Gluͤckes halten/ lachet aus
ihrer verborgenen Ewigkeit der irrdiſchen An-
ſchlaͤge/ wenn ſie als die einige Koͤnigin aller
Mittel-Urſachen/ und als eine Schiedes-Rich-
terin aller Begebenheiten den Gluͤcks-Topff
der Menſchen nach ihrem Wolgefallen durch
einander ruͤhret; und ob ſie gleich unſerm albe-
ren Vorſatze zuweilen den Zuͤgel ſchuͤſſen/ doch
uns zuletzt auf ein gantz anders Ziel abkommen
laͤſt/ als wir das Abſehen haben/ und die erſten
Begebenheiten gezeuget hatten. Dieſes habe
ich ſonderlich damahls erfahren/ als ich
ſtatt des Eylandes Capraſia an das Jberiſche
Ufer getrieben/ und durch einen Schiffbruch
aus der Dienſtbarkeit der Roͤmer erloͤſet ward.
Denn da unſer Schiff an einem hohen weit uͤ-
ber das Meer hervorragenden Felſen zerſchmet-
tert ward/ und in kleine darvon ſchwimmenden
Stuͤcke zerbrach/ derer eines der Graͤfin von
der Lippe zu einem Kahne gedienet/ erwiſchte
ich in der Angſt eine Wurtzel des an ſolchen Fel-
ſen gewachſenen Kraͤutichts/ durch welcher und
der mich hebenden Wellen Huͤlffe ich auff der
Klippe feſte zu ſtehen kam/ und mich endlich biß
auf deſſen Gipffel empor arbeitete. Es war
ſonſt keine Seele um mich. Die barmhertzigen
Wellen hatten mich zwar leben laſſen; weil a-
ber dieſer unfruchtbare Felß mir weder Speiſe
noch Getraͤncke zu reichen vermochte/ ſchiene
mir der Tod nicht geſchenckt/ ſondern nur zu
einer mehrern Verbitterung geborgt zu ſeyn.
Nichts deſto weniger verzweiffelte ich nicht gar
an der Errettung. Denn dieſe Kleinmuth iſt
ein gewiſſes Zeichen der Unwiſſenheit: daß in
der Welt nichts ungefaͤhr geſchehe; und daß das
Verhaͤngnuͤs noch Vorſorge fuͤr uns trage;
weñ wir ſchon den letzten Athem auszuhauchen
ſcheinen. Zwey Tage lebte ich in dieſer Ein-
ſamkeit; der raue Felß ſpeiſete mich mit weni-
gen Wurtzeln/ beſchattete mich durch einen U-
berhang fuͤr der Sonnen-Hitze; der Himmel a-
ber traͤnckte mich des Nachts mit kraͤfftigem
Thaue/ und einmahl auch mit einem ſanfften
Regen. Den dritten Tag aber ſtriech ein Se-
gel ſo nahe bey dieſer Klippe vorbey: daß mein
Wincken konte erkieſet werden; welches denn
bey denen Schiffenden ein ſolches Mitleiden
mich durch einen Nachen abholen zu laſſen er-
weckte. Jch wuſte der Goͤttlichen Barmher-
tzigkeit fuͤr dieſe wunderſame Errettung nicht
genungſam zu dancken; inſonderheit als ich auf
dem Schiffe eitel Deutſche antraff/ und von
ihnen um ſo viel freundlicher bewillkom̃t ward;
weil ich ihnen in ihrer Sprache zu antworten
wuſte. Die Gebieterin dieſes Schiffes war
ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |