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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] scheln/ derer eusserliche Schale so wundersam/
als des Zimmet-Baumes ist/ an dem Mahl-
wercke des Pfauen-Schwantzes/ des Tauben-
Halses/ und der Papegoyen-Flügel kein schlech-
ter Wunder/ als an der Ausspannung des mit
so viel Golde durchstückten Himmels/ an Stel-
lung der niemahls sehlenden Sonnen-Uhr/ an
Ausmässung der Regen-Bogen beweiset; und
erhärtet: daß er in denen kleinsten Dingen
nicht kleiner/ als in den Grossen/ ja/ wenn man
es durch das Vergrösserungs-Glaß klugen
Nachdenckens eigentlich betrachtet/ noch grös-
ser sey. Sintemahl in Wahrheit die Zusam-
mendringung aller Sinnen in dem kaum sicht-
baren Leibe der so spitzige und gleichwol zum
Blutsaugen aus gehölete Stachel einer Mücke/
die Geschwindigkeit einer Flüge/ und das Ge-
mächte einer Biene/ das Nest einer Wiede-
hopffe mehr Wunders/ als der Lauff eines Kro-
codils/ die Stärcke eines Elefanten/ und die
Bemühung eines Kamels/ ja der beseelte Kä-
fer et was edlers als die alles beseelende aber un-
beseelte Sonne in sich hat.

So viel hatte ich nur begrieffen/ und bey mir
hernach wol hundertmahl überleget; als König
Frotho in unser Heiligthum kam/ und mir sei-
nen Vorsatz mich zu ehlichen vortrug; alleine
der Vorschmack dieser heiligen Weißheit hatte
mich bereit mit einer solchen Süßigkeit über-
schüttet: daß mir alle andere Vergnügungen
wie bittere Wermuth schmeckte. Sie zohe mein
Gemüthe kräfftiger als der mitternächtige An-
gel-Stern die Magnet-Nadel an sich; also: daß
es sich auch die Sonne Königlicher Würden
nicht auf die Seite ziehen ließ. Diesemnach ich
denn sein Begehren darmit ablehnete: daß in
Deutschland eine Frau ohne eusserste Schande
nicht zum andern mahl heyrathen könte. Sin-
temahl eine keusche Seele nicht so wol den Eh-
stand/ als den Ehmann lieb gewinnen könte.
Frotho aber setzte mir entgegen: daß diß Ge-
setze nicht nur dem Rechte fast aller Völcker/
[Spaltenumbruch] sondern auch den Sitten der meisten Deutschen
wiederstrebte. Jnsonderheit aber hätten die
Cimbern diese raue Gewonheit der Heruler nie
gebilliget/ weil sie der Natur selbst Gewalt an-
thäte. Alle Dinge weltzten sich gleichsam wie
ein Rad herum/ und wechselten nicht nur die
Jahrs Zeiten/ sondern auch die Sitten nach
einander ab. Den deutschen Fürsten wäre un-
verwehret/ nach des Ariovistens Beyspiele auff
einmahl zwey Weiber zu haben; wie möchte sie
ihr denn selbst diesen grausamen Zwang aufhal-
sen/ nach ihres Ehherrns mit dem Tode erlosche-
ner Liebe ihre Seele einer neuen Flamme abzu-
stehlen? Als nun meine Entschuldigung nicht
verfieng; schüttete ich mein innerftes Hertze gegen
ihm aus: daß ich ausser der Betrachtung Got-
tes/ nir gends keine Ruhe meines durch so viel
Unglücks-Fälle zu Bodem gedrückten/ auch zu
keinen irrdischen Erquickungen mehr taugli-
chen Gemüthes findete/ also mit derselben Stö-
rung mich unglücklich/ ihn unver gnügt machen
würde. Alleine der/ ich weiß nicht/ aus was für
einem Triebe/ mir allzuwol zugethane König
Frotho bemühete sich mich durch allerhand Lieb-
kosungen zu gewinnen/ mir einhaltende: daß die
Natur mich viel zu zart für eine so strenge
Lebens-Art geschaffen hätte; und daß/ wenn ich
als eine treue Landes-Mutter denen Untertha-
nen fürstünde/ GOtt ein so angenehmer Dienst/
als durch ein erwehltes Priesterthum geleistet
würde. Die Natur hätte den Menschen zur Ge-
meinschafft; insonderheit aber das Frauenzimmer
zu Fortpflantzung beyder Geschlechts/ das Ver-
hängnüs Fürsten zu Beherrschung der Völcker/
und Ausübung anderer Tugenden/ dardurch sie
nichts minder/ als durch tieffsinniges Nachden-
cken die Gewogenheit des Himmels erlangten;
andere aber/ und fürnehmlich das männliche Ge-
schlechte zu Ubung der Weißheit und Beobach-
tung des Gottes dienstes erkieset; wiewol die An-
dacht auch mit der Hoheit/ der Ehstand mit dem
Gottesdienste/ ja gar mit dem Priesterthume ei-

ne

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] ſcheln/ derer euſſerliche Schale ſo wunderſam/
als des Zimmet-Baumes iſt/ an dem Mahl-
wercke des Pfauen-Schwantzes/ des Tauben-
Halſes/ und der Papegoyen-Fluͤgel kein ſchlech-
ter Wunder/ als an der Ausſpannung des mit
ſo viel Golde durchſtuͤckten Himmels/ an Stel-
lung der niemahls ſehlenden Sonnen-Uhr/ an
Ausmaͤſſung der Regen-Bogen beweiſet; und
erhaͤrtet: daß er in denen kleinſten Dingen
nicht kleiner/ als in den Groſſen/ ja/ wenn man
es durch das Vergroͤſſerungs-Glaß klugen
Nachdenckens eigentlich betrachtet/ noch groͤſ-
ſer ſey. Sintemahl in Wahrheit die Zuſam-
mendringung aller Sinnen in dem kaum ſicht-
baren Leibe der ſo ſpitzige und gleichwol zum
Blutſaugen aus gehoͤlete Stachel einer Muͤcke/
die Geſchwindigkeit einer Fluͤge/ und das Ge-
maͤchte einer Biene/ das Neſt einer Wiede-
hopffe mehr Wunders/ als der Lauff eines Kro-
codils/ die Staͤrcke eines Elefanten/ und die
Bemuͤhung eines Kamels/ ja der beſeelte Kaͤ-
fer et was edlers als die alles beſeelende aber un-
beſeelte Sonne in ſich hat.

So viel hatte ich nur begrieffen/ und bey mir
hernach wol hundertmahl uͤberleget; als Koͤnig
Frotho in unſer Heiligthum kam/ und mir ſei-
nen Vorſatz mich zu ehlichen vortrug; alleine
der Vorſchmack dieſer heiligen Weißheit hatte
mich bereit mit einer ſolchen Suͤßigkeit uͤber-
ſchuͤttet: daß mir alle andere Vergnuͤgungen
wie bittere Wermuth ſchmeckte. Sie zohe mein
Gemuͤthe kraͤfftiger als der mitternaͤchtige An-
gel-Stern die Magnet-Nadel an ſich; alſo: daß
es ſich auch die Sonne Koͤniglicher Wuͤrden
nicht auf die Seite ziehen ließ. Dieſemnach ich
denn ſein Begehren darmit ablehnete: daß in
Deutſchland eine Frau ohne euſſerſte Schande
nicht zum andern mahl heyrathen koͤnte. Sin-
temahl eine keuſche Seele nicht ſo wol den Eh-
ſtand/ als den Ehmann lieb gewinnen koͤnte.
Frotho aber ſetzte mir entgegen: daß diß Ge-
ſetze nicht nur dem Rechte faſt aller Voͤlcker/
[Spaltenumbruch] ſondern auch den Sitten der meiſten Deutſchen
wiederſtrebte. Jnſonderheit aber haͤtten die
Cimbern dieſe raue Gewonheit der Heruler nie
gebilliget/ weil ſie der Natur ſelbſt Gewalt an-
thaͤte. Alle Dinge weltzten ſich gleichſam wie
ein Rad herum/ und wechſelten nicht nur die
Jahrs Zeiten/ ſondern auch die Sitten nach
einander ab. Den deutſchen Fuͤrſten waͤre un-
verwehret/ nach des Arioviſtens Beyſpiele auff
einmahl zwey Weiber zu haben; wie moͤchte ſie
ihr denn ſelbſt dieſen grauſamen Zwang aufhal-
ſen/ nach ihres Ehherrns mit dem Tode erloſche-
ner Liebe ihre Seele einer neuen Flamme abzu-
ſtehlen? Als nun meine Entſchuldigung nicht
verfieng; ſchuͤttete ich mein iñerftes Hertze gegen
ihm aus: daß ich auſſer der Betrachtung Got-
tes/ nir gends keine Ruhe meines durch ſo viel
Ungluͤcks-Faͤlle zu Bodem gedruͤckten/ auch zu
keinen irrdiſchen Erquickungen mehr taugli-
chen Gemuͤthes findete/ alſo mit derſelben Stoͤ-
rung mich ungluͤcklich/ ihn unver gnuͤgt machen
wuͤrde. Alleine der/ ich weiß nicht/ aus was fuͤr
einem Triebe/ mir allzuwol zugethane Koͤnig
Frotho bemuͤhete ſich mich duꝛch alleꝛhand Lieb-
koſungen zu gewinnen/ mir einhaltende: daß die
Natur mich viel zu zart fuͤr eine ſo ſtrenge
Lebens-Art geſchaffen haͤtte; und daß/ wenn ich
als eine treue Landes-Mutter denen Untertha-
nen fuͤrſtuͤnde/ GOtt ein ſo angenehmeꝛ Dienſt/
als durch ein erwehltes Prieſterthum geleiſtet
wuͤrde. Die Natur haͤtte den Menſchen zur Ge-
meinſchafft; inſonderheit aber das Frauenzim̃er
zu Fortpflantzung beyder Geſchlechts/ das Ver-
haͤngnuͤs Fuͤrſten zu Beherrſchung der Voͤlckeꝛ/
und Ausuͤbung anderer Tugenden/ dardurch ſie
nichts minder/ als durch tieffſinniges Nachden-
cken die Gewogenheit des Himmels erlangten;
andere aber/ und fuͤrnehmlich das maͤñliche Ge-
ſchlechte zu Ubung der Weißheit und Beobach-
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dacht auch mit der Hoheit/ der Ehſtand mit dem
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1340[1342]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1408>, abgerufen am 23.11.2024.