Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
heit so seichte beschlagen: daß ihr das still-schweigende Zuhören anständiger wäre/ als durch vorwitzige Einmischung in diesen Zwist ihre Unwissenheit zu verrathen. Gleichwol aber hielte sie/ ihrer Einfalt nach/ nicht für so schwer beyde streitende Meinungen dardurch zu vereinbaren; wenn man die Regungen für Mittel-Dinge annehme/ welche an sich selbst weder böse noch gut/ sondern dem veränder- lichen Thiere Cameleon zu vergleichen wären/ welches auf den Kräutern grün/ auf Schar- lach roth/ in der Lufft blau aussehe; ja alle Farben seines Behältnüsses in einem Augen- blicke annehme. Denn eben diese Gewalt ei- ner geschwinden Verwandelung schiene der Wille über solche Regungen zu haben; welcher ihnen nichts minder die Eigenschafft der Tu- gend und des Lasters/ als ein Bildhauer seinem Marmel ein Gesichte einer Eule/ als einer Helena einpregen könte. Daher wenn auch diese Regungen für sich selbst/ und nicht allererst nach der bösen oder guten Anleitung des mensch- lichen Willens für böse oder gut geurtheilt wer- den solten; würde man auch nicht alleine dis/ was uns wider unsern Willen träumet/ loben oder schelten/ sondern auch die Wölffe und Raub-Vögel aufhencken/ die Löwen mit Lor- bern/ die Turtel-Tauben mit Rosen/ die für ihren Weiser kämpfende Bienen mit Eichen- Laube kräntzen müßen. Die Königin Erato würde ihr hierinnen vielleicht so viel mehr Beyfall geben; weil sie zu Rom einmahl von einem Nachfolger des Zeno gehört zu haben sich erinnerte: daß sie alle euserliche Güter der Gestalt/ der Stärcke/ des Vermögens/ für ebenmäßige Mittel-Dinge und für einen Werckzeug nichts minder der Tugend als Laster/ und also weder für herrlich/ noch für scheltbar hielten. Zwischen diesen Gütern/ und denen innerlichen Regungen aber wäre/ ihrer guten oder bösen Anwehrung nach/ kein [Spaltenumbruch] Unterscheid/ sondern selbten machte allein der Gebrauch und der Mißbrauch. Sie wären beyde eine ungefärbte Wolle/ welche Tinte und Schnecken-Blut an sich zu ziehen fähig wären; also: daß der Zorn eben so wol eine Seene der Tugend/ einen Wetzstein der Tapf- ferkeit/ als ein Fallbret der Grausamkeit; die Begierde einen Zunder der Wolthätigkeit/ und ein tödtend Gifft der Wollust/ die Furcht einen Leitstern der Klugheit/ und ein Jrrlicht der Zagheit abgäben/ ja die Regungen ins ge- sampt den Lastern und Tugenden zu Waffen dieneten. Die weise Fürstin Asblaste hinge- gen würde diesen Regungen schwerlich einen Ehren-Stul in dem Reiche der Vernunfft ein- zuräumen verlangen/ weil sie ihren Sitz und Herrschafft nur in den euserlichen Sinnen hätten; und daher auch den stummen Thieren gemein wären; welche doch so wenig von der Vernunfft erblickten/ als die unter uns woh- nenden und uns die Füsse zukehrenden Men- schen von unserm Mittags-Lichte. Sie hät- ten für sich selbst weniger Licht als der Monde; wenn sie aber ja einigen Glantz bekämen/ mü- sten sie es der Vernunfft/ wie die andern Ster- nen der mitcheilenden Sonne dancken; und ihre eigene Blindheit ließe sich den ersten den besten Leiter dahin führen/ wohin er nur wolte. Alleine die Königin Erato antwortete: Thuß- neldens Meinung wäre zwar mäßiger als Asblastens/ aber ihr Zeno würde sie noch schwerlich zur Vermittelung annehmen. Denn die euserlichen Güter hätten in sich selbst keinen so wilden Trieb als die Regungen; welche für sich selbst nicht nur blinde Führer/ sondern auch schädliche Knechte der Vernunfft wären/ die ihr nur zum Scheine gehorsamten: daß sie mit Gelegenheit über sie herrschen möchten. Sie wären geartet wie die Ströme/ welche so viel grimmiger raseten/ je enger man sie in ihren Ufern vertämmete: daß sie nicht über- schlagen H h h h h h h h 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
heit ſo ſeichte beſchlagen: daß ihr das ſtill-ſchweigende Zuhoͤren anſtaͤndiger waͤre/ als durch vorwitzige Einmiſchung in dieſen Zwiſt ihre Unwiſſenheit zu verrathen. Gleichwol aber hielte ſie/ ihrer Einfalt nach/ nicht fuͤr ſo ſchwer beyde ſtreitende Meinungen dardurch zu vereinbaren; wenn man die Regungen fuͤr Mittel-Dinge annehme/ welche an ſich ſelbſt weder boͤſe noch gut/ ſondern dem veraͤnder- lichen Thiere Cameleon zu vergleichen waͤren/ welches auf den Kraͤutern gruͤn/ auf Schar- lach roth/ in der Lufft blau ausſehe; ja alle Farben ſeines Behaͤltnuͤſſes in einem Augen- blicke annehme. Denn eben dieſe Gewalt ei- ner geſchwinden Verwandelung ſchiene der Wille uͤber ſolche Regungen zu haben; welcher ihnen nichts minder die Eigenſchafft der Tu- gend und des Laſters/ als ein Bildhauer ſeinem Marmel ein Geſichte einer Eule/ als einer Helena einpregen koͤnte. Daher weñ auch dieſe Regungen fuͤr ſich ſelbſt/ und nicht allererſt nach der boͤſen oder guten Anleitung des menſch- lichen Willens fuͤr boͤſe oder gut geurtheilt wer- den ſolten; wuͤrde man auch nicht alleine dis/ was uns wider unſern Willen traͤumet/ loben oder ſchelten/ ſondern auch die Woͤlffe und Raub-Voͤgel aufhencken/ die Loͤwen mit Lor- bern/ die Turtel-Tauben mit Roſen/ die fuͤr ihren Weiſer kaͤmpfende Bienen mit Eichen- Laube kraͤntzen muͤßen. Die Koͤnigin Erato wuͤrde ihr hierinnen vielleicht ſo viel mehr Beyfall geben; weil ſie zu Rom einmahl von einem Nachfolger des Zeno gehoͤrt zu haben ſich erinnerte: daß ſie alle euſerliche Guͤter der Geſtalt/ der Staͤrcke/ des Vermoͤgens/ fuͤr ebenmaͤßige Mittel-Dinge und fuͤr einen Werckzeug nichts minder der Tugend als Laſter/ und alſo weder fuͤr herrlich/ noch fuͤr ſcheltbar hielten. Zwiſchen dieſen Guͤtern/ und denen innerlichen Regungen aber waͤre/ ihrer guten oder boͤſen Anwehrung nach/ kein [Spaltenumbruch] Unterſcheid/ ſondern ſelbten machte allein der Gebrauch und der Mißbrauch. Sie waͤren beyde eine ungefaͤrbte Wolle/ welche Tinte und Schnecken-Blut an ſich zu ziehen faͤhig waͤren; alſo: daß der Zorn eben ſo wol eine Seene der Tugend/ einen Wetzſtein der Tapf- ferkeit/ als ein Fallbret der Grauſamkeit; die Begierde einen Zunder der Wolthaͤtigkeit/ und ein toͤdtend Gifft der Wolluſt/ die Furcht einen Leitſtern der Klugheit/ und ein Jrrlicht der Zagheit abgaͤben/ ja die Regungen ins ge- ſampt den Laſtern und Tugenden zu Waffen dieneten. Die weiſe Fuͤrſtin Asblaſte hinge- gen wuͤrde dieſen Regungen ſchwerlich einen Ehren-Stul in dem Reiche der Vernunfft ein- zuraͤumen verlangen/ weil ſie ihren Sitz und Herrſchafft nur in den euſerlichen Sinnen haͤtten; und daher auch den ſtummen Thieren gemein waͤren; welche doch ſo wenig von der Vernunfft erblickten/ als die unter uns woh- nenden und uns die Fuͤſſe zukehrenden Men- ſchen von unſerm Mittags-Lichte. Sie haͤt- ten fuͤr ſich ſelbſt weniger Licht als der Monde; wenn ſie aber ja einigen Glantz bekaͤmen/ muͤ- ſten ſie es der Vernunfft/ wie die andeꝛn Ster- nen der mitcheilenden Sonne dancken; und ihre eigene Blindheit ließe ſich den erſten den beſten Leiter dahin fuͤhren/ wohin er nur wolte. Alleine die Koͤnigin Erato antwortete: Thuß- neldens Meinung waͤre zwar maͤßiger als Asblaſtens/ aber ihr Zeno wuͤrde ſie noch ſchwerlich zur Vermittelung annehmen. Denn die euſerlichen Guͤter haͤtten in ſich ſelbſt keinen ſo wilden Trieb als die Regungen; welche fuͤr ſich ſelbſt nicht nur blinde Fuͤhrer/ ſondern auch ſchaͤdliche Knechte der Vernunfft waͤren/ die ihr nur zum Scheine gehorſamten: daß ſie mit Gelegenheit uͤber ſie herrſchen moͤchten. Sie waͤren geartet wie die Stroͤme/ welche ſo viel grimmiger raſeten/ je enger man ſie in ihren Ufern vertaͤmmete: daß ſie nicht uͤber- ſchlagen H h h h h h h h 2
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Arminius und Thußnelda.
heit ſo ſeichte beſchlagen: daß ihr das ſtill-
ſchweigende Zuhoͤren anſtaͤndiger waͤre/ als
durch vorwitzige Einmiſchung in dieſen Zwiſt
ihre Unwiſſenheit zu verrathen. Gleichwol
aber hielte ſie/ ihrer Einfalt nach/ nicht fuͤr ſo
ſchwer beyde ſtreitende Meinungen dardurch
zu vereinbaren; wenn man die Regungen fuͤr
Mittel-Dinge annehme/ welche an ſich ſelbſt
weder boͤſe noch gut/ ſondern dem veraͤnder-
lichen Thiere Cameleon zu vergleichen waͤren/
welches auf den Kraͤutern gruͤn/ auf Schar-
lach roth/ in der Lufft blau ausſehe; ja alle
Farben ſeines Behaͤltnuͤſſes in einem Augen-
blicke annehme. Denn eben dieſe Gewalt ei-
ner geſchwinden Verwandelung ſchiene der
Wille uͤber ſolche Regungen zu haben; welcher
ihnen nichts minder die Eigenſchafft der Tu-
gend und des Laſters/ als ein Bildhauer ſeinem
Marmel ein Geſichte einer Eule/ als einer
Helena einpregen koͤnte. Daher weñ auch dieſe
Regungen fuͤr ſich ſelbſt/ und nicht allererſt
nach der boͤſen oder guten Anleitung des menſch-
lichen Willens fuͤr boͤſe oder gut geurtheilt wer-
den ſolten; wuͤrde man auch nicht alleine dis/
was uns wider unſern Willen traͤumet/ loben
oder ſchelten/ ſondern auch die Woͤlffe und
Raub-Voͤgel aufhencken/ die Loͤwen mit Lor-
bern/ die Turtel-Tauben mit Roſen/ die fuͤr
ihren Weiſer kaͤmpfende Bienen mit Eichen-
Laube kraͤntzen muͤßen. Die Koͤnigin Erato
wuͤrde ihr hierinnen vielleicht ſo viel mehr
Beyfall geben; weil ſie zu Rom einmahl von
einem Nachfolger des Zeno gehoͤrt zu haben
ſich erinnerte: daß ſie alle euſerliche Guͤter
der Geſtalt/ der Staͤrcke/ des Vermoͤgens/
fuͤr ebenmaͤßige Mittel-Dinge und fuͤr einen
Werckzeug nichts minder der Tugend als
Laſter/ und alſo weder fuͤr herrlich/ noch fuͤr
ſcheltbar hielten. Zwiſchen dieſen Guͤtern/
und denen innerlichen Regungen aber waͤre/
ihrer guten oder boͤſen Anwehrung nach/ kein
Unterſcheid/ ſondern ſelbten machte allein der
Gebrauch und der Mißbrauch. Sie waͤren
beyde eine ungefaͤrbte Wolle/ welche Tinte
und Schnecken-Blut an ſich zu ziehen faͤhig
waͤren; alſo: daß der Zorn eben ſo wol eine
Seene der Tugend/ einen Wetzſtein der Tapf-
ferkeit/ als ein Fallbret der Grauſamkeit; die
Begierde einen Zunder der Wolthaͤtigkeit/
und ein toͤdtend Gifft der Wolluſt/ die Furcht
einen Leitſtern der Klugheit/ und ein Jrrlicht
der Zagheit abgaͤben/ ja die Regungen ins ge-
ſampt den Laſtern und Tugenden zu Waffen
dieneten. Die weiſe Fuͤrſtin Asblaſte hinge-
gen wuͤrde dieſen Regungen ſchwerlich einen
Ehren-Stul in dem Reiche der Vernunfft ein-
zuraͤumen verlangen/ weil ſie ihren Sitz und
Herrſchafft nur in den euſerlichen Sinnen
haͤtten; und daher auch den ſtummen Thieren
gemein waͤren; welche doch ſo wenig von der
Vernunfft erblickten/ als die unter uns woh-
nenden und uns die Fuͤſſe zukehrenden Men-
ſchen von unſerm Mittags-Lichte. Sie haͤt-
ten fuͤr ſich ſelbſt weniger Licht als der Monde;
wenn ſie aber ja einigen Glantz bekaͤmen/ muͤ-
ſten ſie es der Vernunfft/ wie die andeꝛn Ster-
nen der mitcheilenden Sonne dancken; und
ihre eigene Blindheit ließe ſich den erſten den
beſten Leiter dahin fuͤhren/ wohin er nur wolte.
Alleine die Koͤnigin Erato antwortete: Thuß-
neldens Meinung waͤre zwar maͤßiger als
Asblaſtens/ aber ihr Zeno wuͤrde ſie noch
ſchwerlich zur Vermittelung annehmen. Denn
die euſerlichen Guͤter haͤtten in ſich ſelbſt keinen
ſo wilden Trieb als die Regungen; welche
fuͤr ſich ſelbſt nicht nur blinde Fuͤhrer/ ſondern
auch ſchaͤdliche Knechte der Vernunfft waͤren/
die ihr nur zum Scheine gehorſamten: daß ſie
mit Gelegenheit uͤber ſie herrſchen moͤchten.
Sie waͤren geartet wie die Stroͤme/ welche ſo
viel grimmiger raſeten/ je enger man ſie in
ihren Ufern vertaͤmmete: daß ſie nicht uͤber-
ſchlagen
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1347[1349]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1415>, abgerufen am 26.06.2024. |