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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nirgends/ als in der Stadt Artaxata zu öffnen
ihr angeloben. Sintemal Gott iedem Men-
schen zwar die Klugheit auf das künftige zu se-
hen/ nicht aber desselbten Vorbewust anzuver-
trauen für rathsam geachtet hat; weil die guten
Zufälle ihn allzu vermässen und sicher; die
schlimmen aber allzu kleinmüthig machen dörf-
ten. Thußnelde nahm dieses seltzame Geschen-
cke/ wiewohl mit ein wenig Veränderung über
denen ihr angedeuteten Begebnüssen/ aufs de-
müthigste an; und die Versammlung danckte mit
grosser Ehrerbietung dieser weisen Fürstin für
die Entdeckung ihrer so denckwürdigen Begeb-
nüsse. Die übrige Zeit des Tages ward mit
frölichern Gesprächen/ und einem prächtigen
Abend-Mahle in des Feldherrn Lusthause hin-
gelegt.

Es war schon etliche Stunden in die Nacht;
als diese ansehnliche Versammlung aus dem gros-
sen Speise-Saale sich erhob. Wie nun ein
iedes über einen breiten Gang sich in sein Zim-
mer verfügen wolte; öffnete sich das Burg-
Thor mit grossem Geräusche; und das Licht
vieler sich nähernden Fackeln erfüllte den gan-
tzen Hof; beydes aber verursachte: daß die
sämmtliche Fürstliche Personen sich an das Ge-
lender lehneten/ diese Neuigkeit zu vernehmen.
Diesen zeigten sich alsofort eine Anzahl gantz
glatt geschorner Leibeigenen/ derer ieder eine
brennende Wachs-Kertze fürtrug. Diesen
folgten zu Pferde etliche zwantzig theils Rö-
misch/ theils Scythisch/ theils Morisch/ und auf
andere Art gekleidete und zu Pferde sitzende
Frembdlinge; welche theils in Krumm-Hörner
von Auer Ochsen/ oder aus Ertzt gegossen/ blies-
sen; theils auf von gedrechseltem Holtze und
mit Ochsen-Leder überzogene Paucken schlugen.
Hierauf erschien auf einem zierlichen zweyrä-
drichten Wagen/ den vier neben einander ge-
spannte Pferde zohen/ ein Herold/ dessen Ampt
und Meynung seine Merckmale also gleich
entdeckten. Denn er hatte den mit zwey ein-
[Spaltenumbruch] ander ansehenden Schlangen umbwundenen
Stab/ als das Friedens-Zeichen in der lincken;
den Spieß aber in der schon zum Wurff ge-
zu[c]kten Hand; über diß war sein Haupt mit
kein[e]m Blumen-Krantze bedeckt; sondern mit
einem blutfärbichten Wollen-Tuche umbwun-
den. So bald dieser in die Mitte des Hofes
kam/ hielten nichts minder die Bläser und Pau-
cker/ als der Wagen stille; der Herold aber
fieng an: Der Kern der Ritter aus den streit-
barsten Völckern der Welt ist durch das Ge-
schrey: daß ein deutscher Fürst die vollkommen-
ste alles Frauenzimmers ihm zu vermählen sich
erkühnt hätte; noch Deutschburg betagt/ ich
aber befehlicht wo[rd]en/ dich/ Herrmann/ Her-
tzog der Cherusker/ [u]nd alle Deutschen/ die dich
einer solchen Fürstin würdig achten/ auf mor-
gen in den Kampfplatz zu fordern; da du entwe-
der dem Uberwinder Thußnelden abtreten/ oder
durch deine Tugend die Würdigkeit sie zu besi-
tzen erhärten sollst. Alser dreymal diese Wor-
te wiederholet hatte/ warf[f] er seinen Spieß mit
einer solchen Heftigkeit von sich: daß er in der
Mauer stecken blieb. Er aber drehete mit sei-
nem Aufzuge sich umb/ und kehrte auf der Burg
zurücke/ der gantze Hof aber zur Ruhe.

Die Morgen-Röthe färbte mit ihren Bli-
cken kaum die Wolcken und die oberste Spitze
des Blocks-Berges; als man für der Burg und
in allen Strassen schon durch allerhand Gethö-
ne das Zeichen zu den Ritter-Spielen geben
hörte. Der Schau-Platz war nicht allzu weit
von dem Fürstlichen Schlosse auf einem flachen
Felde zwischen einem annehmlichen Lust-Wal-
de/ und an einer rauschenden Bach/ wormit
man den innern Platz anwässern konte/ erbauet.
Diesen hatte Fürst Adgandester/ welcher zu Rom
nicht nur die Bau-Kunst/ sondern auch die Rö-
mische Art der Schau- und Ritter-Spiele voll-
kommentlich begrieffen; nach dem Muster des-
sen/ welches Käyser Julius auf dem Mars-
Felde zu Rom aus Holtze erbaut hatte/ nach dem

das
Erster Teil. J i i i i i i i

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nirgends/ als in der Stadt Artaxata zu oͤffnen
ihr angeloben. Sintemal Gott iedem Men-
ſchen zwar die Klugheit auf das kuͤnftige zu ſe-
hen/ nicht aber deſſelbten Vorbewuſt anzuver-
trauen fuͤr rathſam geachtet hat; weil die guten
Zufaͤlle ihn allzu vermaͤſſen und ſicher; die
ſchlimmen aber allzu kleinmuͤthig machen doͤrf-
ten. Thußnelde nahm dieſes ſeltzame Geſchen-
cke/ wiewohl mit ein wenig Veraͤnderung uͤber
denen ihr angedeuteten Begebnuͤſſen/ aufs de-
muͤthigſte an; und die Verſam̃lung danckte mit
groſſer Ehrerbietung dieſer weiſen Fuͤrſtin fuͤr
die Entdeckung ihrer ſo denckwuͤrdigen Begeb-
nuͤſſe. Die uͤbrige Zeit des Tages ward mit
froͤlichern Geſpraͤchen/ und einem praͤchtigen
Abend-Mahle in des Feldherrn Luſthauſe hin-
gelegt.

Es war ſchon etliche Stunden in die Nacht;
als dieſe anſehnliche Verſam̃lung aus dem groſ-
ſen Speiſe-Saale ſich erhob. Wie nun ein
iedes uͤber einen breiten Gang ſich in ſein Zim-
mer verfuͤgen wolte; oͤffnete ſich das Burg-
Thor mit groſſem Geraͤuſche; und das Licht
vieler ſich naͤhernden Fackeln erfuͤllte den gan-
tzen Hof; beydes aber verurſachte: daß die
ſaͤm̃tliche Fuͤrſtliche Perſonen ſich an das Ge-
lender lehneten/ dieſe Neuigkeit zu vernehmen.
Dieſen zeigten ſich alſofort eine Anzahl gantz
glatt geſchorner Leibeigenen/ derer ieder eine
brennende Wachs-Kertze fuͤrtrug. Dieſen
folgten zu Pferde etliche zwantzig theils Roͤ-
miſch/ theils Scythiſch/ theils Moriſch/ und auf
andere Art gekleidete und zu Pferde ſitzende
Frembdlinge; welche theils in Krum̃-Hoͤrner
von Auer Ochſen/ oder aus Ertzt gegoſſen/ blieſ-
ſen; theils auf von gedrechſeltem Holtze und
mit Ochſen-Ledeꝛ uͤberzogene Paucken ſchlugen.
Hierauf erſchien auf einem zierlichen zweyraͤ-
drichten Wagen/ den vier neben einander ge-
ſpannte Pferde zohen/ ein Herold/ deſſen Ampt
und Meynung ſeine Merckmale alſo gleich
entdeckten. Denn er hatte den mit zwey ein-
[Spaltenumbruch] ander anſehenden Schlangen umbwundenen
Stab/ als das Friedens-Zeichen in der lincken;
den Spieß aber in der ſchon zum Wurff ge-
zu[c]kten Hand; uͤber diß war ſein Haupt mit
kein[e]m Blumen-Krantze bedeckt; ſondern mit
einem blutfaͤrbichten Wollen-Tuche umbwun-
den. So bald dieſer in die Mitte des Hofes
kam/ hielten nichts minder die Blaͤſer und Pau-
cker/ als der Wagen ſtille; der Herold aber
fieng an: Der Kern der Ritter aus den ſtreit-
barſten Voͤlckern der Welt iſt durch das Ge-
ſchrey: daß ein deutſcher Fuͤrſt die vollkommen-
ſte alles Frauenzimmers ihm zu vermaͤhlen ſich
erkuͤhnt haͤtte; noch Deutſchburg betagt/ ich
aber befehlicht wo[rd]en/ dich/ Herrmann/ Her-
tzog der Cherusker/ [u]nd alle Deutſchen/ die dich
einer ſolchen Fuͤrſtin wuͤrdig achten/ auf mor-
gen in den Kampfplatz zu fordern; da du entwe-
der dem Uberwinder Thußnelden abtreten/ odeꝛ
durch deine Tugend die Wuͤrdigkeit ſie zu beſi-
tzen erhaͤrten ſollſt. Alser dreymal dieſe Wor-
te wiederholet hatte/ warf[f] er ſeinen Spieß mit
einer ſolchen Heftigkeit von ſich: daß er in der
Mauer ſtecken blieb. Er aber drehete mit ſei-
nem Aufzuge ſich umb/ und kehrte auf der Burg
zuruͤcke/ der gantze Hof aber zur Ruhe.

Die Morgen-Roͤthe faͤrbte mit ihren Bli-
cken kaum die Wolcken und die oberſte Spitze
des Blocks-Berges; als man fuͤr der Burg und
in allen Straſſen ſchon durch allerhand Gethoͤ-
ne das Zeichen zu den Ritter-Spielen geben
hoͤrte. Der Schau-Platz war nicht allzu weit
von dem Fuͤrſtlichen Schloſſe auf einem flachen
Felde zwiſchen einem annehmlichen Luſt-Wal-
de/ und an einer rauſchenden Bach/ wormit
man den innern Platz anwaͤſſern konte/ erbauet.
Dieſen hatte Fuͤrſt Adgandeſter/ welcher zu Rom
nicht nur die Bau-Kunſt/ ſondern auch die Roͤ-
miſche Art der Schau- und Ritter-Spiele voll-
kommentlich begrieffen; nach dem Muſter deſ-
ſen/ welches Kaͤyſer Julius auf dem Mars-
Felde zu Rom aus Holtze erbaut hatte/ nach dem

das
Erſter Teil. J i i i i i i i
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[1353[1355]/1421] Arminius und Thußnelda. nirgends/ als in der Stadt Artaxata zu oͤffnen ihr angeloben. Sintemal Gott iedem Men- ſchen zwar die Klugheit auf das kuͤnftige zu ſe- hen/ nicht aber deſſelbten Vorbewuſt anzuver- trauen fuͤr rathſam geachtet hat; weil die guten Zufaͤlle ihn allzu vermaͤſſen und ſicher; die ſchlimmen aber allzu kleinmuͤthig machen doͤrf- ten. Thußnelde nahm dieſes ſeltzame Geſchen- cke/ wiewohl mit ein wenig Veraͤnderung uͤber denen ihr angedeuteten Begebnuͤſſen/ aufs de- muͤthigſte an; und die Verſam̃lung danckte mit groſſer Ehrerbietung dieſer weiſen Fuͤrſtin fuͤr die Entdeckung ihrer ſo denckwuͤrdigen Begeb- nuͤſſe. Die uͤbrige Zeit des Tages ward mit froͤlichern Geſpraͤchen/ und einem praͤchtigen Abend-Mahle in des Feldherrn Luſthauſe hin- gelegt. Es war ſchon etliche Stunden in die Nacht; als dieſe anſehnliche Verſam̃lung aus dem groſ- ſen Speiſe-Saale ſich erhob. Wie nun ein iedes uͤber einen breiten Gang ſich in ſein Zim- mer verfuͤgen wolte; oͤffnete ſich das Burg- Thor mit groſſem Geraͤuſche; und das Licht vieler ſich naͤhernden Fackeln erfuͤllte den gan- tzen Hof; beydes aber verurſachte: daß die ſaͤm̃tliche Fuͤrſtliche Perſonen ſich an das Ge- lender lehneten/ dieſe Neuigkeit zu vernehmen. Dieſen zeigten ſich alſofort eine Anzahl gantz glatt geſchorner Leibeigenen/ derer ieder eine brennende Wachs-Kertze fuͤrtrug. Dieſen folgten zu Pferde etliche zwantzig theils Roͤ- miſch/ theils Scythiſch/ theils Moriſch/ und auf andere Art gekleidete und zu Pferde ſitzende Frembdlinge; welche theils in Krum̃-Hoͤrner von Auer Ochſen/ oder aus Ertzt gegoſſen/ blieſ- ſen; theils auf von gedrechſeltem Holtze und mit Ochſen-Ledeꝛ uͤberzogene Paucken ſchlugen. Hierauf erſchien auf einem zierlichen zweyraͤ- drichten Wagen/ den vier neben einander ge- ſpannte Pferde zohen/ ein Herold/ deſſen Ampt und Meynung ſeine Merckmale alſo gleich entdeckten. Denn er hatte den mit zwey ein- ander anſehenden Schlangen umbwundenen Stab/ als das Friedens-Zeichen in der lincken; den Spieß aber in der ſchon zum Wurff ge- zuckten Hand; uͤber diß war ſein Haupt mit keinem Blumen-Krantze bedeckt; ſondern mit einem blutfaͤrbichten Wollen-Tuche umbwun- den. So bald dieſer in die Mitte des Hofes kam/ hielten nichts minder die Blaͤſer und Pau- cker/ als der Wagen ſtille; der Herold aber fieng an: Der Kern der Ritter aus den ſtreit- barſten Voͤlckern der Welt iſt durch das Ge- ſchrey: daß ein deutſcher Fuͤrſt die vollkommen- ſte alles Frauenzimmers ihm zu vermaͤhlen ſich erkuͤhnt haͤtte; noch Deutſchburg betagt/ ich aber befehlicht worden/ dich/ Herrmann/ Her- tzog der Cherusker/ und alle Deutſchen/ die dich einer ſolchen Fuͤrſtin wuͤrdig achten/ auf mor- gen in den Kampfplatz zu fordern; da du entwe- der dem Uberwinder Thußnelden abtreten/ odeꝛ durch deine Tugend die Wuͤrdigkeit ſie zu beſi- tzen erhaͤrten ſollſt. Alser dreymal dieſe Wor- te wiederholet hatte/ warff er ſeinen Spieß mit einer ſolchen Heftigkeit von ſich: daß er in der Mauer ſtecken blieb. Er aber drehete mit ſei- nem Aufzuge ſich umb/ und kehrte auf der Burg zuruͤcke/ der gantze Hof aber zur Ruhe. Die Morgen-Roͤthe faͤrbte mit ihren Bli- cken kaum die Wolcken und die oberſte Spitze des Blocks-Berges; als man fuͤr der Burg und in allen Straſſen ſchon durch allerhand Gethoͤ- ne das Zeichen zu den Ritter-Spielen geben hoͤrte. Der Schau-Platz war nicht allzu weit von dem Fuͤrſtlichen Schloſſe auf einem flachen Felde zwiſchen einem annehmlichen Luſt-Wal- de/ und an einer rauſchenden Bach/ wormit man den innern Platz anwaͤſſern konte/ erbauet. Dieſen hatte Fuͤrſt Adgandeſter/ welcher zu Rom nicht nur die Bau-Kunſt/ ſondern auch die Roͤ- miſche Art der Schau- und Ritter-Spiele voll- kommentlich begrieffen; nach dem Muſter deſ- ſen/ welches Kaͤyſer Julius auf dem Mars- Felde zu Rom aus Holtze erbaut hatte/ nach dem das Erſter Teil. J i i i i i i i

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1353[1355]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1421>, abgerufen am 23.11.2024.