Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
nirgends/ als in der Stadt Artaxata zu öffnenihr angeloben. Sintemal Gott iedem Men- schen zwar die Klugheit auf das künftige zu se- hen/ nicht aber desselbten Vorbewust anzuver- trauen für rathsam geachtet hat; weil die guten Zufälle ihn allzu vermässen und sicher; die schlimmen aber allzu kleinmüthig machen dörf- ten. Thußnelde nahm dieses seltzame Geschen- cke/ wiewohl mit ein wenig Veränderung über denen ihr angedeuteten Begebnüssen/ aufs de- müthigste an; und die Versammlung danckte mit grosser Ehrerbietung dieser weisen Fürstin für die Entdeckung ihrer so denckwürdigen Begeb- nüsse. Die übrige Zeit des Tages ward mit frölichern Gesprächen/ und einem prächtigen Abend-Mahle in des Feldherrn Lusthause hin- gelegt. Es war schon etliche Stunden in die Nacht; Die Morgen-Röthe färbte mit ihren Bli- das Erster Teil. J i i i i i i i
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
nirgends/ als in der Stadt Artaxata zu oͤffnenihr angeloben. Sintemal Gott iedem Men- ſchen zwar die Klugheit auf das kuͤnftige zu ſe- hen/ nicht aber deſſelbten Vorbewuſt anzuver- trauen fuͤr rathſam geachtet hat; weil die guten Zufaͤlle ihn allzu vermaͤſſen und ſicher; die ſchlimmen aber allzu kleinmuͤthig machen doͤrf- ten. Thußnelde nahm dieſes ſeltzame Geſchen- cke/ wiewohl mit ein wenig Veraͤnderung uͤber denen ihr angedeuteten Begebnuͤſſen/ aufs de- muͤthigſte an; und die Verſam̃lung danckte mit groſſer Ehrerbietung dieſer weiſen Fuͤrſtin fuͤr die Entdeckung ihrer ſo denckwuͤrdigen Begeb- nuͤſſe. Die uͤbrige Zeit des Tages ward mit froͤlichern Geſpraͤchen/ und einem praͤchtigen Abend-Mahle in des Feldherrn Luſthauſe hin- gelegt. Es war ſchon etliche Stunden in die Nacht; Die Morgen-Roͤthe faͤrbte mit ihren Bli- das Erſter Teil. J i i i i i i i
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Arminius und Thußnelda.
nirgends/ als in der Stadt Artaxata zu oͤffnen
ihr angeloben. Sintemal Gott iedem Men-
ſchen zwar die Klugheit auf das kuͤnftige zu ſe-
hen/ nicht aber deſſelbten Vorbewuſt anzuver-
trauen fuͤr rathſam geachtet hat; weil die guten
Zufaͤlle ihn allzu vermaͤſſen und ſicher; die
ſchlimmen aber allzu kleinmuͤthig machen doͤrf-
ten. Thußnelde nahm dieſes ſeltzame Geſchen-
cke/ wiewohl mit ein wenig Veraͤnderung uͤber
denen ihr angedeuteten Begebnuͤſſen/ aufs de-
muͤthigſte an; und die Verſam̃lung danckte mit
groſſer Ehrerbietung dieſer weiſen Fuͤrſtin fuͤr
die Entdeckung ihrer ſo denckwuͤrdigen Begeb-
nuͤſſe. Die uͤbrige Zeit des Tages ward mit
froͤlichern Geſpraͤchen/ und einem praͤchtigen
Abend-Mahle in des Feldherrn Luſthauſe hin-
gelegt.
Es war ſchon etliche Stunden in die Nacht;
als dieſe anſehnliche Verſam̃lung aus dem groſ-
ſen Speiſe-Saale ſich erhob. Wie nun ein
iedes uͤber einen breiten Gang ſich in ſein Zim-
mer verfuͤgen wolte; oͤffnete ſich das Burg-
Thor mit groſſem Geraͤuſche; und das Licht
vieler ſich naͤhernden Fackeln erfuͤllte den gan-
tzen Hof; beydes aber verurſachte: daß die
ſaͤm̃tliche Fuͤrſtliche Perſonen ſich an das Ge-
lender lehneten/ dieſe Neuigkeit zu vernehmen.
Dieſen zeigten ſich alſofort eine Anzahl gantz
glatt geſchorner Leibeigenen/ derer ieder eine
brennende Wachs-Kertze fuͤrtrug. Dieſen
folgten zu Pferde etliche zwantzig theils Roͤ-
miſch/ theils Scythiſch/ theils Moriſch/ und auf
andere Art gekleidete und zu Pferde ſitzende
Frembdlinge; welche theils in Krum̃-Hoͤrner
von Auer Ochſen/ oder aus Ertzt gegoſſen/ blieſ-
ſen; theils auf von gedrechſeltem Holtze und
mit Ochſen-Ledeꝛ uͤberzogene Paucken ſchlugen.
Hierauf erſchien auf einem zierlichen zweyraͤ-
drichten Wagen/ den vier neben einander ge-
ſpannte Pferde zohen/ ein Herold/ deſſen Ampt
und Meynung ſeine Merckmale alſo gleich
entdeckten. Denn er hatte den mit zwey ein-
ander anſehenden Schlangen umbwundenen
Stab/ als das Friedens-Zeichen in der lincken;
den Spieß aber in der ſchon zum Wurff ge-
zuckten Hand; uͤber diß war ſein Haupt mit
keinem Blumen-Krantze bedeckt; ſondern mit
einem blutfaͤrbichten Wollen-Tuche umbwun-
den. So bald dieſer in die Mitte des Hofes
kam/ hielten nichts minder die Blaͤſer und Pau-
cker/ als der Wagen ſtille; der Herold aber
fieng an: Der Kern der Ritter aus den ſtreit-
barſten Voͤlckern der Welt iſt durch das Ge-
ſchrey: daß ein deutſcher Fuͤrſt die vollkommen-
ſte alles Frauenzimmers ihm zu vermaͤhlen ſich
erkuͤhnt haͤtte; noch Deutſchburg betagt/ ich
aber befehlicht worden/ dich/ Herrmann/ Her-
tzog der Cherusker/ und alle Deutſchen/ die dich
einer ſolchen Fuͤrſtin wuͤrdig achten/ auf mor-
gen in den Kampfplatz zu fordern; da du entwe-
der dem Uberwinder Thußnelden abtreten/ odeꝛ
durch deine Tugend die Wuͤrdigkeit ſie zu beſi-
tzen erhaͤrten ſollſt. Alser dreymal dieſe Wor-
te wiederholet hatte/ warff er ſeinen Spieß mit
einer ſolchen Heftigkeit von ſich: daß er in der
Mauer ſtecken blieb. Er aber drehete mit ſei-
nem Aufzuge ſich umb/ und kehrte auf der Burg
zuruͤcke/ der gantze Hof aber zur Ruhe.
Die Morgen-Roͤthe faͤrbte mit ihren Bli-
cken kaum die Wolcken und die oberſte Spitze
des Blocks-Berges; als man fuͤr der Burg und
in allen Straſſen ſchon durch allerhand Gethoͤ-
ne das Zeichen zu den Ritter-Spielen geben
hoͤrte. Der Schau-Platz war nicht allzu weit
von dem Fuͤrſtlichen Schloſſe auf einem flachen
Felde zwiſchen einem annehmlichen Luſt-Wal-
de/ und an einer rauſchenden Bach/ wormit
man den innern Platz anwaͤſſern konte/ erbauet.
Dieſen hatte Fuͤrſt Adgandeſter/ welcher zu Rom
nicht nur die Bau-Kunſt/ ſondern auch die Roͤ-
miſche Art der Schau- und Ritter-Spiele voll-
kommentlich begrieffen; nach dem Muſter deſ-
ſen/ welches Kaͤyſer Julius auf dem Mars-
Felde zu Rom aus Holtze erbaut hatte/ nach dem
das
Erſter Teil. J i i i i i i i
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1353[1355]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1421>, abgerufen am 26.06.2024. |