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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] stehenden Blume ab. Diese Abwechselung
geschahe fünf und zwantzig mal/ also: daß einer
ieden Blume unter denen zweyhunderten diese
Verehrung wiederfuhr. Nach diesem Be-
schlusse fieng die Blumen-Göttin an dieses
Jnnhalts zu singen: Weil die vierfüssigen
Thiere den Löwen/ die Vogel den Adler/ die
Sternen die Sonne/ die Bienen den Weisel/
die Bäume den Oel- oder Granat-Apfel-
Baum für ihren König erkennten; und die
Blumen ihre Lüsternheit hiernach in dem Tan-
tze an Tag gegeben hätten/ wäre ihr Vorsatz ih-
nen allen ein gleichmässiges Ober-Haupt zu er-
kiesen. Dieser Vortrag erregte unter den
Blumen einen allgemeinen Ehrgeitz solche
Würde zu erlangen. Als diese nun unter ein-
ander herumb irreten/ redete der Frühling sin-
gende denen Seinigen das Wort/ und führte
an: Seine Blumen hätten das Recht der Erst-
geburt; der Lentz wäre der eigentliche Vater
der Blumen. Sie verdienten so wohl ihrer
Schönheit/ als Anzahl halber den Vorzug.
Denn er hätte allein so vielerley Arten Narcis-
sen/ Hyacinthen und Anemonen/ als die andern
Jahres-Zeiten gar mit einander Blumen.
Seine Zeit wäre auch an ihr selbst der Anfang
der Welt/ die Jugend des Jahres/ der Bräuti-
gam der Liebe/ und eine rechte Mutter der Wol-
lust. Der Sommer hingegen meynte zu be-
haupten: Die Frühlings-Blumen wären nur
ein Vortrab und Trabanten der recht schönen
Sommer-Blumen; ja unzeitige Früh-Ge-
burten des noch unvollkommenen und sich von
der Kranckheit des Winters kaum ein wenig
erholenden Jahres. Jene wären auch als
Töchter einer ohnmächtigen Mutter allzu ver-
gänglich; und flüchtiger als die Calingischen
Weiber in Jndien; welche zwar im fünften
Jahre schwanger würden/ aber das achte nicht
überlebten. Denn der Frühlings-Blumen
Alter erstreckte sich selten über einen Tag.
[Spaltenumbruch] Ja die schönsten unter ihnen hätten entweder wie
die Tulipen keinen/ oder einen schwachen Ge-
ruch. Da hingegen die Sommerblumen länger
tauerten/ und mit ihren Farben nicht nur die
Augen bezauberten/ sondern mit ihrem Geru-
che die Lüffte einbisamten. Alle andere Jah-
res-Zeiten wären zu frostig diese Wunder-
Gewächse vollkommen auszukochen. West-
wegen in dem hitzigen Cyrene die Blumen bes-
ser/ als nir gends anders wo rüchen; hingegen
selbte in dem wäßrichten Egypten meist Miß-
Geburthen ohne Geruch wären. Der Herbst
widersprach beyden/ und führte an: Er wäre
der Vater der Vollkommenheit; die schönsten
Blumen rasteten nichts minder/ als die voll-
kommensten Thiere lange in der Schoß ihrer
Mutter. Seine ergetzten nicht nur wie die
eitelen Frühlings- und Sommer-Blumen das
Gesichte; vergnügten den Geruch mit ihrem
Bisame; sondern sie sättigten auch mit ihrer
Speise/ und gäben durch ihre Krafft heilsame
Artzneyen ab. Mit einem Worte: Alle
andere gefielen meist nur dem Vorwitze/ oder
dienten bloß zur Wollust/ seine aber zum Nu-
tzen. Endlich meynte der Winter niemanden
etwas bevor zu geben; sintemal seine mitten
aus dem Schnee herfür wachsende Blumen
gegen alle andere Wunderwercke wären.
Andere Blumen erlangten ihre Zierden aus
der Güte des Himmels; die Winter-Blumen
aber aus ihrer eigenen Wurtzel Fürtreffligkeit;
also: daß Sturm/ Schnee und Eiß/ welche an-
dere Blumen in einem Augenblicke zernichte-
ten; seiner Blumen Geburt nicht hindern/
weniger ihrer Zierde schaden könten. Wie
nun diese und andere Gegen-Sätze die stritti-
gen Jahres-Zeiten nicht vereinbaren konten;
rennten sie von einander/ und rufften ihren
Blumen zu: daß sie die Waffen ergreiffen
solten. Zum ersten traff der Frühling und
Herbst gegen einander; da denn jener auf

die-
Erster Theil. N n n n n n n n

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſtehenden Blume ab. Dieſe Abwechſelung
geſchahe fuͤnf und zwantzig mal/ alſo: daß einer
ieden Blume unter denen zweyhunderten dieſe
Verehrung wiederfuhr. Nach dieſem Be-
ſchluſſe fieng die Blumen-Goͤttin an dieſes
Jnnhalts zu ſingen: Weil die vierfuͤſſigen
Thiere den Loͤwen/ die Vogel den Adler/ die
Sternen die Sonne/ die Bienen den Weiſel/
die Baͤume den Oel- oder Granat-Apfel-
Baum fuͤr ihren Koͤnig erkennten; und die
Blumen ihre Luͤſternheit hiernach in dem Tan-
tze an Tag gegeben haͤtten/ waͤre ihr Vorſatz ih-
nen allen ein gleichmaͤſſiges Ober-Haupt zu er-
kieſen. Dieſer Vortrag erregte unter den
Blumen einen allgemeinen Ehrgeitz ſolche
Wuͤrde zu erlangen. Als dieſe nun unter ein-
ander herumb irreten/ redete der Fruͤhling ſin-
gende denen Seinigen das Wort/ und fuͤhrte
an: Seine Blumen haͤtten das Recht der Erſt-
geburt; der Lentz waͤre der eigentliche Vater
der Blumen. Sie verdienten ſo wohl ihrer
Schoͤnheit/ als Anzahl halber den Vorzug.
Denn er haͤtte allein ſo vielerley Arten Narciſ-
ſen/ Hyacinthen und Anemonen/ als die andern
Jahres-Zeiten gar mit einander Blumen.
Seine Zeit waͤre auch an ihr ſelbſt der Anfang
der Welt/ die Jugend des Jahres/ der Braͤuti-
gam der Liebe/ und eine rechte Mutter der Wol-
luſt. Der Sommer hingegen meynte zu be-
haupten: Die Fruͤhlings-Blumen waͤren nur
ein Vortrab und Trabanten der recht ſchoͤnen
Sommer-Blumen; ja unzeitige Fruͤh-Ge-
burten des noch unvollkommenen und ſich von
der Kranckheit des Winters kaum ein wenig
erholenden Jahres. Jene waͤren auch als
Toͤchter einer ohnmaͤchtigen Mutter allzu ver-
gaͤnglich; und fluͤchtiger als die Calingiſchen
Weiber in Jndien; welche zwar im fuͤnften
Jahre ſchwanger wuͤrden/ aber das achte nicht
uͤberlebten. Denn der Fruͤhlings-Blumen
Alter erſtreckte ſich ſelten uͤber einen Tag.
[Spaltenumbruch] Ja die ſchoͤnſten unter ihnen haͤttẽ entwedeꝛ wie
die Tulipen keinen/ oder einen ſchwachen Ge-
ruch. Da hingegen die Sommerblumen laͤnger
tauerten/ und mit ihren Farben nicht nur die
Augen bezauberten/ ſondern mit ihrem Geru-
che die Luͤffte einbiſamten. Alle andere Jah-
res-Zeiten waͤren zu froſtig dieſe Wunder-
Gewaͤchſe vollkommen auszukochen. Weſt-
wegen in dem hitzigen Cyrene die Blumen beſ-
ſer/ als nir gends anders wo ruͤchen; hingegen
ſelbte in dem waͤßrichten Egypten meiſt Miß-
Geburthen ohne Geruch waͤren. Der Herbſt
widerſprach beyden/ und fuͤhrte an: Er waͤre
der Vater der Vollkommenheit; die ſchoͤnſten
Blumen raſteten nichts minder/ als die voll-
kommenſten Thiere lange in der Schoß ihrer
Mutter. Seine ergetzten nicht nur wie die
eitelen Fruͤhlings- und Sommer-Blumen das
Geſichte; vergnuͤgten den Geruch mit ihrem
Biſame; ſondern ſie ſaͤttigten auch mit ihrer
Speiſe/ und gaͤben durch ihre Krafft heilſame
Artzneyen ab. Mit einem Worte: Alle
andere gefielen meiſt nur dem Vorwitze/ oder
dienten bloß zur Wolluſt/ ſeine aber zum Nu-
tzen. Endlich meynte der Winter niemanden
etwas bevor zu geben; ſintemal ſeine mitten
aus dem Schnee herfuͤr wachſende Blumen
gegen alle andere Wunderwercke waͤren.
Andere Blumen erlangten ihre Zierden aus
der Guͤte des Himmels; die Winter-Blumen
aber aus ihrer eigenen Wurtzel Fuͤrtreffligkeit;
alſo: daß Sturm/ Schnee und Eiß/ welche an-
dere Blumen in einem Augenblicke zernichte-
ten; ſeiner Blumen Geburt nicht hindern/
weniger ihrer Zierde ſchaden koͤnten. Wie
nun dieſe und andere Gegen-Saͤtze die ſtritti-
gen Jahres-Zeiten nicht vereinbaren konten;
rennten ſie von einander/ und rufften ihren
Blumen zu: daß ſie die Waffen ergreiffen
ſolten. Zum erſten traff der Fruͤhling und
Herbſt gegen einander; da denn jener auf

die-
Erſter Theil. N n n n n n n n
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[1385[1387]/1453] Arminius und Thußnelda. ſtehenden Blume ab. Dieſe Abwechſelung geſchahe fuͤnf und zwantzig mal/ alſo: daß einer ieden Blume unter denen zweyhunderten dieſe Verehrung wiederfuhr. Nach dieſem Be- ſchluſſe fieng die Blumen-Goͤttin an dieſes Jnnhalts zu ſingen: Weil die vierfuͤſſigen Thiere den Loͤwen/ die Vogel den Adler/ die Sternen die Sonne/ die Bienen den Weiſel/ die Baͤume den Oel- oder Granat-Apfel- Baum fuͤr ihren Koͤnig erkennten; und die Blumen ihre Luͤſternheit hiernach in dem Tan- tze an Tag gegeben haͤtten/ waͤre ihr Vorſatz ih- nen allen ein gleichmaͤſſiges Ober-Haupt zu er- kieſen. Dieſer Vortrag erregte unter den Blumen einen allgemeinen Ehrgeitz ſolche Wuͤrde zu erlangen. Als dieſe nun unter ein- ander herumb irreten/ redete der Fruͤhling ſin- gende denen Seinigen das Wort/ und fuͤhrte an: Seine Blumen haͤtten das Recht der Erſt- geburt; der Lentz waͤre der eigentliche Vater der Blumen. Sie verdienten ſo wohl ihrer Schoͤnheit/ als Anzahl halber den Vorzug. Denn er haͤtte allein ſo vielerley Arten Narciſ- ſen/ Hyacinthen und Anemonen/ als die andern Jahres-Zeiten gar mit einander Blumen. Seine Zeit waͤre auch an ihr ſelbſt der Anfang der Welt/ die Jugend des Jahres/ der Braͤuti- gam der Liebe/ und eine rechte Mutter der Wol- luſt. Der Sommer hingegen meynte zu be- haupten: Die Fruͤhlings-Blumen waͤren nur ein Vortrab und Trabanten der recht ſchoͤnen Sommer-Blumen; ja unzeitige Fruͤh-Ge- burten des noch unvollkommenen und ſich von der Kranckheit des Winters kaum ein wenig erholenden Jahres. Jene waͤren auch als Toͤchter einer ohnmaͤchtigen Mutter allzu ver- gaͤnglich; und fluͤchtiger als die Calingiſchen Weiber in Jndien; welche zwar im fuͤnften Jahre ſchwanger wuͤrden/ aber das achte nicht uͤberlebten. Denn der Fruͤhlings-Blumen Alter erſtreckte ſich ſelten uͤber einen Tag. Ja die ſchoͤnſten unter ihnen haͤttẽ entwedeꝛ wie die Tulipen keinen/ oder einen ſchwachen Ge- ruch. Da hingegen die Sommerblumen laͤnger tauerten/ und mit ihren Farben nicht nur die Augen bezauberten/ ſondern mit ihrem Geru- che die Luͤffte einbiſamten. Alle andere Jah- res-Zeiten waͤren zu froſtig dieſe Wunder- Gewaͤchſe vollkommen auszukochen. Weſt- wegen in dem hitzigen Cyrene die Blumen beſ- ſer/ als nir gends anders wo ruͤchen; hingegen ſelbte in dem waͤßrichten Egypten meiſt Miß- Geburthen ohne Geruch waͤren. Der Herbſt widerſprach beyden/ und fuͤhrte an: Er waͤre der Vater der Vollkommenheit; die ſchoͤnſten Blumen raſteten nichts minder/ als die voll- kommenſten Thiere lange in der Schoß ihrer Mutter. Seine ergetzten nicht nur wie die eitelen Fruͤhlings- und Sommer-Blumen das Geſichte; vergnuͤgten den Geruch mit ihrem Biſame; ſondern ſie ſaͤttigten auch mit ihrer Speiſe/ und gaͤben durch ihre Krafft heilſame Artzneyen ab. Mit einem Worte: Alle andere gefielen meiſt nur dem Vorwitze/ oder dienten bloß zur Wolluſt/ ſeine aber zum Nu- tzen. Endlich meynte der Winter niemanden etwas bevor zu geben; ſintemal ſeine mitten aus dem Schnee herfuͤr wachſende Blumen gegen alle andere Wunderwercke waͤren. Andere Blumen erlangten ihre Zierden aus der Guͤte des Himmels; die Winter-Blumen aber aus ihrer eigenen Wurtzel Fuͤrtreffligkeit; alſo: daß Sturm/ Schnee und Eiß/ welche an- dere Blumen in einem Augenblicke zernichte- ten; ſeiner Blumen Geburt nicht hindern/ weniger ihrer Zierde ſchaden koͤnten. Wie nun dieſe und andere Gegen-Saͤtze die ſtritti- gen Jahres-Zeiten nicht vereinbaren konten; rennten ſie von einander/ und rufften ihren Blumen zu: daß ſie die Waffen ergreiffen ſolten. Zum erſten traff der Fruͤhling und Herbſt gegen einander; da denn jener auf die- Erſter Theil. N n n n n n n n

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1385[1387]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1453>, abgerufen am 23.11.2024.