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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und thußnelda.
[Spaltenumbruch] Farben begabt/ ja die Gestirne selbst nicht ein-
ander gleiche gemacht. Dieser Würde halber
hätten etlicher Völcker Gesätze niemanden/
als den Priestern/ weil sie göttliche Stellen
verträten/ scheckichte Kleider zu tragen erlaubet.
Und alle kräfftige Blumen nehmen entweder
zugleich/ oder nach und nach unterschiedene
Farben an. Nach diesem annehmlich-gesun-
genem Wort-Streite geriethen sie wieder zu
einem neuen Blumen-Gefechte; indem an-
fangs der blaue Hauffe von denen gesammten
vier andern angegrieffen/ und aus seiner Mitte
getrieben ward. Diese behaupteten die weis-
sen Blumen; sahen sich aber alsofort von de-
nen vier mißgünstigen andern angefeindet;
also daß hierauf die gelben/ hernach die rothen/
endlich die bundten das Mittel einnahmen;
als inzwischen dieses Glücks-Wechsels halber
die weissen und gelben gegen die blauen und
rothen ein Bündnüs machten. Bey welcher
Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel
zu haben vermeinten; aber sie blieben ein An-
stoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen
Erinnerung: daß der/ welcher keinem Theile
beypflichtet/ von oben den Staub/ von unten
den Rauch aufnehmen müsse.

Alle fünf Hauffen waren nunmehr/ wiewol
Glieder-weise zusammen vermischet; als
die Blumen-Göttin sie herzu rennende von
sammen trennete/ und ihnen singende den Jrr-
thum benaam; da sie den Vorzug der Blume
allein an ihrer Farbe zu bestehen vermeinten.
Die Farben hätten nichts minder in Blu-
men/ als im Menschen ihre veränderliche
Eitelkeit. Jene entfärbte der Winter/ wie
diese das Alter; jener Blätter kriegten nichts
minder Runtzeln/ als dieser Wangen. Ja die
Aeffin der Natur/ die Kunst/ wüste gleich einer
zaubernden Circe den Schnee der Blumen in
Scharlach/ das Gold in Zinober/ in Schma-
ragd/ und alle andere Farben zu verwandeln.
Die dürren Tannzappen kehrten schneeweisse
[Spaltenumbruch] Blumen-Kinder in Mohren/ der Rauten-
Safft machte sie grün/ die Kornblume blau/ wenn
sie nebst Eßig und Saltze in ihre Schaf-Tin-
gung gemengt würde. Eine Blume strieche
der andern eine Farbe an; das Haar des Saff-
rans könte durch daraus gemachte Netzung die
Lilgen bepurpern; hingegen der Schwefel die
fast brennenden blaß machen; ihre Zwiebeln
wären fast so geschickt alle Farben/ als das
Wachs jede Gestalt anzunehmen/ und die
Schwämme die Feuchtigkeiten einzutrincken.
Ja die Kunst erkühnte sich einem Blumen-
Stengel gantz anders gefärbte Blumen-Zwei-
ge nicht anders/ als einem einäugichten Ari-
masper mehr Augen einzusetzen/ und selbten zu
vieräugichten Mohren/ wo nicht gar zu einem
hundert-äugichten Argos zu machen. Daher
kleidete sich die Anemone bald weiß/ bald roth/
bald blau/ bald Pfirschken-blütig aus. Die
Nelcken prangten mit so viel Farben/ als der
Himmel mit Sternen. Die Hyacinthen wä-
ren nicht verliebter in blau als in weiß. Die
Lilgen und Tulipanen spielten mit einer Farbe/
wie mit der andern. Diesemnach müste fast
jede Blume wider sich selbst in Krieg ziehen.
Bey solcher Bewandnüs/ und da zumal die
Schmincke den Blumen so gemein/ als dem
Frauen-Zimmer wäre/ sey der Blumen Preiß
nicht auf ein beyfällig und veränderlich Ding
der bloßen Farbe/ sondern auf ihr gantzes We-
sen zu sätzen/ also zugleich auf den Geruch/ auf
die Vielheit der Blätter und ihre innerliche
Krafft zu sehen. Wer aber alle Schätzbarkeit
der unbeständigen Farbe zueignete/ handelte so
unvernünfftig/ als welcher der so wol garstig-
als langsamen Schnecken zerbrechliche Häu-
ser dem Golde/ und das Flosern-Holtz dem Sil-
ber fürzüge; welches nur desthalben für kostbar
geachtet würde; weil das unglückliche Wachs-
thum einen Baum in so viel Knoten verdreht
hätte. Dieser Vortrag sätzte die Blumen in
die euserste Verwirrung. Denn weil an ei-

nem
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Arminius und thußnelda.
[Spaltenumbruch] Farben begabt/ ja die Geſtirne ſelbſt nicht ein-
ander gleiche gemacht. Dieſer Wuͤrde halber
haͤtten etlicher Voͤlcker Geſaͤtze niemanden/
als den Prieſtern/ weil ſie goͤttliche Stellen
vertraͤten/ ſcheckichte Kleider zu tragen erlaubet.
Und alle kraͤfftige Blumen nehmen entweder
zugleich/ oder nach und nach unterſchiedene
Farben an. Nach dieſem annehmlich-geſun-
genem Wort-Streite geriethen ſie wieder zu
einem neuen Blumen-Gefechte; indem an-
fangs der blaue Hauffe von denen geſammten
vier andern angegrieffen/ und aus ſeiner Mitte
getrieben ward. Dieſe behaupteten die weiſ-
ſen Blumen; ſahen ſich aber alſofort von de-
nen vier mißguͤnſtigen andern angefeindet;
alſo daß hierauf die gelben/ hernach die rothen/
endlich die bundten das Mittel einnahmen;
als inzwiſchen dieſes Gluͤcks-Wechſels halber
die weiſſen und gelben gegen die blauen und
rothen ein Buͤndnuͤs machten. Bey welcher
Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel
zu haben vermeinten; aber ſie blieben ein An-
ſtoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen
Erinnerung: daß der/ welcher keinem Theile
beypflichtet/ von oben den Staub/ von unten
den Rauch aufnehmen muͤſſe.

Alle fuͤnf Hauffen waren nunmehr/ wiewol
Glieder-weiſe zuſammen vermiſchet; als
die Blumen-Goͤttin ſie herzu rennende von
ſammen trennete/ und ihnen ſingende den Jrꝛ-
thum benaam; da ſie den Vorzug der Blume
allein an ihrer Farbe zu beſtehen vermeinten.
Die Farben haͤtten nichts minder in Blu-
men/ als im Menſchen ihre veraͤnderliche
Eitelkeit. Jene entfaͤrbte der Winter/ wie
dieſe das Alter; jener Blaͤtter kriegten nichts
minder Runtzeln/ als dieſer Wangen. Ja die
Aeffin der Natur/ die Kunſt/ wuͤſte gleich einer
zaubernden Circe den Schnee der Blumen in
Scharlach/ das Gold in Zinober/ in Schma-
ragd/ und alle andere Farben zu verwandeln.
Die duͤrren Tannzappen kehrten ſchneeweiſſe
[Spaltenumbruch] Blumen-Kinder in Mohren/ der Rauten-
Safft machte ſie gruͤn/ die Kornblume blau/ weñ
ſie nebſt Eßig und Saltze in ihre Schaf-Tin-
gung gemengt wuͤrde. Eine Blume ſtrieche
der andern eine Farbe an; das Haar des Saff-
rans koͤnte durch daraus gemachte Netzung die
Lilgen bepurpern; hingegen der Schwefel die
faſt brennenden blaß machen; ihre Zwiebeln
waͤren faſt ſo geſchickt alle Farben/ als das
Wachs jede Geſtalt anzunehmen/ und die
Schwaͤmme die Feuchtigkeiten einzutrincken.
Ja die Kunſt erkuͤhnte ſich einem Blumen-
Stengel gantz anders gefaͤrbte Blumen-Zwei-
ge nicht anders/ als einem einaͤugichten Ari-
maſper mehr Augen einzuſetzen/ und ſelbten zu
vieraͤugichten Mohren/ wo nicht gar zu einem
hundert-aͤugichten Argos zu machen. Daher
kleidete ſich die Anemone bald weiß/ bald roth/
bald blau/ bald Pfirſchken-bluͤtig aus. Die
Nelcken prangten mit ſo viel Farben/ als der
Himmel mit Sternen. Die Hyacinthen waͤ-
ren nicht verliebter in blau als in weiß. Die
Lilgen und Tulipanen ſpielten mit einer Farbe/
wie mit der andern. Dieſemnach muͤſte faſt
jede Blume wider ſich ſelbſt in Krieg ziehen.
Bey ſolcher Bewandnuͤs/ und da zumal die
Schmincke den Blumen ſo gemein/ als dem
Frauen-Zimmer waͤre/ ſey der Blumen Preiß
nicht auf ein beyfaͤllig und veraͤnderlich Ding
der bloßen Farbe/ ſondern auf ihr gantzes We-
ſen zu ſaͤtzen/ alſo zugleich auf den Geruch/ auf
die Vielheit der Blaͤtter und ihre innerliche
Krafft zu ſehen. Wer aber alle Schaͤtzbarkeit
der unbeſtaͤndigen Farbe zueignete/ handelte ſo
unvernuͤnfftig/ als welcher der ſo wol garſtig-
als langſamen Schnecken zerbrechliche Haͤu-
ſer dem Golde/ und das Floſern-Holtz dem Sil-
ber fuͤrzuͤge; welches nur deſthalben fuͤr koſtbar
geachtet wuͤrde; weil das ungluͤckliche Wachs-
thum einen Baum in ſo viel Knoten verdreht
haͤtte. Dieſer Vortrag ſaͤtzte die Blumen in
die euſerſte Verwirrung. Denn weil an ei-

nem
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1395[1397]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1463>, abgerufen am 23.11.2024.