Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und thußnelda. [Spaltenumbruch]
Farben begabt/ ja die Gestirne selbst nicht ein-ander gleiche gemacht. Dieser Würde halber hätten etlicher Völcker Gesätze niemanden/ als den Priestern/ weil sie göttliche Stellen verträten/ scheckichte Kleider zu tragen erlaubet. Und alle kräfftige Blumen nehmen entweder zugleich/ oder nach und nach unterschiedene Farben an. Nach diesem annehmlich-gesun- genem Wort-Streite geriethen sie wieder zu einem neuen Blumen-Gefechte; indem an- fangs der blaue Hauffe von denen gesammten vier andern angegrieffen/ und aus seiner Mitte getrieben ward. Diese behaupteten die weis- sen Blumen; sahen sich aber alsofort von de- nen vier mißgünstigen andern angefeindet; also daß hierauf die gelben/ hernach die rothen/ endlich die bundten das Mittel einnahmen; als inzwischen dieses Glücks-Wechsels halber die weissen und gelben gegen die blauen und rothen ein Bündnüs machten. Bey welcher Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel zu haben vermeinten; aber sie blieben ein An- stoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen Erinnerung: daß der/ welcher keinem Theile beypflichtet/ von oben den Staub/ von unten den Rauch aufnehmen müsse. Alle fünf Hauffen waren nunmehr/ wiewol nem O o o o o o o o 2
Arminius und thußnelda. [Spaltenumbruch]
Farben begabt/ ja die Geſtirne ſelbſt nicht ein-ander gleiche gemacht. Dieſer Wuͤrde halber haͤtten etlicher Voͤlcker Geſaͤtze niemanden/ als den Prieſtern/ weil ſie goͤttliche Stellen vertraͤten/ ſcheckichte Kleider zu tragen erlaubet. Und alle kraͤfftige Blumen nehmen entweder zugleich/ oder nach und nach unterſchiedene Farben an. Nach dieſem annehmlich-geſun- genem Wort-Streite geriethen ſie wieder zu einem neuen Blumen-Gefechte; indem an- fangs der blaue Hauffe von denen geſammten vier andern angegrieffen/ und aus ſeiner Mitte getrieben ward. Dieſe behaupteten die weiſ- ſen Blumen; ſahen ſich aber alſofort von de- nen vier mißguͤnſtigen andern angefeindet; alſo daß hierauf die gelben/ hernach die rothen/ endlich die bundten das Mittel einnahmen; als inzwiſchen dieſes Gluͤcks-Wechſels halber die weiſſen und gelben gegen die blauen und rothen ein Buͤndnuͤs machten. Bey welcher Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel zu haben vermeinten; aber ſie blieben ein An- ſtoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen Erinnerung: daß der/ welcher keinem Theile beypflichtet/ von oben den Staub/ von unten den Rauch aufnehmen muͤſſe. Alle fuͤnf Hauffen waren nunmehr/ wiewol nem O o o o o o o o 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1463" n="1395[1397]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> Farben begabt/ ja die Geſtirne ſelbſt nicht ein-<lb/> ander gleiche gemacht. Dieſer Wuͤrde halber<lb/> haͤtten etlicher Voͤlcker Geſaͤtze niemanden/<lb/> als den Prieſtern/ weil ſie goͤttliche Stellen<lb/> vertraͤten/ ſcheckichte Kleider zu tragen erlaubet.<lb/> Und alle kraͤfftige Blumen nehmen entweder<lb/> zugleich/ oder nach und nach unterſchiedene<lb/> Farben an. Nach dieſem annehmlich-geſun-<lb/> genem Wort-Streite geriethen ſie wieder zu<lb/> einem neuen Blumen-Gefechte; indem an-<lb/> fangs der blaue Hauffe von denen geſammten<lb/> vier andern angegrieffen/ und aus ſeiner Mitte<lb/> getrieben ward. Dieſe behaupteten die weiſ-<lb/> ſen Blumen; ſahen ſich aber alſofort von de-<lb/> nen vier mißguͤnſtigen andern angefeindet;<lb/> alſo daß hierauf die gelben/ hernach die rothen/<lb/> endlich die bundten das Mittel einnahmen;<lb/> als inzwiſchen dieſes Gluͤcks-Wechſels halber<lb/> die weiſſen und gelben gegen die blauen und<lb/> rothen ein Buͤndnuͤs machten. Bey welcher<lb/> Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel<lb/> zu haben vermeinten; aber ſie blieben ein An-<lb/> ſtoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen<lb/> Erinnerung: daß der/ welcher keinem Theile<lb/> beypflichtet/ von oben den Staub/ von unten<lb/> den Rauch aufnehmen muͤſſe.</p><lb/> <p>Alle fuͤnf Hauffen waren nunmehr/ wiewol<lb/> Glieder-weiſe zuſammen vermiſchet; als<lb/> die Blumen-Goͤttin ſie herzu rennende von<lb/> ſammen trennete/ und ihnen ſingende den Jrꝛ-<lb/> thum benaam; da ſie den Vorzug der Blume<lb/> allein an ihrer Farbe zu beſtehen vermeinten.<lb/> Die Farben haͤtten nichts minder in Blu-<lb/> men/ als im Menſchen ihre veraͤnderliche<lb/> Eitelkeit. Jene entfaͤrbte der Winter/ wie<lb/> dieſe das Alter; jener Blaͤtter kriegten nichts<lb/> minder Runtzeln/ als dieſer Wangen. Ja die<lb/> Aeffin der Natur/ die Kunſt/ wuͤſte gleich einer<lb/> zaubernden Circe den Schnee der Blumen in<lb/> Scharlach/ das Gold in Zinober/ in Schma-<lb/> ragd/ und alle andere Farben zu verwandeln.<lb/> Die duͤrren Tannzappen kehrten ſchneeweiſſe<lb/><cb/> Blumen-Kinder in Mohren/ der Rauten-<lb/> Safft machte ſie gruͤn/ die Kornblume blau/ weñ<lb/> ſie nebſt Eßig und Saltze in ihre Schaf-Tin-<lb/> gung gemengt wuͤrde. Eine Blume ſtrieche<lb/> der andern eine Farbe an; das Haar des Saff-<lb/> rans koͤnte durch daraus gemachte Netzung die<lb/> Lilgen bepurpern; hingegen der Schwefel die<lb/> faſt brennenden blaß machen; ihre Zwiebeln<lb/> waͤren faſt ſo geſchickt alle Farben/ als das<lb/> Wachs jede Geſtalt anzunehmen/ und die<lb/> Schwaͤmme die Feuchtigkeiten einzutrincken.<lb/> Ja die Kunſt erkuͤhnte ſich einem Blumen-<lb/> Stengel gantz anders gefaͤrbte Blumen-Zwei-<lb/> ge nicht anders/ als einem einaͤugichten Ari-<lb/> maſper mehr Augen einzuſetzen/ und ſelbten zu<lb/> vieraͤugichten Mohren/ wo nicht gar zu einem<lb/> hundert-aͤugichten Argos zu machen. Daher<lb/> kleidete ſich die Anemone bald weiß/ bald roth/<lb/> bald blau/ bald Pfirſchken-bluͤtig aus. Die<lb/> Nelcken prangten mit ſo viel Farben/ als der<lb/> Himmel mit Sternen. Die Hyacinthen waͤ-<lb/> ren nicht verliebter in blau als in weiß. Die<lb/> Lilgen und Tulipanen ſpielten mit einer Farbe/<lb/> wie mit der andern. Dieſemnach muͤſte faſt<lb/> jede Blume wider ſich ſelbſt in Krieg ziehen.<lb/> Bey ſolcher Bewandnuͤs/ und da zumal die<lb/> Schmincke den Blumen ſo gemein/ als dem<lb/> Frauen-Zimmer waͤre/ ſey der Blumen Preiß<lb/> nicht auf ein beyfaͤllig und veraͤnderlich Ding<lb/> der bloßen Farbe/ ſondern auf ihr gantzes We-<lb/> ſen zu ſaͤtzen/ alſo zugleich auf den Geruch/ auf<lb/> die Vielheit der Blaͤtter und ihre innerliche<lb/> Krafft zu ſehen. Wer aber alle Schaͤtzbarkeit<lb/> der unbeſtaͤndigen Farbe zueignete/ handelte ſo<lb/> unvernuͤnfftig/ als welcher der ſo wol garſtig-<lb/> als langſamen Schnecken zerbrechliche Haͤu-<lb/> ſer dem Golde/ und das Floſern-Holtz dem Sil-<lb/> ber fuͤrzuͤge; welches nur deſthalben fuͤr koſtbar<lb/> geachtet wuͤrde; weil das ungluͤckliche Wachs-<lb/> thum einen Baum in ſo viel Knoten verdreht<lb/> haͤtte. Dieſer Vortrag ſaͤtzte die Blumen in<lb/> die euſerſte Verwirrung. Denn weil an ei-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">O o o o o o o o 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nem</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1395[1397]/1463]
Arminius und thußnelda.
Farben begabt/ ja die Geſtirne ſelbſt nicht ein-
ander gleiche gemacht. Dieſer Wuͤrde halber
haͤtten etlicher Voͤlcker Geſaͤtze niemanden/
als den Prieſtern/ weil ſie goͤttliche Stellen
vertraͤten/ ſcheckichte Kleider zu tragen erlaubet.
Und alle kraͤfftige Blumen nehmen entweder
zugleich/ oder nach und nach unterſchiedene
Farben an. Nach dieſem annehmlich-geſun-
genem Wort-Streite geriethen ſie wieder zu
einem neuen Blumen-Gefechte; indem an-
fangs der blaue Hauffe von denen geſammten
vier andern angegrieffen/ und aus ſeiner Mitte
getrieben ward. Dieſe behaupteten die weiſ-
ſen Blumen; ſahen ſich aber alſofort von de-
nen vier mißguͤnſtigen andern angefeindet;
alſo daß hierauf die gelben/ hernach die rothen/
endlich die bundten das Mittel einnahmen;
als inzwiſchen dieſes Gluͤcks-Wechſels halber
die weiſſen und gelben gegen die blauen und
rothen ein Buͤndnuͤs machten. Bey welcher
Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel
zu haben vermeinten; aber ſie blieben ein An-
ſtoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen
Erinnerung: daß der/ welcher keinem Theile
beypflichtet/ von oben den Staub/ von unten
den Rauch aufnehmen muͤſſe.
Alle fuͤnf Hauffen waren nunmehr/ wiewol
Glieder-weiſe zuſammen vermiſchet; als
die Blumen-Goͤttin ſie herzu rennende von
ſammen trennete/ und ihnen ſingende den Jrꝛ-
thum benaam; da ſie den Vorzug der Blume
allein an ihrer Farbe zu beſtehen vermeinten.
Die Farben haͤtten nichts minder in Blu-
men/ als im Menſchen ihre veraͤnderliche
Eitelkeit. Jene entfaͤrbte der Winter/ wie
dieſe das Alter; jener Blaͤtter kriegten nichts
minder Runtzeln/ als dieſer Wangen. Ja die
Aeffin der Natur/ die Kunſt/ wuͤſte gleich einer
zaubernden Circe den Schnee der Blumen in
Scharlach/ das Gold in Zinober/ in Schma-
ragd/ und alle andere Farben zu verwandeln.
Die duͤrren Tannzappen kehrten ſchneeweiſſe
Blumen-Kinder in Mohren/ der Rauten-
Safft machte ſie gruͤn/ die Kornblume blau/ weñ
ſie nebſt Eßig und Saltze in ihre Schaf-Tin-
gung gemengt wuͤrde. Eine Blume ſtrieche
der andern eine Farbe an; das Haar des Saff-
rans koͤnte durch daraus gemachte Netzung die
Lilgen bepurpern; hingegen der Schwefel die
faſt brennenden blaß machen; ihre Zwiebeln
waͤren faſt ſo geſchickt alle Farben/ als das
Wachs jede Geſtalt anzunehmen/ und die
Schwaͤmme die Feuchtigkeiten einzutrincken.
Ja die Kunſt erkuͤhnte ſich einem Blumen-
Stengel gantz anders gefaͤrbte Blumen-Zwei-
ge nicht anders/ als einem einaͤugichten Ari-
maſper mehr Augen einzuſetzen/ und ſelbten zu
vieraͤugichten Mohren/ wo nicht gar zu einem
hundert-aͤugichten Argos zu machen. Daher
kleidete ſich die Anemone bald weiß/ bald roth/
bald blau/ bald Pfirſchken-bluͤtig aus. Die
Nelcken prangten mit ſo viel Farben/ als der
Himmel mit Sternen. Die Hyacinthen waͤ-
ren nicht verliebter in blau als in weiß. Die
Lilgen und Tulipanen ſpielten mit einer Farbe/
wie mit der andern. Dieſemnach muͤſte faſt
jede Blume wider ſich ſelbſt in Krieg ziehen.
Bey ſolcher Bewandnuͤs/ und da zumal die
Schmincke den Blumen ſo gemein/ als dem
Frauen-Zimmer waͤre/ ſey der Blumen Preiß
nicht auf ein beyfaͤllig und veraͤnderlich Ding
der bloßen Farbe/ ſondern auf ihr gantzes We-
ſen zu ſaͤtzen/ alſo zugleich auf den Geruch/ auf
die Vielheit der Blaͤtter und ihre innerliche
Krafft zu ſehen. Wer aber alle Schaͤtzbarkeit
der unbeſtaͤndigen Farbe zueignete/ handelte ſo
unvernuͤnfftig/ als welcher der ſo wol garſtig-
als langſamen Schnecken zerbrechliche Haͤu-
ſer dem Golde/ und das Floſern-Holtz dem Sil-
ber fuͤrzuͤge; welches nur deſthalben fuͤr koſtbar
geachtet wuͤrde; weil das ungluͤckliche Wachs-
thum einen Baum in ſo viel Knoten verdreht
haͤtte. Dieſer Vortrag ſaͤtzte die Blumen in
die euſerſte Verwirrung. Denn weil an ei-
nem
O o o o o o o o 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |