Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Diese leisteten solchem Befehl unverzügliche
Folge/ fanden aber zu ihrer grösten Bestürtzung
Klodomirn und den Astinabes schon in dem Kö-
niglichen Zimmer/ woraus sie ihnen selbst also-
fort ein seltzames Abentheur wahrsagten. Bey
ihrer Erscheinung eröffnete Marcomir alsofort
dieses Urtheil: Gott hätte ihn mit einer Schwe-
ster und Tochter/ die Reichs-Gesetze Britanni-
ens aber mit dieser Gewalt begabt/ daß er selbte
nach seinem Gutbedüncken durch Verehligung
nicht allein versorgen/ sondern auch die Wohl-
farth selbten Reichs hierdurch befördern möchte:
Weil nun zwey so vortreffliche Fürsten bey ihm
um sie Werbung thäten/ könte er dem Ver-
hängnüsse nicht widerstreben. Dahero er-
klärte er hiermit aus unverschrenckter Gewalt/
daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und
zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun-
gen/ Olorene Astinaben offentlich solte ver-
mählet werden. Klodomir und Astinabes be-
zeugten mit tieffster Ehrerbiettung ihre hierü-
ber geschöpffte Vergnügung. Riame und O-
lorene hörten iedes Wort als einen absondern
Donnerschlag an/ iedoch mit einem stillschwei-
genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff-
tigkeit auch denselben Schmertz auszulassen hin-
dert/ zu dem man gleich Ursache hat/ theils weil
sie besorgten/ daß sie durch ihre Ungeberdung
die/ mit welchen sie in ein unaufflößliches
Bündniß treten solten/ nicht zu sehr erherbe-
ten/ und daß Marcomir ihre Thränen nicht
für eine Hartnäckigkeit auffnehme. Wie nun
der Schmertz/ den man nicht mercken lassen
darff/ und der Eyfer/ den man in sich fressen
muß/ sich in sich selbst vergrössert/ also konten
sie sich nach genommenem Abtritte Klodomirs
und Astinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß
sie Marcomirn mit Vergiessung vieler Thrä-
nen zu Füssen fielen und baten: da man ihnen
ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche sich
an sich selbst nicht zwingen liesse/ verschrencken
wolte/ solte man doch ihre Gemüther nicht dero-
[Spaltenumbruch] gestalt übereilen/ sondern zu deren Beruhigung
einige Zeit enträumen. Marcomir aber ant-
wortete ihnen mit ernsthaffter Geberdung: Sie
solten entwerffen/ was sie der Vollkommen-
heit zweyer so grossen Fürsten für Mängel aus-
zustellen hätten. Sie könten beyde des Her-
tzog Friedebalds nicht fähig werden/ der einen
Zuneigung aber müste nicht zu der andern Un-
vergnügen ausschlagen. Gemeinen Leuten
müste man das Joch ihrer Unterthänigkeit da-
durch verzuckern/ daß sie nach wohlgestalter
Bildung/ nach gleichgesitteter Art und ihrem
Triebe heyrathen möchten; Königen aber wür-
de es so gut nicht/ und Fürstinnen müsten nach
dieser Süßigkeit nicht lüstern werden/ sondern
sich diesen Kützel vergehen lassen. Die Wohl-
farth des Reichs erforderte mehrmahls einer
Helena einen ungestalten Zwerg/ einer klugen
Penelope einen albern Träumer durch dieses
heilige Band anzutrauen. Der wäre der
schönste Bräutigam/ welcher der Staats-
Klugheit gefällt/ und die festeste Schwäger-
schafft/ die das Reich befestigt. Olorene be-
gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be-
scheidenheit: Es wäre nicht ohne/ daß Könige
ihren Töchtern und Schwestern insgemein
niemahls gesehene/ weniger beliebte Männer
auffzudringen pflegten/ und sie zu Pfeilern
und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha-
men fremde Länder zu fischen/ ja zuweilen wohl
zu Larven ihrer verborgenen Feindschafft
brauchten. Alleine sie erlangten dardurch sel-
ten ihren Zweck/ stürtzten aber hierdurch ihr ei-
genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin-
temahl das Band der Anverwandniß viel zu
schwach sey/ die Auffblehungen der Regiersucht
zu dämpffen/ und die Schwägerschafften/ wel-
che nur wenig Personen verknüpffen/ den
Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran so viel
tausenden gelegen ist. Sie verhüllten zwar auf
eine kurtze Zeit die Abneigungen/ wären aber
viel zu schwach/ den zwischen ein und anderm

Fürst-

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Dieſe leiſteten ſolchem Befehl unverzuͤgliche
Folge/ fanden aber zu ihrer groͤſten Beſtuͤrtzung
Klodomirn und den Aſtinabes ſchon in dem Koͤ-
niglichen Zimmer/ woraus ſie ihnen ſelbſt alſo-
fort ein ſeltzames Abentheur wahrſagten. Bey
ihrer Erſcheinung eroͤffnete Marcomir alſofort
dieſes Urtheil: Gott haͤtte ihn mit einer Schwe-
ſter und Tochter/ die Reichs-Geſetze Britanni-
ens aber mit dieſer Gewalt begabt/ daß er ſelbte
nach ſeinem Gutbeduͤncken durch Verehligung
nicht allein verſorgen/ ſondern auch die Wohl-
farth ſelbten Reichs hierdurch befoͤrdern moͤchte:
Weil nun zwey ſo vortreffliche Fuͤrſten bey ihm
um ſie Werbung thaͤten/ koͤnte er dem Ver-
haͤngnuͤſſe nicht widerſtreben. Dahero er-
klaͤrte er hiermit aus unverſchrenckter Gewalt/
daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und
zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun-
gen/ Olorene Aſtinaben offentlich ſolte ver-
maͤhlet werden. Klodomir und Aſtinabes be-
zeugten mit tieffſter Ehrerbiettung ihre hieruͤ-
ber geſchoͤpffte Vergnuͤgung. Riame und O-
lorene hoͤrten iedes Wort als einen abſondern
Donnerſchlag an/ iedoch mit einem ſtillſchwei-
genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff-
tigkeit auch denſelben Schmertz auszulaſſen hin-
dert/ zu dem man gleich Urſache hat/ theils weil
ſie beſorgten/ daß ſie durch ihre Ungeberdung
die/ mit welchen ſie in ein unauffloͤßliches
Buͤndniß treten ſolten/ nicht zu ſehr erherbe-
ten/ und daß Marcomir ihre Thraͤnen nicht
fuͤr eine Hartnaͤckigkeit auffnehme. Wie nun
der Schmertz/ den man nicht mercken laſſen
darff/ und der Eyfer/ den man in ſich freſſen
muß/ ſich in ſich ſelbſt vergroͤſſert/ alſo konten
ſie ſich nach genommenem Abtritte Klodomirs
und Aſtinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß
ſie Marcomirn mit Vergieſſung vieler Thraͤ-
nen zu Fuͤſſen fielen und baten: da man ihnen
ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche ſich
an ſich ſelbſt nicht zwingen lieſſe/ verſchrencken
wolte/ ſolte man doch ihre Gemuͤther nicht dero-
[Spaltenumbruch] geſtalt uͤbereilen/ ſondern zu deren Beruhigung
einige Zeit entraͤumen. Marcomir aber ant-
wortete ihnen mit ernſthaffter Geberdung: Sie
ſolten entwerffen/ was ſie der Vollkommen-
heit zweyer ſo groſſen Fuͤrſten fuͤr Maͤngel aus-
zuſtellen haͤtten. Sie koͤnten beyde des Her-
tzog Friedebalds nicht faͤhig werden/ der einen
Zuneigung aber muͤſte nicht zu der andern Un-
vergnuͤgen ausſchlagen. Gemeinen Leuten
muͤſte man das Joch ihrer Unterthaͤnigkeit da-
durch verzuckern/ daß ſie nach wohlgeſtalter
Bildung/ nach gleichgeſitteter Art und ihrem
Triebe heyrathen moͤchten; Koͤnigen aber wuͤr-
de es ſo gut nicht/ und Fuͤrſtinnen muͤſten nach
dieſer Suͤßigkeit nicht luͤſtern werden/ ſondern
ſich dieſen Kuͤtzel vergehen laſſen. Die Wohl-
farth des Reichs erforderte mehrmahls einer
Helena einen ungeſtalten Zwerg/ einer klugen
Penelope einen albern Traͤumer durch dieſes
heilige Band anzutrauen. Der waͤre der
ſchoͤnſte Braͤutigam/ welcher der Staats-
Klugheit gefaͤllt/ und die feſteſte Schwaͤger-
ſchafft/ die das Reich befeſtigt. Olorene be-
gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be-
ſcheidenheit: Es waͤre nicht ohne/ daß Koͤnige
ihren Toͤchtern und Schweſtern insgemein
niemahls geſehene/ weniger beliebte Maͤnner
auffzudringen pflegten/ und ſie zu Pfeilern
und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha-
men fremde Laͤnder zu fiſchen/ ja zuweilen wohl
zu Larven ihrer verborgenen Feindſchafft
brauchten. Alleine ſie erlangten dardurch ſel-
ten ihren Zweck/ ſtuͤrtzten aber hierdurch ihr ei-
genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin-
temahl das Band der Anverwandniß viel zu
ſchwach ſey/ die Auffblehungen der Regierſucht
zu daͤmpffen/ und die Schwaͤgerſchafften/ wel-
che nur wenig Perſonen verknuͤpffen/ den
Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran ſo viel
tauſenden gelegen iſt. Sie verhuͤllten zwar auf
eine kurtze Zeit die Abneigungen/ waͤren aber
viel zu ſchwach/ den zwiſchen ein und anderm

Fuͤrſt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Die&#x017F;e lei&#x017F;teten &#x017F;olchem Befehl unverzu&#x0364;gliche<lb/>
Folge/ fanden aber zu ihrer gro&#x0364;&#x017F;ten Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung<lb/>
Klodomirn und den A&#x017F;tinabes &#x017F;chon in dem Ko&#x0364;-<lb/>
niglichen Zimmer/ woraus &#x017F;ie ihnen &#x017F;elb&#x017F;t al&#x017F;o-<lb/>
fort ein &#x017F;eltzames Abentheur wahr&#x017F;agten. Bey<lb/>
ihrer Er&#x017F;cheinung ero&#x0364;ffnete Marcomir al&#x017F;ofort<lb/>
die&#x017F;es Urtheil: Gott ha&#x0364;tte ihn mit einer Schwe-<lb/>
&#x017F;ter und Tochter/ die Reichs-Ge&#x017F;etze Britanni-<lb/>
ens aber mit die&#x017F;er Gewalt begabt/ daß er &#x017F;elbte<lb/>
nach &#x017F;einem Gutbedu&#x0364;ncken durch Verehligung<lb/>
nicht allein ver&#x017F;orgen/ &#x017F;ondern auch die Wohl-<lb/>
farth &#x017F;elbten Reichs hierdurch befo&#x0364;rdern mo&#x0364;chte:<lb/>
Weil nun zwey &#x017F;o vortreffliche Fu&#x0364;r&#x017F;ten bey ihm<lb/>
um &#x017F;ie Werbung tha&#x0364;ten/ ko&#x0364;nte er dem Ver-<lb/>
ha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nicht wider&#x017F;treben. Dahero er-<lb/>
kla&#x0364;rte er hiermit aus unver&#x017F;chrenckter Gewalt/<lb/>
daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und<lb/>
zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun-<lb/>
gen/ Olorene A&#x017F;tinaben offentlich &#x017F;olte ver-<lb/>
ma&#x0364;hlet werden. Klodomir und A&#x017F;tinabes be-<lb/>
zeugten mit tieff&#x017F;ter Ehrerbiettung ihre hieru&#x0364;-<lb/>
ber ge&#x017F;cho&#x0364;pffte Vergnu&#x0364;gung. Riame und O-<lb/>
lorene ho&#x0364;rten iedes Wort als einen ab&#x017F;ondern<lb/>
Donner&#x017F;chlag an/ iedoch mit einem &#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/>
genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff-<lb/>
tigkeit auch den&#x017F;elben Schmertz auszula&#x017F;&#x017F;en hin-<lb/>
dert/ zu dem man gleich Ur&#x017F;ache hat/ theils weil<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;orgten/ daß &#x017F;ie durch ihre Ungeberdung<lb/>
die/ mit welchen &#x017F;ie in ein unaufflo&#x0364;ßliches<lb/>
Bu&#x0364;ndniß treten &#x017F;olten/ nicht zu &#x017F;ehr erherbe-<lb/>
ten/ und daß Marcomir ihre Thra&#x0364;nen nicht<lb/>
fu&#x0364;r eine Hartna&#x0364;ckigkeit auffnehme. Wie nun<lb/>
der Schmertz/ den man nicht mercken la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
darff/ und der Eyfer/ den man in &#x017F;ich fre&#x017F;&#x017F;en<lb/>
muß/ &#x017F;ich in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert/ al&#x017F;o konten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nach genommenem Abtritte Klodomirs<lb/>
und A&#x017F;tinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß<lb/>
&#x017F;ie Marcomirn mit Vergie&#x017F;&#x017F;ung vieler Thra&#x0364;-<lb/>
nen zu Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en fielen und baten: da man ihnen<lb/>
ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche &#x017F;ich<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht zwingen lie&#x017F;&#x017F;e/ ver&#x017F;chrencken<lb/>
wolte/ &#x017F;olte man doch ihre Gemu&#x0364;ther nicht dero-<lb/><cb/>
ge&#x017F;talt u&#x0364;bereilen/ &#x017F;ondern zu deren Beruhigung<lb/>
einige Zeit entra&#x0364;umen. Marcomir aber ant-<lb/>
wortete ihnen mit ern&#x017F;thaffter Geberdung: Sie<lb/>
&#x017F;olten entwerffen/ was &#x017F;ie der Vollkommen-<lb/>
heit zweyer &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Fu&#x0364;r&#x017F;ten fu&#x0364;r Ma&#x0364;ngel aus-<lb/>
zu&#x017F;tellen ha&#x0364;tten. Sie ko&#x0364;nten beyde des Her-<lb/>
tzog Friedebalds nicht fa&#x0364;hig werden/ der einen<lb/>
Zuneigung aber mu&#x0364;&#x017F;te nicht zu der andern Un-<lb/>
vergnu&#x0364;gen aus&#x017F;chlagen. Gemeinen Leuten<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te man das Joch ihrer Untertha&#x0364;nigkeit da-<lb/>
durch verzuckern/ daß &#x017F;ie nach wohlge&#x017F;talter<lb/>
Bildung/ nach gleichge&#x017F;itteter Art und ihrem<lb/>
Triebe heyrathen mo&#x0364;chten; Ko&#x0364;nigen aber wu&#x0364;r-<lb/>
de es &#x017F;o gut nicht/ und Fu&#x0364;r&#x017F;tinnen mu&#x0364;&#x017F;ten nach<lb/>
die&#x017F;er Su&#x0364;ßigkeit nicht lu&#x0364;&#x017F;tern werden/ &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;en Ku&#x0364;tzel vergehen la&#x017F;&#x017F;en. Die Wohl-<lb/>
farth des Reichs erforderte mehrmahls einer<lb/>
Helena einen unge&#x017F;talten Zwerg/ einer klugen<lb/>
Penelope einen albern Tra&#x0364;umer durch die&#x017F;es<lb/>
heilige Band anzutrauen. Der wa&#x0364;re der<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Bra&#x0364;utigam/ welcher der Staats-<lb/>
Klugheit gefa&#x0364;llt/ und die fe&#x017F;te&#x017F;te Schwa&#x0364;ger-<lb/>
&#x017F;chafft/ die das Reich befe&#x017F;tigt. Olorene be-<lb/>
gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be-<lb/>
&#x017F;cheidenheit: Es wa&#x0364;re nicht ohne/ daß Ko&#x0364;nige<lb/>
ihren To&#x0364;chtern und Schwe&#x017F;tern insgemein<lb/>
niemahls ge&#x017F;ehene/ weniger beliebte Ma&#x0364;nner<lb/>
auffzudringen pflegten/ und &#x017F;ie zu Pfeilern<lb/>
und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha-<lb/>
men fremde La&#x0364;nder zu fi&#x017F;chen/ ja zuweilen wohl<lb/>
zu Larven ihrer verborgenen Feind&#x017F;chafft<lb/>
brauchten. Alleine &#x017F;ie erlangten dardurch &#x017F;el-<lb/>
ten ihren Zweck/ &#x017F;tu&#x0364;rtzten aber hierdurch ihr ei-<lb/>
genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin-<lb/>
temahl das Band der Anverwandniß viel zu<lb/>
&#x017F;chwach &#x017F;ey/ die Auffblehungen der Regier&#x017F;ucht<lb/>
zu da&#x0364;mpffen/ und die Schwa&#x0364;ger&#x017F;chafften/ wel-<lb/>
che nur wenig Per&#x017F;onen verknu&#x0364;pffen/ den<lb/>
Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran &#x017F;o viel<lb/>
tau&#x017F;enden gelegen i&#x017F;t. Sie verhu&#x0364;llten zwar auf<lb/>
eine kurtze Zeit die Abneigungen/ wa&#x0364;ren aber<lb/>
viel zu &#x017F;chwach/ den zwi&#x017F;chen ein und anderm<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fu&#x0364;r&#x017F;t-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0210] Anderes Buch Dieſe leiſteten ſolchem Befehl unverzuͤgliche Folge/ fanden aber zu ihrer groͤſten Beſtuͤrtzung Klodomirn und den Aſtinabes ſchon in dem Koͤ- niglichen Zimmer/ woraus ſie ihnen ſelbſt alſo- fort ein ſeltzames Abentheur wahrſagten. Bey ihrer Erſcheinung eroͤffnete Marcomir alſofort dieſes Urtheil: Gott haͤtte ihn mit einer Schwe- ſter und Tochter/ die Reichs-Geſetze Britanni- ens aber mit dieſer Gewalt begabt/ daß er ſelbte nach ſeinem Gutbeduͤncken durch Verehligung nicht allein verſorgen/ ſondern auch die Wohl- farth ſelbten Reichs hierdurch befoͤrdern moͤchte: Weil nun zwey ſo vortreffliche Fuͤrſten bey ihm um ſie Werbung thaͤten/ koͤnte er dem Ver- haͤngnuͤſſe nicht widerſtreben. Dahero er- klaͤrte er hiermit aus unverſchrenckter Gewalt/ daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun- gen/ Olorene Aſtinaben offentlich ſolte ver- maͤhlet werden. Klodomir und Aſtinabes be- zeugten mit tieffſter Ehrerbiettung ihre hieruͤ- ber geſchoͤpffte Vergnuͤgung. Riame und O- lorene hoͤrten iedes Wort als einen abſondern Donnerſchlag an/ iedoch mit einem ſtillſchwei- genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff- tigkeit auch denſelben Schmertz auszulaſſen hin- dert/ zu dem man gleich Urſache hat/ theils weil ſie beſorgten/ daß ſie durch ihre Ungeberdung die/ mit welchen ſie in ein unauffloͤßliches Buͤndniß treten ſolten/ nicht zu ſehr erherbe- ten/ und daß Marcomir ihre Thraͤnen nicht fuͤr eine Hartnaͤckigkeit auffnehme. Wie nun der Schmertz/ den man nicht mercken laſſen darff/ und der Eyfer/ den man in ſich freſſen muß/ ſich in ſich ſelbſt vergroͤſſert/ alſo konten ſie ſich nach genommenem Abtritte Klodomirs und Aſtinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß ſie Marcomirn mit Vergieſſung vieler Thraͤ- nen zu Fuͤſſen fielen und baten: da man ihnen ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche ſich an ſich ſelbſt nicht zwingen lieſſe/ verſchrencken wolte/ ſolte man doch ihre Gemuͤther nicht dero- geſtalt uͤbereilen/ ſondern zu deren Beruhigung einige Zeit entraͤumen. Marcomir aber ant- wortete ihnen mit ernſthaffter Geberdung: Sie ſolten entwerffen/ was ſie der Vollkommen- heit zweyer ſo groſſen Fuͤrſten fuͤr Maͤngel aus- zuſtellen haͤtten. Sie koͤnten beyde des Her- tzog Friedebalds nicht faͤhig werden/ der einen Zuneigung aber muͤſte nicht zu der andern Un- vergnuͤgen ausſchlagen. Gemeinen Leuten muͤſte man das Joch ihrer Unterthaͤnigkeit da- durch verzuckern/ daß ſie nach wohlgeſtalter Bildung/ nach gleichgeſitteter Art und ihrem Triebe heyrathen moͤchten; Koͤnigen aber wuͤr- de es ſo gut nicht/ und Fuͤrſtinnen muͤſten nach dieſer Suͤßigkeit nicht luͤſtern werden/ ſondern ſich dieſen Kuͤtzel vergehen laſſen. Die Wohl- farth des Reichs erforderte mehrmahls einer Helena einen ungeſtalten Zwerg/ einer klugen Penelope einen albern Traͤumer durch dieſes heilige Band anzutrauen. Der waͤre der ſchoͤnſte Braͤutigam/ welcher der Staats- Klugheit gefaͤllt/ und die feſteſte Schwaͤger- ſchafft/ die das Reich befeſtigt. Olorene be- gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be- ſcheidenheit: Es waͤre nicht ohne/ daß Koͤnige ihren Toͤchtern und Schweſtern insgemein niemahls geſehene/ weniger beliebte Maͤnner auffzudringen pflegten/ und ſie zu Pfeilern und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha- men fremde Laͤnder zu fiſchen/ ja zuweilen wohl zu Larven ihrer verborgenen Feindſchafft brauchten. Alleine ſie erlangten dardurch ſel- ten ihren Zweck/ ſtuͤrtzten aber hierdurch ihr ei- genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin- temahl das Band der Anverwandniß viel zu ſchwach ſey/ die Auffblehungen der Regierſucht zu daͤmpffen/ und die Schwaͤgerſchafften/ wel- che nur wenig Perſonen verknuͤpffen/ den Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran ſo viel tauſenden gelegen iſt. Sie verhuͤllten zwar auf eine kurtze Zeit die Abneigungen/ waͤren aber viel zu ſchwach/ den zwiſchen ein und anderm Fuͤrſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/210
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/210>, abgerufen am 26.11.2024.