Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Anderes Buch [Spaltenumbruch]
Diese leisteten solchem Befehl unverzüglicheFolge/ fanden aber zu ihrer grösten Bestürtzung Klodomirn und den Astinabes schon in dem Kö- niglichen Zimmer/ woraus sie ihnen selbst also- fort ein seltzames Abentheur wahrsagten. Bey ihrer Erscheinung eröffnete Marcomir alsofort dieses Urtheil: Gott hätte ihn mit einer Schwe- ster und Tochter/ die Reichs-Gesetze Britanni- ens aber mit dieser Gewalt begabt/ daß er selbte nach seinem Gutbedüncken durch Verehligung nicht allein versorgen/ sondern auch die Wohl- farth selbten Reichs hierdurch befördern möchte: Weil nun zwey so vortreffliche Fürsten bey ihm um sie Werbung thäten/ könte er dem Ver- hängnüsse nicht widerstreben. Dahero er- klärte er hiermit aus unverschrenckter Gewalt/ daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun- gen/ Olorene Astinaben offentlich solte ver- mählet werden. Klodomir und Astinabes be- zeugten mit tieffster Ehrerbiettung ihre hierü- ber geschöpffte Vergnügung. Riame und O- lorene hörten iedes Wort als einen absondern Donnerschlag an/ iedoch mit einem stillschwei- genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff- tigkeit auch denselben Schmertz auszulassen hin- dert/ zu dem man gleich Ursache hat/ theils weil sie besorgten/ daß sie durch ihre Ungeberdung die/ mit welchen sie in ein unaufflößliches Bündniß treten solten/ nicht zu sehr erherbe- ten/ und daß Marcomir ihre Thränen nicht für eine Hartnäckigkeit auffnehme. Wie nun der Schmertz/ den man nicht mercken lassen darff/ und der Eyfer/ den man in sich fressen muß/ sich in sich selbst vergrössert/ also konten sie sich nach genommenem Abtritte Klodomirs und Astinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß sie Marcomirn mit Vergiessung vieler Thrä- nen zu Füssen fielen und baten: da man ihnen ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche sich an sich selbst nicht zwingen liesse/ verschrencken wolte/ solte man doch ihre Gemüther nicht dero- [Spaltenumbruch] gestalt übereilen/ sondern zu deren Beruhigung einige Zeit enträumen. Marcomir aber ant- wortete ihnen mit ernsthaffter Geberdung: Sie solten entwerffen/ was sie der Vollkommen- heit zweyer so grossen Fürsten für Mängel aus- zustellen hätten. Sie könten beyde des Her- tzog Friedebalds nicht fähig werden/ der einen Zuneigung aber müste nicht zu der andern Un- vergnügen ausschlagen. Gemeinen Leuten müste man das Joch ihrer Unterthänigkeit da- durch verzuckern/ daß sie nach wohlgestalter Bildung/ nach gleichgesitteter Art und ihrem Triebe heyrathen möchten; Königen aber wür- de es so gut nicht/ und Fürstinnen müsten nach dieser Süßigkeit nicht lüstern werden/ sondern sich diesen Kützel vergehen lassen. Die Wohl- farth des Reichs erforderte mehrmahls einer Helena einen ungestalten Zwerg/ einer klugen Penelope einen albern Träumer durch dieses heilige Band anzutrauen. Der wäre der schönste Bräutigam/ welcher der Staats- Klugheit gefällt/ und die festeste Schwäger- schafft/ die das Reich befestigt. Olorene be- gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be- scheidenheit: Es wäre nicht ohne/ daß Könige ihren Töchtern und Schwestern insgemein niemahls gesehene/ weniger beliebte Männer auffzudringen pflegten/ und sie zu Pfeilern und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha- men fremde Länder zu fischen/ ja zuweilen wohl zu Larven ihrer verborgenen Feindschafft brauchten. Alleine sie erlangten dardurch sel- ten ihren Zweck/ stürtzten aber hierdurch ihr ei- genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin- temahl das Band der Anverwandniß viel zu schwach sey/ die Auffblehungen der Regiersucht zu dämpffen/ und die Schwägerschafften/ wel- che nur wenig Personen verknüpffen/ den Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran so viel tausenden gelegen ist. Sie verhüllten zwar auf eine kurtze Zeit die Abneigungen/ wären aber viel zu schwach/ den zwischen ein und anderm Fürst-
Anderes Buch [Spaltenumbruch]
Dieſe leiſteten ſolchem Befehl unverzuͤglicheFolge/ fanden aber zu ihrer groͤſten Beſtuͤrtzung Klodomirn und den Aſtinabes ſchon in dem Koͤ- niglichen Zimmer/ woraus ſie ihnen ſelbſt alſo- fort ein ſeltzames Abentheur wahrſagten. Bey ihrer Erſcheinung eroͤffnete Marcomir alſofort dieſes Urtheil: Gott haͤtte ihn mit einer Schwe- ſter und Tochter/ die Reichs-Geſetze Britanni- ens aber mit dieſer Gewalt begabt/ daß er ſelbte nach ſeinem Gutbeduͤncken durch Verehligung nicht allein verſorgen/ ſondern auch die Wohl- farth ſelbten Reichs hierdurch befoͤrdern moͤchte: Weil nun zwey ſo vortreffliche Fuͤrſten bey ihm um ſie Werbung thaͤten/ koͤnte er dem Ver- haͤngnuͤſſe nicht widerſtreben. Dahero er- klaͤrte er hiermit aus unverſchrenckter Gewalt/ daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun- gen/ Olorene Aſtinaben offentlich ſolte ver- maͤhlet werden. Klodomir und Aſtinabes be- zeugten mit tieffſter Ehrerbiettung ihre hieruͤ- ber geſchoͤpffte Vergnuͤgung. Riame und O- lorene hoͤrten iedes Wort als einen abſondern Donnerſchlag an/ iedoch mit einem ſtillſchwei- genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff- tigkeit auch denſelben Schmertz auszulaſſen hin- dert/ zu dem man gleich Urſache hat/ theils weil ſie beſorgten/ daß ſie durch ihre Ungeberdung die/ mit welchen ſie in ein unauffloͤßliches Buͤndniß treten ſolten/ nicht zu ſehr erherbe- ten/ und daß Marcomir ihre Thraͤnen nicht fuͤr eine Hartnaͤckigkeit auffnehme. Wie nun der Schmertz/ den man nicht mercken laſſen darff/ und der Eyfer/ den man in ſich freſſen muß/ ſich in ſich ſelbſt vergroͤſſert/ alſo konten ſie ſich nach genommenem Abtritte Klodomirs und Aſtinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß ſie Marcomirn mit Vergieſſung vieler Thraͤ- nen zu Fuͤſſen fielen und baten: da man ihnen ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche ſich an ſich ſelbſt nicht zwingen lieſſe/ verſchrencken wolte/ ſolte man doch ihre Gemuͤther nicht dero- [Spaltenumbruch] geſtalt uͤbereilen/ ſondern zu deren Beruhigung einige Zeit entraͤumen. Marcomir aber ant- wortete ihnen mit ernſthaffter Geberdung: Sie ſolten entwerffen/ was ſie der Vollkommen- heit zweyer ſo groſſen Fuͤrſten fuͤr Maͤngel aus- zuſtellen haͤtten. Sie koͤnten beyde des Her- tzog Friedebalds nicht faͤhig werden/ der einen Zuneigung aber muͤſte nicht zu der andern Un- vergnuͤgen ausſchlagen. Gemeinen Leuten muͤſte man das Joch ihrer Unterthaͤnigkeit da- durch verzuckern/ daß ſie nach wohlgeſtalter Bildung/ nach gleichgeſitteter Art und ihrem Triebe heyrathen moͤchten; Koͤnigen aber wuͤr- de es ſo gut nicht/ und Fuͤrſtinnen muͤſten nach dieſer Suͤßigkeit nicht luͤſtern werden/ ſondern ſich dieſen Kuͤtzel vergehen laſſen. Die Wohl- farth des Reichs erforderte mehrmahls einer Helena einen ungeſtalten Zwerg/ einer klugen Penelope einen albern Traͤumer durch dieſes heilige Band anzutrauen. Der waͤre der ſchoͤnſte Braͤutigam/ welcher der Staats- Klugheit gefaͤllt/ und die feſteſte Schwaͤger- ſchafft/ die das Reich befeſtigt. Olorene be- gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be- ſcheidenheit: Es waͤre nicht ohne/ daß Koͤnige ihren Toͤchtern und Schweſtern insgemein niemahls geſehene/ weniger beliebte Maͤnner auffzudringen pflegten/ und ſie zu Pfeilern und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha- men fremde Laͤnder zu fiſchen/ ja zuweilen wohl zu Larven ihrer verborgenen Feindſchafft brauchten. Alleine ſie erlangten dardurch ſel- ten ihren Zweck/ ſtuͤrtzten aber hierdurch ihr ei- genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin- temahl das Band der Anverwandniß viel zu ſchwach ſey/ die Auffblehungen der Regierſucht zu daͤmpffen/ und die Schwaͤgerſchafften/ wel- che nur wenig Perſonen verknuͤpffen/ den Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran ſo viel tauſenden gelegen iſt. Sie verhuͤllten zwar auf eine kurtze Zeit die Abneigungen/ waͤren aber viel zu ſchwach/ den zwiſchen ein und anderm Fuͤrſt-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Dieſe leiſteten ſolchem Befehl unverzuͤgliche<lb/> Folge/ fanden aber zu ihrer groͤſten Beſtuͤrtzung<lb/> Klodomirn und den Aſtinabes ſchon in dem Koͤ-<lb/> niglichen Zimmer/ woraus ſie ihnen ſelbſt alſo-<lb/> fort ein ſeltzames Abentheur wahrſagten. Bey<lb/> ihrer Erſcheinung eroͤffnete Marcomir alſofort<lb/> dieſes Urtheil: Gott haͤtte ihn mit einer Schwe-<lb/> ſter und Tochter/ die Reichs-Geſetze Britanni-<lb/> ens aber mit dieſer Gewalt begabt/ daß er ſelbte<lb/> nach ſeinem Gutbeduͤncken durch Verehligung<lb/> nicht allein verſorgen/ ſondern auch die Wohl-<lb/> farth ſelbten Reichs hierdurch befoͤrdern moͤchte:<lb/> Weil nun zwey ſo vortreffliche Fuͤrſten bey ihm<lb/> um ſie Werbung thaͤten/ koͤnte er dem Ver-<lb/> haͤngnuͤſſe nicht widerſtreben. Dahero er-<lb/> klaͤrte er hiermit aus unverſchrenckter Gewalt/<lb/> daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und<lb/> zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun-<lb/> gen/ Olorene Aſtinaben offentlich ſolte ver-<lb/> maͤhlet werden. Klodomir und Aſtinabes be-<lb/> zeugten mit tieffſter Ehrerbiettung ihre hieruͤ-<lb/> ber geſchoͤpffte Vergnuͤgung. Riame und O-<lb/> lorene hoͤrten iedes Wort als einen abſondern<lb/> Donnerſchlag an/ iedoch mit einem ſtillſchwei-<lb/> genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff-<lb/> tigkeit auch denſelben Schmertz auszulaſſen hin-<lb/> dert/ zu dem man gleich Urſache hat/ theils weil<lb/> ſie beſorgten/ daß ſie durch ihre Ungeberdung<lb/> die/ mit welchen ſie in ein unauffloͤßliches<lb/> Buͤndniß treten ſolten/ nicht zu ſehr erherbe-<lb/> ten/ und daß Marcomir ihre Thraͤnen nicht<lb/> fuͤr eine Hartnaͤckigkeit auffnehme. Wie nun<lb/> der Schmertz/ den man nicht mercken laſſen<lb/> darff/ und der Eyfer/ den man in ſich freſſen<lb/> muß/ ſich in ſich ſelbſt vergroͤſſert/ alſo konten<lb/> ſie ſich nach genommenem Abtritte Klodomirs<lb/> und Aſtinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß<lb/> ſie Marcomirn mit Vergieſſung vieler Thraͤ-<lb/> nen zu Fuͤſſen fielen und baten: da man ihnen<lb/> ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche ſich<lb/> an ſich ſelbſt nicht zwingen lieſſe/ verſchrencken<lb/> wolte/ ſolte man doch ihre Gemuͤther nicht dero-<lb/><cb/> geſtalt uͤbereilen/ ſondern zu deren Beruhigung<lb/> einige Zeit entraͤumen. Marcomir aber ant-<lb/> wortete ihnen mit ernſthaffter Geberdung: Sie<lb/> ſolten entwerffen/ was ſie der Vollkommen-<lb/> heit zweyer ſo groſſen Fuͤrſten fuͤr Maͤngel aus-<lb/> zuſtellen haͤtten. Sie koͤnten beyde des Her-<lb/> tzog Friedebalds nicht faͤhig werden/ der einen<lb/> Zuneigung aber muͤſte nicht zu der andern Un-<lb/> vergnuͤgen ausſchlagen. Gemeinen Leuten<lb/> muͤſte man das Joch ihrer Unterthaͤnigkeit da-<lb/> durch verzuckern/ daß ſie nach wohlgeſtalter<lb/> Bildung/ nach gleichgeſitteter Art und ihrem<lb/> Triebe heyrathen moͤchten; Koͤnigen aber wuͤr-<lb/> de es ſo gut nicht/ und Fuͤrſtinnen muͤſten nach<lb/> dieſer Suͤßigkeit nicht luͤſtern werden/ ſondern<lb/> ſich dieſen Kuͤtzel vergehen laſſen. Die Wohl-<lb/> farth des Reichs erforderte mehrmahls einer<lb/> Helena einen ungeſtalten Zwerg/ einer klugen<lb/> Penelope einen albern Traͤumer durch dieſes<lb/> heilige Band anzutrauen. Der waͤre der<lb/> ſchoͤnſte Braͤutigam/ welcher der Staats-<lb/> Klugheit gefaͤllt/ und die feſteſte Schwaͤger-<lb/> ſchafft/ die das Reich befeſtigt. Olorene be-<lb/> gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be-<lb/> ſcheidenheit: Es waͤre nicht ohne/ daß Koͤnige<lb/> ihren Toͤchtern und Schweſtern insgemein<lb/> niemahls geſehene/ weniger beliebte Maͤnner<lb/> auffzudringen pflegten/ und ſie zu Pfeilern<lb/> und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha-<lb/> men fremde Laͤnder zu fiſchen/ ja zuweilen wohl<lb/> zu Larven ihrer verborgenen Feindſchafft<lb/> brauchten. Alleine ſie erlangten dardurch ſel-<lb/> ten ihren Zweck/ ſtuͤrtzten aber hierdurch ihr ei-<lb/> genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin-<lb/> temahl das Band der Anverwandniß viel zu<lb/> ſchwach ſey/ die Auffblehungen der Regierſucht<lb/> zu daͤmpffen/ und die Schwaͤgerſchafften/ wel-<lb/> che nur wenig Perſonen verknuͤpffen/ den<lb/> Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran ſo viel<lb/> tauſenden gelegen iſt. Sie verhuͤllten zwar auf<lb/> eine kurtze Zeit die Abneigungen/ waͤren aber<lb/> viel zu ſchwach/ den zwiſchen ein und anderm<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Fuͤrſt-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [160/0210]
Anderes Buch
Dieſe leiſteten ſolchem Befehl unverzuͤgliche
Folge/ fanden aber zu ihrer groͤſten Beſtuͤrtzung
Klodomirn und den Aſtinabes ſchon in dem Koͤ-
niglichen Zimmer/ woraus ſie ihnen ſelbſt alſo-
fort ein ſeltzames Abentheur wahrſagten. Bey
ihrer Erſcheinung eroͤffnete Marcomir alſofort
dieſes Urtheil: Gott haͤtte ihn mit einer Schwe-
ſter und Tochter/ die Reichs-Geſetze Britanni-
ens aber mit dieſer Gewalt begabt/ daß er ſelbte
nach ſeinem Gutbeduͤncken durch Verehligung
nicht allein verſorgen/ ſondern auch die Wohl-
farth ſelbten Reichs hierdurch befoͤrdern moͤchte:
Weil nun zwey ſo vortreffliche Fuͤrſten bey ihm
um ſie Werbung thaͤten/ koͤnte er dem Ver-
haͤngnuͤſſe nicht widerſtreben. Dahero er-
klaͤrte er hiermit aus unverſchrenckter Gewalt/
daß in breyen Tagen Riame Klodomirn/ und
zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingun-
gen/ Olorene Aſtinaben offentlich ſolte ver-
maͤhlet werden. Klodomir und Aſtinabes be-
zeugten mit tieffſter Ehrerbiettung ihre hieruͤ-
ber geſchoͤpffte Vergnuͤgung. Riame und O-
lorene hoͤrten iedes Wort als einen abſondern
Donnerſchlag an/ iedoch mit einem ſtillſchwei-
genden Schrecken/ theils weil die Schamhaff-
tigkeit auch denſelben Schmertz auszulaſſen hin-
dert/ zu dem man gleich Urſache hat/ theils weil
ſie beſorgten/ daß ſie durch ihre Ungeberdung
die/ mit welchen ſie in ein unauffloͤßliches
Buͤndniß treten ſolten/ nicht zu ſehr erherbe-
ten/ und daß Marcomir ihre Thraͤnen nicht
fuͤr eine Hartnaͤckigkeit auffnehme. Wie nun
der Schmertz/ den man nicht mercken laſſen
darff/ und der Eyfer/ den man in ſich freſſen
muß/ ſich in ſich ſelbſt vergroͤſſert/ alſo konten
ſie ſich nach genommenem Abtritte Klodomirs
und Aſtinabens gleichwohl nicht enthalten/ daß
ſie Marcomirn mit Vergieſſung vieler Thraͤ-
nen zu Fuͤſſen fielen und baten: da man ihnen
ja die Freyheit in der Angelegenheit/ welche ſich
an ſich ſelbſt nicht zwingen lieſſe/ verſchrencken
wolte/ ſolte man doch ihre Gemuͤther nicht dero-
geſtalt uͤbereilen/ ſondern zu deren Beruhigung
einige Zeit entraͤumen. Marcomir aber ant-
wortete ihnen mit ernſthaffter Geberdung: Sie
ſolten entwerffen/ was ſie der Vollkommen-
heit zweyer ſo groſſen Fuͤrſten fuͤr Maͤngel aus-
zuſtellen haͤtten. Sie koͤnten beyde des Her-
tzog Friedebalds nicht faͤhig werden/ der einen
Zuneigung aber muͤſte nicht zu der andern Un-
vergnuͤgen ausſchlagen. Gemeinen Leuten
muͤſte man das Joch ihrer Unterthaͤnigkeit da-
durch verzuckern/ daß ſie nach wohlgeſtalter
Bildung/ nach gleichgeſitteter Art und ihrem
Triebe heyrathen moͤchten; Koͤnigen aber wuͤr-
de es ſo gut nicht/ und Fuͤrſtinnen muͤſten nach
dieſer Suͤßigkeit nicht luͤſtern werden/ ſondern
ſich dieſen Kuͤtzel vergehen laſſen. Die Wohl-
farth des Reichs erforderte mehrmahls einer
Helena einen ungeſtalten Zwerg/ einer klugen
Penelope einen albern Traͤumer durch dieſes
heilige Band anzutrauen. Der waͤre der
ſchoͤnſte Braͤutigam/ welcher der Staats-
Klugheit gefaͤllt/ und die feſteſte Schwaͤger-
ſchafft/ die das Reich befeſtigt. Olorene be-
gegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Be-
ſcheidenheit: Es waͤre nicht ohne/ daß Koͤnige
ihren Toͤchtern und Schweſtern insgemein
niemahls geſehene/ weniger beliebte Maͤnner
auffzudringen pflegten/ und ſie zu Pfeilern
und Riegeln ihres Staats/ oder auch zu Ha-
men fremde Laͤnder zu fiſchen/ ja zuweilen wohl
zu Larven ihrer verborgenen Feindſchafft
brauchten. Alleine ſie erlangten dardurch ſel-
ten ihren Zweck/ ſtuͤrtzten aber hierdurch ihr ei-
genes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sin-
temahl das Band der Anverwandniß viel zu
ſchwach ſey/ die Auffblehungen der Regierſucht
zu daͤmpffen/ und die Schwaͤgerſchafften/ wel-
che nur wenig Perſonen verknuͤpffen/ den
Staats-Regeln zu unterwerffen/ daran ſo viel
tauſenden gelegen iſt. Sie verhuͤllten zwar auf
eine kurtze Zeit die Abneigungen/ waͤren aber
viel zu ſchwach/ den zwiſchen ein und anderm
Fuͤrſt-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |