Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht an den Leser.
geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyspiel vor-
gestellet/ und zwar mit einer solchen Art/ die dem Leser eine Begierde so wol das
Gute als Böse zu betrachten/ beydes aber zu unterscheiden/ erwecken möchte.
Denn allzulange auf einer Seite spielen/ oder immer einen Thon hören/ ist den
Ohren verdrüßlich/ und dem Gemüthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol:
daß den Reinen alles rein ist; und tugendhaffte Gemüther auch aus Lesung
des Bösen wie die Scheide-Künstler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie-
hen pflegen.

Denn weil alles der Veränderung unterworffen ist; und wir Menschen
in der Welt meist die Abwechselung der Dinge/ als die Mutter der Vergnü-
gung lieben/ ob solche gleich nicht allemal eine freundliche Stirne/ und den
Mund voll Bisam hat; So folgen wir billich hierinnen dem Beyspiel des
Himmels; der bald trübe/ bald klar/ bald stille/ bald stürmerisch zu seyn/ und
zuweilen mit Blitz und Donner zu spielen pfleget/ damit etwas gutes daraus
folgen könne/ was wir uns weder versehen/ noch dessen Ursachen/ warumb
diß oder jenes geschehen/ ergründen können. Derowegen wird ihm ein ieder
bedachtsamer Leser die auf solche beschriebene Laster allemal gefolgten grausa-
men Straffen hierinnen eben so wol/ als in dem heiligen Haupt-Buche zu einer
Warnung und Schrecken dienen lassen. Denn hätte niemand die Klippen
Scylla und Charybdis ausführlich beschrieben/ und die See-fahrenden vor der
Gefahr gewarniget/ so würden noch viel Schiffer daran scheitern/ und sie an-
itzo niemand so klüglich zu meiden wissen. Ein ieder Ort hat seine Wunder-
wercke und seine Mißgeburten/ wie seine Tage und Nächte; Und wo Sonnen
sind/ da giebt es auch Finsternüße. Dannenhero wir alle Sachen in der Welt
gleichsam als in einem Spiegel beschauen/ die bösen meiden/ die guten anneh-
men/ und stets gedencken sollen: daß wie alle/ auch die geringsten Laster ihre ge-
wisse Straffen; also die Tugenden allezeit ihre herrliche Belohmmgen zu ge-
warten haben. Denn beydes das Gute und auch das Böse sind gewisse Zah-
ler einem ieden/ wie Er es verdienet. Wer böse geartet ist/ wird gleichwol böse
bleiben/ wenn er schon nicht den Arminius gelesen haben wird. Zu dem
könte man wol fragen: was können die Steine davor/ daß der/ so gläsern ist/
sich daran zerstösset? Wer nicht wol versetzen kan/ muß niemals fechten/ noch
sich ohne guten Wind zu tieff in die See begeben. Man soll bey Lesung der Bü-
cher ein adeliches Hertz haben/ und mit Verachtung alles/ was weibisch oder un-
edel ist/ bey Seite setzen; hingegen seine Hand wie der unter des Licomedes

Jung-

Vorbericht an den Leſer.
geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyſpiel vor-
geſtellet/ und zwar mit einer ſolchen Art/ die dem Leſer eine Begierde ſo wol das
Gute als Boͤſe zu betrachten/ beydes aber zu unterſcheiden/ erwecken moͤchte.
Denn allzulange auf einer Seite ſpielen/ oder immer einen Thon hoͤren/ iſt den
Ohren verdruͤßlich/ und dem Gemuͤthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol:
daß den Reinen alles rein iſt; und tugendhaffte Gemuͤther auch aus Leſung
des Boͤſen wie die Scheide-Kuͤnſtler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie-
hen pflegen.

Denn weil alles der Veraͤnderung unterworffen iſt; und wir Menſchen
in der Welt meiſt die Abwechſelung der Dinge/ als die Mutter der Vergnuͤ-
gung lieben/ ob ſolche gleich nicht allemal eine freundliche Stirne/ und den
Mund voll Biſam hat; So folgen wir billich hierinnen dem Beyſpiel des
Himmels; der bald truͤbe/ bald klar/ bald ſtille/ bald ſtuͤrmeriſch zu ſeyn/ und
zuweilen mit Blitz und Donner zu ſpielen pfleget/ damit etwas gutes daraus
folgen koͤnne/ was wir uns weder verſehen/ noch deſſen Urſachen/ warumb
diß oder jenes geſchehen/ ergruͤnden koͤnnen. Derowegen wird ihm ein ieder
bedachtſamer Leſer die auf ſolche beſchriebene Laſter allemal gefolgten grauſa-
men Straffen hierinnen eben ſo wol/ als in dem heiligen Haupt-Buche zu einer
Warnung und Schrecken dienen laſſen. Denn haͤtte niemand die Klippen
Scylla und Charybdis ausfuͤhrlich beſchrieben/ und die See-fahrenden vor der
Gefahr gewarniget/ ſo wuͤrden noch viel Schiffer daran ſcheitern/ und ſie an-
itzo niemand ſo kluͤglich zu meiden wiſſen. Ein ieder Ort hat ſeine Wunder-
wercke und ſeine Mißgeburten/ wie ſeine Tage und Naͤchte; Und wo Sonnen
ſind/ da giebt es auch Finſternuͤße. Dannenhero wir alle Sachen in der Welt
gleichſam als in einem Spiegel beſchauen/ die boͤſen meiden/ die guten anneh-
men/ und ſtets gedencken ſollen: daß wie alle/ auch die geringſten Laſter ihre ge-
wiſſe Straffen; alſo die Tugenden allezeit ihre herrliche Belohmmgen zu ge-
warten haben. Denn beydes das Gute und auch das Boͤſe ſind gewiſſe Zah-
ler einem ieden/ wie Er es verdienet. Wer boͤſe geartet iſt/ wird gleichwol boͤſe
bleiben/ wenn er ſchon nicht den Arminius geleſen haben wird. Zu dem
koͤnte man wol fragen: was koͤnnen die Steine davor/ daß der/ ſo glaͤſern iſt/
ſich daran zerſtoͤſſet? Wer nicht wol verſetzen kan/ muß niemals fechten/ noch
ſich ohne guten Wind zu tieff in die See begeben. Man ſoll bey Leſung der Buͤ-
cher ein adeliches Hertz haben/ und mit Verachtung alles/ was weibiſch oder un-
edel iſt/ bey Seite ſetzen; hingegen ſeine Hand wie der unter des Licomedes

Jung-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht an den Le&#x017F;er.</hi></fw><lb/>
geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Bey&#x017F;piel vor-<lb/>
ge&#x017F;tellet/ und zwar mit einer &#x017F;olchen Art/ die dem Le&#x017F;er eine Begierde &#x017F;o wol das<lb/>
Gute als Bo&#x0364;&#x017F;e zu betrachten/ beydes aber zu unter&#x017F;cheiden/ erwecken mo&#x0364;chte.<lb/>
Denn allzulange auf einer Seite &#x017F;pielen/ oder immer einen Thon ho&#x0364;ren/ i&#x017F;t den<lb/>
Ohren verdru&#x0364;ßlich/ und dem Gemu&#x0364;the zu wieder. Zu dem weiß man ja wol:<lb/>
daß den Reinen alles rein i&#x017F;t; und tugendhaffte Gemu&#x0364;ther auch aus Le&#x017F;ung<lb/>
des Bo&#x0364;&#x017F;en wie die Scheide-Ku&#x0364;n&#x017F;tler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie-<lb/>
hen pflegen.</p><lb/>
        <p>Denn weil alles der Vera&#x0364;nderung unterworffen i&#x017F;t; und wir Men&#x017F;chen<lb/>
in der Welt mei&#x017F;t die Abwech&#x017F;elung der Dinge/ als die Mutter der Vergnu&#x0364;-<lb/>
gung lieben/ ob &#x017F;olche gleich nicht allemal eine freundliche Stirne/ und den<lb/>
Mund voll Bi&#x017F;am hat; So folgen wir billich hierinnen dem Bey&#x017F;piel des<lb/>
Himmels; der bald tru&#x0364;be/ bald klar/ bald &#x017F;tille/ bald &#x017F;tu&#x0364;rmeri&#x017F;ch zu &#x017F;eyn/ und<lb/>
zuweilen mit Blitz und Donner zu &#x017F;pielen pfleget/ damit etwas gutes daraus<lb/>
folgen ko&#x0364;nne/ was wir uns weder ver&#x017F;ehen/ noch de&#x017F;&#x017F;en Ur&#x017F;achen/ warumb<lb/>
diß oder jenes ge&#x017F;chehen/ ergru&#x0364;nden ko&#x0364;nnen. Derowegen wird ihm ein ieder<lb/>
bedacht&#x017F;amer Le&#x017F;er die auf &#x017F;olche be&#x017F;chriebene La&#x017F;ter allemal gefolgten grau&#x017F;a-<lb/>
men Straffen hierinnen eben &#x017F;o wol/ als in dem heiligen Haupt-Buche zu einer<lb/>
Warnung und Schrecken dienen la&#x017F;&#x017F;en. Denn ha&#x0364;tte niemand die Klippen<lb/>
Scylla und Charybdis ausfu&#x0364;hrlich be&#x017F;chrieben/ und die See-fahrenden vor der<lb/>
Gefahr gewarniget/ &#x017F;o wu&#x0364;rden noch viel Schiffer daran &#x017F;cheitern/ und &#x017F;ie an-<lb/>
itzo niemand &#x017F;o klu&#x0364;glich zu meiden wi&#x017F;&#x017F;en. Ein ieder Ort hat &#x017F;eine Wunder-<lb/>
wercke und &#x017F;eine Mißgeburten/ wie &#x017F;eine Tage und Na&#x0364;chte; Und wo Sonnen<lb/>
&#x017F;ind/ da giebt es auch Fin&#x017F;ternu&#x0364;ße. Dannenhero wir alle Sachen in der Welt<lb/>
gleich&#x017F;am als in einem Spiegel be&#x017F;chauen/ die bo&#x0364;&#x017F;en meiden/ die guten anneh-<lb/>
men/ und &#x017F;tets gedencken &#x017F;ollen: daß wie alle/ auch die gering&#x017F;ten La&#x017F;ter ihre ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Straffen; al&#x017F;o die Tugenden allezeit ihre herrliche Belohmmgen zu ge-<lb/>
warten haben. Denn beydes das Gute und auch das Bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;ind gewi&#x017F;&#x017F;e Zah-<lb/>
ler einem ieden/ wie Er es verdienet. Wer bo&#x0364;&#x017F;e geartet i&#x017F;t/ wird gleichwol bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
bleiben/ wenn er &#x017F;chon nicht den <hi rendition="#fr">Arminius</hi> gele&#x017F;en haben wird. Zu dem<lb/>
ko&#x0364;nte man wol fragen: was ko&#x0364;nnen die Steine davor/ daß der/ &#x017F;o gla&#x0364;&#x017F;ern i&#x017F;t/<lb/>
&#x017F;ich daran zer&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;et? Wer nicht wol ver&#x017F;etzen kan/ muß niemals fechten/ noch<lb/>
&#x017F;ich ohne guten Wind zu tieff in die See begeben. Man &#x017F;oll bey Le&#x017F;ung der Bu&#x0364;-<lb/>
cher ein adeliches Hertz haben/ und mit Verachtung alles/ was weibi&#x017F;ch oder un-<lb/>
edel i&#x017F;t/ bey Seite &#x017F;etzen; hingegen &#x017F;eine Hand wie der unter des Licomedes<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jung-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0026] Vorbericht an den Leſer. geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyſpiel vor- geſtellet/ und zwar mit einer ſolchen Art/ die dem Leſer eine Begierde ſo wol das Gute als Boͤſe zu betrachten/ beydes aber zu unterſcheiden/ erwecken moͤchte. Denn allzulange auf einer Seite ſpielen/ oder immer einen Thon hoͤren/ iſt den Ohren verdruͤßlich/ und dem Gemuͤthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol: daß den Reinen alles rein iſt; und tugendhaffte Gemuͤther auch aus Leſung des Boͤſen wie die Scheide-Kuͤnſtler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie- hen pflegen. Denn weil alles der Veraͤnderung unterworffen iſt; und wir Menſchen in der Welt meiſt die Abwechſelung der Dinge/ als die Mutter der Vergnuͤ- gung lieben/ ob ſolche gleich nicht allemal eine freundliche Stirne/ und den Mund voll Biſam hat; So folgen wir billich hierinnen dem Beyſpiel des Himmels; der bald truͤbe/ bald klar/ bald ſtille/ bald ſtuͤrmeriſch zu ſeyn/ und zuweilen mit Blitz und Donner zu ſpielen pfleget/ damit etwas gutes daraus folgen koͤnne/ was wir uns weder verſehen/ noch deſſen Urſachen/ warumb diß oder jenes geſchehen/ ergruͤnden koͤnnen. Derowegen wird ihm ein ieder bedachtſamer Leſer die auf ſolche beſchriebene Laſter allemal gefolgten grauſa- men Straffen hierinnen eben ſo wol/ als in dem heiligen Haupt-Buche zu einer Warnung und Schrecken dienen laſſen. Denn haͤtte niemand die Klippen Scylla und Charybdis ausfuͤhrlich beſchrieben/ und die See-fahrenden vor der Gefahr gewarniget/ ſo wuͤrden noch viel Schiffer daran ſcheitern/ und ſie an- itzo niemand ſo kluͤglich zu meiden wiſſen. Ein ieder Ort hat ſeine Wunder- wercke und ſeine Mißgeburten/ wie ſeine Tage und Naͤchte; Und wo Sonnen ſind/ da giebt es auch Finſternuͤße. Dannenhero wir alle Sachen in der Welt gleichſam als in einem Spiegel beſchauen/ die boͤſen meiden/ die guten anneh- men/ und ſtets gedencken ſollen: daß wie alle/ auch die geringſten Laſter ihre ge- wiſſe Straffen; alſo die Tugenden allezeit ihre herrliche Belohmmgen zu ge- warten haben. Denn beydes das Gute und auch das Boͤſe ſind gewiſſe Zah- ler einem ieden/ wie Er es verdienet. Wer boͤſe geartet iſt/ wird gleichwol boͤſe bleiben/ wenn er ſchon nicht den Arminius geleſen haben wird. Zu dem koͤnte man wol fragen: was koͤnnen die Steine davor/ daß der/ ſo glaͤſern iſt/ ſich daran zerſtoͤſſet? Wer nicht wol verſetzen kan/ muß niemals fechten/ noch ſich ohne guten Wind zu tieff in die See begeben. Man ſoll bey Leſung der Buͤ- cher ein adeliches Hertz haben/ und mit Verachtung alles/ was weibiſch oder un- edel iſt/ bey Seite ſetzen; hingegen ſeine Hand wie der unter des Licomedes Jung-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/26
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/26>, abgerufen am 21.11.2024.