Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
treiben liessen/ und mit den Rudern kein Geräu-sche machten/ ward der Feind ihrer nicht ehe ge- wahr/ als biß die Deutschen an die Brücke an- stiessen/ und die Brand-Schiffe anzündeten. Die Römer lieffen hierauf beyderseits der Brü- cke zu/ umb das Feuer zu leschen/ als Hertzog Segimer an einem Orte des Lägers Lermen machte/ an zwey andern aber mit aller Macht einbrach/ also geriethen sie alsobald in Verwir- rung/ und wusten nicht/ an welchem Orte sie zur Gegenwehr eilen solten. Drusus befahl selbst das Läger anzuzünden/ umb den Feind von sei- nem eignen Volcke zu unterscheiden/ welches einander hin und wieder selbst verwundete/ und zu Bodem rennete. Weil nun aber die Römer mehr auf die Flucht als Gegenwehr bedacht wa- ren/ und daher einander selbst in das Wasser drangen/ und von der in der mitten brennenden Brücke abstürtzten/ drang Drusus mit seiner Leibwache herfür/ um durch sein Beyspiel den furchtsamen ein Hertz zu machen. Hingegen war der Feldherr Segimer von seinem Adel nicht zu erhalten/ daß er/ ungeachtet seiner damals ihm zustossenden Schwachheit sich ebenfalls an die Spitze seines Kriegsvolcks stellte. Rhemetalces fieng hierüber an: Die Feldherren/ welche zugleich Häupter und Herren des Krieges wären/ ver- gässen aus Eifer in den Schlachten gemeini- glich das Ambt eines Kriegs-Obersten/ und eines Fürsten. Denn da diese/ wie Jupiter auf dem Jdischen/ und Neptun auf dem Samothraci- schen Gebürge der Trojaner und Griechen Schlacht/ oder wie Xerxes auf dem Egaleischen Gipfel dem Salaminischen See-Treffen/ von aller Gefahr entfernet zuschauen solten/ zückten sie sich unzeitig herfür/ vertreten die Stelle ge- meiner Kriegs-Leute/ und beobachten nicht/ daß ein unglücklicher Streich dem Treffen ein böses Ende/ und dem Reiche das Garaus machen könne. Es ist nicht ohne/ antwortete Adgan- dester/ daß/ wenn auf einer Schlacht nicht das Hauptwerck des gantzen Krieges/ das Heil oder [Spaltenumbruch] der Untergang des gantzen Reiches beruhet/ und derselbten Ausschlag an einem zweifelhaften Fa- deme hängt/ ein Fürst sich nicht muthwillig in Gefahr stürtzen solle. Sintemal es auch bey Niedrigen eine Unvernunft ist/ sich über der Ge- fahr erfreuen/ und nicht erwegen/ ob aus selbter uns einiger würdiger Lohn zuwachse. Wenn aber Freyheit und Dienstbarkeit eines Volckes auf der Wag-Schale liegen/ und es umb des Fürsten Ehre/ die Wolfarth des Vaterlandes zu thun ist/ muß kein Fürst einige Gefahr zu groß/ keinen Tod zu schrecklich/ und sein Blut nicht zu köstlich schätzen; sondern bey verzweifel- ten Fällen durch seine Verwegenheit der Klein- muth und dem Unglücke einen Riegel vorschie- ben. Denn jene würde dardurch beschämet und lebhaft; diß aber scheute sich selbst mit einer verzweifelten Kühnheit anzubinden. Also hät- te Sylla sein flüchtiges Heer wider den Orcho- menes in Beotien zu Stande/ und den Sieg auf seine Seite bracht/ als er sich selbst in das Gedränge des Feindes gestürtzet. Hätte Ale- xander nicht mit seinen Macedoniern die Ge- fahr getheilet/ und das wichtigste auf seine Achsel genommen/ würde er nicht biß an das Ufer des Ganges gedrungen/ und Cäsars Siegs-Ruhm in der Blüthe verdorben seyn/ wenn er bey schon halb verspielter Schlacht nicht einem Haupt- manne den Schild ausgerissen/ und dem Nach- drucke der Nervier einen Stillestand geboten hätte. Dahero bey so gefährlichem Zustande der Cherusker/ dem Segimer seine wohlbedäch- tige und wohlausgeschlagene Herfür zückung nicht als ein Fehler ausgelegt/ sondern von denen ohne dis die Gefahr liebenden Deutschen für ei- ne Ubermaasse der Tapferkeit ewig gepriesen werden müste. Denn er schlug sich durch des Drusus Leibwache hertzhafft durch/ und ver- wundete des Drusus Pferd mit einem Wurff- Spiesse so sehr/ daß er sich mit ihm überschlug/ und das rechte Schienbein entzwey brach. Des Drusus Fall brachte die erschrockenen Römer in G g g 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
treiben lieſſen/ und mit den Rudern kein Geraͤu-ſche machten/ ward der Feind ihrer nicht ehe ge- wahr/ als biß die Deutſchen an die Bruͤcke an- ſtieſſen/ und die Brand-Schiffe anzuͤndeten. Die Roͤmer lieffen hierauf beyderſeits der Bruͤ- cke zu/ umb das Feuer zu leſchen/ als Hertzog Segimer an einem Orte des Laͤgers Lermen machte/ an zwey andern aber mit aller Macht einbrach/ alſo geriethen ſie alſobald in Verwir- rung/ und wuſten nicht/ an welchem Orte ſie zur Gegenwehr eilen ſolten. Druſus befahl ſelbſt das Laͤger anzuzuͤnden/ umb den Feind von ſei- nem eignen Volcke zu unterſcheiden/ welches einander hin und wieder ſelbſt verwundete/ und zu Bodem rennete. Weil nun aber die Roͤmer mehr auf die Flucht als Gegenwehr bedacht wa- ren/ und daher einander ſelbſt in das Waſſer drangen/ und von der in der mitten brennenden Bruͤcke abſtuͤrtzten/ drang Druſus mit ſeiner Leibwache herfuͤr/ um durch ſein Beyſpiel den furchtſamen ein Hertz zu machen. Hingegen war der Feldherr Segimer von ſeinem Adel nicht zu erhalten/ daß er/ ungeachtet ſeiner damals ihm zuſtoſſenden Schwachheit ſich ebenfalls an die Spitze ſeines Kriegsvolcks ſtellte. Rhemetalces fieng hieruͤber an: Die Feldherrẽ/ welche zugleich Haͤupter und Herren des Krieges waͤren/ ver- gaͤſſen aus Eifer in den Schlachten gemeini- glich das Ambt eines Kriegs-Oberſten/ und eines Fuͤrſten. Denn da dieſe/ wie Jupiter auf dem Jdiſchen/ und Neptun auf dem Samothraci- ſchen Gebuͤrge der Trojaner und Griechen Schlacht/ oder wie Xerxes auf dem Egaleiſchen Gipfel dem Salaminiſchen See-Treffen/ von aller Gefahr entfernet zuſchauen ſolten/ zuͤckten ſie ſich unzeitig herfuͤr/ vertreten die Stelle ge- meiner Kriegs-Leute/ und beobachten nicht/ daß ein ungluͤcklicher Streich dem Treffen ein boͤſes Ende/ und dem Reiche das Garaus machen koͤnne. Es iſt nicht ohne/ antwortete Adgan- deſter/ daß/ wenn auf einer Schlacht nicht das Hauptwerck des gantzen Krieges/ das Heil oder [Spaltenumbruch] der Untergang des gantzen Reiches beruhet/ und derſelbten Ausſchlag an einem zweifelhaften Fa- deme haͤngt/ ein Fuͤrſt ſich nicht muthwillig in Gefahr ſtuͤrtzen ſolle. Sintemal es auch bey Niedrigen eine Unvernunft iſt/ ſich uͤber der Ge- fahr erfreuen/ und nicht erwegen/ ob aus ſelbter uns einiger wuͤrdiger Lohn zuwachſe. Wenn aber Freyheit und Dienſtbarkeit eines Volckes auf der Wag-Schale liegen/ und es umb des Fuͤrſten Ehre/ die Wolfarth des Vaterlandes zu thun iſt/ muß kein Fuͤrſt einige Gefahr zu groß/ keinen Tod zu ſchrecklich/ und ſein Blut nicht zu koͤſtlich ſchaͤtzen; ſondern bey verzweifel- ten Faͤllen durch ſeine Verwegenheit der Klein- muth und dem Ungluͤcke einen Riegel vorſchie- ben. Denn jene wuͤrde dardurch beſchaͤmet und lebhaft; diß aber ſcheute ſich ſelbſt mit einer verzweifelten Kuͤhnheit anzubinden. Alſo haͤt- te Sylla ſein fluͤchtiges Heer wider den Orcho- menes in Beotien zu Stande/ und den Sieg auf ſeine Seite bracht/ als er ſich ſelbſt in das Gedraͤnge des Feindes geſtuͤrtzet. Haͤtte Ale- xander nicht mit ſeinen Macedoniern die Ge- fahr getheilet/ und das wichtigſte auf ſeine Achſel genommen/ wuͤrde er nicht biß an das Ufer des Ganges gedrungen/ und Caͤſars Siegs-Ruhm in der Bluͤthe verdorben ſeyn/ wenn er bey ſchon halb verſpielter Schlacht nicht einem Haupt- manne den Schild ausgeriſſen/ und dem Nach- drucke der Nervier einen Stilleſtand geboten haͤtte. Dahero bey ſo gefaͤhrlichem Zuſtande der Cherusker/ dem Segimer ſeine wohlbedaͤch- tige und wohlausgeſchlagene Herfuͤr zuͤckung nicht als ein Fehler ausgelegt/ ſondern von denen ohne dis die Gefahr liebenden Deutſchen fuͤr ei- ne Ubermaaſſe der Tapferkeit ewig geprieſen werden muͤſte. Denn er ſchlug ſich durch des Druſus Leibwache hertzhafft durch/ und ver- wundete des Druſus Pferd mit einem Wurff- Spieſſe ſo ſehr/ daß er ſich mit ihm uͤberſchlug/ und das rechte Schienbein entzwey brach. Des Druſus Fall brachte die erſchrockenen Roͤmer in G g g 2
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Arminius und Thußnelda.
treiben lieſſen/ und mit den Rudern kein Geraͤu-
ſche machten/ ward der Feind ihrer nicht ehe ge-
wahr/ als biß die Deutſchen an die Bruͤcke an-
ſtieſſen/ und die Brand-Schiffe anzuͤndeten.
Die Roͤmer lieffen hierauf beyderſeits der Bruͤ-
cke zu/ umb das Feuer zu leſchen/ als Hertzog
Segimer an einem Orte des Laͤgers Lermen
machte/ an zwey andern aber mit aller Macht
einbrach/ alſo geriethen ſie alſobald in Verwir-
rung/ und wuſten nicht/ an welchem Orte ſie zur
Gegenwehr eilen ſolten. Druſus befahl ſelbſt
das Laͤger anzuzuͤnden/ umb den Feind von ſei-
nem eignen Volcke zu unterſcheiden/ welches
einander hin und wieder ſelbſt verwundete/ und
zu Bodem rennete. Weil nun aber die Roͤmer
mehr auf die Flucht als Gegenwehr bedacht wa-
ren/ und daher einander ſelbſt in das Waſſer
drangen/ und von der in der mitten brennenden
Bruͤcke abſtuͤrtzten/ drang Druſus mit ſeiner
Leibwache herfuͤr/ um durch ſein Beyſpiel den
furchtſamen ein Hertz zu machen. Hingegen war
der Feldherr Segimer von ſeinem Adel nicht zu
erhalten/ daß er/ ungeachtet ſeiner damals ihm
zuſtoſſenden Schwachheit ſich ebenfalls an die
Spitze ſeines Kriegsvolcks ſtellte. Rhemetalces
fieng hieruͤber an: Die Feldherrẽ/ welche zugleich
Haͤupter und Herren des Krieges waͤren/ ver-
gaͤſſen aus Eifer in den Schlachten gemeini-
glich das Ambt eines Kriegs-Oberſten/ und eines
Fuͤrſten. Denn da dieſe/ wie Jupiter auf dem
Jdiſchen/ und Neptun auf dem Samothraci-
ſchen Gebuͤrge der Trojaner und Griechen
Schlacht/ oder wie Xerxes auf dem Egaleiſchen
Gipfel dem Salaminiſchen See-Treffen/ von
aller Gefahr entfernet zuſchauen ſolten/ zuͤckten
ſie ſich unzeitig herfuͤr/ vertreten die Stelle ge-
meiner Kriegs-Leute/ und beobachten nicht/ daß
ein ungluͤcklicher Streich dem Treffen ein boͤſes
Ende/ und dem Reiche das Garaus machen
koͤnne. Es iſt nicht ohne/ antwortete Adgan-
deſter/ daß/ wenn auf einer Schlacht nicht das
Hauptwerck des gantzen Krieges/ das Heil oder
der Untergang des gantzen Reiches beruhet/ und
derſelbten Ausſchlag an einem zweifelhaften Fa-
deme haͤngt/ ein Fuͤrſt ſich nicht muthwillig in
Gefahr ſtuͤrtzen ſolle. Sintemal es auch bey
Niedrigen eine Unvernunft iſt/ ſich uͤber der Ge-
fahr erfreuen/ und nicht erwegen/ ob aus ſelbter
uns einiger wuͤrdiger Lohn zuwachſe. Wenn
aber Freyheit und Dienſtbarkeit eines Volckes
auf der Wag-Schale liegen/ und es umb des
Fuͤrſten Ehre/ die Wolfarth des Vaterlandes
zu thun iſt/ muß kein Fuͤrſt einige Gefahr zu
groß/ keinen Tod zu ſchrecklich/ und ſein Blut
nicht zu koͤſtlich ſchaͤtzen; ſondern bey verzweifel-
ten Faͤllen durch ſeine Verwegenheit der Klein-
muth und dem Ungluͤcke einen Riegel vorſchie-
ben. Denn jene wuͤrde dardurch beſchaͤmet
und lebhaft; diß aber ſcheute ſich ſelbſt mit einer
verzweifelten Kuͤhnheit anzubinden. Alſo haͤt-
te Sylla ſein fluͤchtiges Heer wider den Orcho-
menes in Beotien zu Stande/ und den Sieg
auf ſeine Seite bracht/ als er ſich ſelbſt in das
Gedraͤnge des Feindes geſtuͤrtzet. Haͤtte Ale-
xander nicht mit ſeinen Macedoniern die Ge-
fahr getheilet/ und das wichtigſte auf ſeine Achſel
genommen/ wuͤrde er nicht biß an das Ufer des
Ganges gedrungen/ und Caͤſars Siegs-Ruhm
in der Bluͤthe verdorben ſeyn/ wenn er bey ſchon
halb verſpielter Schlacht nicht einem Haupt-
manne den Schild ausgeriſſen/ und dem Nach-
drucke der Nervier einen Stilleſtand geboten
haͤtte. Dahero bey ſo gefaͤhrlichem Zuſtande
der Cherusker/ dem Segimer ſeine wohlbedaͤch-
tige und wohlausgeſchlagene Herfuͤr zuͤckung
nicht als ein Fehler ausgelegt/ ſondern von denen
ohne dis die Gefahr liebenden Deutſchen fuͤr ei-
ne Ubermaaſſe der Tapferkeit ewig geprieſen
werden muͤſte. Denn er ſchlug ſich durch des
Druſus Leibwache hertzhafft durch/ und ver-
wundete des Druſus Pferd mit einem Wurff-
Spieſſe ſo ſehr/ daß er ſich mit ihm uͤberſchlug/
und das rechte Schienbein entzwey brach. Des
Druſus Fall brachte die erſchrockenen Roͤmer
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/473>, abgerufen am 16.07.2024. |