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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] fangers/ sondern von dem unwandelbaren Ge-
setze des unerbittlichen Verhängnüßes. Wie
nun Brutus vom Antonius erdrückt war/ also
enteuserte sich der furchtsame Lepidus seiner Ho-
heit und fiel dem August in einem Trauerkleide
zu Fuße. Derletzte unter den Römern Caßi-
us tödtete sich aus Einbildung eines fremden
Todes. Des Sextus Pompejus Kopf schwam
im Meere; Cato und Juba fielen lieber in ihre
eigene Schwerdter/ als in die Hände des Octa-
vius. Anton verlohr sich durch eigene Wollü-
ste/ blieb also niemand von den großen übrig als
August und sein Anhang.

Da nun dieser die Gemüther der Kriegsleute
mit Geschencken/ den Pöfel mit ausgetheiltem
Geträide/ den Adel mit Freundligkeit/ alle mit
fürgebildeter Süßigkeit des Friedens gewon-
nen hatte/ war niemand/ der nicht lieber eine
glimpfliche Herrschafft/ als eine stets blutende
Freyheit verlangte. Ja die auch selbst im Her-
zen die einhäuptige Herrschafft verfluchten/ tra-
ten von ihrem Anhange und Meinung ab/
nach dem der Stadt Rom Schutz-Gott solche
vorher geändert hätte. Alle Widerwärtigen
erkenneten das Absehen des Verhängnüßes/ die
tödtliche Kranckheit ihrer Bür gerlichen Herr-
schafft/ und nahmen wahr: daß das zwistige
Vaterland nur unter einem Hute zubefriedi-
gen/ und die bey denen Bürgerlichen Kriegen
zerfleischte Freyheit unter einem Fürsten einzu-
büssen der Römer gröstes Glücke war. Und
biemit fiel das Looß auf den August; gegen wel-
chem die sich ihm widersetzende Tugend unglück-
seelig; die Tapfferkeit selbst unvermögend ward.
Dahero ging nun iederman in seinen Palast/
nach dem/ wie sie selbst sagten/ ihnen das Glücke
zu selbtem und zu ihrer Schuldigkeit den Weg
gewiesen hatte/ und wohin die Götter vorherge-
gangen waren. Ja die der Tugend und frey-
en Künsten hold waren/ schrieben diesem Für-
sten an die Pforte: Wer für unrecht hielte/ daß
der Himmel über seinem Würbel schwebte/ daß
[Spaltenumbruch] die Sonne so hoch stünde/ hätte alleine sich zu be-
schweren: daß der würdigste Käyser wäre. Sein
Verdienst setzte ihn auf eine so hohe Staffel/ wo-
hin ihm weder der Unwille seiner Mißgönner
nachsteigen/ noch das Auge der Ehrsüchtigen
nachsehen konte. Feindschafft und Aufruhr
erstickte in sich selbst; der Haß gegen ihn ver-
wandelte sich in Verwunderung/ die Wider-
setzligkeit in Liebe. Und hiemit übertraf dieses
Schoskind des Gelückes bey weitem den Juli-
us. Er kam dem Numa gleich in dem/ daß
er den Tempel des Janus nach Erbauung
der Stadt zum dritten mal zusperrete/ daran
aber: daß er das gröste Theil der Welt be-
herrschte/ überstieg Er so wol alle seine Vor-
fahren/ als anderer abgelebter Beherrscher
Bothmässigkeit. Die seltzamsten Zufälle spiel-
ten ihm mehr als er wüntschte in die Hand/
und nöthigten ihn gleichsam die Gräntzen sei-
nes Gebietes zu erweitern/ ob er gleich das Rö-
mische Reich in denen überkommenen Schran-
cken zu erhalten entschlossen war. Weil die
Uberlast nichts minder eine Ursache ist: daß all-
zu grosse Herrschafften als überbauete Schlösser
einfallen/ und grosse Leiber den meisten
Schwachheiten unterworffen sind. Alleine
wo GOtt und das Verhängnüs etwas vergrös-
sern wil/ da müssen auch die Schrancken der
Natur sich ausdehnen/ und die Zügel der
menschlichen Gemüths-Regungen zerreissen;
oder es läst sich der Ehrsucht nicht so leicht ein
Ziel/ als Ländern einen Gräntz-Stein setzen.
Das Glücke belegte für die Römischen Gewalt-
haber den hoffärtigen Phrat mit Brücken/ und
die Zeit bähnete ihnen die sandichten Wüsteney-
en des innern Libyens; also/ daß die Gräntze
des Römischen Reichs von den weissen Britten/
biß zu den schwartzen Mohren/ von dem Ge-
bürge deß Caucasus/ biß ausser den Säulen des
Hercules sich erstreckte; und das Jndische Meer
nichts minder die Rubinen der Morgen-Röthe/
als das/ worinnen die Sonne zu Golde gehet/

seine

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] fangers/ ſondern von dem unwandelbaren Ge-
ſetze des unerbittlichen Verhaͤngnuͤßes. Wie
nun Brutus vom Antonius erdruͤckt war/ alſo
enteuſerte ſich der furchtſame Lepidus ſeiner Ho-
heit und fiel dem Auguſt in einem Trauerkleide
zu Fuße. Derletzte unter den Roͤmern Caßi-
us toͤdtete ſich aus Einbildung eines fremden
Todes. Des Sextus Pompejus Kopf ſchwam
im Meere; Cato und Juba fielen lieber in ihre
eigene Schwerdter/ als in die Haͤnde des Octa-
vius. Anton verlohr ſich durch eigene Wolluͤ-
ſte/ blieb alſo niemand von den großen uͤbrig als
Auguſt und ſein Anhang.

Da nun dieſer die Gemuͤther der Kriegsleute
mit Geſchencken/ den Poͤfel mit ausgetheiltem
Getraͤide/ den Adel mit Freundligkeit/ alle mit
fuͤrgebildeter Suͤßigkeit des Friedens gewon-
nen hatte/ war niemand/ der nicht lieber eine
glimpfliche Herrſchafft/ als eine ſtets blutende
Freyheit verlangte. Ja die auch ſelbſt im Her-
zen die einhaͤuptige Herrſchafft verfluchten/ tra-
ten von ihrem Anhange und Meinung ab/
nach dem der Stadt Rom Schutz-Gott ſolche
vorher geaͤndert haͤtte. Alle Widerwaͤrtigen
erkenneten das Abſehen des Verhaͤngnuͤßes/ die
toͤdtliche Kranckheit ihrer Buͤr gerlichen Herr-
ſchafft/ und nahmen wahr: daß das zwiſtige
Vaterland nur unter einem Hute zubefriedi-
gen/ und die bey denen Buͤrgerlichen Kriegen
zerfleiſchte Freyheit unter einem Fuͤrſten einzu-
buͤſſen der Roͤmer groͤſtes Gluͤcke war. Und
biemit fiel das Looß auf den Auguſt; gegen wel-
chem die ſich ihm widerſetzende Tugend ungluͤck-
ſeelig; die Tapfferkeit ſelbſt unvermoͤgend ward.
Dahero ging nun iederman in ſeinen Palaſt/
nach dem/ wie ſie ſelbſt ſagten/ ihnen das Gluͤcke
zu ſelbtem und zu ihrer Schuldigkeit den Weg
gewieſen hatte/ und wohin die Goͤtter vorherge-
gangen waren. Ja die der Tugend und frey-
en Kuͤnſten hold waren/ ſchrieben dieſem Fuͤr-
ſten an die Pforte: Wer fuͤr unrecht hielte/ daß
der Himmel uͤber ſeinem Wuͤrbel ſchwebte/ daß
[Spaltenumbruch] die Sonne ſo hoch ſtuͤnde/ haͤtte alleine ſich zu be-
ſchweren: daß der wuͤrdigſte Kaͤyſer waͤre. Sein
Verdienſt ſetzte ihn auf eine ſo hohe Staffel/ wo-
hin ihm weder der Unwille ſeiner Mißgoͤnner
nachſteigen/ noch das Auge der Ehrſuͤchtigen
nachſehen konte. Feindſchafft und Aufruhr
erſtickte in ſich ſelbſt; der Haß gegen ihn ver-
wandelte ſich in Verwunderung/ die Wider-
ſetzligkeit in Liebe. Und hiemit uͤbertraf dieſes
Schoskind des Geluͤckes bey weitem den Juli-
us. Er kam dem Numa gleich in dem/ daß
er den Tempel des Janus nach Erbauung
der Stadt zum dritten mal zuſperrete/ daran
aber: daß er das groͤſte Theil der Welt be-
herrſchte/ uͤberſtieg Er ſo wol alle ſeine Vor-
fahren/ als anderer abgelebter Beherrſcher
Bothmaͤſſigkeit. Die ſeltzamſten Zufaͤlle ſpiel-
ten ihm mehr als er wuͤntſchte in die Hand/
und noͤthigten ihn gleichſam die Graͤntzen ſei-
nes Gebietes zu erweitern/ ob er gleich das Roͤ-
miſche Reich in denen uͤberkommenen Schran-
cken zu erhalten entſchloſſen war. Weil die
Uberlaſt nichts minder eine Urſache iſt: daß all-
zu groſſe Herrſchafften als uͤberbauete Schloͤſſer
einfallen/ und groſſe Leiber den meiſten
Schwachheiten unterworffen ſind. Alleine
wo GOtt und das Verhaͤngnuͤs etwas vergroͤſ-
ſern wil/ da muͤſſen auch die Schrancken der
Natur ſich ausdehnen/ und die Zuͤgel der
menſchlichen Gemuͤths-Regungen zerreiſſen;
oder es laͤſt ſich der Ehrſucht nicht ſo leicht ein
Ziel/ als Laͤndern einen Graͤntz-Stein ſetzen.
Das Gluͤcke belegte fuͤr die Roͤmiſchen Gewalt-
haber den hoffaͤrtigen Phrat mit Bruͤcken/ und
die Zeit baͤhnete ihnen die ſandichten Wuͤſteney-
en des innern Libyens; alſo/ daß die Graͤntze
des Roͤmiſchen Reichs von den weiſſen Britten/
biß zu den ſchwartzen Mohren/ von dem Ge-
buͤrge deß Caucaſus/ biß auſſer den Saͤulen des
Hercules ſich erſtreckte; und das Jndiſche Meer
nichts minder die Rubinen der Morgen-Roͤthe/
als das/ worinnen die Sonne zu Golde gehet/

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[6/0054] Erſtes Buch fangers/ ſondern von dem unwandelbaren Ge- ſetze des unerbittlichen Verhaͤngnuͤßes. Wie nun Brutus vom Antonius erdruͤckt war/ alſo enteuſerte ſich der furchtſame Lepidus ſeiner Ho- heit und fiel dem Auguſt in einem Trauerkleide zu Fuße. Derletzte unter den Roͤmern Caßi- us toͤdtete ſich aus Einbildung eines fremden Todes. Des Sextus Pompejus Kopf ſchwam im Meere; Cato und Juba fielen lieber in ihre eigene Schwerdter/ als in die Haͤnde des Octa- vius. Anton verlohr ſich durch eigene Wolluͤ- ſte/ blieb alſo niemand von den großen uͤbrig als Auguſt und ſein Anhang. Da nun dieſer die Gemuͤther der Kriegsleute mit Geſchencken/ den Poͤfel mit ausgetheiltem Getraͤide/ den Adel mit Freundligkeit/ alle mit fuͤrgebildeter Suͤßigkeit des Friedens gewon- nen hatte/ war niemand/ der nicht lieber eine glimpfliche Herrſchafft/ als eine ſtets blutende Freyheit verlangte. Ja die auch ſelbſt im Her- zen die einhaͤuptige Herrſchafft verfluchten/ tra- ten von ihrem Anhange und Meinung ab/ nach dem der Stadt Rom Schutz-Gott ſolche vorher geaͤndert haͤtte. Alle Widerwaͤrtigen erkenneten das Abſehen des Verhaͤngnuͤßes/ die toͤdtliche Kranckheit ihrer Buͤr gerlichen Herr- ſchafft/ und nahmen wahr: daß das zwiſtige Vaterland nur unter einem Hute zubefriedi- gen/ und die bey denen Buͤrgerlichen Kriegen zerfleiſchte Freyheit unter einem Fuͤrſten einzu- buͤſſen der Roͤmer groͤſtes Gluͤcke war. Und biemit fiel das Looß auf den Auguſt; gegen wel- chem die ſich ihm widerſetzende Tugend ungluͤck- ſeelig; die Tapfferkeit ſelbſt unvermoͤgend ward. Dahero ging nun iederman in ſeinen Palaſt/ nach dem/ wie ſie ſelbſt ſagten/ ihnen das Gluͤcke zu ſelbtem und zu ihrer Schuldigkeit den Weg gewieſen hatte/ und wohin die Goͤtter vorherge- gangen waren. Ja die der Tugend und frey- en Kuͤnſten hold waren/ ſchrieben dieſem Fuͤr- ſten an die Pforte: Wer fuͤr unrecht hielte/ daß der Himmel uͤber ſeinem Wuͤrbel ſchwebte/ daß die Sonne ſo hoch ſtuͤnde/ haͤtte alleine ſich zu be- ſchweren: daß der wuͤrdigſte Kaͤyſer waͤre. Sein Verdienſt ſetzte ihn auf eine ſo hohe Staffel/ wo- hin ihm weder der Unwille ſeiner Mißgoͤnner nachſteigen/ noch das Auge der Ehrſuͤchtigen nachſehen konte. Feindſchafft und Aufruhr erſtickte in ſich ſelbſt; der Haß gegen ihn ver- wandelte ſich in Verwunderung/ die Wider- ſetzligkeit in Liebe. Und hiemit uͤbertraf dieſes Schoskind des Geluͤckes bey weitem den Juli- us. Er kam dem Numa gleich in dem/ daß er den Tempel des Janus nach Erbauung der Stadt zum dritten mal zuſperrete/ daran aber: daß er das groͤſte Theil der Welt be- herrſchte/ uͤberſtieg Er ſo wol alle ſeine Vor- fahren/ als anderer abgelebter Beherrſcher Bothmaͤſſigkeit. Die ſeltzamſten Zufaͤlle ſpiel- ten ihm mehr als er wuͤntſchte in die Hand/ und noͤthigten ihn gleichſam die Graͤntzen ſei- nes Gebietes zu erweitern/ ob er gleich das Roͤ- miſche Reich in denen uͤberkommenen Schran- cken zu erhalten entſchloſſen war. Weil die Uberlaſt nichts minder eine Urſache iſt: daß all- zu groſſe Herrſchafften als uͤberbauete Schloͤſſer einfallen/ und groſſe Leiber den meiſten Schwachheiten unterworffen ſind. Alleine wo GOtt und das Verhaͤngnuͤs etwas vergroͤſ- ſern wil/ da muͤſſen auch die Schrancken der Natur ſich ausdehnen/ und die Zuͤgel der menſchlichen Gemuͤths-Regungen zerreiſſen; oder es laͤſt ſich der Ehrſucht nicht ſo leicht ein Ziel/ als Laͤndern einen Graͤntz-Stein ſetzen. Das Gluͤcke belegte fuͤr die Roͤmiſchen Gewalt- haber den hoffaͤrtigen Phrat mit Bruͤcken/ und die Zeit baͤhnete ihnen die ſandichten Wuͤſteney- en des innern Libyens; alſo/ daß die Graͤntze des Roͤmiſchen Reichs von den weiſſen Britten/ biß zu den ſchwartzen Mohren/ von dem Ge- buͤrge deß Caucaſus/ biß auſſer den Saͤulen des Hercules ſich erſtreckte; und das Jndiſche Meer nichts minder die Rubinen der Morgen-Roͤthe/ als das/ worinnen die Sonne zu Golde gehet/ ſeine

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/54>, abgerufen am 24.11.2024.