Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch [Spaltenumbruch]
abgeschnidten. Gleichwol aber beredet michder aus so viel Helden-Gesichtern hervor strahlende Anblick: daß die unbefleckte Wal- purgis zum minsten so wol eine Ursache der Ra- che/ ein Anlaß die gekränckte Freyheit wiederzu- suchen/ für Deutschland; als die gleichwol besu- delte Lucretie eine Mutter der bürgerlichen Herrschafft/ und eine Vertilgerin der Wütteri- che in Rom zu seyn/ verdiene. Ja weil diese großmütige Tochter des Fürsten Melo in ihrem Hertzen einen so grossen Tugends-Eyfer gezeu- get: daß sie an ihrem Leibe die unsinnige Be- gierde des Varus doch mit dem Tode gestraffet hat; würde ich aller anwesenden Helden Un- willen über mich billich ziehen; wenn ich nur zweifelte: daß sie an dem schuldigen Varus so viel Laster mit gelinderer Straffe belegen/ und dem/ nicht so wol zur Rache seines Hauses/ als dem gemeinen Wesen zum Besten/ wider die Römer hertzhafft streitenden Melo ritterlich bey- springen würden. Diesem heiligen Heyne hat ihr bestürtzter Vater die Asche einer so heiligen Fürstin gewiedmet/ weil dieser Leib vorher ein heiliges Behältnüs einer so reinen Seele gewest. Aber in wie viel ein herrlicher Heyligthum wird mit ihrem Gedächtnüsse das Bild der Tugend beygesetzt werden; wenn in denen Hertzen so gros- ser Helden die trüben Wolcken des Mitleidens einen solchen Blitz gebehren/ welcher den Wütte- rich in Asche verkehret/ und der Nach-Welt ein Beyspiel der unglücklich angefochtenen Keusch- heit hinterläst. Nach dem aber die Leichen ih- rer Ruh/ die frommen Seelen ihrer Erquickung/ die Bösen der Marter nach dem Tode würdig sind/ und also mit Seufzern begleitet zu werden verdienen/ insonderheit die irrdischen Straffen ein allzu leichtes Gewichte gegen die Schwere eines so grausamen Verbrechens abgeben; so sehet/ was das adeliche Frauen-Zimmer der Si- cambrer für eine bewegliche Bitte an die Geister des andern Lebens deswegen abgelassen. Hiemit grief sie in den Sarg/ und nahm der darinnen [Spaltenumbruch] ausgestreckten Leiche ein Schreiben aus der lincken Hand/ und laß folgende Worte daraus: Jhr Geister/ die ihr seyd von GOtt dazu bestellt Der Sterbenden Gebein und Asche zu bewahren/ Last dieser Leiche ja kein Leid nicht widersahren! Denn die hier Eyß ist/ war die Sonne dieser Welt/ Die hier ist Erde/ schloß den Himmel in sich ein; Die Staub ist/ war zuvor ein Wunder-Stern auf Erden. Jedoch sie kan ietzt todt nichts wenigers ja werden/ Die/ weil sie lebend war/ nichts grössers konte seyn. Jhr Geister aber ihr/ die ihr Gespielen seyd Der hier gepeinigten und dort erfreuten Seelen. Nehmt an Walpurgens Geist/ der aus des Leibes Hölen Sich mit Gewalt entbrach/ und für bestimmter Zeit/ Womit ihr keuscher Leib rein/ heilig/ unbefleckt Zu dem was er gewest/ zur Erden in der Erde/ Allein ihr himmlisch Geist ein Stern im Himmel werde/ Der hier schon ein groß Licht der Welt hat aufgesteckt. Jhr Hencker endlich auch/ der Seelen/ die in Koth Das Oel der Tugend kehrn/ des Himmels Schatz verliehren/ Und noch ihr stinckend Gift auf reine Lilgen schmieren/ Thut ja dem Varus an Pein/ Ketten und den Tod. Er hat auch euch versehrt/ denn hätt' er nicht geglaubt: Daß nach dem Tode nichts/ kein Recht/ kein Leben wäre; Daß weder GOtt noch Geist sich an die Laster kehre/ So hätt' er's Leben wol Walpurgen nicht geraubt. Alle anwesende Fürsten sahen einander gantz rung
Erſtes Buch [Spaltenumbruch]
abgeſchnidten. Gleichwol aber beredet michder aus ſo viel Helden-Geſichtern hervor ſtrahlende Anblick: daß die unbefleckte Wal- purgis zum minſten ſo wol eine Urſache der Ra- che/ ein Anlaß die gekraͤnckte Freyheit wiederzu- ſuchen/ fuͤr Deutſchland; als die gleichwol beſu- delte Lucretie eine Mutter der buͤrgerlichen Herrſchafft/ und eine Vertilgerin der Wuͤtteri- che in Rom zu ſeyn/ verdiene. Ja weil dieſe großmuͤtige Tochter des Fuͤrſten Melo in ihrem Hertzen einen ſo groſſen Tugends-Eyfer gezeu- get: daß ſie an ihrem Leibe die unſinnige Be- gierde des Varus doch mit dem Tode geſtraffet hat; wuͤrde ich aller anweſenden Helden Un- willen uͤber mich billich ziehen; wenn ich nur zweifelte: daß ſie an dem ſchuldigen Varus ſo viel Laſter mit gelinderer Straffe belegen/ und dem/ nicht ſo wol zur Rache ſeines Hauſes/ als dem gemeinen Weſen zum Beſten/ wider die Roͤmer hertzhafft ſtreitenden Melo ritterlich bey- ſpringen wuͤrden. Dieſem heiligen Heyne hat ihr beſtuͤrtzter Vater die Aſche einer ſo heiligen Fuͤrſtin gewiedmet/ weil dieſer Leib vorher ein heiliges Behaͤltnuͤs einer ſo reinen Seele geweſt. Aber in wie viel ein herrlicher Heyligthum wird mit ihrem Gedaͤchtnuͤſſe das Bild der Tugend beygeſetzt werden; wenn in denen Hertzen ſo groſ- ſer Helden die truͤben Wolcken des Mitleidens einen ſolchen Blitz gebehren/ welcher den Wuͤtte- rich in Aſche verkehret/ und der Nach-Welt ein Beyſpiel der ungluͤcklich angefochtenen Keuſch- heit hinterlaͤſt. Nach dem aber die Leichen ih- rer Ruh/ die from̃en Seelen ihrer Erquickung/ die Boͤſen der Marter nach dem Tode wuͤrdig ſind/ und alſo mit Seufzern begleitet zu werden verdienen/ inſonderheit die irrdiſchen Straffen ein allzu leichtes Gewichte gegen die Schwere eines ſo grauſamen Verbrechens abgeben; ſo ſehet/ was das adeliche Frauen-Zimmer der Si- cambrer fuͤr eine bewegliche Bitte an die Geiſter des andern Lebens deswegen abgelaſſen. Hiemit grief ſie in den Sarg/ und nahm der darinnen [Spaltenumbruch] ausgeſtreckten Leiche ein Schreiben aus der lincken Hand/ und laß folgende Worte daraus: Jhr Geiſter/ die ihr ſeyd von GOtt dazu beſtellt Der Sterbenden Gebein und Aſche zu bewahren/ Laſt dieſer Leiche ja kein Leid nicht widerſahren! Denn die hier Eyß iſt/ war die Sonne dieſer Welt/ Die hier iſt Erde/ ſchloß den Himmel in ſich ein; Die Staub iſt/ war zuvor ein Wunder-Stern auf Erden. Jedoch ſie kan ietzt todt nichts wenigers ja werden/ Die/ weil ſie lebend war/ nichts groͤſſers konte ſeyn. Jhr Geiſter aber ihr/ die ihr Geſpielen ſeyd Der hier gepeinigten und dort erfreuten Seelen. Nehmt an Walpurgens Geiſt/ der aus des Leibes Hoͤlen Sich mit Gewalt entbrach/ und fuͤr beſtimmter Zeit/ Womit ihr keuſcher Leib rein/ heilig/ unbefleckt Zu dem was er geweſt/ zur Erden in der Erde/ Allein ihr himmliſch Geiſt ein Stern im Himmel werde/ Der hier ſchon ein groß Licht der Welt hat aufgeſteckt. Jhr Hencker endlich auch/ der Seelen/ die in Koth Das Oel der Tugend kehrn/ des Himmels Schatz verliehren/ Und noch ihr ſtinckend Gift auf reine Lilgen ſchmieren/ Thut ja dem Varus an Pein/ Ketten und den Tod. Er hat auch euch verſehrt/ denn haͤtt’ er nicht geglaubt: Daß nach dem Tode nichts/ kein Recht/ kein Leben waͤre; Daß weder GOtt noch Geiſt ſich an die Laſter kehre/ So haͤtt’ er’s Leben wol Walpurgen nicht geraubt. Alle anweſende Fuͤrſten ſahen einander gantz rung
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Erſtes Buch
abgeſchnidten. Gleichwol aber beredet mich
der aus ſo viel Helden-Geſichtern hervor
ſtrahlende Anblick: daß die unbefleckte Wal-
purgis zum minſten ſo wol eine Urſache der Ra-
che/ ein Anlaß die gekraͤnckte Freyheit wiederzu-
ſuchen/ fuͤr Deutſchland; als die gleichwol beſu-
delte Lucretie eine Mutter der buͤrgerlichen
Herrſchafft/ und eine Vertilgerin der Wuͤtteri-
che in Rom zu ſeyn/ verdiene. Ja weil dieſe
großmuͤtige Tochter des Fuͤrſten Melo in ihrem
Hertzen einen ſo groſſen Tugends-Eyfer gezeu-
get: daß ſie an ihrem Leibe die unſinnige Be-
gierde des Varus doch mit dem Tode geſtraffet
hat; wuͤrde ich aller anweſenden Helden Un-
willen uͤber mich billich ziehen; wenn ich nur
zweifelte: daß ſie an dem ſchuldigen Varus ſo
viel Laſter mit gelinderer Straffe belegen/ und
dem/ nicht ſo wol zur Rache ſeines Hauſes/ als
dem gemeinen Weſen zum Beſten/ wider die
Roͤmer hertzhafft ſtreitenden Melo ritterlich bey-
ſpringen wuͤrden. Dieſem heiligen Heyne hat
ihr beſtuͤrtzter Vater die Aſche einer ſo heiligen
Fuͤrſtin gewiedmet/ weil dieſer Leib vorher ein
heiliges Behaͤltnuͤs einer ſo reinen Seele geweſt.
Aber in wie viel ein herrlicher Heyligthum wird
mit ihrem Gedaͤchtnuͤſſe das Bild der Tugend
beygeſetzt werden; wenn in denen Hertzen ſo groſ-
ſer Helden die truͤben Wolcken des Mitleidens
einen ſolchen Blitz gebehren/ welcher den Wuͤtte-
rich in Aſche verkehret/ und der Nach-Welt ein
Beyſpiel der ungluͤcklich angefochtenen Keuſch-
heit hinterlaͤſt. Nach dem aber die Leichen ih-
rer Ruh/ die from̃en Seelen ihrer Erquickung/
die Boͤſen der Marter nach dem Tode wuͤrdig
ſind/ und alſo mit Seufzern begleitet zu werden
verdienen/ inſonderheit die irrdiſchen Straffen
ein allzu leichtes Gewichte gegen die Schwere
eines ſo grauſamen Verbrechens abgeben; ſo
ſehet/ was das adeliche Frauen-Zimmer der Si-
cambrer fuͤr eine bewegliche Bitte an die Geiſter
des andern Lebens deswegen abgelaſſen. Hiemit
grief ſie in den Sarg/ und nahm der darinnen
ausgeſtreckten Leiche ein Schreiben aus der
lincken Hand/ und laß folgende Worte daraus:
Jhr Geiſter/ die ihr ſeyd von GOtt dazu beſtellt
Der Sterbenden Gebein und Aſche zu bewahren/
Laſt dieſer Leiche ja kein Leid nicht widerſahren!
Denn die hier Eyß iſt/ war die Sonne dieſer Welt/
Die hier iſt Erde/ ſchloß den Himmel in ſich ein;
Die Staub iſt/ war zuvor ein Wunder-Stern auf Erden.
Jedoch ſie kan ietzt todt nichts wenigers ja werden/
Die/ weil ſie lebend war/ nichts groͤſſers konte ſeyn.
Jhr Geiſter aber ihr/ die ihr Geſpielen ſeyd
Der hier gepeinigten und dort erfreuten Seelen.
Nehmt an Walpurgens Geiſt/ der aus des Leibes Hoͤlen
Sich mit Gewalt entbrach/ und fuͤr beſtimmter Zeit/
Womit ihr keuſcher Leib rein/ heilig/ unbefleckt
Zu dem was er geweſt/ zur Erden in der Erde/
Allein ihr himmliſch Geiſt ein Stern im Himmel werde/
Der hier ſchon ein groß Licht der Welt hat aufgeſteckt.
Jhr Hencker endlich auch/ der Seelen/ die in Koth
Das Oel der Tugend kehrn/ des Himmels Schatz verliehren/
Und noch ihr ſtinckend Gift auf reine Lilgen ſchmieren/
Thut ja dem Varus an Pein/ Ketten und den Tod.
Er hat auch euch verſehrt/ denn haͤtt’ er nicht geglaubt:
Daß nach dem Tode nichts/ kein Recht/ kein Leben waͤre;
Daß weder GOtt noch Geiſt ſich an die Laſter kehre/
So haͤtt’ er’s Leben wol Walpurgen nicht geraubt.
Alle anweſende Fuͤrſten ſahen einander gantz
beſtuͤrtzt an; denn nicht nur die traurigen Ge-
ſichter der anweſenden Klage-Weiber/ ſondern
auch der todten Fuͤrſtin Antlitz ſie gleichſam mit
ſtummer Zunge zum Mitleiden und zur Ra-
che anfleheten. Das Waſſer in welchem ſie
einen halben Tag gelegen/ ehe ſie gefunden und
heraus gezogen worden/ hatte ihren Leib durch
Aufſchwellung/ und der Tod ihr faſt himmli-
ſches Antlitz durch den Raub ſeines Purpers
verſtellet; gleichwol waren auch in dieſer ge-
ringſten Uberbleibung nicht ſchlechte Merck-
male ihrer Schoͤnheit und Anmuth zu ſpuͤren.
Denn die Sonnen/ wenn ſie gleich untergan-
gen ſind/ laſſen doch noch Kenn-Zeichen ihres
herrlichen Glantzes hinter ſich. Alſo wurden
anfangs ihre Augen/ hernach ihre Gemuͤther
uͤberaus beweget; dahero Hertzog Herrmann
dieſe ihm gleichſam vom Himmel zugeſchickete
Gelegenheit die deutfchen Fuͤrſten zur Verbitte-
rung
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/60>, abgerufen am 16.02.2025. |