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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] derer zum Unglück versehenen Menschen/ daß
sie entweder nichts sähen/ oder nichts gläub-
ten.

Wie nun wir auf Taprobana nicht so wohl
ausgeruhet/ als in hundert Lustgärten unsere
Lüsternheit mit tausenderley Wollust gesättigt
hatten/ auch der glückselige Tag/ da der Mon-
de zum ersten herfür kommt/ anbrach/ machten
wir uns alle zur Reise fertig; der Gesandte
Masulipat aber ging mit den Seinigen baar-
füßig/ und mit der rechten Hand zuvor in ein
unter dem hohen Verge liegendes/ und dem
Abgotte Annemonta/ oder dem Winde gewied-
metes Heiligthum/ um eine glückliche Schif-
farth zu erbitten. Welche Verehrung/ wie
sie mir an sich so befremdet nicht fürkam/ weil
auch die Phoenicier und Augustus in Gallien
dem Winde einen Tempel/ die von Athen auff
Befehl des Delphischen Apollo beym Anzuge
Xerxens ein Altar gebauet; Also wuste ich nicht
zu begreiffen/ daß der Abgott unter der Ge-
stalt eines in Gold eingefasten Affen-Zahnes
verehret ward; ungeachtet die Egyptier/ die
Pittecusier und Araber ihren Anubis und
Mercur wie einen Affen abbilden und bedie-
nen. Wir segelten aus der Stadt Cydara mit
einem beständigen Ost-Winde unter dem Ey-
lande Leuce bey der Sud-Spitze Jndiens/ und
den Sesecrienischen Jnseln vorbey/ und wie-
wohl ich durch meine Serische Magnet-Na-
del dem Schiffer ein gerader Wegweiser seyn
wolte/ traute er doch nicht/ sondern hielt sich an
die Ufer bey Nelcynda/ Tyndis/ Tirannobas/
Cammoni/ Herone und Acabaris. Massen
wir denn auch in dem Baracischen Seebuseme
auff dem Eylande Cilluta/ dem Einflusse des
Jndus gegen über/ um frische Lufft zu schöpf-
fen ausstiegen/ hierauff an der Gedrosischen
Küste unter den Eylanden Crocala/ Bibracte/
Carmine/ biß an die der Sonne und dem Se-
rapis gewiedmete Jnsel Nosola fortse gelten/ in
[Spaltenumbruch] willens in den Persischen Seebusem einzulauf-
fen. Ein hefftiger Nord-Nord-Ost-Wind a-
ber trieb uns wider Willen auff die Arabische
Küste gegen die Zenobischen Eylande hinauff.
Die annehmliche Unterredung mit dem Ma-
sulipat verkürtzte mir nichts minder den Weg
als die Tage/ und Zarmar/ ein mit ihm reisen-
der Brahman gewan mich nach unterschiedener
Tage Unterredungen so lieb/ daß/ ob diesen Jn-
dianischen Weisen zwar in ihrem uhralten Ge-
setzbuche die Geheimnüsse ihres Glaubens und
Weißheit/ nichts minder als bey den Griechen
den Elevsinischen Gottesdienst/ andern Jndia-
nischen Stämmen/ noch mehr aber Fremden
zu entdecken verboten war/ ich täglich von ihm
etwas zu lernen bekam. Rhemetalces fing an:
Es ist diß fast allen Völckern gemein/ daß ihre
Priester die Heimligkeiten ihres Glaubens und
Gottesdienstes so verborgen halten. Die E-
gyptier hätten in diesem Absehn von ihrer Jsis
gerühmt/ daß kein Sterblicher sich iemahls un-
terstanden hätte ihr den Schleyer abzuziehen.
Sie hätten in alle ihre und des Serapis Tem-
pel das Bild des den Mund mit der Hand be-
deckenden Harpocrates gesetzt/ zur Erinne-
rung/ daß hier alles verschwiegen seyn solte.
Die Juden hätten mit tausend Flüchen den
Ptolomeus überschüttet/ daß er ihr Gesetzbuch
Griechisch übersetzen lassen. Der Elevsini-
sche Gottesdienst dörffte in Griechenland bey
Lebens-Straffe nicht entdecket werden. Des
Pythagoras fünffjähriges Stillschweigen/ und
sein Gebot/ daß niemand an seinem Finger ei-
nen Ring tragen solle/ in welchen Gottes Bild
oder Nahmen gegraben wäre/ zielete nirgends
anders hin/ als auff die Verhölung des Got-
tesdienstes. Zu Athen würde auff einem ge-
wissen Altare dem verborgenen Gotte geopf-
fert. Die Scythen bildeten zu dem Ende ih-
ren Anacharsis derogestalt/ daß er mit der lin-
cken Hand seine Geburts-Glieder bedeckte/

mit

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] derer zum Ungluͤck verſehenen Menſchen/ daß
ſie entweder nichts ſaͤhen/ oder nichts glaͤub-
ten.

Wie nun wir auf Taprobana nicht ſo wohl
ausgeruhet/ als in hundert Luſtgaͤrten unſere
Luͤſternheit mit tauſenderley Wolluſt geſaͤttigt
hatten/ auch der gluͤckſelige Tag/ da der Mon-
de zum erſten herfuͤr kommt/ anbrach/ machten
wir uns alle zur Reiſe fertig; der Geſandte
Maſulipat aber ging mit den Seinigen baar-
fuͤßig/ und mit der rechten Hand zuvor in ein
unter dem hohen Verge liegendes/ und dem
Abgotte Annemonta/ oder dem Winde gewied-
metes Heiligthum/ um eine gluͤckliche Schif-
farth zu erbitten. Welche Verehrung/ wie
ſie mir an ſich ſo befremdet nicht fuͤrkam/ weil
auch die Phoenicier und Auguſtus in Gallien
dem Winde einen Tempel/ die von Athen auff
Befehl des Delphiſchen Apollo beym Anzuge
Xerxens ein Altar gebauet; Alſo wuſte ich nicht
zu begreiffen/ daß der Abgott unter der Ge-
ſtalt eines in Gold eingefaſten Affen-Zahnes
verehret ward; ungeachtet die Egyptier/ die
Pittecuſier und Araber ihren Anubis und
Mercur wie einen Affen abbilden und bedie-
nen. Wir ſegelten aus der Stadt Cydara mit
einem beſtaͤndigen Oſt-Winde unter dem Ey-
lande Leuce bey der Sud-Spitze Jndiens/ und
den Seſecrieniſchen Jnſeln vorbey/ und wie-
wohl ich durch meine Seriſche Magnet-Na-
del dem Schiffer ein gerader Wegweiſer ſeyn
wolte/ traute er doch nicht/ ſondern hielt ſich an
die Ufer bey Nelcynda/ Tyndis/ Tirannobas/
Cammoni/ Herone und Acabaris. Maſſen
wir denn auch in dem Baraciſchen Seebuſeme
auff dem Eylande Cilluta/ dem Einfluſſe des
Jndus gegen uͤber/ um friſche Lufft zu ſchoͤpf-
fen ausſtiegen/ hierauff an der Gedroſiſchen
Kuͤſte unter den Eylanden Crocala/ Bibracte/
Carmine/ biß an die der Sonne und dem Se-
rapis gewiedmete Jnſel Noſola fortſe gelten/ in
[Spaltenumbruch] willens in den Perſiſchen Seebuſem einzulauf-
fen. Ein hefftiger Nord-Nord-Oſt-Wind a-
ber trieb uns wider Willen auff die Arabiſche
Kuͤſte gegen die Zenobiſchen Eylande hinauff.
Die annehmliche Unterredung mit dem Ma-
ſulipat verkuͤrtzte mir nichts minder den Weg
als die Tage/ und Zarmar/ ein mit ihm reiſen-
der Brahman gewan mich nach unterſchiedener
Tage Unterredungen ſo lieb/ daß/ ob dieſen Jn-
dianiſchen Weiſen zwar in ihrem uhralten Ge-
ſetzbuche die Geheimnuͤſſe ihres Glaubens und
Weißheit/ nichts minder als bey den Griechen
den Elevſiniſchen Gottesdienſt/ andern Jndia-
niſchen Staͤmmen/ noch mehr aber Fremden
zu entdecken verboten war/ ich taͤglich von ihm
etwas zu lernen bekam. Rhemetalces fing an:
Es iſt diß faſt allen Voͤlckern gemein/ daß ihre
Prieſter die Heimligkeiten ihres Glaubens und
Gottesdienſtes ſo verborgen halten. Die E-
gyptier haͤtten in dieſem Abſehn von ihrer Jſis
geruͤhmt/ daß kein Sterblicher ſich iemahls un-
terſtanden haͤtte ihr den Schleyer abzuziehen.
Sie haͤtten in alle ihre und des Serapis Tem-
pel das Bild des den Mund mit der Hand be-
deckenden Harpocrates geſetzt/ zur Erinne-
rung/ daß hier alles verſchwiegen ſeyn ſolte.
Die Juden haͤtten mit tauſend Fluͤchen den
Ptolomeus uͤberſchuͤttet/ daß er ihr Geſetzbuch
Griechiſch uͤberſetzen laſſen. Der Elevſini-
ſche Gottesdienſt doͤrffte in Griechenland bey
Lebens-Straffe nicht entdecket werden. Des
Pythagoras fuͤnffjaͤhriges Stillſchweigen/ und
ſein Gebot/ daß niemand an ſeinem Finger ei-
nen Ring tragen ſolle/ in welchen Gottes Bild
oder Nahmen gegraben waͤre/ zielete nirgends
anders hin/ als auff die Verhoͤlung des Got-
tesdienſtes. Zu Athen wuͤrde auff einem ge-
wiſſen Altare dem verborgenen Gotte geopf-
fert. Die Scythen bildeten zu dem Ende ih-
ren Anacharſis derogeſtalt/ daß er mit der lin-
cken Hand ſeine Geburts-Glieder bedeckte/

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[658/0714] Fuͤnfftes Buch derer zum Ungluͤck verſehenen Menſchen/ daß ſie entweder nichts ſaͤhen/ oder nichts glaͤub- ten. Wie nun wir auf Taprobana nicht ſo wohl ausgeruhet/ als in hundert Luſtgaͤrten unſere Luͤſternheit mit tauſenderley Wolluſt geſaͤttigt hatten/ auch der gluͤckſelige Tag/ da der Mon- de zum erſten herfuͤr kommt/ anbrach/ machten wir uns alle zur Reiſe fertig; der Geſandte Maſulipat aber ging mit den Seinigen baar- fuͤßig/ und mit der rechten Hand zuvor in ein unter dem hohen Verge liegendes/ und dem Abgotte Annemonta/ oder dem Winde gewied- metes Heiligthum/ um eine gluͤckliche Schif- farth zu erbitten. Welche Verehrung/ wie ſie mir an ſich ſo befremdet nicht fuͤrkam/ weil auch die Phoenicier und Auguſtus in Gallien dem Winde einen Tempel/ die von Athen auff Befehl des Delphiſchen Apollo beym Anzuge Xerxens ein Altar gebauet; Alſo wuſte ich nicht zu begreiffen/ daß der Abgott unter der Ge- ſtalt eines in Gold eingefaſten Affen-Zahnes verehret ward; ungeachtet die Egyptier/ die Pittecuſier und Araber ihren Anubis und Mercur wie einen Affen abbilden und bedie- nen. Wir ſegelten aus der Stadt Cydara mit einem beſtaͤndigen Oſt-Winde unter dem Ey- lande Leuce bey der Sud-Spitze Jndiens/ und den Seſecrieniſchen Jnſeln vorbey/ und wie- wohl ich durch meine Seriſche Magnet-Na- del dem Schiffer ein gerader Wegweiſer ſeyn wolte/ traute er doch nicht/ ſondern hielt ſich an die Ufer bey Nelcynda/ Tyndis/ Tirannobas/ Cammoni/ Herone und Acabaris. Maſſen wir denn auch in dem Baraciſchen Seebuſeme auff dem Eylande Cilluta/ dem Einfluſſe des Jndus gegen uͤber/ um friſche Lufft zu ſchoͤpf- fen ausſtiegen/ hierauff an der Gedroſiſchen Kuͤſte unter den Eylanden Crocala/ Bibracte/ Carmine/ biß an die der Sonne und dem Se- rapis gewiedmete Jnſel Noſola fortſe gelten/ in willens in den Perſiſchen Seebuſem einzulauf- fen. Ein hefftiger Nord-Nord-Oſt-Wind a- ber trieb uns wider Willen auff die Arabiſche Kuͤſte gegen die Zenobiſchen Eylande hinauff. Die annehmliche Unterredung mit dem Ma- ſulipat verkuͤrtzte mir nichts minder den Weg als die Tage/ und Zarmar/ ein mit ihm reiſen- der Brahman gewan mich nach unterſchiedener Tage Unterredungen ſo lieb/ daß/ ob dieſen Jn- dianiſchen Weiſen zwar in ihrem uhralten Ge- ſetzbuche die Geheimnuͤſſe ihres Glaubens und Weißheit/ nichts minder als bey den Griechen den Elevſiniſchen Gottesdienſt/ andern Jndia- niſchen Staͤmmen/ noch mehr aber Fremden zu entdecken verboten war/ ich taͤglich von ihm etwas zu lernen bekam. Rhemetalces fing an: Es iſt diß faſt allen Voͤlckern gemein/ daß ihre Prieſter die Heimligkeiten ihres Glaubens und Gottesdienſtes ſo verborgen halten. Die E- gyptier haͤtten in dieſem Abſehn von ihrer Jſis geruͤhmt/ daß kein Sterblicher ſich iemahls un- terſtanden haͤtte ihr den Schleyer abzuziehen. Sie haͤtten in alle ihre und des Serapis Tem- pel das Bild des den Mund mit der Hand be- deckenden Harpocrates geſetzt/ zur Erinne- rung/ daß hier alles verſchwiegen ſeyn ſolte. Die Juden haͤtten mit tauſend Fluͤchen den Ptolomeus uͤberſchuͤttet/ daß er ihr Geſetzbuch Griechiſch uͤberſetzen laſſen. Der Elevſini- ſche Gottesdienſt doͤrffte in Griechenland bey Lebens-Straffe nicht entdecket werden. Des Pythagoras fuͤnffjaͤhriges Stillſchweigen/ und ſein Gebot/ daß niemand an ſeinem Finger ei- nen Ring tragen ſolle/ in welchen Gottes Bild oder Nahmen gegraben waͤre/ zielete nirgends anders hin/ als auff die Verhoͤlung des Got- tesdienſtes. Zu Athen wuͤrde auff einem ge- wiſſen Altare dem verborgenen Gotte geopf- fert. Die Scythen bildeten zu dem Ende ih- ren Anacharſis derogeſtalt/ daß er mit der lin- cken Hand ſeine Geburts-Glieder bedeckte/ mit

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/714>, abgerufen am 22.11.2024.