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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] sen. Weil aber niemand daselbst im Rathe
saß/ der nicht mit dem Ubelthäter befreundet
oder geschwägert war; wiesen sie die Botschaft
mit verächtlicher Antwort ab: daß sie nicht wü-
sten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter
bestellt hätte. Sie klagten auch alsofort denen
andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genossen-
schafft stehenden Hetrurischen Städten: daß
Brennus sich mit Gewalt an sie riebe/ und nur
Gelegenheit auch die Hetrurier unter sein Joch
zu bringen suchte; also möchten sie bey Zeiten
nicht nur auff ihre allgemeine Beschirmung
vorsinnen; sondern auch ihre Waffen verein-
baren um diese Räuber wieder über die Alpen
zu jagen. Sintemal es doch nichts minder
besser als rühmlicher wäre/ sein Pferd an seines
Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des
Feindes zu Hause wartete/ bekennte schon: daß
er ihm nicht gewachsen/ auch nichts zu gewin-
nen/ sondern nur nicht zu verspielen gesinnt
wäre. Hiermit zohen die Hetrurier unter
dem Fürsten Lars zu Clusium (als welche un-
ter denen zwölff verbundenen Städten damals
gleich die Reye der Ober-Herrschafft traff) in
Eil ihre Macht zusammen/ und besetzten gegen
Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein-
gänge; sondern überfielen auch unterhalb des
Aesischen Brunnen drey hundert die Gräntze
bewachende Semnoner; richteten an dem Or-
te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und
nennten ihn das Begräbniß der Gallier.
Brennus schickte ein Theil seines Heeres da-
selbsthin; theils der Hetrurier Einbruch zu steu-
ern/ theils sich anzustellen/ als ob die Semno-
ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er
hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den
Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle
streitbare Mannschafft bey Verlust des Lebens
zu erscheinen verbunden ist; so gar: daß auch die
zuletzt oder zu spät sich stellenden in aller An-
gesichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer-
den. Aus diesen machte Brennus einen star-
[Spaltenumbruch] cken Ausschuß/ wendete sich mit der grösten
Macht gegen dem Ursprunge des Arnus/ all-
wo ihm Aruntes einen Weg über den Apen-
nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium so un-
verhofft ankam: daß als die Clusier hiervon
Zeitung kriegten/ sie hierüber lachten/ und frag-
ten: Ob die Semnoner sich in Kranche/ wie
die Ripheischen Völcker in Wölffe verwan-
deln/ und über die Berge flügen könten. Der
Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand.
Denn sie erfuhren wenig Stunden darnach:
daß Aretium mit Sturm übergegangen/ und
alle Einwohner durch die Schärffe der Deut-
schen Schwerdter gefallen wären. Lars ver-
ließ hierüber die Engen des Apennin/ und eil-
te über Hals und Kopff seinem brennenden
Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge-
gen Clusium anziehenden Brennus bey Cor-
tona. Der bereit empfundene Verlust reitzte
ihn zu einer geschwinden Rache/ und er meinte:
weil das Amt eines Kriegs-Mannes schlagen
wäre; müste nicht schlagen ein Merckmal eines
Feigen seyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht
liefern/ die schlimmste Thorheit eines Vermes-
senen; und ohne Schwerdtstreich überwinden
ein Meisterstücke der Klugen ist. Weil nun
Brennus dem Lars an Kriegs-Wissenschafft
die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit
überlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ diese mü-
de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit
dem Winde bereit eingenommen hatten/ war
es den Deutschen unschwer sich des Sieges zu
bemeistern. Mit denen flüchtigen Hetruri-
ern drangen die Uberwinder mit in die von den
Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/
und erlangten derogestalt in einem Tage einen
zweyfachen Sieg. Lars zahlte selbst seine U-
bereilung mit Einbüßung seines Lebens; A-
runtes aber ward von seinen eingeholeten
Deutschen im Gedränge durch die Pferde zer-
treten. O eine gerechte Straffe der Götter!
fing Zeno an überlaut zu ruffen/ daß der/ wel-

cher

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſen. Weil aber niemand daſelbſt im Rathe
ſaß/ der nicht mit dem Ubelthaͤter befreundet
oder geſchwaͤgert war; wieſen ſie die Botſchaft
mit veraͤchtlicher Antwort ab: daß ſie nicht wuͤ-
ſten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter
beſtellt haͤtte. Sie klagten auch alſofort denen
andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genoſſen-
ſchafft ſtehenden Hetruriſchen Staͤdten: daß
Brennus ſich mit Gewalt an ſie riebe/ und nur
Gelegenheit auch die Hetruꝛier unter ſein Joch
zu bringen ſuchte; alſo moͤchten ſie bey Zeiten
nicht nur auff ihre allgemeine Beſchirmung
vorſinnen; ſondern auch ihre Waffen verein-
baren um dieſe Raͤuber wieder uͤber die Alpen
zu jagen. Sintemal es doch nichts minder
beſſer als ruͤhmlicher waͤre/ ſein Pferd an ſeines
Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des
Feindes zu Hauſe wartete/ bekennte ſchon: daß
er ihm nicht gewachſen/ auch nichts zu gewin-
nen/ ſondern nur nicht zu verſpielen geſinnt
waͤre. Hiermit zohen die Hetrurier unter
dem Fuͤrſten Lars zu Cluſium (als welche un-
ter denen zwoͤlff verbundenen Staͤdten damals
gleich die Reye der Ober-Herrſchafft traff) in
Eil ihre Macht zuſammen/ und beſetzten gegen
Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein-
gaͤnge; ſondern uͤberfielen auch unterhalb des
Aeſiſchen Brunnen drey hundert die Graͤntze
bewachende Semnoner; richteten an dem Or-
te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und
nennten ihn das Begraͤbniß der Gallier.
Brennus ſchickte ein Theil ſeines Heeres da-
ſelbſthin; theils der Hetrurier Einbruch zu ſteu-
ern/ theils ſich anzuſtellen/ als ob die Semno-
ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er
hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den
Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle
ſtreitbare Mannſchafft bey Verluſt des Lebens
zu erſcheinen verbunden iſt; ſo gar: daß auch die
zuletzt oder zu ſpaͤt ſich ſtellenden in aller An-
geſichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer-
den. Aus dieſen machte Brennus einen ſtar-
[Spaltenumbruch] cken Ausſchuß/ wendete ſich mit der groͤſten
Macht gegen dem Urſprunge des Arnus/ all-
wo ihm Aruntes einen Weg uͤber den Apen-
nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium ſo un-
verhofft ankam: daß als die Cluſier hiervon
Zeitung kriegten/ ſie hieruͤber lachten/ und frag-
ten: Ob die Semnoner ſich in Kranche/ wie
die Ripheiſchen Voͤlcker in Woͤlffe verwan-
deln/ und uͤber die Berge fluͤgen koͤnten. Der
Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand.
Denn ſie erfuhren wenig Stunden darnach:
daß Aretium mit Sturm uͤbergegangen/ und
alle Einwohner durch die Schaͤrffe der Deut-
ſchen Schwerdter gefallen waͤren. Lars ver-
ließ hieruͤber die Engen des Apennin/ und eil-
te uͤber Hals und Kopff ſeinem brennenden
Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge-
gen Cluſium anziehenden Brennus bey Cor-
tona. Der bereit empfundene Verluſt reitzte
ihn zu einer geſchwinden Rache/ und er meinte:
weil das Amt eines Kriegs-Mannes ſchlagen
waͤre; muͤſte nicht ſchlagen ein Merckmal eines
Feigen ſeyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht
liefern/ die ſchlimmſte Thorheit eines Vermeſ-
ſenen; und ohne Schwerdtſtreich uͤberwinden
ein Meiſterſtuͤcke der Klugen iſt. Weil nun
Brennus dem Lars an Kriegs-Wiſſenſchafft
die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit
uͤberlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ dieſe muͤ-
de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit
dem Winde bereit eingenommen hatten/ war
es den Deutſchen unſchwer ſich des Sieges zu
bemeiſtern. Mit denen fluͤchtigen Hetruri-
ern drangen die Uberwinder mit in die von den
Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/
und erlangten derogeſtalt in einem Tage einen
zweyfachen Sieg. Lars zahlte ſelbſt ſeine U-
bereilung mit Einbuͤßung ſeines Lebens; A-
runtes aber ward von ſeinen eingeholeten
Deutſchen im Gedraͤnge durch die Pferde zer-
treten. O eine gerechte Straffe der Goͤtter!
fing Zeno an uͤberlaut zu ruffen/ daß der/ wel-

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[742[744]/0804] Sechſtes Buch ſen. Weil aber niemand daſelbſt im Rathe ſaß/ der nicht mit dem Ubelthaͤter befreundet oder geſchwaͤgert war; wieſen ſie die Botſchaft mit veraͤchtlicher Antwort ab: daß ſie nicht wuͤ- ſten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter beſtellt haͤtte. Sie klagten auch alſofort denen andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genoſſen- ſchafft ſtehenden Hetruriſchen Staͤdten: daß Brennus ſich mit Gewalt an ſie riebe/ und nur Gelegenheit auch die Hetruꝛier unter ſein Joch zu bringen ſuchte; alſo moͤchten ſie bey Zeiten nicht nur auff ihre allgemeine Beſchirmung vorſinnen; ſondern auch ihre Waffen verein- baren um dieſe Raͤuber wieder uͤber die Alpen zu jagen. Sintemal es doch nichts minder beſſer als ruͤhmlicher waͤre/ ſein Pferd an ſeines Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des Feindes zu Hauſe wartete/ bekennte ſchon: daß er ihm nicht gewachſen/ auch nichts zu gewin- nen/ ſondern nur nicht zu verſpielen geſinnt waͤre. Hiermit zohen die Hetrurier unter dem Fuͤrſten Lars zu Cluſium (als welche un- ter denen zwoͤlff verbundenen Staͤdten damals gleich die Reye der Ober-Herrſchafft traff) in Eil ihre Macht zuſammen/ und beſetzten gegen Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein- gaͤnge; ſondern uͤberfielen auch unterhalb des Aeſiſchen Brunnen drey hundert die Graͤntze bewachende Semnoner; richteten an dem Or- te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und nennten ihn das Begraͤbniß der Gallier. Brennus ſchickte ein Theil ſeines Heeres da- ſelbſthin; theils der Hetrurier Einbruch zu ſteu- ern/ theils ſich anzuſtellen/ als ob die Semno- ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle ſtreitbare Mannſchafft bey Verluſt des Lebens zu erſcheinen verbunden iſt; ſo gar: daß auch die zuletzt oder zu ſpaͤt ſich ſtellenden in aller An- geſichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer- den. Aus dieſen machte Brennus einen ſtar- cken Ausſchuß/ wendete ſich mit der groͤſten Macht gegen dem Urſprunge des Arnus/ all- wo ihm Aruntes einen Weg uͤber den Apen- nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium ſo un- verhofft ankam: daß als die Cluſier hiervon Zeitung kriegten/ ſie hieruͤber lachten/ und frag- ten: Ob die Semnoner ſich in Kranche/ wie die Ripheiſchen Voͤlcker in Woͤlffe verwan- deln/ und uͤber die Berge fluͤgen koͤnten. Der Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand. Denn ſie erfuhren wenig Stunden darnach: daß Aretium mit Sturm uͤbergegangen/ und alle Einwohner durch die Schaͤrffe der Deut- ſchen Schwerdter gefallen waͤren. Lars ver- ließ hieruͤber die Engen des Apennin/ und eil- te uͤber Hals und Kopff ſeinem brennenden Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge- gen Cluſium anziehenden Brennus bey Cor- tona. Der bereit empfundene Verluſt reitzte ihn zu einer geſchwinden Rache/ und er meinte: weil das Amt eines Kriegs-Mannes ſchlagen waͤre; muͤſte nicht ſchlagen ein Merckmal eines Feigen ſeyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht liefern/ die ſchlimmſte Thorheit eines Vermeſ- ſenen; und ohne Schwerdtſtreich uͤberwinden ein Meiſterſtuͤcke der Klugen iſt. Weil nun Brennus dem Lars an Kriegs-Wiſſenſchafft die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit uͤberlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ dieſe muͤ- de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit dem Winde bereit eingenommen hatten/ war es den Deutſchen unſchwer ſich des Sieges zu bemeiſtern. Mit denen fluͤchtigen Hetruri- ern drangen die Uberwinder mit in die von den Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/ und erlangten derogeſtalt in einem Tage einen zweyfachen Sieg. Lars zahlte ſelbſt ſeine U- bereilung mit Einbuͤßung ſeines Lebens; A- runtes aber ward von ſeinen eingeholeten Deutſchen im Gedraͤnge durch die Pferde zer- treten. O eine gerechte Straffe der Goͤtter! fing Zeno an uͤberlaut zu ruffen/ daß der/ wel- cher

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 742[744]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/804>, abgerufen am 22.11.2024.