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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Deutschen ein Feyertag der Göttin Hertha ein;
den sie in ihrem Läger ruhig ausser mit dem er-
zehlten Gethöne begingen. Bey dieser Gele-
genheit; und weil dem Marius aus dem Nar-
bonischen Gallien sechs tausend Marsen zu
Hülffe kamen/ ließ er den Marcus Claudius
Marcellus mit der Helffte der Marsen/ drey
tausend auserlesenen auf deutsche Art gekleide-
ten Römern/ nebst einer grossen Menge gewaff-
neten Trosses eine püschichte Höhe Seitenwerts
gegen das deutsche Läger einnehmen; mit Be-
fehl: daß er bey der nunmehr entschlossenen
Schlacht trachten solte dem Feinde in Rücken zu
kommen. Auf den Morgen führten beyde
Theile ihre Kriegsheere aus dem Läger. Die
Deutschen aber waren so hitzig: daß sie die Rö-
mer in der zur Schlacht bequemen Fläche nicht
erwarten wolten; sondern den von einem Ber-
ge abkommenden Feind bergaufwerts fechtende
angrieffen. Wiewohl nun die Beschaffenheit
des Ortes den Römern sehr vortheilhaftig/ den
Deutschen nachtheilig war; so standen sie doch
wie Felsen; und fochten drey Stunden lang/ ehe
fie die Römer auf die Fläche kommen liessen.
Beyderseits Kriegs-Häupter thäten nicht allein
das äuserste/ und ergäntzten mit ihrer klugen
Anstalt alle Lücken; ja auch die im Hinterhalt ste-
henden Weiber kamen ihren Männern mit
Zuruff und eigner Tapferkeit zu Hülffe/ wo sie
irgends Noth leiden wolten. Als aber Mar-
cellus den Deutschen mit seinen verkleideten
Römern und Marsen in Rücken fiel; wurden
sie überaus verwirret; in dem sie nicht wusten:
durch was für Verrätherey ihnen ihre Lands-
leute zu Feinden worden/ oder/ ob sie ihnen vom
Himmel auf den Hals gefallen wären. Die
Tugenen lidten hierbey unter dem Könige Bo-
lus die gröste Noth; und begonte der lincke Flü-
gel in nicht geringe Unordnung zu kommen.
Aber König Teutobach/ welcher nebst seinen
drey hundert zur Leibwache habenden Riesen
über alle andere Streitenden mit dem Kopfe
[Spaltenumbruch] fürragte/ drang dahin/ rennte den Marcellus
selbst zu Bodem/ und brachte die Seinigen/ wel-
che endlich die Römische Verkleidung wahrnah-
men/ wieder zu Stande. J[n]zwischen aber
hatte Marius im rechten Flügel wider den Her-
tzog Harald einen mächtigen Einbruch gethan;
also: daß Teutobach dort abermals fürbeugen
muste. Wiewohl nun die Deutschen/ inson-
derheit welche fingernackt fochten/ die unge-
wohnte Hitze selbigen Tages mehr als die Waf-
fen der Feinde abmattete/ zum Theil kaum mehr
lechsen konten/ ja für Schweiß und Staube
kaum mehr Menschen ähnlich waren; hielten
sie doch biß zur Sonnen Untergange aus.
Da denn Teutobach/ sonderlich als König Bo-
lus heftig verwundet/ Fürst Harald aber getöd-
tet ward/ den Seinigen ins Läger zu weichen
ein Zeichen gab. Marius blieb zwar zum Zei-
chen des Sieges etliche Stunden auf der Wall-
statt stehen; hernach aber führte er das gröste
Theil seines Volckes ins Läger/ und ließ alle
aufs beste sich erfrischen. Mit etlichen einan-
der ablösenden Hauffen aber machte er durch vie-
les Geräusche und Geschrey die gantze Nacht
Lermen; also: daß die im Läger stehenden und
einen Sturm besorgenden Deutschen durch ste-
tes Wachen vellends abgemattet wurden. Des-
sen ungeachtet führte König Teutobach/ als er
bey angehendem Tage die Römer sich wieder zu
einer neuen Schlacht stellen sahe/ und über diß
die Lebens-Mittel gebrechen wolten/ sein Heer
aus dem Lager. Es ist über menschlichen Glau-
ben: mit was für Heftigkeit die Deutschen all-
hier für ihr Leben und Freyheit/ die Römer für
den ihnen eingebildeten Sieg gefochten. Die
Krieggs-Schaaren stiessen an einander wie Fel-
sen; und gleichwohl hatte biß an den hohen
Mittag kein Theil dem andern einigen Vor-
theil/ oder nur einen Fuß breit Erde abgewon-
nen. Jnsonderheit aber trat und schlug König
Teutobach mit seiner Riesen-Wache alles was
ihm begegnete/ zu Bodem; und es blieben diesen

halben

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Deutſchen ein Feyertag der Goͤttin Hertha ein;
den ſie in ihrem Laͤger ruhig auſſer mit dem er-
zehlten Gethoͤne begingen. Bey dieſer Gele-
genheit; und weil dem Marius aus dem Nar-
boniſchen Gallien ſechs tauſend Marſen zu
Huͤlffe kamen/ ließ er den Marcus Claudius
Marcellus mit der Helffte der Marſen/ drey
tauſend auserleſenen auf deutſche Art gekleide-
ten Roͤmern/ nebſt einer groſſen Menge gewaff-
neten Troſſes eine puͤſchichte Hoͤhe Seitenwerts
gegen das deutſche Laͤger einnehmen; mit Be-
fehl: daß er bey der nunmehr entſchloſſenen
Schlacht trachten ſolte dem Feinde in Ruͤcken zu
kommen. Auf den Morgen fuͤhrten beyde
Theile ihre Kriegsheere aus dem Laͤger. Die
Deutſchen aber waren ſo hitzig: daß ſie die Roͤ-
mer in der zur Schlacht bequemen Flaͤche nicht
erwarten wolten; ſondern den von einem Ber-
ge abkommenden Feind bergaufwerts fechtende
angrieffen. Wiewohl nun die Beſchaffenheit
des Ortes den Roͤmern ſehr vortheilhaftig/ den
Deutſchen nachtheilig war; ſo ſtanden ſie doch
wie Felſen; und fochten drey Stunden lang/ ehe
fie die Roͤmer auf die Flaͤche kommen lieſſen.
Beyderſeits Kriegs-Haͤupter thaͤten nicht allein
das aͤuſerſte/ und ergaͤntzten mit ihrer klugen
Anſtalt alle Luͤcken; ja auch die im Hinterhalt ſte-
henden Weiber kamen ihren Maͤnnern mit
Zuruff und eigner Tapferkeit zu Huͤlffe/ wo ſie
irgends Noth leiden wolten. Als aber Mar-
cellus den Deutſchen mit ſeinen verkleideten
Roͤmern und Marſen in Ruͤcken fiel; wurden
ſie uͤberaus verwirret; in dem ſie nicht wuſten:
durch was fuͤr Verraͤtherey ihnen ihre Lands-
leute zu Feinden worden/ oder/ ob ſie ihnen vom
Himmel auf den Hals gefallen waͤren. Die
Tugenen lidten hierbey unter dem Koͤnige Bo-
lus die groͤſte Noth; und begonte der lincke Fluͤ-
gel in nicht geringe Unordnung zu kommen.
Aber Koͤnig Teutobach/ welcher nebſt ſeinen
drey hundert zur Leibwache habenden Rieſen
uͤber alle andere Streitenden mit dem Kopfe
[Spaltenumbruch] fuͤrragte/ drang dahin/ rennte den Marcellus
ſelbſt zu Bodem/ und brachte die Seinigen/ wel-
che endlich die Roͤmiſche Verkleidung wahrnah-
men/ wieder zu Stande. J[n]zwiſchen aber
hatte Marius im rechten Fluͤgel wider den Her-
tzog Harald einen maͤchtigen Einbruch gethan;
alſo: daß Teutobach dort abermals fuͤrbeugen
muſte. Wiewohl nun die Deutſchen/ inſon-
derheit welche fingernackt fochten/ die unge-
wohnte Hitze ſelbigen Tages mehr als die Waf-
fen der Feinde abmattete/ zum Theil kaum mehꝛ
lechſen konten/ ja fuͤr Schweiß und Staube
kaum mehr Menſchen aͤhnlich waren; hielten
ſie doch biß zur Sonnen Untergange aus.
Da denn Teutobach/ ſonderlich als Koͤnig Bo-
lus heftig verwundet/ Fuͤrſt Harald aber getoͤd-
tet ward/ den Seinigen ins Laͤger zu weichen
ein Zeichen gab. Marius blieb zwar zum Zei-
chen des Sieges etliche Stunden auf der Wall-
ſtatt ſtehen; hernach aber fuͤhrte er das groͤſte
Theil ſeines Volckes ins Laͤger/ und ließ alle
aufs beſte ſich erfriſchen. Mit etlichen einan-
der abloͤſenden Hauffen aber machte er durch vie-
les Geraͤuſche und Geſchrey die gantze Nacht
Lermen; alſo: daß die im Laͤger ſtehenden und
einen Sturm beſorgenden Deutſchen durch ſte-
tes Wachen vellends abgemattet wurden. Deſ-
ſen ungeachtet fuͤhrte Koͤnig Teutobach/ als er
bey angehendem Tage die Roͤmer ſich wieder zu
einer neuen Schlacht ſtellen ſahe/ und uͤber diß
die Lebens-Mittel gebrechen wolten/ ſein Heer
aus dem Lager. Es iſt uͤber menſchlichen Glau-
ben: mit was fuͤr Heftigkeit die Deutſchen all-
hier fuͤr ihr Leben und Freyheit/ die Roͤmer fuͤr
den ihnen eingebildeten Sieg gefochten. Die
Krieggs-Schaaren ſtieſſen an einander wie Fel-
ſen; und gleichwohl hatte biß an den hohen
Mittag kein Theil dem andern einigen Vor-
theil/ oder nur einen Fuß breit Erde abgewon-
nen. Jnſonderheit aber trat und ſchlug Koͤnig
Teutobach mit ſeiner Rieſen-Wache alles was
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[912[914]/0974] Sechſtes Buch Deutſchen ein Feyertag der Goͤttin Hertha ein; den ſie in ihrem Laͤger ruhig auſſer mit dem er- zehlten Gethoͤne begingen. Bey dieſer Gele- genheit; und weil dem Marius aus dem Nar- boniſchen Gallien ſechs tauſend Marſen zu Huͤlffe kamen/ ließ er den Marcus Claudius Marcellus mit der Helffte der Marſen/ drey tauſend auserleſenen auf deutſche Art gekleide- ten Roͤmern/ nebſt einer groſſen Menge gewaff- neten Troſſes eine puͤſchichte Hoͤhe Seitenwerts gegen das deutſche Laͤger einnehmen; mit Be- fehl: daß er bey der nunmehr entſchloſſenen Schlacht trachten ſolte dem Feinde in Ruͤcken zu kommen. Auf den Morgen fuͤhrten beyde Theile ihre Kriegsheere aus dem Laͤger. Die Deutſchen aber waren ſo hitzig: daß ſie die Roͤ- mer in der zur Schlacht bequemen Flaͤche nicht erwarten wolten; ſondern den von einem Ber- ge abkommenden Feind bergaufwerts fechtende angrieffen. Wiewohl nun die Beſchaffenheit des Ortes den Roͤmern ſehr vortheilhaftig/ den Deutſchen nachtheilig war; ſo ſtanden ſie doch wie Felſen; und fochten drey Stunden lang/ ehe fie die Roͤmer auf die Flaͤche kommen lieſſen. Beyderſeits Kriegs-Haͤupter thaͤten nicht allein das aͤuſerſte/ und ergaͤntzten mit ihrer klugen Anſtalt alle Luͤcken; ja auch die im Hinterhalt ſte- henden Weiber kamen ihren Maͤnnern mit Zuruff und eigner Tapferkeit zu Huͤlffe/ wo ſie irgends Noth leiden wolten. Als aber Mar- cellus den Deutſchen mit ſeinen verkleideten Roͤmern und Marſen in Ruͤcken fiel; wurden ſie uͤberaus verwirret; in dem ſie nicht wuſten: durch was fuͤr Verraͤtherey ihnen ihre Lands- leute zu Feinden worden/ oder/ ob ſie ihnen vom Himmel auf den Hals gefallen waͤren. Die Tugenen lidten hierbey unter dem Koͤnige Bo- lus die groͤſte Noth; und begonte der lincke Fluͤ- gel in nicht geringe Unordnung zu kommen. Aber Koͤnig Teutobach/ welcher nebſt ſeinen drey hundert zur Leibwache habenden Rieſen uͤber alle andere Streitenden mit dem Kopfe fuͤrragte/ drang dahin/ rennte den Marcellus ſelbſt zu Bodem/ und brachte die Seinigen/ wel- che endlich die Roͤmiſche Verkleidung wahrnah- men/ wieder zu Stande. Jnzwiſchen aber hatte Marius im rechten Fluͤgel wider den Her- tzog Harald einen maͤchtigen Einbruch gethan; alſo: daß Teutobach dort abermals fuͤrbeugen muſte. Wiewohl nun die Deutſchen/ inſon- derheit welche fingernackt fochten/ die unge- wohnte Hitze ſelbigen Tages mehr als die Waf- fen der Feinde abmattete/ zum Theil kaum mehꝛ lechſen konten/ ja fuͤr Schweiß und Staube kaum mehr Menſchen aͤhnlich waren; hielten ſie doch biß zur Sonnen Untergange aus. Da denn Teutobach/ ſonderlich als Koͤnig Bo- lus heftig verwundet/ Fuͤrſt Harald aber getoͤd- tet ward/ den Seinigen ins Laͤger zu weichen ein Zeichen gab. Marius blieb zwar zum Zei- chen des Sieges etliche Stunden auf der Wall- ſtatt ſtehen; hernach aber fuͤhrte er das groͤſte Theil ſeines Volckes ins Laͤger/ und ließ alle aufs beſte ſich erfriſchen. Mit etlichen einan- der abloͤſenden Hauffen aber machte er durch vie- les Geraͤuſche und Geſchrey die gantze Nacht Lermen; alſo: daß die im Laͤger ſtehenden und einen Sturm beſorgenden Deutſchen durch ſte- tes Wachen vellends abgemattet wurden. Deſ- ſen ungeachtet fuͤhrte Koͤnig Teutobach/ als er bey angehendem Tage die Roͤmer ſich wieder zu einer neuen Schlacht ſtellen ſahe/ und uͤber diß die Lebens-Mittel gebrechen wolten/ ſein Heer aus dem Lager. Es iſt uͤber menſchlichen Glau- ben: mit was fuͤr Heftigkeit die Deutſchen all- hier fuͤr ihr Leben und Freyheit/ die Roͤmer fuͤr den ihnen eingebildeten Sieg gefochten. Die Krieggs-Schaaren ſtieſſen an einander wie Fel- ſen; und gleichwohl hatte biß an den hohen Mittag kein Theil dem andern einigen Vor- theil/ oder nur einen Fuß breit Erde abgewon- nen. Jnſonderheit aber trat und ſchlug Koͤnig Teutobach mit ſeiner Rieſen-Wache alles was ihm begegnete/ zu Bodem; und es blieben dieſen halben

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 912[914]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/974>, abgerufen am 22.11.2024.