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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] täglicher Tod war; weil selbtes nicht mehr zum
Theil seines Volckes/ sondern zum Schauspiele
seiner Feinde dienen solte. Gleichwohl halff
seine Tapferkeit so viel: daß über zwantzig tau-
send Teutoner und Ambroner über den Fluß
Druentia entkamen/ und sich mit denen zu Be-
setzung des Allobrogischen Gebürges gelassenen
Tugurinern stiessen; also: daß ungeachtet der
Deutschen beyde Tage sechzig tausend blieben/
auch zwantzig tausend gefangen wurden/ (welche
wahrhafte Zahl aber die Römer etliche mal ver-
grössern) Marius sie zu verfolgen Bedencken
trug; vorwendende: Es wäre Ehre genung:
daß der Kern der Deutschen erlegt wäre; die
übrigen die Flucht im Hertzen und die Wunden
auf dem Rücken mit sich führten. Sintemal
jene ihr Leben nicht umbsonst verkaufft/ und die
Römer gleichfalls über viertzig tausend verloh-
ren/ Marius/ und alle Kriegs-Obersten genung-
same Wunden an sich zu verbinden hatten; der
Römische Rath auch auf des Quintus Metellus
Einrathen den Verlust so vieler Bürger durch
ein den Ehstand aufnöthigendes Gesetze zu erse-
tzen schlüssen muste. Marius ließ von den feind-
lichen Leichen und Waffen zwey grosse Berge
zusa mmen tragen/ auf einen Holtz-Stoß zwölff
der schönsten deutschen Jungfrauen setzen/ und
im Angesichte des gantzen mit Lorbern bekräntz-
ten Heeres von dem Priester zum Gedächtnüsse
seiner geopferten Calphurnia lebendig verbren-
nen. Jn welche Flamme sich noch viel andere
deutsche Frauen freywillig stürtzten; die in der
Schlacht gefangen worden waren; umb mit
der Keuschheit auch ihre Freyheit durch den Tod
zu erkauffen. Den Bergvoll Leichen aber ver-
schleppten die Massilier; brauchten der Deut-
schen Fleisch und Vlut zu Tingung der Aecker/
ihre Gebeine aber zu Umbzäunung der Wein-
Berge. Marius ward dieses Sieges halber/
wordurch gleichsam schon auch die Cimbern und
Helvetier überwunden zu seyn schienen/ mit un-
zehlbaren Glückwüntschen überschüttet; zu Rom
abwesende das fünfte mal zum Bürgermeister
[Spaltenumbruch] erwehlet/ und zu seinem Siegs-Gepränge un-
gemeine Anstalt gemacht.

Alleine diese Freude und Siegs-Gepränge
verstörte bald dar auf der Ruff von König Bojo-
richs Anzuge. Quintus Catulus hatte zwar
alle Pässe des Tridentinischen Gebürges besetzt
und verschantzt. Bojorich aber/ nach dem er
sich mit dem Hertzoge der Angeln Cesorich/ dem
Longobardischen Hertzoge Claudicus/ und der
Variner Fürsten Lucius verstärckt/ arbeitete
sich mitten im Winter durch Schnee und Eiß
über den höchsten Gipfel der Tridentinischen
Alpen zu aller Menschen Verwunderung
durch; ob wohl die Cimbern wegen der abschüssi-
gen und von dem Eise Spiegel-glatten Berge
mehrmals sich herunter kugeln/ oder auf ihren
grossen Schilden wie auf Schlitten herunter
rennen musten. Quintus Lutatius Catulus ent-
setzte sich über diesem Einbruche eines gleichsam
über die Berge geflogenen Feindes derogestalt:
daß er über Hals und Kopf biß nach Verruca zu-
rücke wiech/ und sich auf einem Berge verschantz-
te. Aber die Furcht trieb ihn/ ehe er einen Deut-
schen zu Gesichte bekam/ bey nur verlautendem
Anzuge biß über den Fluß Athesis nach Vero-
na/ allwo sie das Ufer dieses Flusses als eine rech-
te Festung mit einem Walle belegten. Dessen
ungeachtet hielt König Bojorich zu grossem
Schrecken des Feindes/ ihn/ wo er am sichersten
zu seyn meynte/ anzugreiffen. Daher laß er die
grösten Kriegs-Knechte aus seinem Läger zusam-
men/ ließ selbte in den Fluß waten/ mit Befehl
die Gewalt des Stromes denen unterhalb fech-
tenden Deutschen aufzuhalten. Welch Begin-
nen zu Rom ein Geschrey machte: Die Cimbern
wären so thummkühn; daß die Flüsse mit ihren
Schwerdtern wie Xerxes das Meer mit Ruthen
schlügen; und gleich als wenn auch das Wasser
eine Fühle hätte/ solchen zu verwunden meynten.
Da doch nach ihrer Erfindung Pompejus her-
nach sein Heer durch den Fluß Cyrus/ Käyser
Julius sein Volck durch den Rubico führte.
Als diß aber wegen Heftigkeit des von dem zer-

gange-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] taͤglicher Tod war; weil ſelbtes nicht mehr zum
Theil ſeines Volckes/ ſondern zum Schauſpiele
ſeiner Feinde dienen ſolte. Gleichwohl halff
ſeine Tapferkeit ſo viel: daß uͤber zwantzig tau-
ſend Teutoner und Ambroner uͤber den Fluß
Druentia entkamen/ und ſich mit denen zu Be-
ſetzung des Allobrogiſchen Gebuͤrges gelaſſenen
Tugurinern ſtieſſen; alſo: daß ungeachtet der
Deutſchen beyde Tage ſechzig tauſend blieben/
auch zwantzig tauſend gefangen wuꝛden/ (welche
wahrhafte Zahl aber die Roͤmer etliche mal ver-
groͤſſern) Marius ſie zu verfolgen Bedencken
trug; vorwendende: Es waͤre Ehre genung:
daß der Kern der Deutſchen erlegt waͤre; die
uͤbrigen die Flucht im Hertzen und die Wunden
auf dem Ruͤcken mit ſich fuͤhrten. Sintemal
jene ihr Leben nicht umbſonſt verkaufft/ und die
Roͤmer gleichfalls uͤber viertzig tauſend verloh-
ren/ Marius/ und alle Kriegs-Obeꝛſten genung-
ſame Wunden an ſich zu verbinden hatten; der
Roͤmiſche Rath auch auf des Quintus Metellus
Einrathen den Verluſt ſo vieler Buͤrger durch
ein den Ehſtand aufnoͤthigendes Geſetze zu erſe-
tzen ſchluͤſſen muſte. Marius ließ von den feind-
lichen Leichen und Waffen zwey groſſe Berge
zuſa mmen tragen/ auf einen Holtz-Stoß zwoͤlff
der ſchoͤnſten deutſchen Jungfrauen ſetzen/ und
im Angeſichte des gantzen mit Lorbern bekraͤntz-
ten Heeres von dem Prieſter zum Gedaͤchtnuͤſſe
ſeiner geopferten Calphurnia lebendig verbren-
nen. Jn welche Flamme ſich noch viel andere
deutſche Frauen freywillig ſtuͤrtzten; die in der
Schlacht gefangen worden waren; umb mit
der Keuſchheit auch ihre Freyheit durch den Tod
zu erkauffen. Den Bergvoll Leichen aber ver-
ſchleppten die Maſſilier; brauchten der Deut-
ſchen Fleiſch und Vlut zu Tingung der Aecker/
ihre Gebeine aber zu Umbzaͤunung der Wein-
Berge. Marius ward dieſes Sieges halber/
wordurch gleichſam ſchon auch die Cimbern und
Helvetier uͤberwunden zu ſeyn ſchienen/ mit un-
zehlbaren Gluͤckwuͤntſchen uͤberſchuͤttet; zu Rom
abweſende das fuͤnfte mal zum Buͤrgermeiſter
[Spaltenumbruch] erwehlet/ und zu ſeinem Siegs-Gepraͤnge un-
gemeine Anſtalt gemacht.

Alleine dieſe Freude und Siegs-Gepraͤnge
verſtoͤrte bald dar auf der Ruff von Koͤnig Bojo-
richs Anzuge. Quintus Catulus hatte zwar
alle Paͤſſe des Tridentiniſchen Gebuͤrges beſetzt
und verſchantzt. Bojorich aber/ nach dem er
ſich mit dem Hertzoge der Angeln Ceſorich/ dem
Longobardiſchen Hertzoge Claudicus/ und der
Variner Fuͤrſten Lucius verſtaͤrckt/ arbeitete
ſich mitten im Winteꝛ durch Schnee und Eiß
uͤber den hoͤchſten Gipfel der Tridentiniſchen
Alpen zu aller Menſchen Verwunderung
durch; ob wohl die Cimbern wegen der abſchuͤſſi-
gen und von dem Eiſe Spiegel-glatten Berge
mehrmals ſich herunter kugeln/ oder auf ihren
groſſen Schilden wie auf Schlitten herunter
rennen muſten. Quintus Lutatius Catulus ent-
ſetzte ſich uͤber dieſem Einbruche eines gleichſam
uͤber die Berge geflogenen Feindes derogeſtalt:
daß er uͤber Hals und Kopf biß nach Verruca zu-
ruͤcke wiech/ und ſich auf einem Berge verſchantz-
te. Aber die Furcht trieb ihn/ ehe er einen Deut-
ſchen zu Geſichte bekam/ bey nur verlautendem
Anzuge biß uͤber den Fluß Atheſis nach Vero-
na/ allwo ſie das Ufer dieſes Fluſſes als eine rech-
te Feſtung mit einem Walle belegten. Deſſen
ungeachtet hielt Koͤnig Bojorich zu groſſem
Schrecken des Feindes/ ihn/ wo er am ſicherſten
zu ſeyn meynte/ anzugreiffen. Daher laß er die
groͤſten Kriegs-Knechte aus ſeinem Laͤger zuſam-
men/ ließ ſelbte in den Fluß waten/ mit Befehl
die Gewalt des Stromes denen unterhalb fech-
tenden Deutſchen aufzuhalten. Welch Begin-
nen zu Rom ein Geſchrey machte: Die Cimbern
waͤren ſo thum̃kuͤhn; daß die Fluͤſſe mit ihren
Schwerdtern wie Xerxes das Meeꝛ mit Ruthen
ſchluͤgen; und gleich als wenn auch das Waſſer
eine Fuͤhle haͤtte/ ſolchen zu verwunden meynten.
Da doch nach ihrer Erfindung Pompejus her-
nach ſein Heer durch den Fluß Cyrus/ Kaͤyſer
Julius ſein Volck durch den Rubico fuͤhrte.
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[914[916]/0976] Sechſtes Buch taͤglicher Tod war; weil ſelbtes nicht mehr zum Theil ſeines Volckes/ ſondern zum Schauſpiele ſeiner Feinde dienen ſolte. Gleichwohl halff ſeine Tapferkeit ſo viel: daß uͤber zwantzig tau- ſend Teutoner und Ambroner uͤber den Fluß Druentia entkamen/ und ſich mit denen zu Be- ſetzung des Allobrogiſchen Gebuͤrges gelaſſenen Tugurinern ſtieſſen; alſo: daß ungeachtet der Deutſchen beyde Tage ſechzig tauſend blieben/ auch zwantzig tauſend gefangen wuꝛden/ (welche wahrhafte Zahl aber die Roͤmer etliche mal ver- groͤſſern) Marius ſie zu verfolgen Bedencken trug; vorwendende: Es waͤre Ehre genung: daß der Kern der Deutſchen erlegt waͤre; die uͤbrigen die Flucht im Hertzen und die Wunden auf dem Ruͤcken mit ſich fuͤhrten. Sintemal jene ihr Leben nicht umbſonſt verkaufft/ und die Roͤmer gleichfalls uͤber viertzig tauſend verloh- ren/ Marius/ und alle Kriegs-Obeꝛſten genung- ſame Wunden an ſich zu verbinden hatten; der Roͤmiſche Rath auch auf des Quintus Metellus Einrathen den Verluſt ſo vieler Buͤrger durch ein den Ehſtand aufnoͤthigendes Geſetze zu erſe- tzen ſchluͤſſen muſte. Marius ließ von den feind- lichen Leichen und Waffen zwey groſſe Berge zuſa mmen tragen/ auf einen Holtz-Stoß zwoͤlff der ſchoͤnſten deutſchen Jungfrauen ſetzen/ und im Angeſichte des gantzen mit Lorbern bekraͤntz- ten Heeres von dem Prieſter zum Gedaͤchtnuͤſſe ſeiner geopferten Calphurnia lebendig verbren- nen. Jn welche Flamme ſich noch viel andere deutſche Frauen freywillig ſtuͤrtzten; die in der Schlacht gefangen worden waren; umb mit der Keuſchheit auch ihre Freyheit durch den Tod zu erkauffen. Den Bergvoll Leichen aber ver- ſchleppten die Maſſilier; brauchten der Deut- ſchen Fleiſch und Vlut zu Tingung der Aecker/ ihre Gebeine aber zu Umbzaͤunung der Wein- Berge. Marius ward dieſes Sieges halber/ wordurch gleichſam ſchon auch die Cimbern und Helvetier uͤberwunden zu ſeyn ſchienen/ mit un- zehlbaren Gluͤckwuͤntſchen uͤberſchuͤttet; zu Rom abweſende das fuͤnfte mal zum Buͤrgermeiſter erwehlet/ und zu ſeinem Siegs-Gepraͤnge un- gemeine Anſtalt gemacht. Alleine dieſe Freude und Siegs-Gepraͤnge verſtoͤrte bald dar auf der Ruff von Koͤnig Bojo- richs Anzuge. Quintus Catulus hatte zwar alle Paͤſſe des Tridentiniſchen Gebuͤrges beſetzt und verſchantzt. Bojorich aber/ nach dem er ſich mit dem Hertzoge der Angeln Ceſorich/ dem Longobardiſchen Hertzoge Claudicus/ und der Variner Fuͤrſten Lucius verſtaͤrckt/ arbeitete ſich mitten im Winteꝛ durch Schnee und Eiß uͤber den hoͤchſten Gipfel der Tridentiniſchen Alpen zu aller Menſchen Verwunderung durch; ob wohl die Cimbern wegen der abſchuͤſſi- gen und von dem Eiſe Spiegel-glatten Berge mehrmals ſich herunter kugeln/ oder auf ihren groſſen Schilden wie auf Schlitten herunter rennen muſten. Quintus Lutatius Catulus ent- ſetzte ſich uͤber dieſem Einbruche eines gleichſam uͤber die Berge geflogenen Feindes derogeſtalt: daß er uͤber Hals und Kopf biß nach Verruca zu- ruͤcke wiech/ und ſich auf einem Berge verſchantz- te. Aber die Furcht trieb ihn/ ehe er einen Deut- ſchen zu Geſichte bekam/ bey nur verlautendem Anzuge biß uͤber den Fluß Atheſis nach Vero- na/ allwo ſie das Ufer dieſes Fluſſes als eine rech- te Feſtung mit einem Walle belegten. Deſſen ungeachtet hielt Koͤnig Bojorich zu groſſem Schrecken des Feindes/ ihn/ wo er am ſicherſten zu ſeyn meynte/ anzugreiffen. Daher laß er die groͤſten Kriegs-Knechte aus ſeinem Laͤger zuſam- men/ ließ ſelbte in den Fluß waten/ mit Befehl die Gewalt des Stromes denen unterhalb fech- tenden Deutſchen aufzuhalten. Welch Begin- nen zu Rom ein Geſchrey machte: Die Cimbern waͤren ſo thum̃kuͤhn; daß die Fluͤſſe mit ihren Schwerdtern wie Xerxes das Meeꝛ mit Ruthen ſchluͤgen; und gleich als wenn auch das Waſſer eine Fuͤhle haͤtte/ ſolchen zu verwunden meynten. Da doch nach ihrer Erfindung Pompejus her- nach ſein Heer durch den Fluß Cyrus/ Kaͤyſer Julius ſein Volck durch den Rubico fuͤhrte. Als diß aber wegen Heftigkeit des von dem zer- gange-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 914[916]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/976>, abgerufen am 22.11.2024.