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Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.

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Die List und die Furien.
525WJr eil'n und fall'n den Blutthund an!
Wer Städte baut und Fürsten Aschen
Mit Andacht Mord verblümen kan/
Des Henckers spielt auß Freundschafts-Taschen/
Für dem beschiemt der gröste Fürst sich nicht/
530Den Witz/ und Macht/ und Treue gleich verficht.
Die fünfte Abhandlung.
Der Schau-Platz stellet für des Käysers Zimmer.
Kiosem. Ibrahim. Capachi-Bachi.
Kiosem. SO fleh't die Mutter dich/ mein Kind/ vergebens an?
Ibrah. Wer Bitt-loß nicht wil seyn/ heisch't/ was man geben kan.
Kiosem. Begnadigung ist ja das Kleinod grosser Fürsten.
Ibrah. Die sind der Knechte Knecht/ die nie nach Rache dürsten.
5
Kiosem. Die Gütte stütz't den Thron/ die Schärsse reist ihn ein.
Ibrah. Der Boßheit Straffe muß der Zepter Seule seyn.
Kiosem. Wer allzu strenge straff't/ krieg't eines Wüttrich's Nahmen.
Ibrah. Wer durch die Finger sih't/ pflantzt selbst der Laster Saamen.
Kiosem. Der Himmel sämet Frucht durch linden Thau auf's Land.
10
Ibrah. Der Reif und Schnee gebiehr't Erhaltung und Bestand.
Kiosem. Ein Fürst muß wie ein Strauß oft Schuld und Stahl verdeien.
Ibrah. Oft/ wie ein Adler thut/ mit Aug und Klanen dreuen.
Kiosem. Ja dreu'n/ doch den nicht bald zermalmen/ der wo irr't.
Ibrah. Durch Blitzen ohne Schlag/ wird Boßheit nur gekirr't.
15
Kiosem. Ein Fürst mach't sich hierdurch bey Bösen selbst beliebet.
Ibrah. Schaff't: daß man sonder Furcht noch arg're Thaten übet.
Kiosem. Fürst Amurath gewann viel durch verziehne Schuld.
Ibrah. Er strafte Missethat mit mehrer Ungeduld.
Kiosem. Er schickte statt des Strick's dem Mechmet Gerei Gaben.
20
Ibrah. Weil diesen Tarter Er zum Freunde muste haben.
Kiosem. Der Abaßa bekam für Aufruhr Schwerdt und Kleid.
Ibrah. Er drück't ein Auge zu sich schickend in die Zeit.
Kiosem. Mein einig Wortt erbat des Caineran Leben.
Ibrah. Bustaims schlechte Schuld must Halß und Kopf hergeben.
25
Kiosem. Des Mufti Fehler gleich't Bustaims Diebstal nicht.
Ibrah. Sag': ob/ wer die Person verletz't/ nicht mehr verbricht?
Kiosem. Sein schon gestraftes Kind hat mehr/ als Er verbrochen.
Ibrah. Wir haben über ihn zu wenig noch gesprochen.
Kiosem. Die Würde seines Amp'ts macht's Urthel allzu scharf.
30
Ibrah. Was nimmt's ihm: daß er nicht den Käyser sehen darf?
Kiosem. Der Pöfel lern't hierdurch sein Ampt verächtlich halten.
Ibrah. Die Mufti haben schon oft müssen gar erkalten.
Kiosem. Wie hoch entschüldigte beym Sultan Amurath
Der Cham des Mufti Tod?
Ibrah. Fürst Amurath selbst hat
35Des Mufti Sohn/ als er des Vaters Aussenbleiben
Entschuldig't/ Augenblicks befohlen aufzureiben;
Hierauf den Mufti selbst ohn and're Schuld erwürg't/
Kurtz: eines Fürsten Heil wird sicher nicht verbürg't
Als durch der Grossen Tod/ die sich beschuldig't achten.
40Die/ wo sie selbst gleich nicht auf Rach und Eyfer trachten/
Doch in des Fürsten Brust Verdacht und Furcht gebehr'n.
Zu dem läß't sich im Statt der kalte Brand nicht wehr'n/
Der schon ein Glied steck't an. Man muß das Glied absegen/
Eh sich Muthmassung nur des Krebses wil erregen;
45Fürnemlich/ wo diß Gift wil Glieder siecken an/
Die nah am Hertzen sind. Ein giftig Mah-Haupt kan
Einschläffen ein gantz Reich/ sein Haupt gantz übersteigen
Jm Fall sich's zeitlich nicht muß für der Sichel neigen.
Die Richtschnur leitet uns nun auf den fästen Schluß:
50Daß heute diesen Tag noch Mufti sterben muß.
Capachi. Der Mufti/ grosser Fürst/ dring't mit geharnschten Schaaren
Des Sultans Zimmer zu.
Ibrah. Gib't von den Janitscharen
Jhm
Die Liſt und die Furien.
525WJr eil’n und fall’n den Blutthund an!
Wer Staͤdte baut und Fuͤrſten Aſchen
Mit Andacht Mord verbluͤmen kan/
Des Henckers ſpielt auß Freundſchafts-Taſchen/
Fuͤr dem beſchiemt der groͤſte Fuͤrſt ſich nicht/
530Den Witz/ und Macht/ und Treue gleich verficht.
Die fuͤnfte Abhandlung.
Der Schau-Platz ſtellet fuͤr des Kaͤyſers Zimmer.
Kioſem. Ibrahim. Capachi-Bachi.
Kioſem. SO fleh’t die Mutter dich/ mein Kind/ vergebens an?
Ibrah. Wer Bitt-loß nicht wil ſeyn/ heiſch’t/ was man geben kan.
Kioſem. Begnadigung iſt ja das Kleinod groſſer Fuͤrſten.
Ibrah. Die ſind der Knechte Knecht/ die nie nach Rache duͤrſten.
5
Kioſem. Die Guͤtte ſtuͤtz’t den Thron/ die Schaͤrſſe reiſt ihn ein.
Ibrah. Der Boßheit Straffe muß der Zepter Seule ſeyn.
Kioſem. Wer allzu ſtrenge ſtraff’t/ krieg’t eines Wuͤttrich’s Nahmen.
Ibrah. Wer durch die Finger ſih’t/ pflantzt ſelbſt der Laſter Saamen.
Kioſem. Der Himmel ſaͤmet Frucht durch linden Thau auf’s Land.
10
Ibrah. Der Reif und Schnee gebiehr’t Erhaltung und Beſtand.
Kioſem. Ein Fuͤrſt muß wie ein Strauß oft Schuld und Stahl verdeien.
Ibrah. Oft/ wie ein Adler thut/ mit Aug und Klanen dreuen.
Kioſem. Ja dreu’n/ doch den nicht bald zermalmen/ der wo irr’t.
Ibrah. Durch Blitzen ohne Schlag/ wird Boßheit nur gekirr’t.
15
Kioſem. Ein Fuͤrſt mach’t ſich hierdurch bey Boͤſen ſelbſt beliebet.
Ibrah. Schaff’t: daß man ſonder Furcht noch arg’re Thaten uͤbet.
Kioſem. Fuͤrſt Amurath gewann viel durch verziehne Schuld.
Ibrah. Er ſtrafte Miſſethat mit mehrer Ungeduld.
Kioſem. Er ſchickte ſtatt des Strick’s dem Mechmet Gerei Gaben.
20
Ibrah. Weil dieſen Tarter Er zum Freunde muſte haben.
Kioſem. Der Abaßa bekam fuͤr Aufruhr Schwerdt und Kleid.
Ibrah. Er druͤck’t ein Auge zu ſich ſchickend in die Zeit.
Kioſem. Mein einig Wortt erbat des Caineran Leben.
Ibrah. Buſtaims ſchlechte Schuld muſt Halß und Kopf hergeben.
25
Kioſem. Des Mufti Fehler gleich’t Buſtaims Diebſtal nicht.
Ibrah. Sag’: ob/ wer die Perſon verletz’t/ nicht mehr verbricht?
Kioſem. Sein ſchon geſtraftes Kind hat mehr/ als Er verbrochen.
Ibrah. Wir haben uͤber ihn zu wenig noch geſprochen.
Kioſem. Die Wuͤrde ſeines Amp’ts macht’s Urthel allzu ſcharf.
30
Ibrah. Was nimmt’s ihm: daß er nicht den Kaͤyſer ſehen darf?
Kioſem. Der Poͤfel lern’t hierdurch ſein Ampt veraͤchtlich halten.
Ibrah. Die Mufti haben ſchon oft muͤſſen gar erkalten.
Kioſem. Wie hoch entſchuͤldigte beym Sultan Amurath
Der Cham des Mufti Tod?
Ibrah. Fuͤrſt Amurath ſelbſt hat
35Des Mufti Sohn/ als er des Vaters Auſſenbleiben
Entſchuldig’t/ Augenblicks befohlen aufzureiben;
Hierauf den Mufti ſelbſt ohn and’re Schuld erwuͤrg’t/
Kurtz: eines Fuͤrſten Heil wird ſicher nicht verbuͤrg’t
Als durch der Groſſen Tod/ die ſich beſchuldig’t achten.
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Doch in des Fuͤrſten Bruſt Verdacht und Furcht gebehr’n.
Zu dem laͤß’t ſich im Statt der kalte Brand nicht wehr’n/
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Eh ſich Muthmaſſung nur des Krebſes wil erregen;
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Die nah am Hertzen ſind. Ein giftig Mah-Haupt kan
Einſchlaͤffen ein gantz Reich/ ſein Haupt gantz uͤberſteigen
Jm Fall ſich’s zeitlich nicht muß fuͤr der Sichel neigen.
Die Richtſchnur leitet uns nun auf den faͤſten Schluß:
50Daß heute dieſen Tag noch Mufti ſterben muß.
Capachi. Der Mufti/ groſſer Fuͤrſt/ dring’t mit geharnſchten Schaaren
Des Sultans Zimmer zu.
Ibrah. Gib’t von den Janitſcharen
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[45/0063] Die Liſt und die Furien. WJr eil’n und fall’n den Blutthund an! Wer Staͤdte baut und Fuͤrſten Aſchen Mit Andacht Mord verbluͤmen kan/ Des Henckers ſpielt auß Freundſchafts-Taſchen/ Fuͤr dem beſchiemt der groͤſte Fuͤrſt ſich nicht/ Den Witz/ und Macht/ und Treue gleich verficht. Die fuͤnfte Abhandlung. Der Schau-Platz ſtellet fuͤr des Kaͤyſers Zimmer. Kioſem. Ibrahim. Capachi-Bachi. Kioſem. SO fleh’t die Mutter dich/ mein Kind/ vergebens an? Ibrah. Wer Bitt-loß nicht wil ſeyn/ heiſch’t/ was man geben kan. Kioſem. Begnadigung iſt ja das Kleinod groſſer Fuͤrſten. Ibrah. Die ſind der Knechte Knecht/ die nie nach Rache duͤrſten. Kioſem. Die Guͤtte ſtuͤtz’t den Thron/ die Schaͤrſſe reiſt ihn ein. Ibrah. Der Boßheit Straffe muß der Zepter Seule ſeyn. Kioſem. Wer allzu ſtrenge ſtraff’t/ krieg’t eines Wuͤttrich’s Nahmen. Ibrah. Wer durch die Finger ſih’t/ pflantzt ſelbſt der Laſter Saamen. Kioſem. Der Himmel ſaͤmet Frucht durch linden Thau auf’s Land. Ibrah. Der Reif und Schnee gebiehr’t Erhaltung und Beſtand. Kioſem. Ein Fuͤrſt muß wie ein Strauß oft Schuld und Stahl verdeien. Ibrah. Oft/ wie ein Adler thut/ mit Aug und Klanen dreuen. Kioſem. Ja dreu’n/ doch den nicht bald zermalmen/ der wo irr’t. Ibrah. Durch Blitzen ohne Schlag/ wird Boßheit nur gekirr’t. Kioſem. Ein Fuͤrſt mach’t ſich hierdurch bey Boͤſen ſelbſt beliebet. Ibrah. Schaff’t: daß man ſonder Furcht noch arg’re Thaten uͤbet. Kioſem. Fuͤrſt Amurath gewann viel durch verziehne Schuld. Ibrah. Er ſtrafte Miſſethat mit mehrer Ungeduld. Kioſem. Er ſchickte ſtatt des Strick’s dem Mechmet Gerei Gaben. Ibrah. Weil dieſen Tarter Er zum Freunde muſte haben. Kioſem. Der Abaßa bekam fuͤr Aufruhr Schwerdt und Kleid. Ibrah. Er druͤck’t ein Auge zu ſich ſchickend in die Zeit. Kioſem. Mein einig Wortt erbat des Caineran Leben. Ibrah. Buſtaims ſchlechte Schuld muſt Halß und Kopf hergeben. Kioſem. Des Mufti Fehler gleich’t Buſtaims Diebſtal nicht. Ibrah. Sag’: ob/ wer die Perſon verletz’t/ nicht mehr verbricht? Kioſem. Sein ſchon geſtraftes Kind hat mehr/ als Er verbrochen. Ibrah. Wir haben uͤber ihn zu wenig noch geſprochen. Kioſem. Die Wuͤrde ſeines Amp’ts macht’s Urthel allzu ſcharf. Ibrah. Was nimmt’s ihm: daß er nicht den Kaͤyſer ſehen darf? Kioſem. Der Poͤfel lern’t hierdurch ſein Ampt veraͤchtlich halten. Ibrah. Die Mufti haben ſchon oft muͤſſen gar erkalten. Kioſem. Wie hoch entſchuͤldigte beym Sultan Amurath Der Cham des Mufti Tod? Ibrah. Fuͤrſt Amurath ſelbſt hat Des Mufti Sohn/ als er des Vaters Auſſenbleiben Entſchuldig’t/ Augenblicks befohlen aufzureiben; Hierauf den Mufti ſelbſt ohn and’re Schuld erwuͤrg’t/ Kurtz: eines Fuͤrſten Heil wird ſicher nicht verbuͤrg’t Als durch der Groſſen Tod/ die ſich beſchuldig’t achten. Die/ wo ſie ſelbſt gleich nicht auf Rach und Eyfer trachten/ Doch in des Fuͤrſten Bruſt Verdacht und Furcht gebehr’n. Zu dem laͤß’t ſich im Statt der kalte Brand nicht wehr’n/ Der ſchon ein Glied ſteck’t an. Man muß das Glied abſegen/ Eh ſich Muthmaſſung nur des Krebſes wil erregen; Fuͤrnemlich/ wo diß Gift wil Glieder ſiecken an/ Die nah am Hertzen ſind. Ein giftig Mah-Haupt kan Einſchlaͤffen ein gantz Reich/ ſein Haupt gantz uͤberſteigen Jm Fall ſich’s zeitlich nicht muß fuͤr der Sichel neigen. Die Richtſchnur leitet uns nun auf den faͤſten Schluß: Daß heute dieſen Tag noch Mufti ſterben muß. Capachi. Der Mufti/ groſſer Fuͤrſt/ dring’t mit geharnſchten Schaaren Des Sultans Zimmer zu. Ibrah. Gib’t von den Janitſcharen Jhm

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/63>, abgerufen am 24.11.2024.