Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Symbol, es ist ein Stück meiner Lebensgeschichte in geheimnißvoller Schrift. Was es mir aber auch leistete, es hat jetzt seine Dienste für mich gethan, ich bin mit der Welt fertig. Und darum beschleicht es mich manchmal wie ein Vorwurf, daß dieses Bild, das noch Tausende erheben und beseligen könnte, in dem einsamen Schloß hier so verborgen bleiben soll, wie ich selbst. -- Ich, ich habe nicht die Gabe, mich den Menschen verständlich zu machen, das Bild aber kann predigen, und darum müßte es eigentlich in die Welt hinaus, seine Mission erfüllen. Diese Worte der Freifrau trafen mich wie eine freudige Hoffnung, den Plan meiner Reise verwirklichen, das Bild für meinen Gebieter ankaufen zu können. Als ich jedoch eine zaghafte Aeußerung in diesem Sinne gewagt hatte, wurde mir die seltsame Antwort: Ja, wenn Jemand existirte, der dieses Bild verschenken oder verkaufen dürfte! Es ist aber vielleicht der einzige Gegenstand auf dieser Erde, der keinen Eigenthümer hat. Niemand, Niemand, ist im Besitz dieses Bildes. Ihre Stimme zitterte bei dieser Rede, ihre Augen schweiften wie irre umher, und auch ihre Gesichtszüge veränderten sich. Ich fühlte, wie ich erblaßte. Die plötzliche Bewegung des Mädchens in Verbindung mit den Worten, denen keine vernünftige Deutung zu geben war, -- dies erinnert mich wieder an die Geschichte, die ich von der Wirthin vernommen hatte, an die einzig Symbol, es ist ein Stück meiner Lebensgeschichte in geheimnißvoller Schrift. Was es mir aber auch leistete, es hat jetzt seine Dienste für mich gethan, ich bin mit der Welt fertig. Und darum beschleicht es mich manchmal wie ein Vorwurf, daß dieses Bild, das noch Tausende erheben und beseligen könnte, in dem einsamen Schloß hier so verborgen bleiben soll, wie ich selbst. — Ich, ich habe nicht die Gabe, mich den Menschen verständlich zu machen, das Bild aber kann predigen, und darum müßte es eigentlich in die Welt hinaus, seine Mission erfüllen. Diese Worte der Freifrau trafen mich wie eine freudige Hoffnung, den Plan meiner Reise verwirklichen, das Bild für meinen Gebieter ankaufen zu können. Als ich jedoch eine zaghafte Aeußerung in diesem Sinne gewagt hatte, wurde mir die seltsame Antwort: Ja, wenn Jemand existirte, der dieses Bild verschenken oder verkaufen dürfte! Es ist aber vielleicht der einzige Gegenstand auf dieser Erde, der keinen Eigenthümer hat. Niemand, Niemand, ist im Besitz dieses Bildes. Ihre Stimme zitterte bei dieser Rede, ihre Augen schweiften wie irre umher, und auch ihre Gesichtszüge veränderten sich. Ich fühlte, wie ich erblaßte. Die plötzliche Bewegung des Mädchens in Verbindung mit den Worten, denen keine vernünftige Deutung zu geben war, — dies erinnert mich wieder an die Geschichte, die ich von der Wirthin vernommen hatte, an die einzig <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0033"/> Symbol, es ist ein Stück meiner Lebensgeschichte in geheimnißvoller Schrift. Was es mir aber auch leistete, es hat jetzt seine Dienste für mich gethan, ich bin mit der Welt fertig. Und darum beschleicht es mich manchmal wie ein Vorwurf, daß dieses Bild, das noch Tausende erheben und beseligen könnte, in dem einsamen Schloß hier so verborgen bleiben soll, wie ich selbst. — Ich, ich habe nicht die Gabe, mich den Menschen verständlich zu machen, das Bild aber kann predigen, und darum müßte es eigentlich in die Welt hinaus, seine Mission erfüllen.</p><lb/> <p>Diese Worte der Freifrau trafen mich wie eine freudige Hoffnung, den Plan meiner Reise verwirklichen, das Bild für meinen Gebieter ankaufen zu können. Als ich jedoch eine zaghafte Aeußerung in diesem Sinne gewagt hatte, wurde mir die seltsame Antwort:</p><lb/> <p>Ja, wenn Jemand existirte, der dieses Bild verschenken oder verkaufen dürfte! Es ist aber vielleicht der einzige Gegenstand auf dieser Erde, der keinen Eigenthümer hat. Niemand, Niemand, ist im Besitz dieses Bildes.</p><lb/> <p>Ihre Stimme zitterte bei dieser Rede, ihre Augen schweiften wie irre umher, und auch ihre Gesichtszüge veränderten sich. Ich fühlte, wie ich erblaßte. Die plötzliche Bewegung des Mädchens in Verbindung mit den Worten, denen keine vernünftige Deutung zu geben war, — dies erinnert mich wieder an die Geschichte, die ich von der Wirthin vernommen hatte, an die einzig<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Symbol, es ist ein Stück meiner Lebensgeschichte in geheimnißvoller Schrift. Was es mir aber auch leistete, es hat jetzt seine Dienste für mich gethan, ich bin mit der Welt fertig. Und darum beschleicht es mich manchmal wie ein Vorwurf, daß dieses Bild, das noch Tausende erheben und beseligen könnte, in dem einsamen Schloß hier so verborgen bleiben soll, wie ich selbst. — Ich, ich habe nicht die Gabe, mich den Menschen verständlich zu machen, das Bild aber kann predigen, und darum müßte es eigentlich in die Welt hinaus, seine Mission erfüllen.
Diese Worte der Freifrau trafen mich wie eine freudige Hoffnung, den Plan meiner Reise verwirklichen, das Bild für meinen Gebieter ankaufen zu können. Als ich jedoch eine zaghafte Aeußerung in diesem Sinne gewagt hatte, wurde mir die seltsame Antwort:
Ja, wenn Jemand existirte, der dieses Bild verschenken oder verkaufen dürfte! Es ist aber vielleicht der einzige Gegenstand auf dieser Erde, der keinen Eigenthümer hat. Niemand, Niemand, ist im Besitz dieses Bildes.
Ihre Stimme zitterte bei dieser Rede, ihre Augen schweiften wie irre umher, und auch ihre Gesichtszüge veränderten sich. Ich fühlte, wie ich erblaßte. Die plötzliche Bewegung des Mädchens in Verbindung mit den Worten, denen keine vernünftige Deutung zu geben war, — dies erinnert mich wieder an die Geschichte, die ich von der Wirthin vernommen hatte, an die einzig
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:30:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:30:32Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |