Lucius, Samuel: Das Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan. Bern, 1731.Das Schweitzerische Canaan. Wann in einem grossen Flecken oder Land einjeder Einwohner zwar ein Schaaff hätte von hoch- edelm Werth, hätte aber kein Gräßlein selbiges zu erhalten; Es wäre aber ein grosser König, der seinen Kron-Erb außgesandt hätte, mit vieler Gefahr, Mühe, Schweiß und Arbeit, auch Ver- giessung sehr vielen seines selbs eigenen königlichen Bluts, ein weit, stäts grünend, unverwelcklich Reich einzunemmen, und liesse durch seine He- rolden in bedeutetem Flecken außtrompeten, daß wer ein Schaaff hergeben wurde, das herrliche Reich zu besetzen, dessen Schaaff solte nicht nur gesund, starck, Schnee-weiß werden, und von Silber und Gold durch einander gläntzende Wol- len kriegen, ja gar von deß Königs Bissen essen, auß seinem Becher trincken, und in seiner Schoos schlaffen, sonder ein jeder Land-Mann, der dem König ein solche Lust gemacht, der solle eine Graffschafft oder Hertzogthum zur Vergeltung bekommen, wormit der König sein hohes Ver- nügen gegen sothane Willfahrung zu bezeugen, gleich Anfangs seiner Regierung bey sich beschlos- sen habe: Es wären aber die meiste Einwohner doll-kühne und dumm-fürsichtige Leute, die dem König nicht gar zu wohl traueten, liessen lieber ihre Schaaff crepiren, verdärben; wurden an- bey aller der hohen Gunst und darauß fliessenden grossen Beschenckungen verlürstig, und noch dar- zu als ungehorsame Verrächter der königlichen Gnad in eine gar abscheuliche Gefängniß geworf- fen, darinnen verwahret zu verbleiben, biß auf den Tag der offenbahren Vergeltung. GOtt ist der König, dessen Kron-Erb unser HErr Chri-
Das Schweitzeriſche Canaan. Wann in einem groſſen Flecken oder Land einjeder Einwohner zwar ein Schaaff haͤtte von hoch- edelm Werth, haͤtte aber kein Graͤßlein ſelbiges zu erhalten; Es waͤre aber ein groſſer Koͤnig, der ſeinen Kron-Erb außgeſandt haͤtte, mit vieler Gefahr, Muͤhe, Schweiß und Arbeit, auch Ver- gieſſung ſehr vielen ſeines ſelbs eigenen koͤniglichen Bluts, ein weit, ſtaͤts gruͤnend, unverwelcklich Reich einzunemmen, und lieſſe durch ſeine He- rolden in bedeutetem Flecken außtrompeten, daß wer ein Schaaff hergeben wurde, das herrliche Reich zu beſetzen, deſſen Schaaff ſolte nicht nur geſund, ſtarck, Schnee-weiß werden, und von Silber und Gold durch einander glaͤntzende Wol- len kriegen, ja gar von deß Koͤnigs Biſſen eſſen, auß ſeinem Becher trincken, und in ſeiner Schoos ſchlaffen, ſonder ein jeder Land-Mann, der dem Koͤnig ein ſolche Luſt gemacht, der ſolle eine Graffſchafft oder Hertzogthum zur Vergeltung bekommen, wormit der Koͤnig ſein hohes Ver- nuͤgen gegen ſothane Willfahrung zu bezeugen, gleich Anfangs ſeiner Regierung bey ſich beſchloſ- ſen habe: Es waͤren aber die meiſte Einwohner doll-kuͤhne und dumm-fuͤrſichtige Leute, die dem Koͤnig nicht gar zu wohl traueten, lieſſen lieber ihre Schaaff crepiren, verdaͤrben; wurden an- bey aller der hohen Gunſt und darauß flieſſenden groſſen Beſchenckungen verluͤrſtig, und noch dar- zu als ungehorſame Verraͤchter der koͤniglichen Gnad in eine gar abſcheuliche Gefaͤngniß geworf- fen, darinnen verwahret zu verbleiben, biß auf den Tag der offenbahren Vergeltung. GOtt iſt der Koͤnig, deſſen Kron-Erb unſer HErr Chri-
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Das Schweitzeriſche Canaan.
Wann in einem groſſen Flecken oder Land ein
jeder Einwohner zwar ein Schaaff haͤtte von hoch-
edelm Werth, haͤtte aber kein Graͤßlein ſelbiges
zu erhalten; Es waͤre aber ein groſſer Koͤnig, der
ſeinen Kron-Erb außgeſandt haͤtte, mit vieler
Gefahr, Muͤhe, Schweiß und Arbeit, auch Ver-
gieſſung ſehr vielen ſeines ſelbs eigenen koͤniglichen
Bluts, ein weit, ſtaͤts gruͤnend, unverwelcklich
Reich einzunemmen, und lieſſe durch ſeine He-
rolden in bedeutetem Flecken außtrompeten, daß
wer ein Schaaff hergeben wurde, das herrliche
Reich zu beſetzen, deſſen Schaaff ſolte nicht nur
geſund, ſtarck, Schnee-weiß werden, und von
Silber und Gold durch einander glaͤntzende Wol-
len kriegen, ja gar von deß Koͤnigs Biſſen eſſen,
auß ſeinem Becher trincken, und in ſeiner Schoos
ſchlaffen, ſonder ein jeder Land-Mann, der dem
Koͤnig ein ſolche Luſt gemacht, der ſolle eine
Graffſchafft oder Hertzogthum zur Vergeltung
bekommen, wormit der Koͤnig ſein hohes Ver-
nuͤgen gegen ſothane Willfahrung zu bezeugen,
gleich Anfangs ſeiner Regierung bey ſich beſchloſ-
ſen habe: Es waͤren aber die meiſte Einwohner
doll-kuͤhne und dumm-fuͤrſichtige Leute, die dem
Koͤnig nicht gar zu wohl traueten, lieſſen lieber
ihre Schaaff crepiren, verdaͤrben; wurden an-
bey aller der hohen Gunſt und darauß flieſſenden
groſſen Beſchenckungen verluͤrſtig, und noch dar-
zu als ungehorſame Verraͤchter der koͤniglichen
Gnad in eine gar abſcheuliche Gefaͤngniß geworf-
fen, darinnen verwahret zu verbleiben, biß auf
den Tag der offenbahren Vergeltung. GOtt
iſt der Koͤnig, deſſen Kron-Erb unſer HErr
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Zitationshilfe: | Lucius, Samuel: Das Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan. Bern, 1731, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731/76>, abgerufen am 16.07.2024. |