Jerusalem zugleich bewohnen, je weiter man sich von dem ersten entfernet, je näher kommt man dem andern, und je reichlicher ge- niessets man, eben wie, wann man von einer Stadt zur andern ge- het, diejenige, so man verläßt, immer kleiner wird, biß sie gar aus dem Gesicht kommt, diejenige hingegen, zu der man hinreiset, im- mer grösser wird, biß man alles daselbst eigentlich siehet und höret.
Jst auch bey wei- tem nicht so schwer zu be- werckstel- ligen als man sich es einbil- det.
§. 4. Sagst du, ich bins nun so gewohnt, es gehet mir wohl in der Welt, diese ist mein Heimat, da habe ich mein Glück gefunden, das Reich der Ewigkeit ist gar ein unbekanntes Land vor mich, ha- be nun meine meiste Zeit mir auf dem Erdreich ein Glück-Hütten zu bauen, verzehret, es wäre Schad jetzt dieses erst zu verlaugnen, und das Vergangene als verlohren zu beweinen, dazu kan und mag ich mich nimmermehr entschliessen, habe weder Krafft noch Lust, noch Vermögen dazu; Jst kein ander Weg noch Porten ins Himmelreich, so werde ichs wohl ewig müssen entbehren.
Antw. 1. Freylich kanst du dieses nicht aus eigenen Kräfften; JE- sus der Jsrael aus Egypten und Babel hat ausgeführt a, und hier Abraham aus seiner Hütten, der muß dich auch ergreiffen b. Förch- te dich nur nicht so sehr c. 2. Lasse die verkehrten Begriffen von Christi Lehr fahren, als ob ein Thier, auf dem Marckt und ein Löw auf der Gassen wäre; es ist nichts minder gefährlich als JEsu fol- gen, du wirst unzehliche Merckmahle seiner Treue, Wahrheit und Vorsorge erfahren, wage es nur getrost; das Evangelium nimmt dir weder Stand noch Amt, weder Hauß noch Hoff; Abraham verlohre darum seine Hütte nicht, noch die Apostel ihre Fische, Netze und Schiffe, obschon sie um des Himmelreichs willen selbige ein Zeitlang verliessen, um mit ihren Gedancken und Begierden der- weilen an Christo zu hangen, und seinen göttlichen Wein, Milch und Honig zu trincken.
Jst nicht so, daß alles Zeitliche und Vergängliche dem unsterb- lichen Geist zur unerträglichen Last, Plag und Quaal endlich wer- den muß, wiewohlen solches bey gesunden Tagen, unter dem Reichthum der Güte, Gedult und Langmuth GOttes eben nicht so verspüret wird: Zuletzt aber muß der Geist die sterbliche Hütte mit Angst ablegen, aus der gantzen sichtbaren Welt hinausfahren,
und
aJoh. VIII. 36.
bPhil. III. 12.
cJes. LVIII. 8.
Der verheiſſene
Jeruſalem zugleich bewohnen, je weiter man ſich von dem erſten entfernet, je naͤher kommt man dem andern, und je reichlicher ge- nieſſets man, eben wie, wann man von einer Stadt zur andern ge- het, diejenige, ſo man verlaͤßt, immer kleiner wird, biß ſie gar aus dem Geſicht kommt, diejenige hingegen, zu der man hinreiſet, im- mer groͤſſer wird, biß man alles daſelbſt eigentlich ſiehet und hoͤret.
Jſt auch bey wei- tem nicht ſo ſchwer zu be- werckſtel- ligen als man ſich es einbil- det.
§. 4. Sagſt du, ich bins nun ſo gewohnt, es gehet mir wohl in der Welt, dieſe iſt mein Heimat, da habe ich mein Gluͤck gefunden, das Reich der Ewigkeit iſt gar ein unbekanntes Land vor mich, ha- be nun meine meiſte Zeit mir auf dem Erdreich ein Gluͤck-Huͤtten zu bauen, verzehret, es waͤre Schad jetzt dieſes erſt zu verlaugnen, und das Vergangene als verlohren zu beweinen, dazu kan und mag ich mich nimmermehr entſchlieſſen, habe weder Krafft noch Luſt, noch Vermoͤgen dazu; Jſt kein ander Weg noch Porten ins Himmelreich, ſo werde ichs wohl ewig muͤſſen entbehren.
Antw. 1. Freylich kanſt du dieſes nicht aus eigenen Kraͤfften; JE- ſus der Jſrael aus Egypten und Babel hat ausgefuͤhrt a, und hier Abraham aus ſeiner Huͤtten, der muß dich auch ergreiffen b. Foͤrch- te dich nur nicht ſo ſehr c. 2. Laſſe die verkehrten Begriffen von Chriſti Lehr fahren, als ob ein Thier, auf dem Marckt und ein Loͤw auf der Gaſſen waͤre; es iſt nichts minder gefaͤhrlich als JEſu fol- gen, du wirſt unzehliche Merckmahle ſeiner Treue, Wahrheit und Vorſorge erfahren, wage es nur getroſt; das Evangelium nimmt dir weder Stand noch Amt, weder Hauß noch Hoff; Abraham verlohre darum ſeine Huͤtte nicht, noch die Apoſtel ihre Fiſche, Netze und Schiffe, obſchon ſie um des Himmelreichs willen ſelbige ein Zeitlang verlieſſen, um mit ihren Gedancken und Begierden der- weilen an Chriſto zu hangen, und ſeinen goͤttlichen Wein, Milch und Honig zu trincken.
Jſt nicht ſo, daß alles Zeitliche und Vergaͤngliche dem unſterb- lichen Geiſt zur unertraͤglichen Laſt, Plag und Quaal endlich wer- den muß, wiewohlen ſolches bey geſunden Tagen, unter dem Reichthum der Guͤte, Gedult und Langmuth GOttes eben nicht ſo verſpuͤret wird: Zuletzt aber muß der Geiſt die ſterbliche Huͤtte mit Angſt ablegen, aus der gantzen ſichtbaren Welt hinausfahren,
und
aJoh. VIII. 36.
bPhil. III. 12.
cJeſ. LVIII. 8.
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Der verheiſſene
Jeruſalem zugleich bewohnen, je weiter man ſich von dem erſten
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nieſſets man, eben wie, wann man von einer Stadt zur andern ge-
het, diejenige, ſo man verlaͤßt, immer kleiner wird, biß ſie gar aus
dem Geſicht kommt, diejenige hingegen, zu der man hinreiſet, im-
mer groͤſſer wird, biß man alles daſelbſt eigentlich ſiehet und hoͤret.
§. 4. Sagſt du, ich bins nun ſo gewohnt, es gehet mir wohl in
der Welt, dieſe iſt mein Heimat, da habe ich mein Gluͤck gefunden,
das Reich der Ewigkeit iſt gar ein unbekanntes Land vor mich, ha-
be nun meine meiſte Zeit mir auf dem Erdreich ein Gluͤck-Huͤtten zu
bauen, verzehret, es waͤre Schad jetzt dieſes erſt zu verlaugnen, und
das Vergangene als verlohren zu beweinen, dazu kan und mag ich
mich nimmermehr entſchlieſſen, habe weder Krafft noch Luſt, noch
Vermoͤgen dazu; Jſt kein ander Weg noch Porten ins Himmelreich,
ſo werde ichs wohl ewig muͤſſen entbehren.
Antw. 1. Freylich kanſt du dieſes nicht aus eigenen Kraͤfften; JE-
ſus der Jſrael aus Egypten und Babel hat ausgefuͤhrt a, und hier
Abraham aus ſeiner Huͤtten, der muß dich auch ergreiffen b. Foͤrch-
te dich nur nicht ſo ſehr c. 2. Laſſe die verkehrten Begriffen von
Chriſti Lehr fahren, als ob ein Thier, auf dem Marckt und ein Loͤw
auf der Gaſſen waͤre; es iſt nichts minder gefaͤhrlich als JEſu fol-
gen, du wirſt unzehliche Merckmahle ſeiner Treue, Wahrheit und
Vorſorge erfahren, wage es nur getroſt; das Evangelium nimmt
dir weder Stand noch Amt, weder Hauß noch Hoff; Abraham
verlohre darum ſeine Huͤtte nicht, noch die Apoſtel ihre Fiſche,
Netze und Schiffe, obſchon ſie um des Himmelreichs willen ſelbige
ein Zeitlang verlieſſen, um mit ihren Gedancken und Begierden der-
weilen an Chriſto zu hangen, und ſeinen goͤttlichen Wein, Milch
und Honig zu trincken.
Jſt nicht ſo, daß alles Zeitliche und Vergaͤngliche dem unſterb-
lichen Geiſt zur unertraͤglichen Laſt, Plag und Quaal endlich wer-
den muß, wiewohlen ſolches bey geſunden Tagen, unter dem
Reichthum der Guͤte, Gedult und Langmuth GOttes eben nicht
ſo verſpuͤret wird: Zuletzt aber muß der Geiſt die ſterbliche Huͤtte
mit Angſt ablegen, aus der gantzen ſichtbaren Welt hinausfahren,
und
a Joh. VIII. 36.
b Phil. III. 12.
c Jeſ. LVIII. 8.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 954. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1050>, abgerufen am 22.11.2024.
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