Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Der verheissene
Mund seines GOttes auf die Erde fallen, er bewahrete alle Zu-
sprüche als köstliche Perlen und Edelgestein, er soge wie ein Biene
den Honig des Heiligen Geistes daraus, seinen Glauben zu mehren,
und immer mehr zu bekräfftigen, er verabsaumete keinen Seegen,
der ihm von Ewigkeit bestimmt, und in denen Verheissungen darge-
reicht ward: Es ist was recht Majestätisches, wie Paulus diesen
seinen Glauben, wovon Moses hier redt, beschreibt: nehmlich a
Tod und Nichts seye seinem Glauben lauter Leben und Fülle gewe-
sen, er habe alle Gegen-Sätze der blöd-sinnigen Vernunfft weit
überwunden, und über allen Zweiffel hoch triumphieret, auch da gar
keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, habe er, dessen ungeachtet,
nicht weniger gehoffet, als die Worte der Verheissung lauteten; er
sahe gleichsam die ihm verheissene unzahlbare Menge der Nachkom-
menen schon vor seinen Augen, trotz allem Lauff der Natur, da er
so alt und noch kein eintziges Kind hatte, dazu Sara Bärmutter
erstorben ware; er legte seinem allgenugsamen GOtt seine Schwach-
heit, Ohnmacht und Unfruchtbarkeit dar, und fassete dargegen sei-
ne Allmacht, Treue und Wahrheit: O wie sollte dieses heiligen
Manns Verhalten gegen GOttes Zusag, und sein stäter Hunger
nach dero Erfüllung unsere Trägheit beschämen, die wirs je hundert-
mahl nöthiger hätten, und sind uns selbst mit unserer Unachtsamkeit
der gröste Schaden uns zu schwerer Rechnung, da wir noch so vie-
le geschriebene Verheissungen vor Abraham aus haben zu unserem
grossen Vortheil, wenden aber alles schlechtlich an, also daß, all-
weil dieser getreue Liebhaber Christi bey etwelchen wenigen Ver-
sprechungen hortreich ward am Glauben, an der Verlaugnung, am
Gehorsam und an allen Schätzen des ewigen Heyls, wir bey denen
vielen theuren unmässigen Verheissungen und Weissagungen arme
Krüppel, ausgemercklete Gerüffel, ohne geistliche Kinder oder
Früchte des Heiligen Geistes bleiben, leben und sterben.

Warum
Moses
von Abra-
ham erst
jetzt mel-
det daß er
geglaubet
und ge-
rechtfer-
tigt seye.

§. 2. Merckwürdig aber ist, was Moses sagt: Es seye ihme zur
Gerechtigkeit gerechnet worden: Wie, ware dann Abraham nicht
längst zuvor gerechtfertiget? Hat es bey dem einmahl gegebenen
richterlichen Ausspruch nicht sein Verbleiben? Und was gehet diese
Special-Verheissung von einer grossen Nachkömmlingschafft, so dem
Abraham eigen ware, die Rechtfertigung des Sünders vor GOtt an.

Antw.
a Rom. IV. 17-22.

Der verheiſſene
Mund ſeines GOttes auf die Erde fallen, er bewahrete alle Zu-
ſpruͤche als koͤſtliche Perlen und Edelgeſtein, er ſoge wie ein Biene
den Honig des Heiligen Geiſtes daraus, ſeinen Glauben zu mehren,
und immer mehr zu bekraͤfftigen, er verabſaumete keinen Seegen,
der ihm von Ewigkeit beſtimmt, und in denen Verheiſſungen darge-
reicht ward: Es iſt was recht Majeſtaͤtiſches, wie Paulus dieſen
ſeinen Glauben, wovon Moſes hier redt, beſchreibt: nehmlich a
Tod und Nichts ſeye ſeinem Glauben lauter Leben und Fuͤlle gewe-
ſen, er habe alle Gegen-Saͤtze der bloͤd-ſinnigen Vernunfft weit
uͤberwunden, und uͤber allen Zweiffel hoch triumphieret, auch da gar
keine Wahrſcheinlichkeit vorhanden, habe er, deſſen ungeachtet,
nicht weniger gehoffet, als die Worte der Verheiſſung lauteten; er
ſahe gleichſam die ihm verheiſſene unzahlbare Menge der Nachkom-
menen ſchon vor ſeinen Augen, trotz allem Lauff der Natur, da er
ſo alt und noch kein eintziges Kind hatte, dazu Sara Baͤrmutter
erſtorben ware; er legte ſeinem allgenugſamen GOtt ſeine Schwach-
heit, Ohnmacht und Unfruchtbarkeit dar, und faſſete dargegen ſei-
ne Allmacht, Treue und Wahrheit: O wie ſollte dieſes heiligen
Manns Verhalten gegen GOttes Zuſag, und ſein ſtaͤter Hunger
nach dero Erfuͤllung unſere Traͤgheit beſchaͤmen, die wirs je hundert-
mahl noͤthiger haͤtten, und ſind uns ſelbſt mit unſerer Unachtſamkeit
der groͤſte Schaden uns zu ſchwerer Rechnung, da wir noch ſo vie-
le geſchriebene Verheiſſungen vor Abraham aus haben zu unſerem
groſſen Vortheil, wenden aber alles ſchlechtlich an, alſo daß, all-
weil dieſer getreue Liebhaber Chriſti bey etwelchen wenigen Ver-
ſprechungen hortreich ward am Glauben, an der Verlaugnung, am
Gehorſam und an allen Schaͤtzen des ewigen Heyls, wir bey denen
vielen theuren unmaͤſſigen Verheiſſungen und Weiſſagungen arme
Kruͤppel, ausgemercklete Geruͤffel, ohne geiſtliche Kinder oder
Fruͤchte des Heiligen Geiſtes bleiben, leben und ſterben.

Warum
Moſes
von Abra-
ham erſt
jetzt mel-
det daß er
geglaubet
und ge-
rechtfer-
tigt ſeye.

§. 2. Merckwuͤrdig aber iſt, was Moſes ſagt: Es ſeye ihme zur
Gerechtigkeit gerechnet worden: Wie, ware dann Abraham nicht
laͤngſt zuvor gerechtfertiget? Hat es bey dem einmahl gegebenen
richterlichen Ausſpruch nicht ſein Verbleiben? Und was gehet dieſe
Special-Verheiſſung von einer groſſen Nachkoͤmmlingſchafft, ſo dem
Abraham eigen ware, die Rechtfertigung des Suͤnders vor GOtt an.

Antw.
a Rom. IV. 17-22.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1056" n="960"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der verhei&#x017F;&#x017F;ene</hi></fw><lb/>
Mund &#x017F;eines GOttes auf die Erde fallen, er bewahrete alle Zu-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che als ko&#x0364;&#x017F;tliche Perlen und Edelge&#x017F;tein, er &#x017F;oge wie ein Biene<lb/>
den Honig des Heiligen Gei&#x017F;tes daraus, &#x017F;einen Glauben zu mehren,<lb/>
und immer mehr zu bekra&#x0364;fftigen, er verab&#x017F;aumete keinen Seegen,<lb/>
der ihm von Ewigkeit be&#x017F;timmt, und in denen Verhei&#x017F;&#x017F;ungen darge-<lb/>
reicht ward: Es i&#x017F;t was recht Maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ches, wie Paulus die&#x017F;en<lb/>
&#x017F;einen Glauben, wovon Mo&#x017F;es hier redt, be&#x017F;chreibt: nehmlich <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Rom. IV.</hi> 17-22.</note><lb/>
Tod und Nichts &#x017F;eye &#x017F;einem Glauben lauter Leben und Fu&#x0364;lle gewe-<lb/>
&#x017F;en, er habe alle Gegen-Sa&#x0364;tze der blo&#x0364;d-&#x017F;innigen Vernunfft weit<lb/>
u&#x0364;berwunden, und u&#x0364;ber allen Zweiffel hoch triumphieret, auch da gar<lb/>
keine Wahr&#x017F;cheinlichkeit vorhanden, habe er, de&#x017F;&#x017F;en ungeachtet,<lb/>
nicht weniger gehoffet, als die Worte der Verhei&#x017F;&#x017F;ung lauteten; er<lb/>
&#x017F;ahe gleich&#x017F;am die ihm verhei&#x017F;&#x017F;ene unzahlbare Menge der Nachkom-<lb/>
menen &#x017F;chon vor &#x017F;einen Augen, trotz allem Lauff der Natur, da er<lb/>
&#x017F;o alt und noch kein eintziges Kind hatte, dazu Sara Ba&#x0364;rmutter<lb/>
er&#x017F;torben ware; er legte &#x017F;einem allgenug&#x017F;amen GOtt &#x017F;eine Schwach-<lb/>
heit, Ohnmacht und Unfruchtbarkeit dar, und fa&#x017F;&#x017F;ete dargegen &#x017F;ei-<lb/>
ne Allmacht, Treue und Wahrheit: O wie &#x017F;ollte die&#x017F;es heiligen<lb/>
Manns Verhalten gegen GOttes Zu&#x017F;ag, und &#x017F;ein &#x017F;ta&#x0364;ter Hunger<lb/>
nach dero Erfu&#x0364;llung un&#x017F;ere Tra&#x0364;gheit be&#x017F;cha&#x0364;men, die wirs je hundert-<lb/>
mahl no&#x0364;thiger ha&#x0364;tten, und &#x017F;ind uns &#x017F;elb&#x017F;t mit un&#x017F;erer Unacht&#x017F;amkeit<lb/>
der gro&#x0364;&#x017F;te Schaden uns zu &#x017F;chwerer Rechnung, da wir noch &#x017F;o vie-<lb/>
le ge&#x017F;chriebene Verhei&#x017F;&#x017F;ungen vor Abraham aus haben zu un&#x017F;erem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Vortheil, wenden aber alles &#x017F;chlechtlich an, al&#x017F;o daß, all-<lb/>
weil die&#x017F;er getreue Liebhaber Chri&#x017F;ti bey etwelchen wenigen Ver-<lb/>
&#x017F;prechungen hortreich ward am Glauben, an der Verlaugnung, am<lb/>
Gehor&#x017F;am und an allen Scha&#x0364;tzen des ewigen Heyls, wir bey denen<lb/>
vielen theuren unma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Verhei&#x017F;&#x017F;ungen und Wei&#x017F;&#x017F;agungen arme<lb/>
Kru&#x0364;ppel, ausgemercklete Geru&#x0364;ffel, ohne gei&#x017F;tliche Kinder oder<lb/>
Fru&#x0364;chte des Heiligen Gei&#x017F;tes bleiben, leben und &#x017F;terben.</p><lb/>
          <note place="left">Warum<lb/>
Mo&#x017F;es<lb/>
von Abra-<lb/>
ham er&#x017F;t<lb/>
jetzt mel-<lb/>
det daß er<lb/>
geglaubet<lb/>
und ge-<lb/>
rechtfer-<lb/>
tigt &#x017F;eye.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 2. Merckwu&#x0364;rdig aber i&#x017F;t, was Mo&#x017F;es &#x017F;agt: Es &#x017F;eye ihme zur<lb/>
Gerechtigkeit gerechnet worden: Wie, ware dann Abraham nicht<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t zuvor gerechtfertiget? Hat es bey dem einmahl gegebenen<lb/>
richterlichen Aus&#x017F;pruch nicht &#x017F;ein Verbleiben? Und was gehet die&#x017F;e<lb/>
Special-Verhei&#x017F;&#x017F;ung von einer gro&#x017F;&#x017F;en Nachko&#x0364;mmling&#x017F;chafft, &#x017F;o dem<lb/>
Abraham eigen ware, die Rechtfertigung des Su&#x0364;nders vor GOtt an.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Antw.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[960/1056] Der verheiſſene Mund ſeines GOttes auf die Erde fallen, er bewahrete alle Zu- ſpruͤche als koͤſtliche Perlen und Edelgeſtein, er ſoge wie ein Biene den Honig des Heiligen Geiſtes daraus, ſeinen Glauben zu mehren, und immer mehr zu bekraͤfftigen, er verabſaumete keinen Seegen, der ihm von Ewigkeit beſtimmt, und in denen Verheiſſungen darge- reicht ward: Es iſt was recht Majeſtaͤtiſches, wie Paulus dieſen ſeinen Glauben, wovon Moſes hier redt, beſchreibt: nehmlich a Tod und Nichts ſeye ſeinem Glauben lauter Leben und Fuͤlle gewe- ſen, er habe alle Gegen-Saͤtze der bloͤd-ſinnigen Vernunfft weit uͤberwunden, und uͤber allen Zweiffel hoch triumphieret, auch da gar keine Wahrſcheinlichkeit vorhanden, habe er, deſſen ungeachtet, nicht weniger gehoffet, als die Worte der Verheiſſung lauteten; er ſahe gleichſam die ihm verheiſſene unzahlbare Menge der Nachkom- menen ſchon vor ſeinen Augen, trotz allem Lauff der Natur, da er ſo alt und noch kein eintziges Kind hatte, dazu Sara Baͤrmutter erſtorben ware; er legte ſeinem allgenugſamen GOtt ſeine Schwach- heit, Ohnmacht und Unfruchtbarkeit dar, und faſſete dargegen ſei- ne Allmacht, Treue und Wahrheit: O wie ſollte dieſes heiligen Manns Verhalten gegen GOttes Zuſag, und ſein ſtaͤter Hunger nach dero Erfuͤllung unſere Traͤgheit beſchaͤmen, die wirs je hundert- mahl noͤthiger haͤtten, und ſind uns ſelbſt mit unſerer Unachtſamkeit der groͤſte Schaden uns zu ſchwerer Rechnung, da wir noch ſo vie- le geſchriebene Verheiſſungen vor Abraham aus haben zu unſerem groſſen Vortheil, wenden aber alles ſchlechtlich an, alſo daß, all- weil dieſer getreue Liebhaber Chriſti bey etwelchen wenigen Ver- ſprechungen hortreich ward am Glauben, an der Verlaugnung, am Gehorſam und an allen Schaͤtzen des ewigen Heyls, wir bey denen vielen theuren unmaͤſſigen Verheiſſungen und Weiſſagungen arme Kruͤppel, ausgemercklete Geruͤffel, ohne geiſtliche Kinder oder Fruͤchte des Heiligen Geiſtes bleiben, leben und ſterben. §. 2. Merckwuͤrdig aber iſt, was Moſes ſagt: Es ſeye ihme zur Gerechtigkeit gerechnet worden: Wie, ware dann Abraham nicht laͤngſt zuvor gerechtfertiget? Hat es bey dem einmahl gegebenen richterlichen Ausſpruch nicht ſein Verbleiben? Und was gehet dieſe Special-Verheiſſung von einer groſſen Nachkoͤmmlingſchafft, ſo dem Abraham eigen ware, die Rechtfertigung des Suͤnders vor GOtt an. Antw. a Rom. IV. 17-22.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1056
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 960. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1056>, abgerufen am 25.11.2024.