unterem Essen, die Erbarmungen des Vatters und die Liebe des Sohns werden euch so süß und gut vorkommen, daß ihrs schmertzlich bereuen werdet den Genuß einer so grossen Seeligkeit so lang ver- saumt zu haben; sonderlich wann ihr täglich erfahret, daß so bald ihr Christi Fleisch und Blut zu geniessen aufhöret, das geistliche Le- ben gleich schwindet und abnimmt, so gehet dann dem guten Geruch und Speise nach, welche GOtt mit solchen Lieblichkeiten gewürtzet und bestreuet hat, trettet herbey! esset und lebet wohl.
Wann man sich wohl prüffet ob man den wahren Glauben habe.
§. 12. (c) Sagst du: es gelustet mich, weiß aber nicht, ob ich den gehörigen Mund habe Christum JEsum zu essen; So prüffe dich derohalben, wer du immer bist, ob du den seelig-machenden Glau- ben habest, der bey dieser Mahlzeit so sehr dienlich ist. Es ist leicht zu trachten, daß der Glaube in einem GOTT- und Gnaden-losen Welt-Kind nicht ist, zumahlen wo kein Verlangen nach Christo JEsu ist: Dieses aber ist einiger massen schwer zu wissen, ob ein Mensch, der etwelche Begierde und Freude über Christo JEsu hat, im wahren Glauben stehe und ob er nicht besorglich nur den Zeit- Glauben habe, davon die Gefahr um so viel grösser ist als weniger der Zeit-Glaub Christum JEsum geniessen kan; es mag freylich mit einem so weit kommen, daß er die unaussprechliche himmlische Gabe koste, allein das ist noch nicht essen; So sehet dann, woran ihr den wahren Glauben erkennen könnet 1. müsset ihr euer Hertz untersu- chen, ob ihr alle drey Gattungen des Hungers und Dursts habet nach der Rechtfertigung, nach der Heiligung und nach dem Him- mel. 2. Welche unter diesen dreyen die stärckste und dominante oder herrschende seye. 3. Das Hertz muß auf die Prob gesetzt seyn, al- lermassen die Zeit der Anfechtung ans Licht bringt, was im Fin- steren verborgen ware.
Wie der Ze[i]t- Gl[au]be gegen dem wahren Glauben so wohl in Ansehung des Ver- langens,
§. 13. Habt ihr hiemit alle drey Begierden, dann der Zeit-Glau- bige verlanget wohl von GOttes Zorn, Tod und Höll erlößt zu wer- den, davon er sich auch ein Tod-Bild macht, massen sein Glaub nur ein gemahleter Baum ist, der keinen Abwechslungen unterworffen, Sommer und Winter gleich; auch Blüte, Blätter und Früchte nur im bildlichen Gemäld hat ohne schweres Leiden, davon der rech- te, wahre Baum vieles erzehlen könnte, was und wie mancherley Hitz, Frost, Sturm, rauhe Wind er das gantze Jahr habe ausge- standen, ehe er zu reiffer Frucht kommen seye, wie er sich keinem
Unge-
Lebens-Mahlzeit.
unterem Eſſen, die Erbarmungen des Vatters und die Liebe des Sohns werden euch ſo ſuͤß und gut vorkommen, daß ihrs ſchmertzlich bereuen werdet den Genuß einer ſo groſſen Seeligkeit ſo lang ver- ſaumt zu haben; ſonderlich wann ihr taͤglich erfahret, daß ſo bald ihr Chriſti Fleiſch und Blut zu genieſſen aufhoͤret, das geiſtliche Le- ben gleich ſchwindet und abnimmt, ſo gehet dann dem guten Geruch und Speiſe nach, welche GOtt mit ſolchen Lieblichkeiten gewuͤrtzet und beſtreuet hat, trettet herbey! eſſet und lebet wohl.
Wann man ſich wohl pruͤffet ob man den wahren Glauben habe.
§. 12. (c) Sagſt du: es geluſtet mich, weiß aber nicht, ob ich den gehoͤrigen Mund habe Chriſtum JEſum zu eſſen; So pruͤffe dich derohalben, wer du immer biſt, ob du den ſeelig-machenden Glau- ben habeſt, der bey dieſer Mahlzeit ſo ſehr dienlich iſt. Es iſt leicht zu trachten, daß der Glaube in einem GOTT- und Gnaden-loſen Welt-Kind nicht iſt, zumahlen wo kein Verlangen nach Chriſto JEſu iſt: Dieſes aber iſt einiger maſſen ſchwer zu wiſſen, ob ein Menſch, der etwelche Begierde und Freude uͤber Chriſto JEſu hat, im wahren Glauben ſtehe und ob er nicht beſorglich nur den Zeit- Glauben habe, davon die Gefahr um ſo viel groͤſſer iſt als weniger der Zeit-Glaub Chriſtum JEſum genieſſen kan; es mag freylich mit einem ſo weit kommen, daß er die unausſprechliche himmliſche Gabe koſte, allein das iſt noch nicht eſſen; So ſehet dann, woran ihr den wahren Glauben erkennen koͤnnet 1. muͤſſet ihr euer Hertz unterſu- chen, ob ihr alle drey Gattungen des Hungers und Durſts habet nach der Rechtfertigung, nach der Heiligung und nach dem Him- mel. 2. Welche unter dieſen dreyen die ſtaͤrckſte und dominante oder herrſchende ſeye. 3. Das Hertz muß auf die Prob geſetzt ſeyn, al- lermaſſen die Zeit der Anfechtung ans Licht bringt, was im Fin- ſteren verborgen ware.
Wie der Ze[i]t- Gl[au]be gegen dem wahren Glauben ſo wohl in Anſehung des Ver- langens,
§. 13. Habt ihr hiemit alle drey Begierden, dann der Zeit-Glau- bige verlanget wohl von GOttes Zorn, Tod und Hoͤll erloͤßt zu wer- den, davon er ſich auch ein Tod-Bild macht, maſſen ſein Glaub nur ein gemahleter Baum iſt, der keinen Abwechslungen unterworffen, Sommer und Winter gleich; auch Bluͤte, Blaͤtter und Fruͤchte nur im bildlichen Gemaͤld hat ohne ſchweres Leiden, davon der rech- te, wahre Baum vieles erzehlen koͤnnte, was und wie mancherley Hitz, Froſt, Sturm, rauhe Wind er das gantze Jahr habe ausge- ſtanden, ehe er zu reiffer Frucht kommen ſeye, wie er ſich keinem
Unge-
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Lebens-Mahlzeit.
unterem Eſſen, die Erbarmungen des Vatters und die Liebe des
Sohns werden euch ſo ſuͤß und gut vorkommen, daß ihrs ſchmertzlich
bereuen werdet den Genuß einer ſo groſſen Seeligkeit ſo lang ver-
ſaumt zu haben; ſonderlich wann ihr taͤglich erfahret, daß ſo bald
ihr Chriſti Fleiſch und Blut zu genieſſen aufhoͤret, das geiſtliche Le-
ben gleich ſchwindet und abnimmt, ſo gehet dann dem guten Geruch
und Speiſe nach, welche GOtt mit ſolchen Lieblichkeiten gewuͤrtzet
und beſtreuet hat, trettet herbey! eſſet und lebet wohl.
§. 12. (c) Sagſt du: es geluſtet mich, weiß aber nicht, ob ich
den gehoͤrigen Mund habe Chriſtum JEſum zu eſſen; So pruͤffe dich
derohalben, wer du immer biſt, ob du den ſeelig-machenden Glau-
ben habeſt, der bey dieſer Mahlzeit ſo ſehr dienlich iſt. Es iſt leicht
zu trachten, daß der Glaube in einem GOTT- und Gnaden-loſen
Welt-Kind nicht iſt, zumahlen wo kein Verlangen nach Chriſto
JEſu iſt: Dieſes aber iſt einiger maſſen ſchwer zu wiſſen, ob ein
Menſch, der etwelche Begierde und Freude uͤber Chriſto JEſu hat,
im wahren Glauben ſtehe und ob er nicht beſorglich nur den Zeit-
Glauben habe, davon die Gefahr um ſo viel groͤſſer iſt als weniger
der Zeit-Glaub Chriſtum JEſum genieſſen kan; es mag freylich mit
einem ſo weit kommen, daß er die unausſprechliche himmliſche Gabe
koſte, allein das iſt noch nicht eſſen; So ſehet dann, woran ihr den
wahren Glauben erkennen koͤnnet 1. muͤſſet ihr euer Hertz unterſu-
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nach der Rechtfertigung, nach der Heiligung und nach dem Him-
mel. 2. Welche unter dieſen dreyen die ſtaͤrckſte und dominante oder
herrſchende ſeye. 3. Das Hertz muß auf die Prob geſetzt ſeyn, al-
lermaſſen die Zeit der Anfechtung ans Licht bringt, was im Fin-
ſteren verborgen ware.
§. 13. Habt ihr hiemit alle drey Begierden, dann der Zeit-Glau-
bige verlanget wohl von GOttes Zorn, Tod und Hoͤll erloͤßt zu wer-
den, davon er ſich auch ein Tod-Bild macht, maſſen ſein Glaub nur
ein gemahleter Baum iſt, der keinen Abwechslungen unterworffen,
Sommer und Winter gleich; auch Bluͤte, Blaͤtter und Fruͤchte
nur im bildlichen Gemaͤld hat ohne ſchweres Leiden, davon der rech-
te, wahre Baum vieles erzehlen koͤnnte, was und wie mancherley
Hitz, Froſt, Sturm, rauhe Wind er das gantze Jahr habe ausge-
ſtanden, ehe er zu reiffer Frucht kommen ſeye, wie er ſich keinem
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1074. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1170>, abgerufen am 22.11.2024.
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