Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Die geistliche Vermählung JEsu

Denn daß man anfähet zu lieben, ist nicht so grosse Kunst, aber in
der Liebe bleiben, das ist die rechte Kunst und Tugend; Denn gleich
wie offt im ehelichen Stand viel zusammen kommen, so sich unter-
einander erstlich für grosser Liebe und Brunst fressen wollen, und
darnach einander tod-feind werden, also gehets auch unter Chri-
sten, daß etwa aus geringer Ursach die Liebe zertrennet wird und die
so am hartesten sollten zusammen setzen und halten, von einander
reisset, daß die ärgsten, bittersten Feinde draus werden. Das ist
denn deß Teufels Freud und Lust, daß er die Liebe zerrüttet, die
doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum
höchsten preiset 1 Cor. 13. Ja JESUS setzet sich und seinen Vat-
ter zum Fürbild a, und sagt

Mein Vatter liebet mich also, daß er seine Macht und
Gewalt alle an mich setzt; Läßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was
ich thue und leide, deß nimmt er sich an als geschehe es ihm, und
wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren über alle Ding
machen, und seine Göttliche Majestät gar an mir verklären.
Also, spricht Christus, liebe ich euch/ denn ich lasse euch
nicht in euern Sünden und Tod, sondern setze mein Leib und
Leben für euch daß ich euch, daraus helffe, und hänge meine Reinig-
keit, Heiligkeit, Sterben und Auferstehen, und was ich vermag,
alles an euch, darum bleibet auch in solcher meiner Liebe unterein-
ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von
mir zu fallen, so haltet doch feste und leidet euch: Lasset meine Liebe
stärcker, grösser und mächtiger seyn denn das Leid oder Schmertzen,
so ihr fühlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu setzen um
meinet willen, daß er euch traurig, müd und ungedultig mache; daß
ihr sollet ablassen und sagen, ich wollte, daß ich solches nie ange-
fangen hätte: Denn Fleisch und Blut ist Fleisch und Blut und stosset
einen jeglichen für den Kopf, daß er so viel Verachtung, Undanck,
Verfolgung und Gefahr sehen und leiden soll für Liebe und Wohl-
that, das macht einmahl Unlust und Uberdruß.

Aber es heißt, nicht also, laß dich den Teufel, Welt und dein
eigen Fleisch nicht übertäuben, sondern dencke, wie ich dich geliebt
habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch

mich
a Joh. XV. 9.
Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu

Denn daß man anfaͤhet zu lieben, iſt nicht ſo groſſe Kunſt, aber in
der Liebe bleiben, das iſt die rechte Kunſt und Tugend; Denn gleich
wie offt im ehelichen Stand viel zuſammen kommen, ſo ſich unter-
einander erſtlich fuͤr groſſer Liebe und Brunſt freſſen wollen, und
darnach einander tod-feind werden, alſo gehets auch unter Chri-
ſten, daß etwa aus geringer Urſach die Liebe zertrennet wird und die
ſo am harteſten ſollten zuſammen ſetzen und halten, von einander
reiſſet, daß die aͤrgſten, bitterſten Feinde draus werden. Das iſt
denn deß Teufels Freud und Luſt, daß er die Liebe zerruͤttet, die
doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum
hoͤchſten preiſet 1 Cor. 13. Ja JESUS ſetzet ſich und ſeinen Vat-
ter zum Fuͤrbild a, und ſagt

Mein Vatter liebet mich alſo, daß er ſeine Macht und
Gewalt alle an mich ſetzt; Laͤßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was
ich thue und leide, deß nimmt er ſich an als geſchehe es ihm, und
wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren uͤber alle Ding
machen, und ſeine Goͤttliche Majeſtaͤt gar an mir verklaͤren.
Alſo, ſpricht Chriſtus, liebe ich euch/ denn ich laſſe euch
nicht in euern Suͤnden und Tod, ſondern ſetze mein Leib und
Leben fuͤr euch daß ich euch, daraus helffe, und haͤnge meine Reinig-
keit, Heiligkeit, Sterben und Auferſtehen, und was ich vermag,
alles an euch, darum bleibet auch in ſolcher meiner Liebe unterein-
ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von
mir zu fallen, ſo haltet doch feſte und leidet euch: Laſſet meine Liebe
ſtaͤrcker, groͤſſer und maͤchtiger ſeyn denn das Leid oder Schmertzen,
ſo ihr fuͤhlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu ſetzen um
meinet willen, daß er euch traurig, muͤd und ungedultig mache; daß
ihr ſollet ablaſſen und ſagen, ich wollte, daß ich ſolches nie ange-
fangen haͤtte: Denn Fleiſch und Blut iſt Fleiſch und Blut und ſtoſſet
einen jeglichen fuͤr den Kopf, daß er ſo viel Verachtung, Undanck,
Verfolgung und Gefahr ſehen und leiden ſoll fuͤr Liebe und Wohl-
that, das macht einmahl Unluſt und Uberdruß.

Aber es heißt, nicht alſo, laß dich den Teufel, Welt und dein
eigen Fleiſch nicht uͤbertaͤuben, ſondern dencke, wie ich dich geliebt
habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch

mich
a Joh. XV. 9.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f1270" n="1174"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die gei&#x017F;tliche Verma&#x0364;hlung JE&#x017F;u</hi> </fw><lb/>
          <p>Denn daß man anfa&#x0364;het zu lieben, i&#x017F;t nicht &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Kun&#x017F;t, aber in<lb/>
der Liebe bleiben, das i&#x017F;t die rechte Kun&#x017F;t und Tugend; Denn gleich<lb/>
wie offt im ehelichen Stand viel zu&#x017F;ammen kommen, &#x017F;o &#x017F;ich unter-<lb/>
einander er&#x017F;tlich fu&#x0364;r gro&#x017F;&#x017F;er Liebe und Brun&#x017F;t fre&#x017F;&#x017F;en wollen, und<lb/>
darnach einander tod-feind werden, al&#x017F;o gehets auch unter Chri-<lb/>
&#x017F;ten, daß etwa aus geringer Ur&#x017F;ach die Liebe zertrennet wird und die<lb/>
&#x017F;o am harte&#x017F;ten &#x017F;ollten zu&#x017F;ammen &#x017F;etzen und halten, von einander<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;et, daß die a&#x0364;rg&#x017F;ten, bitter&#x017F;ten Feinde draus werden. Das i&#x017F;t<lb/>
denn deß Teufels Freud und Lu&#x017F;t, daß er die Liebe zerru&#x0364;ttet, die<lb/>
doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten prei&#x017F;et 1 Cor. 13. Ja JESUS &#x017F;etzet &#x017F;ich und &#x017F;einen Vat-<lb/>
ter zum Fu&#x0364;rbild <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Joh. XV.</hi> 9.</note>, und &#x017F;agt</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mein Vatter liebet mich</hi> al&#x017F;o, daß er &#x017F;eine Macht und<lb/>
Gewalt alle an mich &#x017F;etzt; La&#x0364;ßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was<lb/>
ich thue und leide, deß nimmt er &#x017F;ich an als ge&#x017F;chehe es ihm, und<lb/>
wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren u&#x0364;ber alle Ding<lb/>
machen, und &#x017F;eine Go&#x0364;ttliche Maje&#x017F;ta&#x0364;t gar an mir verkla&#x0364;ren.<lb/><hi rendition="#fr">Al&#x017F;o,</hi> &#x017F;pricht Chri&#x017F;tus, <hi rendition="#fr">liebe ich euch/</hi> denn ich la&#x017F;&#x017F;e euch<lb/>
nicht in euern Su&#x0364;nden und Tod, &#x017F;ondern &#x017F;etze mein Leib und<lb/>
Leben fu&#x0364;r euch daß ich euch, daraus helffe, und ha&#x0364;nge meine Reinig-<lb/>
keit, Heiligkeit, Sterben und Aufer&#x017F;tehen, und was ich vermag,<lb/>
alles an euch, darum bleibet auch in &#x017F;olcher meiner Liebe unterein-<lb/>
ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von<lb/>
mir zu fallen, &#x017F;o haltet doch fe&#x017F;te und leidet euch: La&#x017F;&#x017F;et meine Liebe<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rcker, gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er und ma&#x0364;chtiger &#x017F;eyn denn das Leid oder Schmertzen,<lb/>
&#x017F;o ihr fu&#x0364;hlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu &#x017F;etzen um<lb/>
meinet willen, daß er euch traurig, mu&#x0364;d und ungedultig mache; daß<lb/>
ihr &#x017F;ollet abla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;agen, ich wollte, daß ich &#x017F;olches nie ange-<lb/>
fangen ha&#x0364;tte: Denn Flei&#x017F;ch und Blut i&#x017F;t Flei&#x017F;ch und Blut und &#x017F;to&#x017F;&#x017F;et<lb/>
einen jeglichen fu&#x0364;r den Kopf, daß er &#x017F;o viel Verachtung, Undanck,<lb/>
Verfolgung und Gefahr &#x017F;ehen und leiden &#x017F;oll fu&#x0364;r Liebe und Wohl-<lb/>
that, das macht einmahl Unlu&#x017F;t und Uberdruß.</p><lb/>
          <p>Aber es heißt, nicht al&#x017F;o, laß dich den Teufel, Welt und dein<lb/>
eigen Flei&#x017F;ch nicht u&#x0364;berta&#x0364;uben, &#x017F;ondern dencke, wie ich dich geliebt<lb/>
habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1174/1270] Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu Denn daß man anfaͤhet zu lieben, iſt nicht ſo groſſe Kunſt, aber in der Liebe bleiben, das iſt die rechte Kunſt und Tugend; Denn gleich wie offt im ehelichen Stand viel zuſammen kommen, ſo ſich unter- einander erſtlich fuͤr groſſer Liebe und Brunſt freſſen wollen, und darnach einander tod-feind werden, alſo gehets auch unter Chri- ſten, daß etwa aus geringer Urſach die Liebe zertrennet wird und die ſo am harteſten ſollten zuſammen ſetzen und halten, von einander reiſſet, daß die aͤrgſten, bitterſten Feinde draus werden. Das iſt denn deß Teufels Freud und Luſt, daß er die Liebe zerruͤttet, die doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum hoͤchſten preiſet 1 Cor. 13. Ja JESUS ſetzet ſich und ſeinen Vat- ter zum Fuͤrbild a, und ſagt Mein Vatter liebet mich alſo, daß er ſeine Macht und Gewalt alle an mich ſetzt; Laͤßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was ich thue und leide, deß nimmt er ſich an als geſchehe es ihm, und wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren uͤber alle Ding machen, und ſeine Goͤttliche Majeſtaͤt gar an mir verklaͤren. Alſo, ſpricht Chriſtus, liebe ich euch/ denn ich laſſe euch nicht in euern Suͤnden und Tod, ſondern ſetze mein Leib und Leben fuͤr euch daß ich euch, daraus helffe, und haͤnge meine Reinig- keit, Heiligkeit, Sterben und Auferſtehen, und was ich vermag, alles an euch, darum bleibet auch in ſolcher meiner Liebe unterein- ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von mir zu fallen, ſo haltet doch feſte und leidet euch: Laſſet meine Liebe ſtaͤrcker, groͤſſer und maͤchtiger ſeyn denn das Leid oder Schmertzen, ſo ihr fuͤhlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu ſetzen um meinet willen, daß er euch traurig, muͤd und ungedultig mache; daß ihr ſollet ablaſſen und ſagen, ich wollte, daß ich ſolches nie ange- fangen haͤtte: Denn Fleiſch und Blut iſt Fleiſch und Blut und ſtoſſet einen jeglichen fuͤr den Kopf, daß er ſo viel Verachtung, Undanck, Verfolgung und Gefahr ſehen und leiden ſoll fuͤr Liebe und Wohl- that, das macht einmahl Unluſt und Uberdruß. Aber es heißt, nicht alſo, laß dich den Teufel, Welt und dein eigen Fleiſch nicht uͤbertaͤuben, ſondern dencke, wie ich dich geliebt habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch mich a Joh. XV. 9.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1270
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1270>, abgerufen am 22.11.2024.